Schnitt und Montage im Musikvideo

Theoretischer und praktischer Vergleich zweier Realisationen


Diploma Thesis, 1998

110 Pages, Grade: 1,5


Excerpt


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG / DANK

2. TEIL I - DIE THEORIE
2.1 Begriffsdefinitionen
2.1.a - Einstellung - Szene - Sequenz
2.1.b - Schnitt - Montage
2.1.c - Kurzfilm
2.1.d - Musikvideo
2.2. Genrefizierung von Musikvideos
2.2.a - Performance-Video
2.2.b - Konzept-Video
2.3. Genrespezifische Narrative Elemente des Musikvideos
2.3.a - Narrative Rahmenhandlung
2.3.b - Dosierte Rätselhaftigkeit
2.3.c - Dehnungsfugen
2.4. Schnitt im Spiel-/Kurzfilm
2.4.a - Schnitt-Wirkungen
2.4.b - Techniken des Schnitts
2.4.c - Einstellungsverkettungen
2.5 Schnitt im Musikvideo
2.5.a - Schnittgeschwindigkeit
2.5.b - Schnitt & Rhythmus
2.6. Unterscheidung von Ton im Musikvideo & Kurzfilm
2.6.a - Wertigkeit
2.6.b - Ton/Bild - Kontrastierung im Musikvideo
2.6.c - Kitt für die Bilder
2.7 Einflüße von Montage-Techniken auf den Spiel-/Kurzfilm
2.7.a - Beispiel: Weißflash
2.8. Musikalische Montagen
2.8.a - Geräuschhaftigkeit
2.8.b - Found Footage
2.8.c - Bild-Scratching
2.8.d - Unterschiedliche Bebilderung von A- & B-Teilen
2.8.e - Synchronisation von Bewegungen

3. TEIL II - DAS EXPERIMENT
3.1 Vorgeschichte
3.1.a - Die Paramounts
3.1.b - BLACK CAT
3.2. Experiment
3.2.a. - Ablauf
3.2.b - Begründung für die Wahl der Cutter
3.3 Analyse
3.3.a - Einfluß von Montagetechniken des Musikvideos
3.3.b - Montage-Variationen
3.3.c - Bedeutung des Originaltons
3.3.d - Kitt für die Bilder
3.3.e - Zusammenspiel von Musik & Bild

4. FAZIT

5. LITERATURLISTE

6. ANHANG
6.1 Karl Heinz Stenz(Kurzfilm)
6.1.a - Interview vom 19.02
6.1.b - Interview vom 07.04
6.2. Patrick Gericke(Musikvideo)
6.2.a - Interview vom 20.02
6.2.b - Interview vom 08.04

7. ERKLÄRUNG

ANLAGE:Videocassette mit beiden Montageversionen

und ausgewählten narrativen Musikvideos:

- THE SAINT von The Orbital
- THE CHASE von Trance Atlantic Airwaves
- COME TO DADDY von Aphex Twin

„Würden zwei Cutter unabhängig voneinander den gleichen Film bearbeiten, so würde der Schnitt niemals genau übereinstimmen.“[1]

„It is probably safe to say that no two cutters will cut a film or even a moderately lengthy sequence, in exactly the same way.“[2]

1. EINLEITUNG

Über den modernen Medienbastard „Musikvideo“[3]gibt es die unterschiedlichsten Analysen und Untersuchungen: Rassendiskriminierung, Erhöhung der Gewaltbereitschaft, Postmodernität, Emanzipation, Historie, Inhalt und soziale Herkunft der Clip-Konsumenten, usw. Allerdings setzen sich nicht alle Schriften wirklich ernsthaft mit dem Thema auseinander:

„(...) der Videoclip überfordert hemmungslos unsere Wahrnehmung- und Verstehens- möglichkeiten und ist daher zugleich zum Inbegriff einer zum Schwachsinn tendierenden Unterhaltung geworden.“[4]

Aus Statements wie diesen spricht eindeutig das Unverständnis(wenn nicht der Unverstand)für die diskutierte Materie. Die reichlich trocken anmutende Lektüre vieler Populär-, Kommunikations- und Kulturwissenschaftler, die sich bis dato mit Musikvideos befaßt haben, führe ich auf mangelndes Interesse für die Musik und ihre visuelle Umsetzung zurück. So wissenschaftlich unpräzise die Aussagen von professionellen Filmemachern aus der Branche sind[5], zeigen sie doch das Fieber fürs Medium. „Wem die Musik nichts sagt, zu dem können auch die Bilder nicht sprechen!“[6]Der Soziologe Michael Altrogge muß es wissen - er ist Rockmusiker. Die von ihm ausgesprochene Vermutung kann ich durch eigene Beobachtungen bestätigen: Gespräche mit Angehörigen einer „älteren“ Generation, welche die Schnittschnelligkeit von MTV ablehnen, geben zu, daß sie sich auch für die visualisierte Musik nicht interessieren.

Wir sollten uns bewußt machen, Musikvideos wollen nicht die Welt verändern, sie wollen Musik verkaufen. Und das schaffen sie erstaunlich gut! Wenn es also Musikvideos in erster Linie um die Darstellung von Musik geht, stellt sich die Frage: wie ist es möglich Musik visuell darzustellen? - oder anders ausgedrückt:

gibt es eine musikalische Montage im Musikvideo

und wodurch unterscheidet sie sich von Montage im Kurzfilm?

Es gibt wenige schriftliche Abhandlungen die sich ausschließlich mit der Kombination von Musik und Bild beschäftigen. Hier ist in erster Linie Michael Altrogge zu erwähnen, zu dessen mehr als umfangreichen Kernwerk ich jedoch im Verlauf meiner Recherche ein sehr zwiespältiges Verhältnis entwickelt habe. Altrogge untersucht vor allem den Zusammenhang zwischen Inhalt und jugendkulturellen Hintergründen und geht lediglich in vereinzelten Nebensätzen auf die von mir erörterte Thematik ein. Gerhard Schumm hingegen führt die Faszination von Musikvideos auf graphische Bildzentrenüberlagerungen zurück. Schumm ist von Beruf aus Cutter, seine Sichtweise ist daher in erster Linie filmisch, weniger musikalisch geprägt - vielleicht vernachlässigt er deswegen die Rolle des Auditiven. Schmidt-Sistermann wiederum findet eine sinnfällige Unterteilung von Schnitt in Korrespondenz mit der Musik, er verzichtet jedoch leider auf eine Begründung seiner Thesen. Ferner übernehme ich ein Klassifizierungsmodell von Johannes Menge, daß sich als sehr praktikabel erwiesen hat. Das sind im groben die Autoren, mit deren Arbeiten ich mich im folgenden auseinandersetzen werde.

Ich betone noch einmal: Es geht mir weniger darum was(Inhalt), sondern wie(Machart)etwas vermittelt wird. Das „was“ ist immer abhängig vom Musikstil und der ihn prägenden Jugendkultur. „Wie“ ein Bild visuell dynamisch wirkt, funktioniert meiner Ansicht nach sozial übergreifend[7]: Rockers & Popers united!

Der zweite Teil der Arbeit versucht die dargestellten Thesen anhand eines praktischen Beispiels näher zu erörtern. Hierfür montierten zwei Cutter unabhängig voneinander dasselbe Rohmaterial(BLACK CAT): der eine als Kurzfilm, der andere als Musikvideo.

Vor dem Lesen der Arbeit empfehle ich dringend sich die beiliegende Videocassette(BLACK CAT und die ausgewählten, narrativen Musikvideos im Anschluß)anzuschauen, um das Verständnis diverser Textverweise zu erleichtern.

DANK

... gilt Claudia Bullerjahn, die mir durch ihre umfangreiche Literaturrecherche einen globalen Einblick in das Universum der Musikvideo-Wissenschaft ermöglichte, ferner dem A.M.I. der Universität Hildesheim (stellvertretend Herr Prof. Jan Berg und Dr. Walter Thissen), das mit seiner finanzkräftigen Unterstützung BLACK CAT auf Zelluloid gebracht hat; Johanna Schnabel für das körperliche und geistige Wohl während des Endstadiums der Arbeit; Daniel Pies für die konstruktive Prügel; Patrick Gericke und Karl-Heinz Stenz, sowie den anderen 22 Spinnern, die mir - warum auch immer - bei den Dreharbeiten geholfen haben; natürlich meinen Eltern, die mir dieses Studium ermöglichten, wenngleich sie nie den Glauben daran hatten, daß es irgend einen Sinn macht, geschweige denn, daß es eine gesellschaftliche Relevanz besitzt. Schließlich und letztlich danke ich Prof. Hügel, der mich anfänglich um ein Haar durch die Aufnahmeprüfung hätte fallen lassen.

2. TEIL I - DIE THEORIE

2.1. BEGRIFFSDEFINITIONEN

2.1.a EINSTELLUNG - SZENE - SEQUENZ

Der Ausdruck „Einstellung“ stammt vom apparativen Einstellen der Kamera her, betrifft also in erster Linie den Kamerastandpunkt von dem etwas aufgenommen wird. Ich verwende die Bezeichnung Einstellung als eine von der Kamera ohne Unterbrechung gefilmte Aufnahme.[8]

Die Begriffe „Szene“ und „Sequenz“ erlaube ich mir gleichzusetzen. Beide Termini beziehen sich auf die Einheit von Ort und Zeit und bezeichnen einen zusammenhängenden dramaturgischen Abschnitt der filmisch in unterschiedliche Einstellungsgrößen aufgelöst wird und durch die Montage miteinander verbunden wird.

