Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1. Einleitung
2. Die islamischen Grundprinzipien
2.1. Die islamische Ordnung
2.1.1. Die islamische Religion
2.1.2. Das islamische Recht
2.1.3. Das islamische Wirtschaftssystem
2.2. Prinzipien und Verbote im islamischen Bank- und Finanzwesen
2.2.1. Verbotene Handlungsweisen des Islamic Banking
2.2.2. Alternative Lösungen im Islamic Banking für shariakonforme Geschäfte
2.3. Die Entwicklung des Islamic Banking
2.4. Marktpotenziale des Islamic Banking in Europa
3. Islamische Finanzinstrumente und Indizes
3.1. Islamische Bonds
3.1.1. Aufbau und Verwendung von islamischen Bonds
3.1.2. Stichting Sachsen-Anhalt Trust
3.2. Islamische Investmentfonds
3.2.1. Screeningprozess und Entwicklung islamischer Investmentfonds
3.2.2. Traditionelle Performancemaße
3.2.3. Performance islamischer Investmentfonds am Beispiel Deutschland
3.3. Islamische Indizes
3.3.1. Islamische Aktienindizes
3.3.2. Islamische Anleihenindizes am Beispiel des Dow Jones Citigroup Sukuk Index
3.4. Finanzinstrumente und Geschäfte im Islamic Banking
4. Schlussbetrachtung
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung europäischer Länder
Abbildung 2: Ablauf des Stichting Sachsen-Anhalt Trust
Abbildung 3: Anzahl Islamischer Fonds im Zeitraum zwischen 2000 und
Abbildung 4: Wertentwicklung Islamic Global Equity Opportunities und MSCI World
Abbildung 5: Wertentwicklung des Islamic Global Emerging Markets Equity und des MSCI World
Abbildung 6: Wertentwicklung Al-Sukoor European Equity Fund und DJ EuroStoxx
Abbildung 7: Wertentwicklung des DJIMWS und des MSCI World Index
Abbildung 8: Wertentwicklung des DJIME und des Dow Jones EuroStoxx
Abbildung 9: Wertentwicklung des DJIMAP und des Dow Jones Asia/Pacific
Abbildung 10: Wertentwicklung Sukuk Index und Dow Jones Corporate Bond Index
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Entwicklung des Sukukvolumens und der Anzahl von Sukuk
Tabelle 2: Kennzahlen des Islamic Global Equity Opportunities und MSCI World Index
Tabelle 3: Kennzahlen Islamic Global Emerging Markets Equity und MSCI World
Tabelle 4: Kennzahlen des Al-Sukoor European Equity Fund und DJ EuroStoxx
Tabelle 5: Kennzahlen islamischer und konventioneller Indizes
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Durch eine immer stärker zunehmende Verflechtung internationaler Beziehungen zwischen einzelnen Staaten, aber auch zwischen Unternehmen und Institutionen, gewinnen junge Geschäftsbereiche zunehmend an Bedeutung. Insbesondere Länder, deren Bevölkerung vorwiegend islamisch geprägt ist, erlangen auf den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten eine immer größere Bedeutung. Durch die enge Bindung der Menschen zur Religion in diesen Ländern ergeben sich jedoch weitreichende Implikationen für die Finanz-
und Wirtschaftssysteme.[1] Dies hat zur Folge, dass sich auch die Bankensysteme den
religiösen Rahmenbedingungen anpassen müssen.
