Leseprobe
Gliederung
1. Hinführung
2. Sprachmittlung
2.1 Was bedeutet Sprachmittlung?
2.2 Sprachmittlung im GER
2.3 Sprachmittlung in den Bildungsstandards
3. Die Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung im Fach Französisch
3.1 Grundlagen und Zielsetzungen
3.2 Festlegungen für die Gestaltung der Abiturprüfung
3.2.1 Fachliche Qualifikationen und Inhalte
3.2.2 Anforderungsbereiche in der Abiturprüfung
4. Aufgaben zur Sprachmittlung in den EPAs im Fach Französisch
4.1 Aufgaben zur Sprachmittlung in der schriftlichen Abiturprüfung
4.2 Aufgaben zur Sprachmittlung in der mündlichen Abiturprüfung
4.3 Analyse einer kombinierten Aufgabe in der Abiturprüfung
5. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis.
1. Hinführung
Die Allgemeine Hochschulreife ermöglicht den Schülerinnen und Schülern den Zugang zu einem Studium an der Hochschule oder zu einer Berufsausbildung. Deswegen sind die Ziele der gymnasialen Oberstufe, eine breite und vertiefte Allgemeinbildung zu erhalten, wichtige inhaltliche und methodische Voraussetzungen für die allgemeine Studierfähigkeit zu erwerben, das selbstständige Lernen und die wissenschafts-propädeutische Grundbildung sowie die Schwerpunktbereiche zu stärken. Laut KMK gehört zur Grundstruktur der gymnasialen Oberstufe die Gliederung in eine einjährige Einführungsphase und eine zweijährige Qualifikationsphase, weiterhin die Zuordnung der Fächer zu drei Aufgabenfeldern, die Unterscheidung der Fächer nach Pflicht- und Wahlfächern, die Möglichkeit einer individuellen Schwerpunktsetzung und die Erteilung des Unterrichts auf unterschiedlichen Anspruchsebenen. Damit wird den in den „Einheitlichen Prüfungsanordnungen für die Abiturprüfung“ beschriebenen Anspruchsniveaus entsprochen. (KMK: fortan EPA 2004: 4f) Im Folgenden soll zunächst geklärt werden, was Sprachmittlung überhaupt ist und welchen Stellenwert sie im GER und in den Bildungsstandards einnimmt. Daraufhin werden die EPA für das Fach Französisch inhaltlich vorgestellt. Die einzelnen Bereiche werden näher erläutert und mit Beispielen veranschaulicht. Ein besonderes Augenmerk soll auf den Aufgabentyp der kombinierten Aufgabe gelegt werden. Dabei wird die Sprachmittlung als besonderes Ziel des fremdsprachlichen Unterrichts hervorgehoben. Die Aktivität der Sprachmittlung hat in den letzten Jahren eine erhebliche Aufwertung erfahren. Das liegt vor allem daran, dass sie im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER), in den Einheitlichen Prüfungsanforderungen im Abitur für moderne Fremdsprachen und infolgedessen natürlich auch in den aktuellen curricuralen Vorgaben für modernen Fremdsprachenunterricht aller Bundesländer einen festen Platz einnimmt.
Im Folgenden werde ich mich auf die Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung im Fach Französisch und auf den GER beziehen. Für die Bedeutung von Sprachmittlung werde ich mich vor allem auf Rössler, Freundestein und Roche stützen.
2. Sprachmittlung
2.1 Was bedeutet Sprachmittlung?
Die Bedeutung der Sprachmittlung ist in den letzten Jahren auch aufgrund der Globalisierung immer größer geworden. Viele Schüler gehen ein Jahr ins Ausland, arbeiten als Aupair oder haben ausländische Freunde. Somit geraten sie zunehmend in Situationen, in denen sie als Mittler auftreten müssen.