2.1.b SCHNITT - MONTAGE

„Daß ein Filmstreifen mehr als eine Einstellung enthalten konnte, >erfuhr< der französische Illusionist und Filmkünstler George Méliès 1896 durch einen Zufall. bei einer Aufnahme verfing sich der Film in der Kamera, und Méliès konnte am Place de l’Opera erst mit einminütiger Verzögerung weiter kurbeln: >Während dieser Minute hatten sich natürlich die Passanten, Omnibusse, Wagen von der Stelle bewegt. Als ich den Streifen, den ich dort, wo er gerissen war, wieder zusammengefügt hatte, projizierte, sah ich plötzlich, daß aus dem Omnibus Madeleine-Bastille ein Leichenwagen und aus Männern Frauen geworden waren.<“[9]

- George Méliès 1896 -

Ein zufällig eingefangener „Stopptrick“ demonstrierte erstmalig das Grundprinzip des Schnitts: Einstellungen die Verschiedenes zeigen werden zeitlich nahtlos hintereinander projiziert. Schnitt als Berührungspunkt zweier unterschiedlicher Einstellungen? Spätestens seit Godards Video-Wiping-Montagen[10]stellt sich jedoch die Frage: wo setzt ein Schnitt an? Die heutigen Musikvideos sind derart mit Effekten bearbeitet, oder überblendet, daß es schwerfällt klare Schnittstellen zwischen den einzelnen Bildern auszumachen: Tempovariationen und Einzelbildschaltungen verwischen den Bildübergang.

Was hingegen meint „Montage“?

„Filmmontage ist eine Sammelbezeichnung für einen komplexen Vorgang, der den Film in seinem Ablauf strukturiert, seine visuellen und akustischen Elemente auswählt, anordnet und sie organisiert, indem sie durch Schnitt gegenüberstellt, aneinandergereiht und/oder in ihrer Dauer begrenzt werden.“[11]

Schnitt ist der Montage also untergeordnet. Obwohl beide Begriffe heutzutage im alltäglichen Sprachgebrauch miteinander gleichgesetzt werden, halte ich eine Unterscheidung der beiden Begriffe für sinnvoll. Um das Verständnis des folgenden zu erleichtern, schlage ich vor Schnitt als die Verbindungsstelle zwischen zwei Einstellungen zu definieren. Montage hingegen schafft Szenen und Sequenzen und wird von mir als das komplexe Zusammenspiel aus mehreren verschiedenen Teilen(Bild, Ton, Musik & Bewegung)bezeichnet.

2.1.c KURZFILM

Kurzfilm ist ein Überbegriff für verschiedene Genre: Dokumentarfilm, Animationsfilm, Experimentalfilm, Spielfilm usw., die alle durch ein relativ kurzes Zeitmaß charakterisiert werden. Ich werde mich des Weiteren ausschließlich auf den narrativen Kurzfilm konzentrieren.

Ich will dem folgenden eine kurze Definition von Narration voranstellen. Petra Grimm definiert klassische Narration folgendermaßen: „Ausgangssituation - Transformation - Endsituation“[12]. Syd Field unterteilt den Spielfilm in seinem viel zitierten „Paradigma“ ebenfalls in drei Akte: „Exposition - Konfrontation - Auflösung“[13]. Christian Metz definiert narrative filmische Strukturen als „in der Regel handlungsorientiert, wobei das Geschehen einer vorgegeben Dramaturgie mit Exposition, Konflikt, Auflösung folgt (>Plot<), in der die aufeinander aufbauenden Szenen ihre Sinnhaftigkeit einzig in der dem Plot unterworfenen Reihenfolge erlangen.“[14]Grimm, Metz und v.a. Field betonen die Entwicklung sowohl der Handlung als auch der Charaktere innerhalb eines Geschehens. Dem oder der ProtagonistIn stellen sich Hindernisse / Konflikte in den Weg deren Überwindung Spannung hervorruft. Klassische Narration ist im allgemeinen an eine stringente Chronologie der Ereignisse gebunden - selbst bei Rückblenden bleibt die Einheit der Zeit gewahrt, weil innerhalb einer Rückblende die Begebenheiten als aufeinanderfolgend dargestellt werden. Narration ist also folgendermaßen aufgebaut: Situation A am Anfang, Situation C am Ende - dazwischen liegt der Weg / die Entwicklung B.

Was genau grenzt den Kurzfilm von seinem großen Bruder, dem abendfüllenden Spielfilm ab? Irving und Rea[15]fordern folgende „basic guidelines for the short form“:

- Das zentrale Thema
- Konflikt
- Dramatischer Bogen
- keine „talking Heads“ / „Internal Motives, external Action“[16]

Das sind jedoch meiner Meinung nach alles Charakterisierungen, die Kurz- und Spielfilm gemeinsam haben. Einige weitere Punkte helfen den Kurzfilm etwas besser zu spezifizieren:

- Länge(bis zu 79 Minuten[17])
- Konzentration auf ein Ereignis
- eine Hauptfigur[18]
- Minimale Hintergrundinformation über die Protagonisten[19]

Kurzfilm unterscheidet sich also zum Langfilm durch: Reduzierung und Pointierung. „As the feature-lenght film is to the epic poem, the short film or video is to the haiku.“[20]

2.1.d MUSIKVIDEO

Musikvideos sind bebilderte Popsongs von in der Regel zwei bis drei Minuten Dauer. Sie entwickelten sich im Laufe der siebziger Jahre, wobei der Anstoß dadurch gegeben wurde, daß Musiker und Plattenfirmen auf Mittel und Wege sannen, dem damaligen schwindenden Interesse an der Popmusik entgegenzuwirken. Musikvideos werden auch „Rock-Promos“[21]genannt. Sie wurden im Fernsehen als werbewirksames Mittel eingesetzt, um auf den entsprechenden Titel aufmerksam zu machen. Der Erfolg übertraf alle Erwartungen. Das Interesse an populärer Musik und den Musikern nahm wieder zu. Dabei entwickelte sich die neuen Werbespots zu einer selbständigen Form. Inzwischen werden weltweit ungefähr vierzig Videoclips pro Woche produziert. Die Produktionskosten liegen für einen einfachen Clip bei durchschnittlich 40.000 DM. Für die Clips bekannterer Musiker werden bisweilen Millionenbeträge ausgegeben.

Die Verbreitung geschieht hauptsächlich über spezielle TV-Musiksender (MTV, VIVA, VIVA II, VH-1, u.a.) - dem sogenannten „visuellen Radio“[22]. Ähnlich der Cannes-Rolle hat sich hier der Werbeträger für das Produkt selbständig gemacht: Videoclips sind bereits als Kaufkassetten erhältlich.

Musikvideos gelten als „the medium most typical of postmodern culture“[23]und funktionieren als Experimentierfeld, von dem ein Strom von Neuerungen in die übrigen Bildmedien fließen: plötzlich tanzen die Bilder der Programmtrailer, biedere Sportsendungen offerieren pfiffige Schnittgewitter und sogar die Tagesschau verblüfft mit Blue-Box-Zaubereien. Wie wird sich dieser Trend in Zukunft weiterentwickeln? Meiner Meinung nach werden Bild und Ton bald nicht mehr voneinander zu trennen sein. Die endgültige Fusion von Musik und Bild geschieht auf Video-CDs und CD-ROMs. Neuerdings finden sich auf normalen Audio-CDs, zugleich die zugehörigen Musikvideos(wenn auch nicht bildfüllend und in schlechter Qualität). Meist handelt es sich hierbei um Maxi-CDs, die eine Doppelfunktion als CD-ROM einnehmen: z.B. KRUPA von Apollo 440 und PUT YOUR TRUST IN THE LORD von Orpheo. LET US PLAY von Coldcut ist sogar eine interaktive CD-ROM mit Spielen, Videos und Informationen über die Band. Beide Medien durchdringen sich gegenseitig und präsentieren sich zunehmend als Einheit. Werbung und Produkt sind dann endgültig identisch.

2.2. GENREFIZIERUNG VON MUSIKVIDEOS

Es gibt viele verschiedene Versuche die überwältigende Masse an Videoclips zu klassifizieren: Marsha Kinder[24]unterscheidet „Performance“, „Narrative Visuals“ und „Dreamlike Visuals“. Margaret Morse[25]hingegen definiert „Performance“, „Narrating“ und „Story Space“. E. Ann Kaplan[26]diskutiert mit Begriffen wie „Romantic“, „Socially Conscious“, „Nihilist“, „Classical“ und „Postmodernist“. Michael Altrogge[27]kritisiert diese Begriffsunterteilungen, da viele der vorgeschlagenen Definitionen unklar voneinander zu trennen sind und auf schwammige Art und Weise versuchen Atmosphären zu beschreiben: „Dreamlike Visuals“, „Story Space“, „Romantic“, „Socially Conscious“, usw. sind Begriffe die eher zur Verwirrung, denn zur Klärung beitragen. Dieser Kritik möchte ich mich anschließen[28]. Altrogge selbst schlägt ein Klassifikationsmodell vor, daß er von Johannes Menge[29]übernommen hat - ohne jedoch das Zitat klar kenntlich zu machen! Menges Unterteilung ist insofern praktikabel, als sie weniger mit atmosphärischen Begriffen arbeitet, sondern sich strikt an der visuellen Seite der Clips orientiert. Ich werde im folgenden kurz Menges Modell darstellen, um mich in meiner Arbeit später auf eine bestimmte Kategorie zu spezialisieren:

Menge unterteilt das Bildmaterial in zwei Gruppen:

„(1) Bilder, die den oder die Musiker bei der Ausübung ihres >Berufs< zeigen, beim Singen und/oder beim Spielen von Instrumenten,
(2) Bilder, die irgend etwas anderes zeigen.“

Ersteres wird meist >Performance-Video<, letzteres >Konzept-Video< genannt.

2.2.a PERFORMANCE-VIDEO

„Performance-Videos werden etwa nach >Konzert-Video< oder >fingiertes Konzert-Video< differenziert.“[30]Wenn es sich nicht gerade um einen Live-Mitschnitt handelt(„Konzert-Video“), werden Performances an den unterschiedlichsten Orten(im Studio, auf der Straße, in Fabrikhallen, in der Karibik)oder mit den verschiedensten Hintergründen(Rückprojektionen, Blue-Box-Effekte)realisiert(„fingiertes Konzert-Video“). Ort und Hintergrund werden mit Bedacht auf das Image des Stars und den Musikstil hin ausgewählt: Grunge gehört in die Garage, Hip-Hop auf die Straße - die nett-adrett geklonten Boy-Groups mit ihren auswechselbaren Plastikmasken hingegen können nur in dementsprechenden Kunstwelten existieren.