Der daraus erwachsende Geschäftszweig wird als Islamic Banking bezeichnet. Das Ziel des Islamic Banking ist, alle Finanzgeschäfte und Produkte nach den Grundsätzen des islamischen Rechts auszurichten. Während es in den vergangen Jahrzehnten lediglich von geringer Präsenz war, hat sich das Islamic Banking in den letzten Jahren zu einem der wachstumsstärksten Geschäftsbereiche entwickelt. Insbesondere etablierte Finanzinstitute, die bis vor Kurzem nur konventionelle Bankgeschäfte betrieben, haben das Potenzial erkannt und widmen sich neben dem konventionellen Geschäft zunehmend dem Islamic Banking.[2]
Die folgende Arbeit beschäftigt sich zunächst mit den islamischen Grundprinzipien, welche die Grundlage für das Islamic Banking bilden. Dabei wird näher auf die islamische Religion, das islamische Recht und das Wirtschaftssystem eingegangen. Weiterhin werden die Grundprinzipien und Verbote des Bank- und Finanzwesens betrachtet. Das Ziel ist dabei, einen Überblick zu geben, welche Dinge durch die islamische Religion beachtet werden müssen und welche Probleme sich daraus ergeben. Des Weiteren wird das Marktpotenzial in Europa, insbesondere in Deutschland näher fokussiert, um zu zeigen welche Chancen und Risiken durch das Islamic Banking bestehen. In dieser Arbeit werden zudem Finanzinstrumente vorgestellt, die im konventionellen System bekannt sind, aber nach islamischen Prinzipien anders strukturiert werden müssen. Ein wichtiger Punkt bildet die Performancemessung Deutscher Islamfonds und die Untersuchung islamischer Indizes um aus deren Verlauf, Unterschiede oder Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Ferner wird die Frage untersucht, ob sich durch die islamkonforme Zusammensetzung Vorteile während der Finanzkrise ergeben.
2. Die islamischen Grundprinzipien
2.1. Die islamische Ordnung
2.1.1. Die islamische Religion
Der heutige Islam gehört zu den meist verbreiteten Religionen der Welt. Nach dem Christentum, mit geschätzten 2 Milliarden Gläubigen, ist der Islam mit ca. 1,5 Milliarden Anhängern die zweitgrößte Glaubensrichtung der Erde.[3] Das Wort Islam stammt aus dem Arabischen und bedeutet „Unterwerfung“[4] oder „Ergebenheit in den Willen Gottes“[5]. Die Anhänger des Islams werden als Muslime oder Moslems bezeichnet.
Der Islam ist in den Jahren zwischen 610 und 632 n.Chr. entstanden. Wobei als Gründer der Prophet Mohammed gilt. Im alter von vierzig Jahren erschien Mohammed der Erzengel Gabriel. Über die folgenden zwanzig Jahre empfing er von ihm die Heilige Schrift des Islams, den Koran.[6] Diese erhaltenen Schriften begann er langsam zu verkünden. Da jedoch die Vielgötterei herrschte, und sich seine Botschaften gegen diese richteten, musste Mohammed aus seiner Geburtsstadt Mekka auswandern. Durch diesen Auszug aus Mekka beginnt die islamisch Zeitrechnung und somit die Gründung des Islam als Religion. Derzeit ist im islamischen Kalender das Jahr 1432.[7]
Die Bedeutung des Islams geht, anders als in anderen Religionen, deutlich über den eigentlichen Religionsbegriff hinaus. Der Islam bildet ein eigenes rechtliches, politisches und wirtschaftliches System, nach dem sich jeder Muslim richten muss.[8] Die Ausrichtung des täglichen Lebens erfolgt nach den fünf „Säulen des Islam“. Die erste Säule ist das Glaubensbekenntnis (shahäda) in dem bezeugt wird, dass kein Gott außer Allah existiert und dass Mohammed von ihm gesandt wurde. Die zweite Säule ist das Gebet (salät). Danach muss jeder Muslim fünfmal am Tag, nach einem öffentlichen Aufruf, beten. Die dritte Säule ist das Geben von Almosen (Zakat). Die vierte Säule ist das Fasten im Monat Ramadan. Außerdem besagt die fünfte Säule, dass ein Muslim einmal in seinem Leben eine Fahrt nach Mekka unternehmen muss.[9]
Die sich daraus ergebenden Implikationen für Muslime sind gravierend. Diese Auswirkungen beziehen sich ebenso auf das tägliche Leben wie auf Finanzgeschäfte von Muslimen. Ein Moslem folgt in allen Alltagsbereichen den Regeln des islamischen Rechts. Folglich müssen im Islamic Banking neue Wege entwickelt werden, um Finanzprodukte und Geschäfte nach islamischem Recht auszurichten. Um diese Besonderheiten näher zu betrachten, wird im folgenden Kapitel auf das islamische Recht und deren Quellen eingegangen.