Rössler definiert Sprachmittlung folgendermaßen:
„Sprachmittlung ist eine komplexe, unter Umständen auch interaktive Aktivität in einer mindestens zweisprachigen Sprachhandlungssituation, zu deren Realisierung sowohl rezeptive als auch produktive kommunikative Fertigkeiten beherrscht und angewandt werden müssen. Die dafür nötige Kompetenz beinhaltet die adressaten-, sinn- und situationsgerechte Übermittlung von Inhalten geschriebener und gesprochener Texte von einer Sprache in die andere, nicht aber eine textadäquate Übersetzung bzw. ein ebensolches Dolmetschen.“ (Rössler 2009: 160)
Sprachmittlungsaufgaben bedürfen folglich zu ihrer Lösung eines kombinierten bzw. integrierten Einsatzes verschiedener produktiver und rezeptiver Fertigkeiten und lassen sich nicht durch den Gebrauch einer einzigen Fertigkeit angemessen bearbeiten. Sprachmittlung schließt zwar das mündliche oder schriftliche Übersetzen nicht aus, sie muss aber zusätzlich noch semantische, pragmatische und textuelle Adäquatheit erfüllen. An die Stelle der translatorischen Adäquatheit tritt nun die kommunikative Adäquatheit, die es verlangt Inhalte in einer jeweiligen Kommunikationssituation adressatengerecht zu transferieren. Damit kehrt die Muttersprache nicht nur in den Fremdsprachenunterricht zurück, sondern wird sogar zum Gegenstand kommunikativen Handelns. Schließlich war es über Jahrzehnte möglichst zu vermeiden, im Fremdsprachenunterricht die Muttersprache außerhalb von Vokabelerklärungen, Grammatik oder Aufgabenerläuterungen zu verwenden. Die Einsprachigkeit galt als Richtschnur für Fremdsprachenlehrer und auch für die Lerner. (Rössler 2009: 158)
Zur erfolgreichen Lösung einer mündlichen Sprachmittlungsaufgabe ist die Beherrschung verschiedener Strategien notwendig. Am wichtigsten sind wohl die Kommunikationsstrategien, denn eine mündliche Sprachmittlungsaufgabe verlangt ein hohes Maß an spontansprachlichen Fertigkeiten und an Flexibilität. Grundlegend ist daher die Kenntnis von Umschreibungsstrategien, die bei fehlender fremdsprachlicher Lexik zum Einsatz kommen, z.B. Paraphrasieren oder Negierung des Gegenteils. Auch Ersetzungsstrategien können bei lexikalischen Defiziten helfen, z.B. kreative Wortneuschöpfungen oder die Ersetzung des unbekannten Wortes in der Zielsprache durch ein englisches Äquivalent oder der Rückgriff auf Internationalismen. (Rössler 2009: 164) Doch wenn es um Flexibilität und spontane Äußerungen geht stellt sich automatisch im nächsten Schritt die Frage nach der Rolle des Wortschatzes. Ist die Beherrschung von Wortschatz dann nicht der Beherrschung von Grammatik vorzuziehen? Im Sinne von Freudenstein schon, denn er erachtet die Kenntnis von Wortschatz als wesentlich wichtiger als grammatisches Wissen. (Freudenstein 1995: 63) Er kritisiert, dass immer noch mehr als die Hälfte der insgesamt zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit der Grammatik gewidmet wird und das in den meisten Fällen auch noch in der Muttersprache. Er zeigt auf, dass es keine einzige Kommunikationssituation gebe, die wegen fehlender Grammatikkenntnisse nicht zustande gekommen wäre, doch gebe es viele Fälle, bei denen die Verständigung scheitere, da die richtigen Wörter nicht zur richtigen Zeit verfügbar waren. Er zitiert Lewis, dessen Devise lautet: „Language consists of grammaticalised lexis, not lexicalised grammar.“ (Freudenstein 1995: 64f) Auch Roche weißt darauf hin, dass selbst Muttersprachler in Alltagssituation unvollständige und grammatikalisch nicht korrekte Sätze äußern. An dieser Norm sollte man auch die Äußerungen der Fremdsprachenlerner messen. (Roche 2008: 98) In jedem Fall sollte Sprechen im Unterricht ausgiebig geübt werden. In Abhängigkeit vom Grad der Selbstständigkeit der Schüler hinsichtlich ihres Redekonzepts und ihrer sprachlichen Umsetzung können dialogische und monologische Sprechhandlungen über eine bestimmte Folge von Übungen und Aufgaben unterschiedlicher Niveaustufen ausgebildet werden. Dies kann beispielsweise über variationsloses Sprechen (wörtliche Wiedergabe von kurzen Dialogen und Monologen), über variiertes Sprechen (inhaltliche und sprachliche modifizierte Wiedergabe hörend oder lesend aufgenommener Satz-, Replikenpaar-, Dialog- und Monologmuster durch Variieren, Erweitern oder Zusammenfassen) bis hin zum freien Sprechen (Realisierung eines eigenen kompositorischen und inhaltlich- sprachlichen Redekonzepts durch den Schüler) geübt werden. (Borgewardt 1993: 119) Der Unterricht muss unbedingt kommunikativ sein. Dafür gibt es einige Merkmale. In einem guten Fremdsprachenunterricht soll sich der Lehrer um eine funktionale Fremdsprachigkeit bemühen und sie auch durchsetzen. Dabei ist der punktuelle und gezielte Einsatz der Muttersprache durchaus hilfreich und in keinem Falle hinderlich. Außerdem sollen Üben und Kommunizieren aufeinander bezogen werden und auseinander hervorgehen. Die Schüler sollen einander zuhören, auch direkt miteinander reden, ohne dass sich der Lehrer stets dazwischen schalten muss. Der Lehrer darf dabei nie seine Rolle als nachzuahmendes Vorbild für die Aussprache und für die Verwendung des Wortschatzes vergessen oder unterschätzen. Weiterhin hat er auch die Aufgabe, sprachliche Leistungen der Schüler zu kommentieren, zu korrigieren und generell Feedback zu geben. (Siebold 2004: 21f)
2.2 Sprachmittlung im GER
Aussagen zu Sprachmittlung werden im GER im Abschnitt 4.4.4 gemacht (Aktivitäten und Strategien der Sprachmittlung- Übersetzen, Dolmetschen), unter dem Kapitel „Sprachverwendungen, Sprachverwendende und Sprachlernende. Der Kernsatz lautet:
„Bei sprachmittelnden Aktivitäten geht es den Sprachverwendenden nicht darum, seine/ihre eigenen Absichten zum Ausdruck zu bringen, sondern darum, Mittler zwischen Gesprächspartnern zu sein, die einander nicht direkt verstehen können, weil sie Sprecher verschiedener Sprachen sind ( was der häufigste, aber nicht der einzige Fall ist). Zu den sprachmittelnden Aktivitäten gehören Dolmetschen und Übersetzen sowie das Zusammenfassen und Paraphrasieren von Texten in derselben Sprache, wenn derjenige, für den der Text gedacht ist den Originaltext nicht versteht.“ (GER: 4.4.4)
Dabei werden mündliche und schriftliche Sprachmittlung unterschieden. Zur mündlichen Sprachmittlung gehören Simultan-Dolmetschen (Konferenzen, Besprechungen, Reden usw.), Konsekutiv-Dolmetschen (Begrüßungsansprachen, Führungen usw.) und informelles Dolmetschen (für ausländische Besucher im eigenen Land oder für Muttersprachler im Ausland, auch Übersetzung von Schildern oder Speisekarten) (GER: 4.4.4.1). Zu der schriftlichen Sprachmittlung gehören genaue Übersetzungen, literarische Übersetzungen, Zusammenfassungen oder Paraphrasieren. (GER: 4.4.4.2) Zu den Strategien der Sprachmittlung gehören Planung, Ausführung, Evaluation und Korrektur (GER: 4.4.4.3) Konkret wird das zu erwerbende Hintergrundwissen genannt, wie auch die Abwägung der Bedürfnisse der Gesprächspartner. Eine Beziehung zu interkulturellem Lernen und interkultureller Handlungsfähigkeit wird jedoch nicht erwähnt. Es gibt für diesen Bereich auch keine Skalen, d.h. auch keine ableitbaren Aufgabenbeschreibungen oder Aufgabenbeispiele. Es werden lediglich Situationen für das informelle Dolmetschen gegeben, wie etwa Situationen im Ausland oder im Restaurant.
2.3 Sprachmittlung in den Bildungsstandards
Die Ausführungen zu Sprachmittlung sind in den Bildungsstandards der KMK von 2004 sehr dürftig. In den EPAs erscheint Sprachmittlung neben den kommunikativen Fertigkeiten des Hör, und Hör-/Sehverstehens, des Leseverstehens, Sprechens (interaktiv, zusammenhängend) und Schreibens als fünfte Fertigkeit:
„Die Schülerinnen und Schüler beherrschen im Sinne interkultureller Kommunikation anwendungsorientiert verschiedene Formen der Sprachmittlung:
- in mündlichen zwei- und ggf. mehrsprachigen Situationen vermitteln,
- in schriftlichen zwei- und ggf. mehrsprachigen Situationen vermitteln.“ (EPA 2004: 8)
Im Folgenden wird die Einheitliche Prüfungsordnung in der Abiturprüfung Französisch (EPA) vorgestellt, um dann anhand eines Aufgabenbeispiels unter besonderer Berücksichtigung der Sprachmittlung zu beurteilen, ob diese Aufgabe den vorgegebenen Bildungsstandards entspricht.