2.2.b KONZEPT-VIDEO

Bezüglich „Konzept-Videos“ unterteilt Menge[31]:

- „narrative Erzählstrukturen“

klassische „Story“ mit chronologischem Handlungsablauf

- „situative Handlungsstrukturen“

sequenzartige Aneinanderreihung von untereinander austauschbaren Szenen

- „illustrierende oder illustrative Darstellungsformen“

lose Folge von Bildmetaphern zur Verdeutlichung eines abstrakten Sachverhalts

- „computeranimierte Clips“

zumeist abstraktes Formen- und Farbspektakel

„Narrative Erzählstrukturen“ ist mit Narration im Spiel- und Kurzfilm gleichzusetzen. Wodurch aber unterscheiden sie sich von „situativen Handlungsstrukturen“? Den von Menge vorgeschlagenen Begriff „situativ“ empfinde ich persönlich als irreführend und mißverständlich. Ich empfehle die Bezeichnung „sequenzartig“, da sie meiner Ansicht nach verständlicher wirkt. „Sequenzartig“ meint „austauschbar“. Während klassische Narration chronologisch erzählt wird und innerhalb der Erzählfolge logisch aufeinander aufbaut, folgen einzelne Sequenzen in ihrem Handlungsverlauf ähnlich narrativen Mustern, können jedoch innerhalb des dramaturgischen Gesamtgefüges für sich alleine stehen und sind untereinander austauschbar. Sequenzartige Narration schafft vielmehr Atmosphäre. Ein Beispiel - Liebespartner A zu Liebespartner B: „Weißt Du noch damals ... als wir über die Wiese tollten, Blumen pflückten, uns im Gras wälzten, frisches Bergquellwasser tranken ...“ Wenn wir an eine Visualisierung dieser Traumreise denken, ist die Abfolge der Bilder untereinander austauschbar. Ob das Liebespaar erst über die Wiese tollt und dann Blumen pflückt oder erst Blumen pflückt und anschließend tollt ist nebensächlich. Im Vordergrund steht die Atmosphäre vereinten Glücks, das durch entsprechende Sequenzen illustriert wird.

Die eigentliche Schwäche in Menges 4-Stufen-Modell bezüglich Konzept-Videos ist die mangelhafte Abgrenzung zwischen „sequenzartigen“ und „illustrativen“ Darstellungsformen: was ist noch „sequenzartig“, was bereits „illustrativ“? Der Unterschied zwischen beiden Darstellungsformen liegt nach Menge wohl im Prozentsatz der Austauschbarkeit(illustrativ mehr als sequenzartig)- aber das ist für eine Definition zu schwammig! Ich bin der Ansicht, die beiden Extrem-Pole der Narration: Story und Story-Verzicht lassen sich sehr klar definieren. Der Übergang zwischen „sequenzartigen“ und „illustrativen“ Handlungsstrukturen ist jedoch fließend.

Menges Modell ist das einer abnehmenden Narration - von der klassischen Story bis zur austauschbaren Bilderfolge. Altrogge bringt in diesem Zusammenhang den Begriff „visuelle Binnenstruktur“ ins Spiel.

„Sie läßt sich einfach dadurch ermitteln, daß die Bilder ohne Ton betrachtet werden: Je stärker ihre Strukturierung vom Ton abhängt, desto schwächer ist ihre Binnenstruktur, bis zu dem Punkt, wo sich ohne Ton kaum Sinn ergibt.“[32]

Der Begriff der Binnenstruktur bezieht sich also auf die Stringenz des narrativen Zusammenhangs innerhalb der Montage. Angewendet auf Menges Modell bedeutet das:

schwache visuelle Binnenstruktur = Performance,

illustrative Darstellungsformen

& computeranimierte Clips

mittlere visuelle Binnenstruktur = situative Handlungsstrukturen

starke visuelle Binnenstruktur = narrative Erzählstrukturen

Menge sieht selbst die Schwächen einer allzu konsequenten Einteilungswut. Das Problem ist die Vermischung der unterschiedlichen Ebenen. „Es stellt sich die Frage, wo die >Performance< endet, wo das >Konzept< beginnt.“[33]In welche Kategorie läßt sich z.B. ein Clip einordnen, in dem ein Musiker lippensynchron singt (performiert) und zugleich als „Schauspieler“ in der Handlung agiert?[34]Darüber hinaus treten oftmals Mischformen auf, in denen narrative Sequenzen mit performativen Szenen abwechseln[35]. Als Fazit läßt sich Folgendes festhalten: man kann von performativen oder konzeptionellen Sequenzen innerhalb eines Clips sprechen, selten aber sind Clips durchgängig als Performance- oder Konzept-Clips zu bezeichnen.

Meinen eigenen Beobachtungen zufolge handelt es sich bei einem Großteil der Musikvideos um „illustrative“ bis „sequenzartige“ Handlungsstrukturen. Es handelt sich also zumeist um narrative Ansätze die inhaltlich schwer nachzuerzählen und allenfalls atmosphärisch wiederzugeben sind. Darüber hinaus zeigt die überwiegende Mehrheit der Musikvideos die Musiker in einem mehr oder weniger hohen Prozentsatz der Bilder beim Performieren. Schenkewitz[36]schreibt 80% aller Clips arbeiten mit Performance-Elementen, Altrogges[37]Schätzung beläuft sich sogar auf 95%. Rein narrative Clips sind also nicht besonders genrespezifisch. Ich werde mich dennoch weiterhin ausschließlich mit „narrativen Erzählstrukturen“ beschäftigen, da mein Interesse darauf ausgerichtet ist, wie gerade „narrative Bilder“ - welche mit der musikalischen Performance augenscheinlich nichts zu tun haben - trotzdem eine Musikalisierung erfahren können.

2.3. GENRESPEZIFISCHE NARRATIVE ELEMENTE DES MUSIKVIDEOS

2.3.a NARRATIVE RAHMENHANDLUNG

Am Anfang der Musikvideo-Entwicklung wurde versucht, die „Bildercollagen“[38][39], bzw. die Menge’schen „sequenzartigen“ bis „illustrativen“ Darstellungsformen „sinnvoll“ in spielfilmartige Rahmenhandlungen einzubetten. Als Vorbild fungierten sicherlich Filme wie EASY RIDER (Regie: Dennis Hopper, USA 1969) und ZABRISKIE POINT (Regie: Michelangelo Antonioni, USA 1969), die gezeigt haben, daß der Zuschauer in bestimmten Szenen eine freiere Montage akzeptiert: z.B. wenn die Protagonisten „frank und frei“ über den Highway fahren. Der Zuschauer hat gesehen, daß die Protagonisten von Punkt A losgefahren sind, sie be-WEG-en sich in B, parallel zur Musik und er geht davon aus, daß sie am Ende des Songs in C ankommen werden. Das Musikstück gibt das Zeitmaß vor. Es handelt sich also um ein abgeschlossenes Handlungssegment innerhalb einer klassischen Spielfilmdramaturgie, eine „Montagespielerei“ am Rande, die vom Zuschauer aufgrund ihrer zeitlichen Begrenzung akzeptiert wird - ähnlich den handlungshemmenden Tanz- und Gesangseinlagen in Musicals. Beispiele für Rahmenhandlungen im Musikvideobereich die versuchen tänzerische Einlagen oder Assoziationscollagen zu „rechtfertigen“ finden sich viele: in dem Video IN COMMUNICADO der Gruppe Marillion interviewt ein Reporter, den als Penner verkleideten Sänger, woraufhin er die Antwort als Song serviert bekommt. NO SLEEP TILL BROOKLYN zeigt die Band Beastie Boys zu Beginn des Videos vor der Tür eines Plattenproduzenten. Sie klopfen und werden aufgrund ihrer jugendspezifischen „Alltagstracht“ abgewiesen. Kurz darauf klopft es wieder. Die gleichen Musiker stehen als Hard-Rock-Musiker verkleidet erneut vor der Tür - diesmal bekommen sie den ersehnten Vertrag. Hier beginnt der Song und eine optische Persiflage der Hard-Rock-Szene. Das Paradebeispiel für diese Entwicklung ist THRILLER (1983) von Michael Jackson - eine Parodie auf das Horror-Genre, welche die längste Exposition der Musikvideogeschichte aufzuweisen hat. Das alles riecht meines Achtens nach einem zögerlichen und schlechten (Montage-)Gewissen. Wenn Guesch Patti in ihrem Video ETIENNE einem Nachtclubbesitzer vortanzt, um ihn von ihrer tänzerischen Professionalität zu überzeugen, wirkt das wie eine dramaturgischer Berechtigungsversuch Pattis Beine wirbeln zu lassen.[40]Derartige Einleitungen sind heutzutage weitgehend ungebräuchlich - moderne Clips brauchen keine Vorglüh-Phase, sie kommen unvermittelt zur Sache.

2.3.b DOSIERTE RÄTSELHAFTIGKEIT

Ich zitiere Behne, der für die Inhaltsstruktur des Musikvideos den sehr treffenden Begriff „dosierte Rätselhaftigkeit“ vorschlägt - sie wird erzeugt „durch Reizüberflutung oder Surrealismus“[41]:

„Dosierte Rätselhaftigkeit scheint also ein zentrales Gestaltungsprinzip in vielen Videoclips zu sein, es wird entweder durch Reizüberflutung erreicht oder durch Aneinanderreihung nur bedingt verknüpfbarer filmischer Elemente. Wenn die Beziehung dieser Elemente relativ diffus oder surreal ist (...), kann sich keine Story, kein Handlungsfaden entspinnen, dafür aber ein emotionales Klima, etwa das der Brutalität oder einer kauzigen Zärtlichkeit, dessen Intensität sicherlich von der Unklarheit der inhaltlichen Aussage lebt. In vielen Fällen versucht man in drei oder vier Minuten ein Minidrama zu erzählen, das den Star in den erwünschten Kontext setzt oder im Idealfall, die Story des Textes andeutungsweise an einem zweiten oder dritten Ort spielen läßt. Solche Minidramen müssen sich zwangsläufig auf einige stereotype Handlungselemente beschränken, etwa: >Verfolgung - Kampf - Verfolgung - Kampf - Sieg - sich umarmendes Paar<. Solche Minidramen sind nicht sonderlich rätselhaft und um eine gewisse Spannung zu erreichen, spart man deshalb nicht am Schnittempo, grellen Farben und Klängen, an graphischen Video-Computer-Gags, sowie an teuren Kulissen.“[42]

Vor allem in sequenzartigen Handlungsstrukturen finden sich oftmals surreale Elemente[43]. Typisch für die Stilrichtung des Surrealismus ist eine Kombination von realen Objekten, welche in ihrer untypischen Konstellation eine(oftmals witzige)Absurdität erzeugen. Beispiel: in dem surrealistischen Filmklassiker UN CHIEN ANDALOU(Regie: Luis Buñuel / Salvador Dali; 1928)zieht ein Mensch auf dem Weg zu seiner Geliebten zwei Klaviere, tote Esel und erstaunte Priester hinter sich her.

