1. Die vielen Gesichter der Muse
„O Herrin Muse, meine Mutter“.
Schon immer beschäftigte sich die Menschheit mit der Frage nach dem Ursprung
von Kreativität, Ideen und künstlerischer Inspiration. Seit der Antike gelten
Musen als göttliche Inspirationsquellen für Künstler. Gegenstand dieser
Untersuchung sind die Manifestationen einer Muse in der Lyrik des Silbernen
Zeitalters und vor allem im lyrischen Schaffen Anna Achmatovas und Marina
Cvetaevas. Vorerst ist es jedoch notwendig einen großen Schritt in die
Vergangenheit zu machen, um das Wesen der Muse begreifen zu können. Eines
der bekanntesten antiken Narrativa, das vom Zusammenhang zwischen Kunst und
musischer Inspiration handelt, ist der Pegasus-Mythos.
„Pegasus, das geflügelte Pferd, ist seit jeher ein beliebtes Motiv in der Kunst und Symbol für dichterische Inspiration. Es sprang aus dem Haupt der Gorgone Medusa hervor, als Perseus dieses abschlug. Der Meeresgott Poseidon hatte Pegasus mit ihr gezeugt. Sogleich erhob es sich in die Lüfte und begab sich zu Zeus, dem es Blitz und Donner trägt. Ovid erzählt in seinen 'Metamorphosen' aber auch, dass das Pferd mit seinem Hufschlag eine Quelle im Helikon-Gebirge im griechischen Böotien zum Sprudeln brachte. Sie war den neun Musen heilig und das Trinken aus dieser Quelle regte die dichterische Phantasie an.“
Die besagte Quelle existiert laut dem Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Raoul Schrott auch heutzutage noch unter dem Gipfel des Helikon. Diese ist mittlerweile etwa 3000 Jahre alt.
Ebenfalls bekannt ist die erwähnte Vorstellung von den neun göttlichen Musen,
die „die bildende Kunst […] immer von neuem und oft in hochbedeutsamer
Anschauung vor Augen geführt“ hat – doch woher kommt diese genau?
Interessant erscheint in diesem Zusammenhang ein hellenistisches Relief. „Es ist die sogenannte 'Apotheose Homers', die ein unbekannter Dichter im zweiten
Jahrhundert v. Chr. zum Dank für einen Sieg im Dichterwettstreit in ein Heiligtum des Apollon und der Musen gestiftet hat.“ Die neun Musen sind die Töchter von Zeus und seiner Gattin Mnemosyne, der Göttin der Erinnerung. Doch trotz dieser Tatsache gibt es im Grunde nur eine Muse. Wie der Althistoriker Walter Otto hervorhebt, gab es laut Plato sogar eine zehnte Muse, und zwar Sappho.
Dieser halb-mythischen Figur der antiken Dichterin begegnet man unter anderem
auch in Cvetaevas Werk...
Inhaltsverzeichnis
- Die vielen Gesichter der Muse
- Cvetaevas Muse
- Die Rolle der personifizierten Muse in Marina Cvetaevas Lyrik
- Der lyrische Sommer Cvetaevas und Gronskijs
- Cvetaeva und der Erzengel Blok
- Cvetaevas 'Klage-Muse' Achmatova
- Cvetaeva zwischen Rilke und Pasternak
- Cvetaeva und die weibliche Liebe
- Die Rolle der personifizierten Muse in Marina Cvetaevas Lyrik
- Achmatovas Muse
- Die Rolle der personifizierten Muse in Anna Achmatovas Lyrik
- Die 'zärtliche Europäerin' und Mandel'gtam
- Achmatovas tanzende Salome
- Achmatovas Carevie Gurnilev
- Achmatovas Lehrer Nedobrovo und der Ring für Anrep
- Achmatovas Harlekin Blok
- Die Rolle der personifizierten Muse in Anna Achmatovas Lyrik
- Cvetaevas Moskaubild und Achmatovas Petersburg zwischen anderen musischen Orten
- Die Muse Puskin in Cvetaevas und Achmatovas Werk
- Fazit
- Literaturverzeichnis
- Anhang
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit untersucht die Rolle der Musen in der russischen Dichtung des Silbernen Zeitalters, insbesondere im lyrischen Schaffen von Anna Achmatova und Marina Cvetaeva. Die Arbeit analysiert verschiedene Erscheinungsformen der Muse, sowohl in ihrer traditionellen, antiken Form als göttliche Inspirationsquelle, als auch in ihrer personifizierten Form als konkrete Dichter und Denker, die die Lyrikerinnen inspirierten.
- Die verschiedenen Erscheinungsformen der Muse in der Lyrik des Silbernen Zeitalters
- Die personifizierten Musen von Achmatova und Cvetaeva
- Die Rolle der geografischen Orte als musische Inspiration
- Die Bedeutung der Intertextualität für die Darstellung der Musen
- Die Rolle der Muse Puškin im Werk von Achmatova und Cvetaeva
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die verschiedenen Gesichter der Muse, beginnend mit ihrer antiken Bedeutung als göttliche Inspirationsquelle. Es werden die neun Musen der griechischen Mythologie, der Pegasus-Mythos und die Rolle der Muse als Sprechende und Singende vorgestellt.
Das zweite Kapitel widmet sich Cvetaevas Muse, die in ihrer Lyrik sowohl in ihrer traditionellen als auch in ihrer personifizierten Form auftritt. Das Kapitel beleuchtet die Rolle der Natur als musische Inspiration, den Schöpfungsprozess des Dichters und die Bedeutung des Sehertums in Cvetaevas Werk.
Das dritte Kapitel analysiert die personifizierten Musen in Cvetaevas Lyrik, insbesondere ihre Beziehungen zu Gronskij, Blok, Rilke und Pasternak. Es werden die Gedichte, die Cvetaeva ihren Musen widmete, analysiert und deren wechselseitige Inspiration beleuchtet.
Das vierte Kapitel widmet sich Achmatovas Muse, die in ihren Werken in verschiedenen Gestalten auftritt. Das Kapitel untersucht die Rolle der Muse in der Gestalt von Mandel'stam, der tanzenden Salome, Gumilev, Nedobrovo und Anrep sowie Blok. Es wird die Bedeutung der Muse in Achmatovas Lyrik und die Intertextualität zwischen ihren Werken und denen ihrer Musen beleuchtet.
Das fünfte Kapitel untersucht die Rolle der geografischen Orte als musische Inspiration in Cvetaevas und Achmatovas Lyrik. Es werden die Städte Moskau und St. Petersburg als musische Orte analysiert und deren Bedeutung für das lyrische Schaffen der beiden Dichterinnen beleuchtet.
Das sechste Kapitel widmet sich der Muse Puškin im Werk von Cvetaeva und Achmatova. Es werden die verschiedenen Elemente in ihren Werken, die auf Puškin zurückzuführen sind, analysiert und die Rolle der gemeinsamen Muse für das lyrische Schaffen der beiden Dichterinnen beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Rolle der Musen in der russischen Dichtung des Silbernen Zeitalters, die personifizierte Muse, die geografische Muse, die Intertextualität und die Bedeutung von Puškin für das lyrische Schaffen von Achmatova und Cvetaeva. Die Arbeit beleuchtet die verschiedenen Facetten der musischen Inspiration und die komplexen Beziehungen zwischen den Lyrikerinnen und ihren Musen.
- Cvetaevas Muse
- Quote paper
- M. A. Olga Levina (Author), 2011, Die Rolle der Musen in der russischen Dichtung des Silbernen Zeitalters, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178561