Der lateinamerikanische Subkontinent wird meist mit Krisensituationen assoziiert. Plakative und von den Medien immer wieder aufgegriffene Fälle sind beispielsweise die Währungskrise in Argentinien, der aktuelle Generalstreik in Venezuela, Drogenhandel und eine anscheinend allgemein verbreitete Kultur der Gewalt. Obwohl sich hinter dem Begriff Lateinamerika eine Vielzahl von Ländern verbirgt, die teilweise große Unterschiede in Bevölkerungsstruktur und Größe aufweisen, scheinen sich tendenziell immer wieder ähnlich strukturierte Problem-situationen zu bilden. Die Staaten Lateinamerikas werden seit beinahe 20 Jahren demokratisch regiert – aber die Demokratie ist in vielen Fällen nicht mit der Herstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse Hand in Hand gegangen. Gewalt, Korruption, eine nur auf dem Papier existente Gleichheit der BürgerInnen sind alltägliche Erscheinungen. Auffallend ist, dass viele der Probleme Lateinamerikas auf Regelungsdefizite zurückgeführt werden können. Wird beispielsweise Selbstjustiz als ein großflächig von einer Bevölkerung akzeptiertes Mittel genutzt, obgleich es der Gesetzgebung widerspricht, so demonstriert dieser Zustand deutlich ein Defizit im staatlichen Gewaltmonopol.
In dem vorliegenden Text wird das Konzept der sozialen Anomie als Analyseansatz für den lateinamerikanischen Subkontinent vorgestellt. Dieses Konzept befasst sich mit den gesellschaftlichen Folgen von staatlichen Regulationsdefiziten und deren Rückwirkungen auf die Staatsorganisation.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG:
- 1. DIE ANOMIE NACH DURKHEIM
- 1.1. Die soziale Anomie
- 1.2. Das gesellschaftliche Gleichgewicht und seine Verletzungen
- 1.2.1. Anomie vs. Fatalismus und Individualismus vs. Kollektivismus
- 1.2.2. Regulation: Überregulierung vs. Regulationsdefizit
- 1.3. Zusammenfassung
- 2. DIE SCHWÄCHE LATEINAMERIKANISCHER STAATEN
- 2.1. Anmerkung zum Begriff Lateinamerika
- 2.2. Das Vollzugsdefizit
- 2.3. Vom Vollzugsdefizit zur Anomie - Peter Waldmann
- 2.4. Zusammenfassung
- 3. ANOMIE UND STAAT
- 3.1. Die Anomie-These in bezug auf Lateinamerika nach Waldmann
- 3.2. Der,,anomische Ort“
- 3.3. Zusammenfassung
- 4. FALLBEISPIELE
- 4.1. Anomische Zustände durch ein Regulierungsdefizit im Finanzwesen: Die Inflation in Argentinien
- 4.1.1. Megainflation
- 4.1.2. Hyperinflation
- 4.2. Anomische Zustände durch ein Regulierungsdefizit im Gewaltmonopol: Alltägliche Gewalt in Kolumbien
- 4.2.1. Akteure, Formen und Ketten der Gewalt in Kolumbien
- 4.2.2. Gewalt und gesellschaftliche Strukturbereiche
- 5. FAZIT UND METHODOLOGISCHE ANMERKUNGEN
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Konzept der sozialen Anomie als Analyseansatz für den lateinamerikanischen Subkontinent. Sie untersucht die gesellschaftlichen Folgen von staatlichen Regulationsdefiziten und deren Rückwirkungen auf die Staatsorganisation. Im Fokus steht die These von Peter Waldmann, der argumentiert, dass Staaten in Lateinamerika anomische Zustände gezielt nutzen können, um ihre Macht zu sichern.
- Die soziale Anomie nach Emile Durkheim
- Die Schwäche lateinamerikanischer Staaten
- Der Zusammenhang zwischen Anomie und Staat
- Die These von Peter Waldmann über anomische Staaten in Lateinamerika
- Fallbeispiele aus Argentinien und Kolumbien
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1: Die Anomie nach Durkheim
Dieses Kapitel definiert den Begriff der Anomie nach Emile Durkheim und beschreibt die Folgen von Regelungsdefiziten im sozialen System. Es beleuchtet das gesellschaftliche Gleichgewicht und seine Verletzungen durch anomische Zustände.
Kapitel 2: Die Schwäche lateinamerikanischer Staaten
Dieses Kapitel untersucht die strukturellen Schwächen des lateinamerikanischen Staates, insbesondere das Vollzugsdefizit. Es stellt den Zusammenhang zwischen dem Vollzugsdefizit und der Anomie nach Peter Waldmann dar.
Kapitel 3: Anomie und Staat
Dieses Kapitel präsentiert die Anomie-These in Bezug auf Lateinamerika nach Waldmann und analysiert den „anomischen Ort“, der durch die gezielte Nutzung anomischer Zustände durch den Staat entsteht.
Kapitel 4: Fallbeispiele
Dieses Kapitel verdeutlicht das Anomie-Konzept anhand von zwei Fallbeispielen: der Inflation in Argentinien und der alltäglichen Gewalt in Kolumbien. Es analysiert die anomischen Zustände, die durch Regulierungsdefizite im Finanzwesen und im Gewaltmonopol entstehen.
Schlüsselwörter
Soziale Anomie, Emile Durkheim, Peter Waldmann, Lateinamerika, Staatsbildung, Staatsorganisation, Regulationsdefizit, Vollzugsdefizit, anomischer Staat, Gewaltmonopol, Inflation, Argentinien, Kolumbien, Fallbeispiele.
- Quote paper
- Julia Dombrowski (Author), 2003, Anomische Staaten - ein Analysekonzept für den lateinamerikanischen Kontext, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17883