2.1.2. Das islamische Recht
Anders als in westlichen Ländern kommt dem Recht in islamischen Gesellschaften eine umfassendere Bedeutung zu. Das islamische Recht leitet sich, anders als in westlichen Ländern, von religiösen Schriften bzw. Handlungen ab. Im Islam sind zwei bedeutende Bereiche des Rechts vorhanden. Dies sind die Sharia und die Fiqh.[10] Der Inhalt der Sharia besteht aus der Pflichtenlehre aller Muslime. In der Sharia sind allumfassende Bereiche des täglichen Lebens geregelt, die auch den individuellen Persönlichkeitsbereich betreffen. Die Quelle der Sharia beruht auf der „göttlichen Offenbarung“[11]. Deshalb ist sie zwar islamisches Recht, aber nicht mit dem westlichen Rechtsbegriff zu vereinen. Somit stellt sie aus westlicher Sicht eher einen Normenwegweiser dar.[12] Jedoch ist festzuhalten, dass dieses Wertesystem weltweit von jedem Moslem einzuhalten ist.
Die Fiqh hingegen beinhaltet alle zusammengetragenen Rechtsquellen. Diese untergliedert sich in zwei Teile. Zum einen die Fiqh`Ibadah, welche das Verhältnis zwischen Muslimen und Gott regelt und zum anderen in die Fiqh Mu`amalat. Darin sind die Umgangsweisen der Menschen untereinander beschrieben. Die Unterscheidung der Rechtsbereiche wird durch Bergmann deutlich erläutert: „Die Abgrenzung zwischen Scharia und Fiqh lässt sich deutlich erklären, denn die Scharia ist ein wichtiger Impulsgeber für die islamische Jurisprudenz (Fiqh), jedoch ist die Scharia nicht justiziabel“.[13] Somit ist die Fiqh eher mit dem kodifizierten Recht westlicher Staaten zu vergleichen.
Die Quellen islamischen Rechts unterteilen sich in vier Bereiche, die in absteigender Form anzuwenden sind. Die übergeordnete Primärquelle ist das heilige Buch des Islams, der Koran. In ihm sind die offenbarten Worte Gottes niedergeschrieben. Die zweite wichtigste Primärquelle islamischen Rechts ist die Sunna. In ihr sind Verhaltensweisen und Äußerungen des Propheten Mohammed zusammengetragen. Nachgelagert als dritte Quelle ist die Ijma. Diese beschreibt rechtliche Fragen, welche weder im Koran noch in der Sunna zusammengetragen sind. Allerdings muss dafür eine Übereinstimmung von anerkannten islamischen Rechtsgelehrten vorliegen.[14] Als vierte Quelle der islamischen Rechtswissenschaft ist der Qiyas zu nennen. Dieser dient als Analogieschluss, da nicht alle Handlungsaspekte durch den Koran, die Sunna oder die Ijma geklärt werden können. Diese vier Quellen sind die Grundbausteine der islamischen Rechtswissenschaft.[15] Problematisch ist jedoch, dass die Primärquellen sehr alt sind und es dadurch zu unterschiedlichen Auslegungen der Rechtsgelehrten kommt.
2.1.3. Das islamische Wirtschaftssystem
Wie in allen anderen Bereichen ist die Religion auch im wirtschaftlichen System ein grundlegender Faktor. Die grundsätzliche Annahme ist, dass Gott der alleinige Eigentümer der Ressourcen und Güter ist. Dennoch werden dem Menschen die Verfügungsrechte über diese Ressourcen eingeräumt. Folglich sind in islamischen Wirtschaftssystemen private Eigentumsrechte anerkannt. Natürliche Ressourcen obliegen häufig der staatlichen Kontrolle.[16]
Zwischen dem Islam und anderen Systemen gibt es einige Parallelen, aber auch gravierende Unterschiede. Im Islam, sowie in der Planwirtschaft, ist eine der hauptsächlichen Aufgaben die gerechte Verteilung der Güter und des Wohlstandes. Jedoch wird in der Planwirtschaft kein Privateigentum gewährt und es gibt auch keine religiöse Ausrichtung, wie im Islam. Bezüglich des freien Handels, der im Islam wünschenswert ist, gibt es in der Planwirtschaft eine klare staatliche Beschränkung. Das islamische Wirtschaftssystem weist weiterhin Gleichheiten mit der Marktwirtschaft auf. Insbesondere sind Aspekte wie Freiheit und Eigentumsrechte von zentralem Anliegen. Das Wirtschaftssystem des Islams ist der freien Marktwirtschaft ähnlich mit der besonderen Beachtung des sozialen Ausgleichs.[17] Zu unterscheiden ist, dass im Kapitalismus, welcher in einer Marktwirtschaft herrscht, die Gewinnmaximierung an oberster Stelle steht, während im Islam die Maximierung des Wohlstandes der gesamten muslimischen Gesellschaft im Vordergrund steht.[18]