3. Die Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung im Fach Französisch
3.1 Grundlagen und Zielsetzungen
In der Fachpräambel der EPA wird eindeutig und wiederholt auf die politische, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung Europas im Kontext internationaler Kooperation und globalen Wettbewerbs hingewiesen. „Um nicht nur weltweit, sondern besonders auch in einem zusammenwachsenden Europa kooperations- und kommunikationsfähig zu sein, braucht die Gesellschaft eine wachsende Zahl von Mitgliedern, die über Kompetenzen in mehreren Fremdsprachen verfügen.“ (EPA 2004: 4) Diese Entwicklungen stellen demnach auch erweiterte Anforderungen an den Fremdsprachenunterricht, also auch für den Französischunterricht der gymnasialen Oberstufe. Für die Schülerinnen und Schüler bestehen aufgrund des Vertrags über deutsch- französische Freundschaft zahlreiche Möglichkeiten das andere Land kennenzulernen, beispielsweise durch Schüleraustauschprogramme oder Studienfahrten. Insofern kommt dem Französischunterricht eine wichtige Rolle zu. Die Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung im Fach Französisch stellen ihre Anforderungen und Akzentuierungen entsprechend dieser neuen Entwicklungen, d.h. sie sind mit dem „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für das Lernen und Lehren von Sprachen“ verankert. (EPA 2004: 4)
Daraus ergeben sich Ziele des Französischunterrichts in der gymnasialen Oberstufe:
- eine differenzierte kommunikative Kompetenz, die sich verstärkt auf Verwendungssituationen im Alltag, berufs- und wissenschaftsorientierter sowie in literarisch- bzw. ästhetisch orientierter Kommunikation konzentriert;
- Kenntnisse über soziokulturelle Themen und Inhalte frankophoner Kulturräume;
- Die Fähigkeit zum Umgang mit Texten und Medien, darin inbegriffen sind Film, Fernsehen, Hörtexte, Bilder und Grafiken;
- Der Erwerb von Lernstrategien, der Methoden und Arbeitstechniken selbstorganisierten und selbstverantwortetes Lernen fördert. (EPA 2004: 5)
Ein weiteres wichtiges Zeil der EPA sind die vergleichbaren Qualitätsstandards, die durch eine Beschreibung der Prüfungsgegenstände, der nachzuweisenden Kompetenzen, der fachlichen Inhalte sowie einer Beschreibung der zulässigen Aufgabenarten gesichert werden sollen. Weiterhin werden Kriterien vorgestellt mit deren Hilfe die Prüfungsaufgaben und das dazu entsprechende Anspruchsniveau überprüft werden können. Dazu gibt es Hinweise zur Bewertung und reichlich Aufgabenbeispiele. Als Orientierung dient dabei stets der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für das Lernen und Lehren von Sprachen. Dieser ist international anerkannt und vom Europarat als Bezugssystem entwickelt worden. (EPA 2004: 5)
„Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen stellt eine gemeinsame Basis dar für die Entwicklung von zielsprachlichen Lehrplänen, curricularen Richtlinien, Prüfungen, Lehrwerken usw. in ganz Europa. Er beschreibt umfassend, was Lernende zu tun lernen müssen, um eine Sprache für kommunikative Zwecke zu benutzen, und welche Kenntnisse und Fertigkeiten sie entwickeln müssen, um in der Lage zu sein, kommunikativ erfolgreich zu handeln. Die Beschreibung deckt auch den kulturellen Kontext ab, in den Sprache eingebettet ist. Der Referenzrahmen definiert auch Kompetenzniveaus, sodass man Lernfortschritte lebenslang und auf jeder Stufe des Lernprozesses messen kann.“ (GER: 1.1)
Man muss jedoch beachten, dass der Französischunterricht in unterschiedlichen Jahrgangsstufen beginnt. In einigen Ländern setzt er bereits in der Primarstufe ein, in der Sekundarstufe ist der Beginn als Pflicht- oder Wahlfremdsprache in unterschiedlichen Klassenstufen möglich. Das bedeutet, dass in der gymnasialen Oberstufe Französisch als neu einsetzende oder als fortführende Fremdsprache unterrichtet werden kann.
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