Der Surrealismus ermöglicht es zusätzlich Symbole und Chiffren einzusetzen, die den Clip auf inhaltlicher Ebene verschlüsseln. Dem Zuschauer werden so optische Rätsel aufgeben, die letzten Endes jedoch in eine Sackgasse führen, da sie zumeist als bloße Bildeffekte eingesetzt werden. Regisseure von Musikvideos wollen den Zuschauer nicht mit einer absurden Welt konfrontieren, sie versuchen einen Clip zu kreieren, der auch bei mehrmaligem Sehen noch interessant erscheint.

„You try to pack as much into a clip as possible with editing and imagery, so that people can see the clip over and over and still be noticing things they haven’t caught before.“[44]

„You have to layer each shot with a lot of meaning. When you see a video the first time you should get the overall idea. When you see it again, you should get a little more, and a little more again the third time. It’s like the time - release cold capsule.“[45]

Ich fasse noch einmal kurz zusammen: die typische Musikvideo-Narration ist ein Potpourri aus illustrativen bis sequenzartigen Handlungsstrukturen unterschnitten mit Performance-Elementen. Die handlungstragenden Sequenzen sind oftmals durch surreale Kombinationen auf eine „dosierte Rätselhaftigkeit“ angelegt, um auch nach mehrmaligen Sehen noch Faszination zu erzeugen. Klassische Narrationen die eine Chronologie der Geschehnisse behaupten stellen die Ausnahme dar.

2.3.c DEHNUNGSFUGEN

Der Begriff geht auf Gerhard Schumm zurück, der ihn aber lediglich in einem Nebensatz gebraucht:

„In das Bildmaterial muß eine hinreichend große Anzahl potentieller Dehnungsfugen und Verkürzungsstellen eingearbeitet werden, wenn im Verlauf der Montage die Rhythmik der Bildspur auf die der Musik abstimmbar sein soll.“[46]

„Dehnungsfugen“ können z.B. performative Elemente, oder kurze surreale Szenen sein. Sequenzartige Handlungstrukturen und Performance-Elemente sind in ihrem Zeitmaß variabel. Sie können daher auch im Nachhinein noch bequem mit der Länge des Musikstücks abgestimmt werden können. Clips mit einer stringenten narrativen Handlung hingegen müssen im Vorfeld exakt geplant sein, um die Bild-Länge mit der Song-Länge zu synchronisieren. In diesem speziellen Fall zeigen sich lediglich geringfügige „Dehnungsfugen“.

2.4. SCHNITT IM SPIEL- / KURZFILM

„Man sollte einen Schlafwandler nicht ansprechen und einen Cutter nicht nach seinen Prinzipien und Techniken fragen.“[47]

Die Fachliteratur über Schnitt bezieht sich in erster Linie auf die Geschichte der Montage, Theorien über Technik und Semantik des Schnitts sind spärlich gesät. Dieser Mangel liegt darin begründet, daß sich die allgemeingültigen Konventionen, wie Bilder flüssig ineinander montiert werden, erst im Laufe der Filmgeschichte durch ausgiebige Schnittpraxis[48]entwickelt haben. Die jahrzehntelange Schulung allgemeiner Sehgewohnheiten hat darüber hinaus dazu beigetragen, daß die immer komplexer werdenden Zusammenhänge der dargebotenen Montagen von den Rezipienten auch tatsächlich nachvollzogen werden können. Ich wage zu behaupten, daß moderne Action-Filme unsere medial unerfahrenen Vorfahren visuell hoffnungslos überfordert hätten. Darüber hinaus gebe ich zu bedenken, daß derartige Sehkonventionen zwangsläufig einem historischen Wandlungsprozeß unterworfen sind und lediglich kulturspezifisch funktionieren.

2.4.a SCHNITT-WIRKUNGEN

Gerhard Schumm unterteilt vier unterschiedliche Wirkungen von Schnittarten[49]:

- Unsichtbare Schnitte

lassen die Einstellungsverkettung trotz Schnittstelle visuell miteinander verschmelzen. Der Rezipient nimmt die Schnittstellen nicht bewußt wahr.

- Weiche Schnitte

führen geschmeidig und irritationslos über die Anschlußstellen. Im Gegensatz zu den unsichtbaren Schnitten entziehen sie sich nicht der „normalen“ Filmwahrnehmung. Man bemerkt sie - zugleich wirken sie aber auch nicht besonders auffällig.

- Harte Schnitte

setzen Einstellungen voneinander ab und fungieren als klare Szenentrennung. Sie schaffen dadurch eine Gliederung der filmischen Handlung in „Absätze“ und offerieren zugleich „Atempausen“.

- Jump Cuts

sind extrem auffällige Bildsprünge die dadurch erzeugt werden, daß aus einer durchlaufenden Einstellung einzelne Frames herausgeschnitten werden - vergleichbar einem Stopp-Trick. Diese „springende Schnitte“, lassen die Einstellungen hart aneinanderstoßen und irritieren den Zuschauer. Godard verwendete dieses Stilmittel oftmals als bewußte Zäsuren um das Medium transparent zu machen[50].

Das ist natürlich eine stark subjektive Unterteilung mit schwammigen Abgrenzungen. Was ist noch „weich“, was gerade noch „unsichtbar“? Ich bin vielmehr der Ansicht, daß unterschiedliche Seherfahrungen verschiedener Rezipienten zu unterschiedlichen Einschätzungen der dargebotenen Schnittart führen wird. Was für einen durchschnittlichen Fernsehzuschauer unter „unsichtbar“ fällt, kann für einen Profi aus der Branche „weich“ wirken. Die Grenzen sind wohl eher fließend.

Festhalten läßt sich auf jeden Fall, daß es einen großen Unterschied gibt, zwischen dem optischen Kopfsteinpflaster Eisensteins, wo jeder Schnitt wie eine Ohrfeige wirkt und dem visuellen Fahrtstuhl Hollywoods, in den der Zuschauer oben einsteigt und ohne Unterbrechung bis zum Kinoausgang befördert wird. Wie aber werden Schnitte „unsichtbar“?

2.4.b TECHNIKEN DES SCHNITTS

Der „unsichtbare“ Schnitt ist das erklärte Ziel vieler Spiel- und Kurzfilm-Cutter - das heißt ein Schnitt, der dem Zuschauer nicht auffällt[51]. Bilder sollen „ineinander fließen“, der Übergang darf nicht als störend empfunden werden, der Rezipient soll die Filmerzählung ohne spürbare Brüche, als harmonisches Ganzes wahrnehmen, obwohl sie aus vielen separaten Einstellungen besteht. Das wichtigste Charaktermerkmal einer „flüssigen“ und damit „unsichtbaren“ Montage ist die „Continuity“. Der Begriff Continuity bezieht sich in erster Linie auf die Reihenfolge der Einstellungen. Ich werde im folgenden die wichtigsten Grundregeln der Continuity[52]anführen und kurz skizzieren:

- Establishing-shot

Zu Beginn einer neuen Szene steht meistens ein establishing-shot in Form einer Totalen oder Halb-Totalen, der dem Zuschauer einen Überblick über die Szenerie verschafft, so daß er sich in der darauffolgenden Montage optisch orientieren kann.[53]

- minimale Differenz[54]

Der Schnitt muß mindestens um zwei Einstellungsgrößen differieren. Der Sprung über lediglich eine Einstellungsgröße hinweg liefert dem Zuschauer keine neue visuelle Information, er wirkt deshalb unmotiviert.

- maximale Differenz

Eine Großaufnahme darf nicht auf eine Totale folgen, der Wechsel der Einstellungsgrößen ist zu extrem und führt zu einer Desorientierung des Zuschauers.

- Achsenverschiebung um 30-Grad[55]

Bei einem Heranschnitt (z.B. von einer Halbtotale auf eine halbnahe Einstellung) muß die Blickachse, auf welcher der Heranschnitt erfolgt, um mindestens 30-Grad differieren. Dem Zuschauer wird so eine neue Perspektive des Dargestellten präsentiert, was unterbewußt den Schnitt „legitimiert“.

- Achsensprung oder das 180-Grad-Prinzip

„Das 180-Grad-Prinzip - auch (Handlungs)Achsenschema genannt - besagt, daß der Zuschauer auf einer Seite der Handlung bleibt, ähnlich wie beim Proszenium imTheater. Die Handlungs-achse,center line, wird zum imaginären Vektor der Handlungsbewegung, der Anordnung der Darsteller und der Blickrichtung der Szene.“[56]

Indem die Kamera sich lediglich auf einer Seite der Spielhandlung aufhält, ermöglicht sie dem Zuschauer eine Orientierung innerhalb der Szenerie. Ein Überspringen der Handlungsachse führt zu einem „Achsensprung“ und bewirkt dadurch eine optische Verwirrung des Zuschauers.

- Bewegungsrichtungen werden beibehalten.

Wenn ein Darsteller von links nach rechts aus dem Bild geht, muß ihn die darauffolgende Einstellung in derselben Bewegungsrichtung zeigen - es sei denn, es gibt eine Motivation dafür, daß der Darsteller umkehrt. Der Schnitt erfolgt hierbei, bevor der Darsteller, die Einstellung vollständig verlassen hat.