Die Steuerpolitik in islamischen Wirtschaftssystemen ist stark von dem Zakat und der Ertragssteuer abhängig. Der Begriff Zakat steht für die Almosengaben vermögender Muslime und ist einer Vermögensabgabe gleich zu setzten. Dabei ist jeder Muslim verpflichtet 2,5% auf nicht notwendiges Vermögen zu entrichten. Diese Zahlung wird einmal jährlich getätigt, wobei die Bemessungsgrundlage länderspezifisch variiert. Die Ertragssteuer beträgt 10 % und muss auf landwirtschaftliche Erzeugnisse gezahlt werden. Ziel dieser Steuerpolitik ist den sozial schwachen zu helfen.[19]
Die Lenkung der islamischen Wirtschaftssysteme erfolgt, wie in westlichen Ländern, durch Geld- und Fiskalpolitik. Jedoch werden dabei keine Zinsinstrumente verwendet. Die Wirtschaft wird durch Rücklagen aus anderen Jahren gestützt.[20] Die einzigen Länder, die ihr Wirtschaftssystem vollständig nach dem islamischen Recht ausgerichtet haben, sind Pakistan, Sudan und der Iran.[21]
Bei Betrachtung dieser Aspekte wird deutlich, dass Wirtschaftssysteme in islamischen Gesellschaften ähnlich der Sozialen Marktwirtschaft funktionieren. Folglich ist eine Zusammen-arbeit mit westlichen Institutionen und Unternehmen, trotz Unterschieden, für beteiligte Parteien von Vorteil.
2.2. Prinzipien und Verbote im islamischen Bank- und Finanzwesen
2.2.1. Verbotene Handlungsweisen des Islamic Banking
Das Islamic Banking bezeichnet die Umsetzung von Finanzierungsmethoden und ökonomischen Handlungen nach den Gegebenheiten des islamischen Rechts. Dazu müssen Produkte und Verhaltensweisen shariakonform ausgerichtet werden.[22] Das Kapital wird zur Verbesserung des Wohlergehens der muslimischen Gemeinschaft eingesetzt. Laut der Sharia soll Vermögen nicht nur angesammelt werden, sondern es muss auch eine soziale und ökonomische Ausgeglichenheit herrschen. Ziel dabei ist, das Unternehmertum und den Tauschverkehr zu förden.[23] Gleichwohl wird deutlich, dass die Normen der Sharia auch im Wirtschaftsleben präsent sind. Die sich ergebenden Implikationen führten dazu, dass speziell für die Muslime eigene Bankprodukte geschaffen wurden, welche der Ethik der Sharia entsprechen.[24]
Das Finanzwesen islamischer Gesellschaften richtet sich, wie bereits betrachtet, nach anderen Gegebenheiten als konventionelle Systeme. So ist es im Islam nicht erlaubt mit Geldmitteln, neues Geld zu erwirtschaften. Aus diesem Grund stellt Geld laut Sharia auch kein Gebrauchsgut dar. Daraus folgt, dass Geld nicht Gegenstand des Handels bzw. als Fertigware verwendet werden darf, sondern lediglich als Mittel zum Tausch.[25]
Das wesentliche Merkmal ist das Verbot des Riba. Das Riba bezeichnet das Zinsverbot oder aber auch das Verbot des Wuchers.[26] Die Interpretation des Riba ist unterschiedlich. So gibt es islamische Juristen, die Riba lediglich als Wucherverbot sehen. Dieses wird nicht nur im Koran erwähnt, sondern ist auch im Recht westlicher Staaten zu finden. Beispielsweise ist im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 138 Abs. 2 BGB) das Verbot gegen sittenwidriges Verhalten und Wucher zu finden. Selbst Adam Smith sprach sich bereits 1776 für ein Verbot des Wuchers aus.[27] Allerdings ist die Auffassung der meisten Gelehrten, dass jede Art von Zins unter das Ribaverbot fällt.[28] Ziel dabei ist, dass Kreditnehmer nicht in eine Schuldenfalle geraten und dass Kreditgeber sich nicht bereichern.[29]
Unter den Begriff des Riba fallen jegliche konventionellen Produkte mit Zinsansprüchen.[30] Die Sanktionierung des staatlichen Ribaverbotes hat im heutigen islamischen Recht nachgelassen. Die meisten muslimischen Länder, ausgenommen Pakistan und Saudi-Arabien, beachten das Ribaverbot im globalen Tauschverkehr nicht als notwendige Komponente islamischen Rechts.[31]
