Schaurige Elemente und ihre Funktionen

Anhand der Alanna-Quadrologie von Tamora Pierce


Hausarbeit, 2011

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die gothic novel
2.1. Geschichte
2.2. Definition
2.3. Funktionen des gothic setting

3. Die Ruinen
3.1. Kontextuelle Einordnung
3.2. Schauerliche Elemente
3.3. Funktion der Szene

4. Die Schwarze Stadt
4.1. Kontextuelle Einordnung
4.2. Schauerliche Elemente
4.3. Funktion der Szene

5. Das Gebirge
5.1. Kontextuelle Einordnung
5.2. Schauerliche Elemente
5.3. Funktion der Szene

6. Konklusion

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Ein Text [ist] dann ein Schauerroman […], wenn er einen sehr hohen Anteil schaueraffiner Bausteine […] besitzt und wenn diese Bausteine […] eine besonders intensive Form von Wirkungsästhetik ausbilden.“[1] Nun ist das Werk, welches in der vorliegend Arbeit näher untersucht werden soll, kein Schauer-, sondern ein Jugendroman. Nimmt man jedoch die vorstehende - etwas allgemein formulierte - Aussage als Schablone und legt sie der Alanna-Quadrologie von Tamora Pierce an, so fällt auf, dass sich dennoch bemerkbar viele Elemente des Schauerromans finden lassen. Drei Szenen weisen sich durch eine besonders hohe Konzentration von Schauerelementen aus. Um Bedeutung und Wirkung dieser Elemente in diesen Szenen zu erschließen, werden sie daher eingehender beleuchtet.

In der vorliegenden Arbeit soll beschrieben werden, welche Funktionen die Schauplätze dieser Szenen sowohl im Einzelnen als auch unter Berücksichtigung des Gesamtwerkes haben. Dabei handelt es sich um drei sowohl in ihrer szenischen Komposition als auch handlungsmarkierenden Eigenschaft augenfällige Episoden. Durch Interpretationsarbeit und Kontextualisierung werden ihre Funktionen ersichtlich. Eine detailliertere Vorab-Definition der gothic novel ermöglicht dabei die einfache Identifizierung schauerlicher Elemente.

Weitere in dem Primärwerk einzeln auftauchende schauerliche Komponenten werden unberücksichtigt bleiben, da sie isoliert auftretende Begleiter einer Szene ohne weitere außergewöhnliche Kennzeichen sind und keine geschlossene schauerliche Szene schaffen.

2. Die gothic novel

2.1. Geschichte

Der erste Schauerroman wurde 1764 von Horace Walpole unter dem Titel “The Castle of Otranto”[2] veröffentlicht. Hier erfährt das Schloss sein offizielles Debüt als Ort des Schreckens.[3] Die Beschaffenheit des gothic castle als Kulisse für schreckensvolle Ereignisse wurde von Ann Radcliffe in „Mysteries of Udolpho“[4] aufgegriffen. In ihrem Roman ist eine Burg der Schauplatz des Geschehens, außerdem nutzt Radcliffe detaillierte Landschaftsbeschreibungen und Naturereignisse, um eine entsprechend unheimliche Atmosphäre zu schaffen oder zu untermalen.[5] Der Einsatz von Naturschilderungen zur atmosphärischen Gestaltung geht zurück auf die bis ins 18. Jahrhundert übliche Einteilung der Natur in zwei gegensätzliche Topoi: „[…] [A]ls Locus amoenus, als lieblicher, schöner Ort, oder als Locus terribilis, als schrecklicher, lebensfeindlicher Ort. Diese Topoi basieren nicht auf empirischen Beschreibungen, sondern es sind Bildmuster, die mit bestimmten Requisiten möbliert werden.“[6] Solche Bildmuster wurden über die Jahrhunderte verschiedentlich funktionalisiert, sei es als Ausdruck göttlichen Wirkens, wie es in zahlreichen Göttersagen aus der Antike eingesetzt wird, als Spiegel der Verfassung des Protagonisten, wie z.B. in Goethes Werther, oder – wie auch bei Ann Radcliffe – als Initiator einer spezifischen Grundstimmung beim Rezipienten. Als Requisiten können sowohl (scheinbar) natürliche Phänomene, wie Blitz und Donner oder Schneesturm beim Locus terribilis und Sonne, warme Brisen oder auch ein Sommerregen beim Locus amoenus sein, sowie Landschaftskomponenten (Wasser, Palmen, Gebirge…) und konstruierte Elemente, wie zum Beispiel ein Schloss, eine Burg, eine Ruine oder eine Stadt. Zudem wird ein spezifisches Vokabular eingesetzt, um eine schauerliche Atmosphäre zu schaffen. Dieses Sprachgut besteht vor allem aus Worten, die negative Gefühle und Assoziationen, sowie eine hohe Spannung und Erwartungshaltung hervorrufen.[7]

Aktuelle populäre Jugendromane, die sich oben erwähnten Elementen speziell des Locus terribilis bedienen, sind z.B. die Twilight-Werke von Stephenie Meyer, die Geschichten um Harry Potter von J.K. Rowling oder auch die etlichen Jugendbücher von Wolfgang Hohlbein.