- Schnitt in die Bewegung

Bewegungen werden in ihrem Fortlauf über den Schnitt hinaus weitergeführt und kaschieren dadurch die Schnittstelle. Die Aufmerksamkeit des Zuschauers wird durch die Bewegung im Bild derart gebannt, daß ihm der währenddessen erfolgte Schnitt nicht auffällt.[57]

Generell sollte jeder Schnitt eine Motivation aufweisen können. Ein Schnitt erfolgt, um den Zuschauer eine neue Information zu vermitteln, aufgrund einer Aufmerksamkeits-verlagerung oder aus sonstigen filmdramaturgischen Gründen. Eine Verletzung der oben genannten Konventionen führt nicht unbedingt dazu, daß dem durchschnittlichen Zuschauer der Schnitt bewußt wird - er nimmt vielmehr eine unterbewußte Störung im visuellen Erzählfluß wahr und wird kurzfristig von der Handlung distanziert. Da Hollywood den emotional gesteuerten Zuschauer will[58], versuchen die Cutter potentielle optische Verwirrungen zu vermeiden und halten sich im großen und ganzen an die oben angeführten Prinzipien.

Brechungen dieser „goldenen Schnittregeln“ basieren meistens auf dramaturgischen „Berechtigungen“. In TOTMACHER von Romuald Karmakar wimmelt es von Achsensprüngen, sie symbolisieren jedoch die Desorientierung des Serienmörders Habermann. Moderne Action-Sequenzen faszinieren durch ihren gezielten Einsatz von Jump-Cuts, bei denen jedoch eine präzise Bildzentrenüberlagerung[59]das Zuschauerauge „versöhnt“. In L.A.CONFIDENTAL konzentriert sich der Cutter während des Showdowns am Ende des Films lediglich auf die wichtigsten Aktionen, ohne auf die „natürliche“ Kontinuität der Bewegung Rücksicht zu nehmen: Protagonist lädt Waffe - Schnitt - wirft sie seinem Kollegen zu - Schnitt - läuft Richtung Fenster - Schnitt - schießt, usw. Die einzelnen Bildzentren sind jedoch präzise aufeinander abgestimmt und suggerieren dem Zuschauer durch einen ineinandergreifenden Bewegungsfluß eine optische Kontinuität. Derartige Beispiele lassen sich allerdings unmöglich generalisieren, sie hängen von dem jeweiligen Einzelfall ab. Oftmals entstehen die kreativsten Montagen durch Experimentieren am Schneidetisch. „Das Material liefert die besten Ideen.“[60]

Den perfekten Schnitt kann es nicht geben, jeder Schnitt stellt nur eine subjektive Interpretation des gefilmten Materials dar. Es ist angesichts der Fülle von Möglichkeiten ein endloses Unterfangen, wollte man jegliche Verbindung von zwei Einstellungen theoretisch erörtern. Die hier genannten Grundregeln lassen sich wohl am ehesten mit einem Schachspiel vergleichen. Der Cutter ähnelt einem programmierten Computer, dem die Spielregeln, sowie einige Verhaltensmaßregeln für den „Ernstfall“ eingespeist werden - die individuelle Anwendung und gegebenenfalls Brechung dieser Regeln, bleiben ihm selbst überlassen. Was die Fixierung von Schnittregeln angeht so zitiere ich Anne V. Coates(Cutterin von THE ELEPHANT MAN, Regie: David Lynch):

„I remember after I’d been cutting a few years, I picked up Karel Reisz’s book on editing and started reading it. God! I realised I’d been doing all these things wrong all these years! I decided that it was better not to read the book. It was full of rules and regulations of what I should or shouldn’t do, how many frames I should leave before somebody speaks- that’s just not the way I work at all.“[61]

2.4.c EINSTELLUNGSVERKETTUNGEN

Gerhard Schumm ist meines Wissens nach der erste, der sich theoretisch mit der schnittechnischen Überlagerung von Blickzentren auseinandergesetzt hat.[62]

„Wenn sich der Blick mit großer Wahrscheinlichkeit spontan und primär an einer Stelle festmacht, bezeichne ich ein derartiges Bild als >zentriert< (...) Filmbildfelder können aber auch ganz ohne oder ohne eindeutiges Blickzentrum sein. Bezogen auf die Fixationspunkte sind sie dann unbestimmt: es handelt sich um >diffuse Filmbildfelder<.“[63]

Schumms Definition eines „zentrierten“ und „diffusen“ Blickzentrums erscheint selbst diffus. Meinen eigenen Beobachtungen zufolge, bilden die Augen der Darsteller derartige „Bildschwerpunkte“. Auch Objekte können durch ihre Farbgebung, oder gezielte Lichtführung optisch vom Hintergrund abgehoben erscheinen. Eine bewußte Positionierung innerhalb der Bildkomposition ermöglicht es, die Aufmerksamkeit des Zuschauers schnell auf das gewünschte Bildzentrum zu lenken.

Eine „unsichtbare“ Continuity ergibt sich laut seinen Untersuchungen aufgrund der „Heraushebung der gemeinsamen graphisch-visuellen Merkmale zweier Einstellungen“ und durch die präzise Abstimmung der Blickzentren aufeinander. Unter diesem Aspekt unterteilt Schumm vier unterschiedliche Einstellungsverkettungen[64]:

- Zentrierte Einstellungsverkettungen

„Wenn sich der Blick mit großer Wahrscheinlichkeit spontan und primär an einer Stelle des Bildes festmacht, bezeichne ich ein derartiges Bild als >zentriert<.“[65]„Eine Überlagerung solcher Fixationspunkte ermöglicht >zentrierte Einstellungsverkettungen<, d.h. der Auslauf der ersten Einstellung reicht dann sozusagen sein Blickzentrum in den Anlauf der nachfolgenden Einstellung weiter. Es entstehen meist >weiche<, oft >unsichtbare< Schnittverbindungen.“[66]

- Diffuse Einstellungsverkettungen

„Um diesen Typ der Schnittstelle herzustellen, genügt es, wenn eines der beiden Filmbildfelder, die an der Schnittstelle aneinanderstoßen, diffus(graphisch unbestimmt)ist. (..) Wesentliches Kriterium ist allein, daß am Konfrontationspunkt der Schnittstelle zwischenzeitlich ein Blick- zentrum fehlt. Es ergeben sich in der Regel geschmeidige, weiche Schnittverbindungen.“[67]

- Korrespondente Einstellungsverkettung

„Die Blickzentren der angrenzenden zentrierten Bildfelder können auch in verschiedenen Bild- zonen liegen. Die Bildfelder sind dann nur als einzelne zentriert. In der Übergangszone der Schnittstelle ist daher keine paßgenaue, gemeinsame Zentrierung möglich. (...) In Begriffen der Geometrie ausgedrückt: durch Spiegelsymmetrien werden korrespondierende (inhaltlich und formal aufeinander abgestimmte) Bildteile zweier angrenzender Einstellungen aufeinander bezogen. (...) das Motivzentrum oben im ersten Bild sollte dann mit einem Zentrum unten im Folgebild korrespondieren, linke Zentren beziehen sich auf rechte, links-oben entspricht rechts- unten (...)“[68]

- Lineare Einstellungsverkettung

„Gibt es eine optische Achse, die den aneinanderstoßenden Bildfeldern gemeinsam ist? Besteht eine gemeinsame Vertikale oder Horizontale, durch die vertikale oder horizontale Abstimmung zwischen den Bildfeldern grafisch bewirkt wird? Liegen im einen Bildfeld zum Beispiel die Augen als Blickzentrum auf derselben Höhe wie im Folgebildfeld? Oder kann die Horizontlinie im nächsten Bild von der Augenlinie aufgegriffen werden? (...) zusätzlich zur Überlagerung wird sozusagen ein (gedachtes) Gitter, ein Koordinatennetz aus horizontalen und vertikalen Linien über die Bilder gelegt, um gemeinsame Achsen herauszufinden. Unter Filmemachern wird das manchmal als >Perlschnurregel< bezeichnet (...)“[69]

- Wilde Einstellungsverkettung

„Ist keines dieser Ordnungsprinzipien erkennbar, sprechen englische und amerikanische Filmleute von >wild cuts<, von>wilden Schnittverbindungen<. Die wilden Schnittver- bindungen verhalten sich zu den hier angegebenen Regeln irregulär: weder sind sie diffus, noch sind ihre Blickzentren nach dem Ordnungsprinzip der Deckungsgleichheit, der Symmetrie oder der Linearität aufeinander abgestimmt. (...) Bei wilden Schnitten ist alles möglich.“[70]

Schumm leitet seine Beobachtungen aus unmittelbarer Praxis ab - er ist gelernter Cutter. Seine Fokussierung auf Blickzentrenüberlagerung / Bildschwerpunkte und ihre Wertigkeit für eine flüssige Continuity finde ich sehr hilfreich. Es handelt sich hierbei jedoch um ungeschriebene Grundregeln wie sie z.B. in der Werbung oder auch im Action-Film häufig Verwendung finden. Ich finde es bedenklich, daß er für seine Untersuchung einen Videoclip(CLOUDBUSTING von Kate Bush)analysiert, zumal er in keinem Wort eine Unterscheidung zwischen Narration im Musikvideo und im Kurz-/Spielfilm vornimmt. Er vernachlässigt ferner den Bezug zwischen Schnitt und Beat, sowie die Kombination von visueller Bewegung und Melodieführung, was beides meiner Meinung nach zu einer emotionalen Intensivierung der Bildoberfläche von Musikvideos beiträgt. Ich muß also davon ausgehen, daß er seine Thesen für allgemeingültig hält. Seine Erkenntnisse lassen sich jedoch meiner Ansicht nach nicht ohne weiters transferieren. Schumm spricht von dem Bildersog des Clips. Wenn man sich CLOUDBUSTING anschaut, würde man nach Schumms These keinen einzigen Schnitt wahrnehmen. Er führt die Faszination beim Sehen allein auf die präzise Überlagerung der Bildschwerpunkte zurück[71]und läßt in seiner Analyse die Musik völlig außer Acht. Schumm selbst stolpert über eine Beobachtung, die er in sein Konzept nicht einordnen kann:

„Dabei ist ein - auf den ersten Blick - merkwürdiges Phänomen festzustellen: je fremder, je un- ähnlicher zwei Filmbilder sich sind, um so leichter erscheint eine solche wilde Einstellungsver- kettung bei der anschließenden Filmsichtung als irritationslos >harter Schnitt<. (...) Wenn Bildinhalt und -aufbau der beiden Bildfelder gar nichts miteinander zu tun haben, wenn gar keine gemeinsamen Blickzentren, Korrespondenzen oder Linien vorliegen, wenn beim Vergleich der Bilder gar nichts zueinander zu passen scheint, kann man sicher sein, daß solche ungeordneten, >wilden< Schnittübergänge als hart aneinanderstoßend, als abrupt, aber ohne jede Irritation vom Zuschauer verarbeitet werden. Einander Fremdes wird so als deutlich Verschiedenes und Getrenntes wahrgenommen.“[72]

Vielleicht schlägt sich gerade hier Schumms Fehler nieder, daß er die Tonspur bei seiner Analyse nicht berücksichtigt. Die durchgehende Musik stellt in allen Musikvideos die Behauptung auf, die gezeigten Bilder würden einer gemeinsamen Ordnung unterliegen. Musik schafft eine Beziehung zwischen den optisch disparat erscheinenden Bildern, sie werden deshalb vom Zuschauer als harmonisches Ganzes rezipiert. Musik ist ein immens starker „Kitt für die Bilder“[73].