Ein weiteres Verbot ist Gharar. Dieses bezieht sich auf jede Art von Spekulationen.[32] Unter den Spekulationsbegriff fallen Unsicherheiten und Risiken. Spekulation bezieht sich hierbei nicht nur auf Aktivitäten an Finanzmärkten, sondern auch auf Handelsgeschäfte, welche unsichere Bestandteile enthalten. Zu unterscheiden ist dabei, ob ein Vertag geringe oder wesentliche Unsicherheit enthält. Wenn in einem Vertragswerk nur unwesentliche Unsicherheiten vorliegen, dann wird dieser als Gharar yasir bezeichnet und er ist nicht insgesamt unwirksam. Als Gharar fahish werden Verträge verstanden, welche wesentliche Unsicherheiten und Risiken enthalten. Diese sind grundsätzlich verboten. Eine pauschale Aussage, welche Verträge unwirksam sind, ist nicht möglich. Im Einzelfall sind die Vertragskomponenten bezüglich der Lieferzeit, des Kaufpreises und der Zahlungsmodalitäten zu prüfen.[33] Ein Grundsatz, der dabei beachtet wird, ist die „Heiligkeit der Verträge“[34].
Ein drittes bindendes Verbot ist Maysir. Dies bezeichnet das Glückspielverbot.[35] Maysir hat Parallelen zur Riba und Gharar und wird deshalb häufig als Unterpunkt genannt. Dazu zählen auch Aktivitäten im Handel und bei Versicherungen, welche einen zufälligen Ausgang annehmen können. Weiterhin darf nicht in Unternehmen investiert werden, deren operatives Geschäft sich mit einer Form von Glücksspiel beschäftigt.[36]
Jeder Muslim, der sein Vermögen investieren möchte, muss diese drei Grundprinzipien beachten. Sie führen dazu, dass Muslime ihr Vermögen meist nicht in Produkten konventioneller Banken anlegen können. Daher muss darauf geachtet werden, in welche Bereiche investiert wird. Laut der Sharia gibt es bestimmte Sektoren, die Ausschlusskriterien unterliegen. Es ist strikt untersagt mit solchen Bereichen Tauschverkehr durchzuführen oder sonstige Geschäfte zu treiben. In Anlehnung an die Sharia wird bei verbotenen Handlungen von Haram gesprochen.[37]
Branchen die unter Haram fallen, produzieren oder handeln mit Alkohol, Tabak oder Schweinefleisch. Aber auch Unternehmen, die in einer Form mit Glücksspiel, Prostitution, Nachtclubs oder Pornografie zu tun haben, können keine Investitionsobjekte sein. Des Weiteren darf auch nicht in konventionelle Finanzdienstleister, Banken oder Versicherungen investiert werden, da dort Zinsgeschäfte oder Spekulationen betrieben werden und zum Teil hohe Risiken herrschen. Handlungen, die laut der Sharia nicht verboten sind, werden als Halal bezeichnet.[38]
Ebenso ist es verboten in Unternehmen zu investieren, die eine hohe Verschuldung aufweisen. Unternehmen, die einen hohen Fremdkapitalanteil besitzen, zählen laut Gharar als sehr risikobehaftet. Eine generelle Aussage ist allerdings nicht zu treffen, welcher Verschuldungsgrad zu viel Risiko trägt. Im Einzelfall entscheidet das jeweilige Sharia Board, welches in Kapitel 2.2.2 näher behandelt wird, ob die Investition im Einklang mit dem islamischen Recht steht.[39] Investitionen können über Aktienkäufe erfolgen. Diese sind laut islamischem Recht nicht verboten, da keine Auszahlung von Zinsen, sondern von Dividenden erfolgt. Beachtet werden muss, dass die Investitionsobjekte Halal sind.[40]
2.2.2. Alternative Lösungen im Islamic Banking für shariakonforme Geschäfte
Das islamische Finanzwesen (Islamic Finance) wird in drei Bereiche unterteilt. Dazu gehören die Islamic Capital Markets, die Islamic Insurance und das Islamic Banking. Diese Unterteilung richtet sich nach dem Vorbild der Gliederung des westlichen Finanzsystems, wobei im Islamic Finance vom konventionellen System gesprochen wird, wenn das westliche Finanz- oder Wirtschaftssystem gemeint wird.[41]