2.2. Definition

Den Schauerroman zeichnet einen „praktisch ununterbrochenen Zustand der Spannung, der Panik und des Schauerns“[8] aus. Dies wird vor allem durch gezieltes Einsetzen von stimmungsaufbauenden und –erhaltenden Elementen erreicht, die oft erst durch ihre Kombination miteinander den gewünschten Zustand erzeugen[9]. So haftet einem Schloss per se nichts Unheimliches an, in Verbindung mit fehlendem oder gedimmtem Licht und verwinkelten Gängen oder tiefen Korridoren kann jedoch bereits eine spannungsgeladene Atmosphäre erzeugt werden.

„Um die Angst genießbar zu machen, bediente sich [der Schauerroman] eines bestimmten Arsenals historischer Requisiten. Seine Handlung durfte nie in der Gegenwart spielen; es mußte [sic!] beständig die Illusion aufrechterhalten werden, daß [sic!] sich sein Geschehen im Mittelalter ereigne, das man mit leichtem Schauer das ‚dark age‘ nannte.“[10] Eine weitere Technik, Distanz zum Grauen aufzubauen, ist das Projizieren „auf ein objektivierbares Anderes“[11]. So werden alltägliche Bestandteile des Lebens abstrahiert und verfremdet, um sie dann dem aktuellen Kontext entsprechend alterniert in das Werk zu integrieren. Die Erschaffung eines Wesens durch Menschenhand z.B. greift das immer gegenwärtige Thema von Leben und Tod auf. Mary Shelly benutzt diese Technik in der Figur des von Frankenstein geschaffenen Monsters und ermöglicht so dem Rezipienten Schauer durch Teilhaben am Geschehen einerseits, Genuss des Schauers durch Distanz zum abstrahierten Monster andererseits.

Zusammenfassend wird der Schauerroman also im Allgemeinen definiert durch eine quasi kontinuierlich gehaltene Spannung mittels entsprechender Instrumente, eine mittelalterliche Atmosphäre und abstrakte Träger des Schauers.

2.3. Funktionen des gothic setting

Die vielfältigen Wege, ein gothic setting zu kreieren, liefern ebenso vielfältige Funktionsmöglichkeiten innerhalb eines Werkes. „Auch wenn manche Autoren ein gothic setting lediglich um des dekorativen Effekts willen einsetzen, nutzt der Schauerroman Teile des setting üblicherweise als Handlungselemente.“[12] So kann z.B. eine Burg Schutz vor Unwetter bieten, zieht den Protagonisten dadurch dann aber überhaupt erst in die unheimlichen Begebenheiten, die sich auf dieser Burg ereignen. Es muss aber nicht immer eine Burg oder ein Schloss sein. Vielmehr wird

zum Schauplatz des Schauerromans […] ein Ort, der seine Geheimnisse hat, […] ein Ort unabsehbarer Ängste. Man bewohnt diese ‚Aufenthaltsräume des Schreckens‘ nicht, sondern wird zum Verweilen gezwungen. Der Schauplatz der Handlung erhält im Schauerroman ein besonderes Gewicht dadurch, daß [sic!] der Ort zugleich schicksalhafter Ort ist. Er hilft mit, eine dem schicksalhaften, schauerlichen Geschehen gemäße Atmosphäre zu schaffen.[13]

Die durch das setting geschaffene Atmosphäre wiederum wirkt sich sowohl auf den Protagonisten als auch auf den Rezipienten aus.[14] Eine spezielle Grundstimmung wird geschaffen.

Vor allem Wetterphänomene wie Gewitter oder Schneestürme eignen sich zum Gestalten eines unheimlichen Klimas. Waren sie ursprünglich bis ins 18. Jahrhundert hinein Zeichen einer Grenzüberschreitung und Störung der natürlichen Ordnung, so spiegeln sie nun vielmehr den Gemütszustand des Protagonisten oder dessen meist als problematisch empfundene Situation wider.[15]

Die einzelnen schauerhaften Szenen eines Schauerromans dienen letztendlich auch der Selbstfindung der Romanfigur. Diese „muß [sic!] einige der dunkleren Seiten der Welt und ihrer selbst kennenlernen, bevor sie das erstrebte Heim findet.“[16]

Das gothic setting bietet dem Autor also nicht nur die Möglichkeit, einen geeigneten atmosphärischen Rahmen zu schaffen, der zudem in engem Kontext zur Schlüsselfigur steht, sondern dient innertextuell ähnlich dem Bildungsroman der stufenweisen Entwicklung des Helden durch Konfrontation mit Ängsten und angsteinflößenden Situationen.