Ich hoffe es ist klar geworden, daß im Spiel-/Kurzfilm primär die „Unauffälligkeit“ des Schnittvorgangs, die „unsichtbare“ Montage angestrebt wird! Welche Wirkung aber hat der Schnitt im Musikvideo?

2.5. SCHNITT IM MUSIKVIDEO

2.5.a SCHNITTGESCHWINDIGKEIT

„Die Kurzschnittechnik bietet ausgezeichnete Experimentiermöglichkeiten. Wer sich häufiger damit beschäftigt, kann eine ganze Menge dabei lernen. (...) Eine Gelegenheit für so extrem kurze Schnitte bietet sich allerdings nur sehr selten.“[74]

Baddelys These - 1955 formuliert - ist natürlich weit überholt. Heutzutage ist das „optische und akustische Trommelfeuer“[75]der Musiksender an der Tagesordnung. „Clip“ heißt auch „Tempo“ und die hohe Schnittgeschwindigkeit wird oftmals als „typisches Charakteristikum“[76]für Musikvideos bezeichnet. Das ist insofern unrichtig, als das Musikvideo hier das Erbe des Experimentalfilms antritt, welcher in den 60er Jahren seinen Zuschauern weitaus höhere Geschwindigkeiten zumutete: BLAZES(1961)von Robert Breer ist ein Einzelbildfilm, in dem jeder Schnitt nur ein oder zwei Frames lang ist. Mit einer derartigen Frequenz können heutzutage nicht einmal Videos aus dem Tekkno-Bereich mithalten. Auch im Spielfilmbereich kommen ähnliche Bildgewitter vor: in THE WILD BUNCH(Regie: Sam Peckinpah, 1969)werden in der MG-Massaker-Sequenz in 6 Minuten 350 Einstellungen gezeigt(ca. 1 Sek / Schnitt).Der ganze Film hat eine Länge von 2 Stunden und 14 Minuten, Peckinpah verwendet darin insgesamt 3642 Schnitte(2,2 Sek. / Schnitt).[77]Mit dieser Bilderlawine ist THE WILD BUNCH(meines Wissens nach)bis dato Rekordhalter.

Wie aber ist es möglich, dem Zuschauer eine so hohe Schnittfrequenz zuzumuten, ohne daß das Verständnis für den visuellen Zusammenhang darunter leidet? An vielen Musik-videos fällt auf, daß die Einstellungen vornehmlich als Nah- und Großaufnahmen komponiert sind.

„Die hervorstechendsten Stilmerkmale der Clips stammen nach wie vor aus der Werbung: extrem kurze Einstellungen, Vorherrschen von Großaufnahmen, Wiederholungen.“[78]

Warum Großaufnahmen? Musikclips werden ausschließlich für das Fernsehen konzipiert, sie müssen sich demnach dessen spezifischer Bildästhetik unterordnen. Während im Kino Landschaften, gefilmt in einer Totalen, imposant zum Tragen kommen, verlieren sie auf dem kleinen Bildschirm jegliche Wirkung. Schnittgeschwindigkeit ist abhängig von den Bildinhalten - sie richtet sich danach, wie lange der Rezipient benötigt um ein Bild vollständig zu erfassen. Schnell geschnittene Musikvideos zeigen daher einen vergleichsweise simplen Bildaufbau: Nah-, Groß- und Detailaufnahmen herrschen vor; die Bilder werden zweidimensional komponiert - d.h. ohne graphische Tiefenstruktur; Schumm’sche „Blickzentren“ liegen zentriert und sind oftmals in der Bildmitte angesiedelt, während sie im Kinofilm über die gesamte Breite des Bildes verteilt liegen. Diese optischen „Vereinfachungen“ nehmen dem Auge viel Arbeit ab, „bedienen“ es förmlich. Die Bilder werden schneller dechiffrierbar, was wiederum einen schnelleren Schnittfluß erlaubt und dadurch eine Dynamisierung des Visuellen zur Folge hat.

Darüber hinaus werden die meisten Musikvideos während der Filmentwicklung[79]speziell bearbeitet, um eine spezifische Farbästhetik zu kreieren(ein „dreckiges“ Grau, ein „verwaschenes“ Blau, ein „krankes“ Grün, usw.), welche den Clip aus der Masse seiner Konkurrenten herausstechen lassen soll. Bisweilen verwendet auch ein bestimmter Regisseur einen unverwechselbaren „Farbstil“: z.B. Martin Weisz, der sehr viel mit Polarisationsfiltern arbeitet oder James Brown, der bevorzugt auf s/w-Super-8-Material dreht. Farbästhetische Brüche beschränken sich überwiegend auf klar voneinander zu differenzierende Ebenen: z.B. abwechselnder Einsatz von s/w- und Farbfilm.Eigene Erfahrungen[80]haben mir gezeigt, daß der Einsatz von mehreren verschiedenen Video-Systemen unterschiedlichen Niveaus zu permanenten Qualitätssprüngen führt, welche das Material „optisch nervös“ wirken lassen. Es bedarf also eines gewissen Grades an optischer Homogenität um Musikvideos professionell zu gestalten.

2.5.b SCHNITT & RHYTHMUS

Filmischer und musikalischer Rhythmus haben generell große Ähnlichkeit miteinander:

„Many editors were or are musicians (or would have like to be). Their sense of rhythm, tempo, „the beat“ is translated into the intricate alignment of images and sounds. (...) An editor is especially proud when music written for a scene that was cutwithoutmusic falls naturally into its >visual beat<.“[81]

Rhythmus im Spiel- und Kurzfilm meint jedoch etwas anderes als im Musikvideo: im Clip bestimmt der musikalische Rhythmus die Bilderdramaturgie, im Spiel- und Kurzfilm steht der Erzähl-Rhythmus im Vordergrund.

[...]


[1]Baddeley, H. - „Filmschnitt und Montage“ - S.44, Focal Press, Boston / London, 1955

Deutsche Rechte: Wilhelm Knapp Verlag, Düsseldorf, 1955

[2]Dmytryk, Edward - „On Film Editing“ - S.2, Focal Press, Boston / London, 1984

[3]„Musikvideo“, „Musik-Clip“, „Video-Clip“ oder auch nur „Clip“ haben diesselbe inhaltliche Bedeutung. Ich verwende sie nur aus rethorischen Gründen abwechselnd, um langweilende Wiederholungen zu entgehen. Ich bitte, sich davon nicht verwirren zu lassen!

[4]Buddemeier, Heinz(Ein Professor für Medienwissenschaft !!!) -„Leben in künstlichen Welten. Cyberspace, Videoclips und das tägliche Fernsehen“ - S. 62, Urachhaus, Stuttgart, 1993

[5]Vgl.Thomsen,Kai-Interview mitWeisz, Martin - ohne Quellenangabe &

Gebhard, Christine - Wir sind so gut wie die anderen in USA oder England. Interview mit Hannes Doracher“ - in: Film & TV Kameramann Nr.10, 46.Jg., S.110-117, 1997

[6]Altrogge, Michael - „Von der Bilderflut zum Bewußtseinstrom. Überlegungen zur musikalischen Organisation von Raum und Zeit in Musikvideos“ - in:Naumann, Barbara (Hrsg.) - „Vom Doppelleben der Bilder“

Wilhelm Fink Verlag, München, 1993

[7]Das ist natürlich nur eine Behauptung, die ich aufstelle und die erst einmal empirisch belegt werden müßte!

[8]In seinem Artikel „Aspekte der Filmmontage. Eine Art Einführung“ legtBeller,Hans eine detaillierte, historische Abgrenzung von „shot“, „scene“, „take“, „Szene“, „Sequenz“, „Syntagma“ und „Segment“ dar. Darüberhinaus erläutert er übersichtlich die Begriffe „crosscutting / Parallelmontage“, „Ellipsen“, „Match-cuts“, „Plansequenz“ und „Jump-Cuts“. Erschienen in:Beller, Hans (Hrsg.) - „Handbuch der Filmmontage. Praxis und Prinzipien des Filmschnitts“ - S.9, TR-Verlagsunion, München, 1993

[9]Zitiert nachEbert, Jürgen - „Montage - Editing - Schnitt“ - In: „Filmkritik“ Nr.276, S.558, Dezember 1979

[10]Vgl.Paech, Joachim - „Wiping. Godards Videomontage“ - in:Beller, Hans (Hrsg.) - „Handbuch der Filmmontage. Praxis und Prinzipien des Filmschnitts“ - TR-Verlagsunion, München, 1993

[11]Beller, Hans - „Filmediting / Filmmontage / Filmschnitt. Berufsbild: Cutter / Schnittmeister“ - in:Beller, Hans (Hrsg.) „Handbuch der Filmmontage. Praxis und Prinzipien des Filmschnitts“ - S.78, TR-Verlagsunion, München, 1993

[12]Grimm, Petra - „Filmnarratologie - Eine Einführung in die Praxis der Interpretation am Beispiel des Werbespots“

S. 156, diskurs film Verlag Schaudig & Ledig, München, 1996

[13]Vgl.Field, Syd - „Das Drehbuch“ - in:Meyer, Andreas /Witte, Gunther (Hrsg.) - „Drehbuchschreiben für Fernsehen und Film. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis“ - List Verlag, München / Leipzig, 1987 &

Field, Syd - „Das Handbuch zum Drehbuch. Übungen und Anleitungen zu einem guten Drehbuch“

Verlag 2001, 1991

[14]Metz, Christian - „Probleme der Denotation im Spielfilm“ - in:Albersmeier, Franz-Josef - „Texte zur Theorie des Films“ - S.324-373, Stuttgart, 1979

[15]Rea, Peter W. /Irving, David K. - „Producing and Directing the Short Film and Video“ - S.16-19, Focal Press - Boston / London, 1995

[16]Das bedeutet: Figuren charakterisieren sich nicht durch Dialoge, sondern durch ihre Handlungen.