Während bei konventionellen Bankgeschäften zumeist der Zins als Preis für Dienstleistungen und Produkte verwendet wird, steht im Islamic Banking meist das Prinzip des Profit and Loss Sharing im Fokus. Beim Profit and Loss Sharing geht es darum, dass anders als bei konventionellen Banken, keine Kunden-Bank-Beziehung besteht, sondern dass zwischen den Beteiligten eine Partnerschaft aufgebaut wird.[42] Grundsätzlich werden bei dieser Partnerschaft die entstehenden Gewinne und Verluste im gleichen Verhältnis aufgeteilt. Solche Geschäfte sind beispielsweise, wenn Kapital von einem Investor, an ein Finanzinstitut übertragen wird. Das Institut investiert das Kapital in ein Projekt, welches häufig eine Realinvestition ist. Die daraus entstehenden Gewinne oder Verluste werden nach den Anteilen des eingesetzten Kapitals zwischen dem Investor und dem Finanzinstitut aufgeteilt.[43]
In islamischen Gesellschaften fördert ein solches Verhalten die wirtschaftliche Entwicklung, da insbesondere Realinvestitionen in Infrastrukturprojekte und Unternehmen getätigt werden. Bei solchen Investitionsprojekten muss die Konformität mit dem islamischen Recht bestehen. Ein weiterer Vorteil ergibt sich dadurch, dass die direkte Beteiligung der Finanzinstitute zu einem größeren Anreiz führt, Chancen und Risiken der Investition genauer zu untersuchen. Der Aspekt der Anreizkompatibilität ist somit im Islamic Banking besser gelöst, als bei konventionellen Banken. Weiterhin ist anzumerken, dass durch eine soziale und ethische Ausrichtung, die Problematik des Moral Hazard minimiert wird.[44]
Im Zusammenhang mit Investitionen in Unternehmen agieren die Kapitalgeber im Sinne einer Beteiligungsfinanzierung. Eine solche Finanzierung ist mit Venture-Capital-Gebern in konventionellen Systemen zu vergleichen. Dabei wird meist jungen oder neu gegründeten Unternehmen Eigenkapital zur Verfügung gestellt. Eine solche Aktivität ist zeitlich begrenzt.
Das Ziel ist die Wertsteigerung der eigenen Unternehmensanteile, um diese mit einem Gewinn zu verkaufen.[45] Venture Capital Aktivitäten werden gemäß der Sharia empfohlen, da durch die Beteiligungen Gewinne und Verluste partizipiert werden. Aus westlicher Sicht kommt Venture Capital zum Einsatz, wenn das Projekt für einen Bankkredit zu risikoreich ist. Dieser Aspekt erscheint paradox, da laut dem Verbot von Gharar keine Investitionen in spekulative und unsichere Projekte vorgenommen werden dürfen. Jedoch wurde von islamischen Rechtsgelehrten entschieden, dass solche Investitionen konform mit den Regeln der Sharia sind.[46]
Bei rechtlichen Fragen zur Auslegung oder bei neuen Entwicklungen werden die zuständigen Sharia Bords involviert. Dies sind Komitees, die aus islamischen Rechtsgelehrten bestehen und als Entscheidungs- und Beratungsorgan fungieren. Jedes Finanzinstitut, welches in das Islamic Banking involviert ist, verfügt über solch ein Sharia Board. Die Gelehrten dieses Komitees entscheiden über die Auslegung des islamischen Rechts im Einzelfall.[47]
Ähnlich dem konventionellen System, gibt es auch im Islamic Banking bekannte Einlagengeschäfte wie Girokonten, Sparkonten, Anlagekonten und Kreditkarten. Zu beachten ist auch hierbei die Shariakonformität. Insbesondere Girokonten haben einen wichtigen Wert. Ein solches Girokonto kann nach zwei Prinzipien aufgebaut sein. Zum einen nach dem Wadiah-Prinzip. Dabei werden vom Kunden erbrachte Einlagen verwaltet. Sie können auch zu aktiven Geschäften der Bank verwendet werden, solange diese shariakonform sind. Die Kunden können als Ausgleich Dienstleistungen der Bank in Anspruch nehmen, jedoch bekommen sie keinen Zins. Zum anderen kann nach dem Qard-Hassan-Prinzip gehandelt werden. Dies kann als zinsloser Kredit von dem Einlagengeber an das Finanzinstitut gesehen werden. Die Entlohnung dafür erfolgt meist in monetären Mitteln, die an den Kapitalgeber gezahlt werden.[48]