3. Die Ruinen

3.1. Kontextuelle Einordnung

Alanna wird von einem ihrer Lehrer, Sir Myles von Olau, auf seine Ländereien eingeladen. Dort führt er sie zu einer abseits gelegenen Ruinenstätte, die von einer Ansiedlung eines alten mächtigen, jedoch ausgestorbenen Volkes zeugt. In dieser begibt sich Alanna in einen unterirdisch verlaufenen Gang, dessen Zugang nur sie zu öffnen vermag. Sie findet ein Schwert mit einem eingefassten Kristall, der magische Kräfte zu haben scheint. Sobald Alanna die Waffe in die Hand nimmt, wird sie von einer unsichtbaren dunklen Macht angegriffen, die sie ihrer Lebenskraft zu berauben droht. In letzter Sekunde rettet der plötzlich aufleuchtende Kristall Alanna vor der todbringenden Dunkelheit und sie flieht mit Myles zurück auf sein Schloss.

3.2. Schauerliche Elemente

Die Ruinenstätte verweist ihrem Naturell entsprechend auf Verfall und Vergangenes. Als Gegensatz dazu steht der Marmorstein, aus dem die Ruinen erbaut wurden, der „schimmerte, als sei er erst am Tag zuvor behauen worden“[17] Dieser Eindruck lässt die zerstörten Gebäude alt und zeitlos zugleich erscheinen.

Eine Falltür gibt den Weg zu einer in die Tiefe und ins Dunkle führende Treppe frei.[18] Das Motiv der Falltür bzw. des Geheimgangs ist ein für die Schauerliteratur typisches und oft eingesetztes Element. Es steht [für] das Unterirdische[,] für den nichtrationalen, instinktiven Aspekt des Menschen, für das Unterdrückte und Unbewußte [sic!]. Das Hinabsteigen in die Gewölbe und, auf symbolischer Ebene, in die Abgründe des Geistes, bildet die schauerromantische Variante eines alten epischen Motivs: die Reise in die Unterwelt, wo der Held sich angesichts zahlreicher Gefahren beweisen muß [sic!].[19]

Die Gefahr taucht in Gestalt einer fremdartigen Gegenwart auf, die Alanna „außerhalb des Lichts, das ihre Zauberkraft verströmte“[20], wahrnimmt. Sie ist „schwarz und gespenstisch [und] machte ihr Angst.“[21] Dieses körperlose „Dunkel füllte ihre Nase und ihren Mund […]. Das Dunkel drang in ihr Gehirn ein und sie starb.“[22]

Die schauerlichen Elemente dieser Szene sind so stark konzentriert, dass sie die Romanfigur regelrecht zu ersticken drohen. Eine zweite unbekannte Präsenz wird erwähnt, aber nicht näher erläutert. Diese „rief mit einer hohen, singenden Stimme nach ihr, die sie nicht hätte ignorieren können, selbst wenn sie es gewollt hätte.“[23]

Parallel zu dem unheimlichen Geschehen im unterirdischen Bereich der Ruinen zieht oberirdisch ein Gewitter auf, das nicht natürlichen Ursprungs zu sein scheint:[24] „Am Himmel ballten sich schwarze Wolken; ein paar Meilen weiter schlug schon der Blitz ein.“[25] Nachdem Alanna dem Dunkel doch noch entkommen konnte, fliehen sie und Myles durch Sturm und peitschenden Regen zurück auf sein Schloss. Das Unwetter untermalt die Geschehnisse in den Ruinen und gibt ihnen zusätzliches Gewicht.

[...]


[1] Grizelj 2010, 51f.

[2] Walpole, Horace: The Castle of Otranto, a Gothic Story. Whitefish: Kessinger Publishing, 2010.

[3] Grein 1995, 18.

[4] Radcliffe, Ann: The Mysteries of Udolpho, a Romance. London: G.G. and J. Robinson, 1794.

[5] Grein 1995, 29.

[6] Meid 2001.

[7] Angst, plötzlich, dunkel, usw. Vgl. Grizelj 2010, 21.

[8] Conrad 1974, 13.

[9] Ein Element ist bereits erwähntes Vokabular, s.o.

[10] Conrad 1974, 46f.

[11] Grizelj 2010, 171.

[12] Grein 1995, 9.

[13] Conrad 1974,21.

[14] Vgl. Grein 1995, 10.

[15] Vgl. Grein 1995, 42 und Kullmann 1995, 41.

[16] Grein 1995, 49.

[17] Die Schwarze Stadt, 146.

[18] Die Schwarze Stadt, 148.

[19] Grein 1995, 50.

[20] Die Schwarze Stadt, 149.

[21] Die Schwarze Stadt, 149.

[22] Die Schwarze Stadt, 150.

[23] Die Schwarze Stadt, 149.

[24] Vgl. Die Schwarze Stadt, 150.

[25] Die Schwarze Stadt, 151.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Schaurige Elemente und ihre Funktionen
Untertitel
Anhand der Alanna-Quadrologie von Tamora Pierce
Hochschule
Universität Mannheim
Veranstaltung
Phantastische Kinder- und Jugendliteratur
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
19
Katalognummer
V179327
ISBN (eBook)
9783656017844
ISBN (Buch)
9783656018025
Dateigröße
477 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
schaurige, elemente, funktionen, anhand, alanna-quadrologie, tamora, pierce
Arbeit zitieren
Mareike Paulun (Autor:in), 2011, Schaurige Elemente und ihre Funktionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179327

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