[17]Der Deutsche Filmpreis erkennt Spielfilme erst ab einer Länge von 80 Minuten an. FATE von Fred Kellemann wurde vom Auswahlgremium abgelehnt, weil er die erforderliche Länge nicht vorzuweisen hatte (nur 79 Minuten!). Nachdem der Film auf mehreren internationalen Festivals (als Spielfilm) hoch honoriert wurde, anullierte die deutsche Jury ihren vormaligen Ablehnungsbescheid und überreichte Kellemann posthum die Trophäe.

[18]Bei Kurzfilmlängen bis zu 30 Minuten, können es auch zwei sein, aber die Ziele der beiden Protagonisten müssen in die gleiche Richtung weisen.

[19]Das führt natürlich zur Klischeeisierung von Charakterzügen, die Einschränkung von Figuren auf bestimmte Typen(der „versiffte Penner“, der „autoritäre Chef“, das „Objekt der Begierde“), wird aber angesichts der Kürze der Zeit vom Rezipienten akzeptiert.

[20]Rea, Peter W. /Irving, David K. - „Producing and Directing the Short Film and Video“ - S.21, Focal Press - Boston / London, 1995

[21]Kaplan, E. Ann - „Rocking around the clock. Music Television, Postmodernism and Consumer Culture“,

S. 13 Routledge, New York / London, 1987

[22]Goodwin, Andrew - „MTV Meets Postmodern Theory“ - in:Frith, Simon /Goodwin, Andrew /Grossberg, Lawrence (Hrsg.) - „Sound and Vision. The Music Video Reader“ - S.50, Routledge, London / New York, 1993

[23]Straw, Will - „Pop Music and Postmodernism in the 1980s“ - in:Frith, Simon /Goodwin, Andrew /Grossberg, Lawrence (Hrsg.) - S.4, 1993

[24]Kinder, Marsha - „Music Video and the Spectator - Television Ideology and Dream“ - in: Film Quarterly,

S. 2-15, Fall 1984

[25]Morse, Margaret - „Rock Video: Synchronizing Rock Music and Television“ - in: Fabula 5, S. 154-170, 1985

[26]Kaplan, E. Ann - „Rocking around the clock. Music Television, Postmodernism and Consumer Culture“ - S. 49ff, Routledge, New York / London, 1987

[27]Altrogge, Michael - „...wo alles drunter und drüber geht. Zur Ordnung und Wahrnehmung von Musik und Bildern in Videoclips und ihre Bedeutung für Jugendkulturen“ - Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie am Fachbereich Philosophie und Sozialwissenschaften I der Freien Universität Berlin

Berlin, 1996

[28]Altrogge bemängelt darüberhinaus, daß viele der Klassifikationsmodelle die Musik und ihre Stilrichtung vernachlässigen, aber seine Holzhammer-Grobeinteilung von Musik in „Rock“, „Dance-Pop“, und „Soft-Pop“ finde ich mehr als fragwürdig. Genausogut könnte er Musik in „gut“, „schlecht“ und „mittel“ einteilen.

Vgl.Altrogge, Michael, 1996, S.286ff

[29]Vgl.Menge, Johannes - „Videoclips: Ein Klassifikationsmodell“ - in:Wulff, Hans J. (Hrsg.) - „2. Film- und Fernsehwissenschaftliches Kolloquium / Berlin ‘89“ - S.189-200 , MAkS Publikationen, Münster, 1990

[30]Menge, Johannes, 1990, S.191

[31]Eine ähnliche Unterteilung findet sich beiSpringsklee, Holger - „Videoclips. Typen und Auswirkungen“ - in:Behne, Klaus-Ernst (Hrsg.) - „film -musik - video oder Die Konkurrenz von Auge und Ohr“ - Gustav Bosse Verlag - Regensburg, 1987. Springsklee kategorisiert „Performance“, „Narrativ“, „Semi-Narrativ“ und „Art“, wobei „Art“ ansatzweise mit „computeranimierten Clips“ korrespondiert und „Semi-Narrativ“ als Überbegriff für „illustrativ“ und „situativ“ fungiert.

[32]Altrogge, Michael - „...wo alles drunter und drüber geht. Zur Ordnung und Wahrnehmung von Musik und Bildern in Videoclips und ihre Bedeutung für Jugendkulturen“ - S.304ff - Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie am Fachbereich Philosophie und Sozialwissenschaften I der Freien Universität Berlin, 1996

[33]Menge, Johannes, 1990, S.191

[34]Menge schlägt für diese „Durchdringung von performativen und konzeptionellen Anteilen“ die Bezeichnung „Singspiel“ oder „Musical-Video“ vor. Wie man’s dreht und wendet, bei jeder Reduktion bleiben Sonderformen übrig, die sich querstellen. Die breite Vielfalt an Erscheinungsformen im Musikvideo-Bereich macht es unmöglich das immense Angebot sinnfällig, ohne Ausnahmeregelungen zu kategorisieren.

[35]Der ausgeprägteste Vertreter dieser Gattung ist das Country-Video: „One of the most successful frames developed in early country videos was the performance /concept combination, in which the central part of the video is a filmed or taped performance, and intercut within the performance are various segments that somehow illustrate the message or the plot of the lyrics.“

Fenster, Mark - „Genre and Form: The Development of the Country Music Video“ - in:Frith, Simon /Goodwin, Andrew /Grossberg, Lawrence (Hrsg.) - „Sound and Vision. The Music Video Reader“ - S.116, Routledge, London / New York, 1993

Die typische Country-“message“ funktioniert ungefähr folgendermaßen: „Seht, ich kann reiten!“, „Ich fahre jetzt ein großes Auto“, „Ich und meine Freunde trinken Schnaps und hauen ordentlich auf die Pauke“ oder „Oh weh, meine Alte ist mir davongelaufen“. Fast immer wird der Lied-Text visuell gedoppelt. „(...) Country music’s ability(is)to tell a story - simple and straightforward lyrics are still considered more important in a country song than complex or new rhythms, tempo and melodies (...)“ -Fenster, Mark, 1993, S.109

Die Einfachheit der Country-Clips hängt mit der Grundphilosophie dieser Musikrichtung zusammen resultiert aber auch aus den zwangsläufig niedrig zu haltenden Produktionskosten, da nur eine gesellschaftliche Minderheit diese Musikrichtung hört und der Absatz der Tonträger vergleichsweise niedrig ausfällt.

Performances sind generell billig, da einfach zu filmen und die Musiker können zugleich die Virtuosität ihres Instrumentalspiels unter Beweis stellen.

[36]Schenkewitz, Jan - „Videopop. Musik als strukturbildendes Element einer Gattung“ - In: TheaterZeitSchrift Nr. 26, S.104-109, 1988

[37]Altrogge, Michael - „...wo alles drunter und drüber geht. Zur Ordnung und Wahrnehmung von Musik und Bildern in Videoclips und ihre Bedeutung für Jugendkulturen“, S.199 - Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie am Fachbereich Philosophie und Sozialwissenschaften I der Freien Universität Berlin, 1996

[38]Springsklee, Holger definiert diesen Typus als Video-Story („Einleitungsszene - Song - Schlußszene“) in:- „Videoclips. Typen und Auswirkungen“ - in:Behne, Klaus-Ernst (Hrsg.) - „film -musik - video oder Die Konkurrenz von Auge und Ohr“ - S.134, Gustav Bosse Verlag, Regensburg, 1987

[39]Künzel, Werner - „Zur Typologie der Videoclips. Die Wiederkehr der Oper“ - Wolkenkratzer Artjournal

Nr. 6, S. 116-119, 1985

[40]„Sehr viele Songs des Videozeitalters wurden mit drei Pünktchen vor dem ersten und drei Pünktchen nach dem letzten Takt komponiert (...) So erwarten eigentlich noch heute Millionen Fernsehzuschauer nach einem Video, daß die Geschichte anschließend weitergeht oder etwas anderes passiert, wo doch nur ein neues Video (oder Stefanie Tücking) folgen kann.“

Schenkewitz, Jan - „Videopop - Musik als struktrurbildendes Element einer Gattung“

Theaterzeitschrift Nr. 26, S.107, 1988

[41]Behne, Klaus-Ernst - „Zur Rezeptionspsychologie kommerzieller Video-Clips“ - in:Behne, Klaus-Ernst (Hrsg) - „film - musik - video - oder die Konkurrenz von Auge und Ohr“ - S.123 - Perspektiven zur Musikpädagogik und Musikwissenschaft, Band 12, Gustav Bosse Verlag, Regensburg, 1987

[42]Behne, Klaus-Ernst, 1987, S.120

[43]Auch Peiter resümiert, daß „Musikvideos in großem Maße mit Bildkombinationen arbeiten, die dem surrealistischen Film entliehen sind.“

Peiter, Sebastian - „Bedeutung von Technik und Ästhetik des Musikfilms für die Formensprache des Videoclips. Eine Untersuchung mit Beispielen aus der Kino-, Fernseh- und Videoproduktion“ - S.23 Diplomarbeit im Studiengang Kulturpädagogik, Universität Hildesheim, 1988

Einige Autoren ziehen darüber hinaus Parallelen zwischen Musikvideos und sogenannten „Traumwelten“.