Die bekannten Dienstleistungen der Banken werden auch hier angeboten. Bezahlt wird meistens mittels Entrichtung von Kontoführungsgebühren.[49] Ein wesentlicher Unterschied ist bezüglich eines Dispositionskredites zu beachten. Im konventionellen Banking sind dafür meist sehr hohe Zinsen zu entrichten. Im Islamic Banking ist dies nicht möglich, da das betrachtete Wucherverbot hier zum Tragen kommt. Dafür wird eine pauschale Gebühr vom Kunden verlangt, wobei der Kunde verpflichtet ist, das Konto innerhalb kürzester Zeit wieder auszugleichen. Bei längerfristigem Unterlassen kann das entsprechende Konto gekündigt werden.[50]
Weitere zu beachtende Dienstleistungen sind Sparkonten und Anlagekonten. Für Sparkonten kann mit der Bank vereinbart werden, dass das angelegte Kapital für kurzzeitige Finanzierungsprojekte verwendet werden darf. Hierbei erfolgt wieder die Gewinn- und Verlustteilung, zwischen Bank und Kapitalgeber. Das Kapital von Anlagekonten wird grundsätzlich durch die Bank zur längerfristigen Finanzierung von Projekten verwendet.[51]
Festzuhalten ist, dass Bankgeschäfte im Islamic Banking anstatt über Zinszahlungen, mit Gebühren abgewickelt werden. Durch die Gewinn- und Verlustteilung wird gleichwohl das Verbot des Riba eingehalten. Statt einen relativen Betrag (Zins) zu entrichten, wird folglich ein absoluter Betrag (Gebühren und Ähnliches) verwendet.
2.3. Die Entwicklung des Islamic Banking
In muslimischen Gesellschaften gibt es bereits seit dem dritten Jahrhundert n.Chr. Formen von Bankgeschäften. Jedoch war deren Funktion nicht vergleichbar mit heutigen Banken. Der Beginn des Islamic Banking wird häufig mit der Gründung der Dubai Islamic Bank, im Jahre 1975 in Verbindung gebracht. Ein erster praktischer Versuch, Bankgeschäfte im Einklang mit islamischem Recht anzubieten, wurde jedoch Anfang der 1960er Jahre unternommen, da 1963 bereits in der ägyptischen Stadt Ghamr ein solches Institut gegründet wurde. Dabei wurden die Prinzipien Gewinn- und Verlustteilung und das Verbot der Riba zum ersten Mal praktisch in einer Bank umgesetzt. Dieses Projekt endete aber bereits 1967. Weiterhin entstand 1971 die Nasir Social Bank in Ägypten, deren Philosophie auf eine Nichtverwendung von Zinszahlungen ausgerichtet war, ohne jedoch auf die Sharia zu verweisen.[52]
Ein entscheidendes Ereignis war die Gründung der Islamic Development Bank, 1975 in Saudi-Arabien. Damit wurde eine supranationale Bank geschaffen, welche zukünftig für die Finanzierung und Unterstützung entwicklungsschwacher islamischer Länder sorgen sollte.[53] In den folgenden Jahren entstand eine Vielzahl weiterer Banken, die sich an den Regeln der Sharia ausrichteten. Insbesondere im Nahen und Mittleren Osten und im asiatischen Pazifikraum wurden viele islamische Banken gegründet. In Europa wurde 1978 in Luxemburg der erste Versuch unternommen, einen Islamic Banking Bereich zu etablieren.[54] Als Hauptgrund für das plötzlich rasante Wachstum des Islamic Banking Sektors ist der starke Anstieg des Ölpreises in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu nennen.[55] Dadurch wuchsen die Vermögen in den Öl exportierenden Ländern, zunehmend an. Zu dieser Zeit richteten Pakistan (1979), Sudan und Iran (beide 1983) ihre Finanzsysteme vollständig nach dem islamischen Recht aus.[56] Bis heute sind dies die einzigen Länder, welche ein komplett islamisches Finanzwesen praktizieren. Alle anderen muslimischen Staaten haben ein duales Finanzsystem, in dem die Banken neben dem konventionellen Geschäft auch das Islamic Banking anbieten. Die Kontrolle über die Islamic Banking Aktivitäten obliegt jeder Bank selbst, wobei die jeweiligen Sharia Boards zum Einsatz kommen.[57]
1996 wurde das Islamic Banking auch von den ersten westlichen Großbanken entdeckt. Vorreiter war die Citibank gefolgt von der HSBC Amanah Bank. Im deutschen Sprachraum waren die Pioniere Deutsche Bank, Commerzbank und die UBS.[58] Derzeit sind in 40 islamischen und westlichen Ländern, ca. 280 islamische Banken aktiv.[59]
[...]
[1] Vgl. Imran (2008), S. 7.
[2] Vgl. Bergmann (2008), S. 19.
[3] Vgl. Spuler-Stegemann (2007), S. 14.
[4] Rida/Rassoul (1997), S. 425.
[5] Öztürk (2000), S. 11.
[6] Vgl. Nagel (2008), S. 87-97.
[7] Vgl. Rida/Rassoul (1997), S. 526.
[8] Vgl Bergmann (2008), S. 22.
[9] Vgl. Antes (2001), S. 16-18.
[10] Vgl. Farah (2003), S. 159-161.
[11] Geilfuß (2009), S. 8.
[12] Vgl. Stoll (1990), S. 10.
[13] Bergmann (2008), S. 25.
[14] Vgl. Farah (2003), S. 192.
[15] Vgl. Bergmann (2008), S. 28.
[16] Vgl. Etemad/Rudolf (2005), S. 6.
[17] Vgl. Imran (2008), S. 19-21.
[18] Vgl. Antes (2001), S. 34,35.
[19] Vgl. Nienhaus (2003), S. 90.
[20] Vgl. Imran (2008), S. 106-111.
[21] Vgl. Solyga (2006), S. 1.
[22] Vgl. Solyga (2006), S. 1.
[23] Vgl. Bergmann (2008), S. 29.
[24] Vgl. Kalisch (2003), S. 105
[25] Vgl. Lysenko/Elschen (2009), S. 288.
[26] Vgl. Bergmann (2008), S. 31.
[27] Vgl. Smith (2007), S. 143.
[28] Vgl. Bälz (2003), S. 2.
[29] Vgl. Lysenko/Elschen (2009), S. 289
[30] Vgl. Geilfuß (2009), S. 10.
[31] Vgl. Bälz (2003), S. 3.
[32] Vgl. Solyga (2006), S. 1.
[33] Vgl. Bergmann (2008), S. 34,35.
[34] Iqbal (1997), S. 43.
[35] Vgl. Solyga (2006), S. 1.
[36] Vgl. Gassner/Wackerbeck (2007), S. 29.
[37] Vgl. Bergmann (2008), S. 37.
[38] Vgl. Lysenko/Elschen (2009), S. 289.
[39] Vgl. Geilfuß (2009), S. 9.
[40] Vgl. Imran (2008), S. 95-98.
[41] Vgl. Ebert/Thießen/Thurner (2008), S. 262.
[42] Vgl. Cobham (1992), S. 241.
[43] Vgl. Lysenko/Elschen (2009), S. 288,289.
[44] Vgl. Bergmann (2008), S. 38-40.
[45] Vgl. Reichling/Beinert/Henne (2005), S. 17.
[46] Vgl. Imran (2008), S. 88,89.
[47] Vgl. Geyer (2002), S. 264.
[48] Vgl. Gassner/Wackerbeck (2007), S. 76-78.
[49] Vgl. Lysenko/Elschen (2009), S. 291.
[50] Vgl. Geilfuß (2009), S. 12.
[51] Vgl. Lysenko/Elschen (2009), S. 291.
[52] Vgl. Ariff (1988), S. 48.
[53] Vgl. Bergmann (2008), S. 44.
[54] Vgl. Ariff (1988), S. 49.
[55] Vgl. Wilson (2007), S. 11.
[56] Vgl. Solyga (2006), S. 1.
[57] Vgl. Iqbal (1997), S. 42.
[58] Vgl. Bergmann (2008), S. 46.
[59] Vgl. Chahboune/El-Mogaddedi (2008), S. 719.