Vgl.Springsklee, Holger - „Videoclips. Typen und Auswirkungen“ - in:Behne, Klaus-Ernst (Hrsg.) - „film -musik - video oder Die Konkurrenz von Auge und Ohr“ - Gustav Bosse Verlag, Regensburg, 1987

Vgl.Kinder, Marsha - „Music Video and the Spectator. Television Ideology and Dream“ - in: Film Quarterly, S.2-15 - Fall 1984

[44]Mulcahy,Russel zitiert in:Shore, Michael - „The Rolling Stone Book of Rock Video“ - S.110, London 1984

[45]Cocks, Jay - „Sing a Song of Seeing“ - in: TIME, 26.12.1983

[46]Schumm, Gerhard - „Die Macht der Cuts“ - in:Naumann, Barbara (Hrsg.) - „Vom Doppelleben der Bilder: Bildmedien und ihre Texte“ - S.275, Wilhelm Fink Verlag, München, 1993

[47]Balkenhol, Thomas - „Pflicht und Kür der Dokumentarfilm-Montage“ - in:Beller, Hans (Hrsg.) - „Handbuch der Filmmontage - Praxis und Prinzipien des Filmschnitts“ - S.123, TR-Verlagsunion, München, 1993

[48]„Cutter/innen erlernen ihren Beruf im wesentlichen auf sich selbst gestellt. einen festen, vorgeschriebenen Ausbildungsweg gibt es nicht. (...) man versucht in Filmfirmen oder Fernsehanstalten Fuß zu fassen. Dort werden einem die vielen Tricks und individuellen, jeweils selbst erarbeiteten Erfahrungen vermittelt. (...) Schneidetisch und Material bilden zudem die mit ihnen Arbeitenden selber aus. Die Logik des Materials schreibt nämlich Arbeitsschritte, Systematik und Arbeitsweisen zwingend vor.“

Schumm, Gerhard - „Der Film verliert sein Handwerk. Montagetechnik und Filmsprache auf dem Weg zur elektronischen Postproduction“ - S.92, MAkS Publikationen, Münster, 1989

Mittlerweile gibt es an einigen Filmhochschulen spezifische Studiengänge für Schnitt.

[49]Schumm, Gerhard - „Feinschnitt. Die verborgene Arbeit an der Blickregie“ - in:Beller, Hans (Hrsg.) - „Handbuch der Filmmontage. Praxis und Prinzipien des Filmschnitts“ - S.223ff, TR-Verlagsunion, München, 1993

[50]Vgl. AUSSER ATEM (A BOUT DE SOUFFLE, Frankreich 1959). Vier Jahre vor Erscheinen von Godards „Jump-Cut-Klassiker“ warnte H. Baddely noch entschieden vor den fatalen Folgen eines „Jump-Cuts“:

„Niemals verbindet man zwei Einstellungen miteinander, die sich im Blickwinkel oder im Kameraabstand nur geringfügig unterscheiden. (...) Niemals schneidet man Stücke mitten aus der Handlung heraus, um dann unmittelbar in der gleichen Einstellung fortzufahren. Stets ist die Unterbrechung durch Einfügen einer anderen Einstellung auszugleichen.“

Baddeley, H. - „Filmschnitt und Montage“ - S.86, Focal Press, Boston / London, 1955

Deutsche Rechte: Wilhelm Knapp Verlag, Düsseldorf, 1955

Vgl. auchBrowne, Steven E. - „Videotape Editing. A Postproduction Primer“ - S. 123, Focal Press, Boston / London, 1989

[51]„Dies hatte bisher zur Folge, daß die Anerkennung des Berufs in der Öffentlichkeit nicht stattfindet.“

Beller, Hans - „Filmediting / Filmmontage / Filmschnitt. Berufsbild: Cutter / Schnittmeister“ - in:Beller, Hans (Hrsg.) - „Handbuch der Filmmontage. Praxis und Prinzipien des Filmschnitts“ - S.83, TR-Verlagsunion, München, 1993

[52]Dabei handelt es sich allerdings um Konventionen, die bereits größtenteils bei der Planung eines Films(anhand eines Storyboards)berücksichtigt werden. (Spiel-)Film - im Sinne der Continuity - entsteht also nicht, wie Eisenstein postulierte, „erst am Schneidetisch“[52].

Vgl.Deutsches Filmmuseum -„Sergej Eisenstein im Kontext der russischen Avantgarde 1920 - 1925“ Kinematograph Nr. 8 - Frankfurt am Main, 1992

[53]Hin und wieder beginnen Szenen mit einer Serie von Detailaufnahmen, um dem Schauplatz zunächst eine atmosphärische Stimmung zu verleihen - der establishing-shot folgt meistens unmittelbar darauf, um dem Zuschauer eine sinnvolle Einordnung der gezeigten Details im Nachhinein zu ermöglichen.

(Vgl. FENSTER ZUM HINTERHOF, Regie: Alfred Hitchcock)

[54]„maximale“ und „minimale Differenz“ sind von mir vorgeschlagene Begriffsdefinitionen.

[55]Dieses Prinzip scheint nicht verbindlich zu sein, da es nur in wenigen Büchern über Schnitttheorie erwähnt wird.

Vgl.Baddeley, H. - „Filmschnitt und Montage“ - S. 49, Focal Press, Boston / London, 1955

Deutsche Rechte: Wilhelm Knapp Verlag - Düsseldorf, 1955

[56]Beller, Hans - „Aspekte der Filmmontage. Eine Art Einführung“ - in:Beller, Hans (Hrsg.) - „Handbuch der Filmmontage. Praxis und Prinzipien des Filmschnitts“ - S.15, TR-Verlagsunion, München, 1993

[57]Wenige Cutter bevorzugen den Schnitt innerhalb der Ruhezone, unmittelbar vor der Bewegung. Karel Reisz hält sich zumindest die Wahlmöglichkeit offen und bezeichnet den Schnittpunkt als „Geschmackssache“

(Reisz, Karel /Millar, Gavin - 1988, S.150). Auch Schumm erklärt den Schnitt in die Bewegung oder „in den Stand“ als „eine Frage des Stils“ (Beller, Hans (Hrsg.) - 1993, S.223). Experimente an der Hochschule für Film und Fernsehen in München haben gezeigt, daß der Schnitt innerhalb einer Ruhephase einen „Ankündigungs-Charakter“ besitzt. Der Schnitt wirkt akzentuierter, betonter - im Zuschauer wird somit eine (gespannte) Erwartungshaltung aufgebaut.

Vgl.Beller, Hans - „Montageexperimente an der HFF München“ - Experiment: „Tango“ - von Ueli Christen, Rainer Kaufmann, Katrin Richter, Birgit Rossbacher, Christopher Roth - in:Beller, Hans (Hrsg.) - „Handbuch der Filmmontage. Praxis und Prinzipien des Filmschnitts“ - TR-Verlagsunion, München, 1993

[58]„Man hat Filme oft mit Häusern verglichen, die aus vielen einzelnen Ziegeln (den Einstellungen) Stück für Stück zusammengesetzt werden. Da Hollywood den kontrollierten Zuschauer will, der an der richtigen Stelle wieder aus dem Filmhaus herauskommt und auch die ihm zugedachten Eindrücke mitbringt, muß das Publikum gelenkt und geleitet werden.“

Schmid, Hans - „Für Arbogast“ - in:Farin, Michael /Schmid, Hans (Hrsg.) - „Ed Gein. A Quiet Man“

S. 288, belleville Verlag, München, 1996

[59]Ich werde diesen - von Schumm übernommenen Begriff - später noch konkretisieren.

[60]Balkenhol, Thomas - „Pflicht und Kür der Dokumentarfilm-Montage“ - in:Beller, Hans (Hrsg.) - „Handbuch der Filmmontage. Praxis und Prinzipien des Filmschnitts“ - S.129, TR-Verlagsunion, München, 1993

[61]Zitiert in:Oldham, Gabriella - „First Cut. Conversations with Film Editors“ - S.165, University of California Press Berkeley / Los Angeles / Oxford, 1992

[62]„>Einstellungsverkettung< meint, daß nur der unmittelbare Nahbereich der Schnittstelle, nur die letzten Bildfelder des Einstellungsauslaufs und die ersten des Einstellungsanlaufs von Interesse sind: eine kleinkarierte, mikro-strukturelle, gänzlich lokale Perspektive.“

Schumm, Gerhard - „Die Macht der Cuts“ - in:Naumann, Barbara (Hrsg.) - “Vom Doppelleben der Bilder: Bildmedien und ihre Texte“ - S. 253, Wilhelm Fink Verlag, München, 1993

In seinem bei Beller erschienen Artikel konkretisiert Schumm das Umfeld einer Schnittstelle mit „8 bis 16 Bildfelder um den Schnitt herum“.

Schumm, Gerhard - „Feinschnitt - Die verborgene Arbeit an der Blickregie“ - S.226, in:Beller, Hans (Hrsg.) „Handbuch der Filmmontage. Praxis und Prinzipien des Filmschnitts“, TR-Verlagsunion, München, 1993

[63]in:Beller, Hans (Hrsg.), 1993, S.226

[64]in:Beller, Hans (Hrsg.), 1993, S.227 - Schumm ersetzt in diesem Artikel seine früher formulierten Begriffe „kongruent“ durch „zentriert“, „koordiniert“ durch „linear“, „disparat“ durch „wild“.

[65]in:Beller, Hans (Hrsg.), 1993, S.226

[66]in:Beller, Hans (Hrsg.), 1993, S.228

[67]z.B. eine Person läuft als „natürliche“ Wischblende durch das Bild und gerade der verwischte Teil der Einstellung wird beim Schnitt für den Einstellungseinstieg oder -ausstieg benutzt. - in:Beller, Hans (Hrsg.), 1993, S.227

In dieser Schublade verstaut Schumm auch die szenischen Übergänge: „Aufblende“, „Abblende“,

„Wischblende“ und „Überblendung“. Schumm bezieht sich in dieser Behauptung aufArijon, Daniel(„Grammar of the Film Language“ - S.579 ff, Focal Press, Boston / London, 1976). Das mindert den Schwachsinn der Aussage aber nicht! Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Überblendung den gleichen dramaturgischen Effekt erzielt, wie eine Effekt-Blende. Auch werden Auf- und Abblenden sicherlich vom Zuschauer anders rezipiert als eine Wischblende. Jede Blende hat ein Zeitmaß, sie kann in stufenlos variierendem Tempo vorgenommen werden. Es ist wohl offensichtlich, und bedarf keiner experimenteller Untersuchung, daß schnelle Blenden(siehe Weißflash)dynamischer wirken als Blenden welche über einen Zeitraum von mehreren Sekunden hinweg ausfaden.

Auf- und Abblenden sind dramaturgische Pausen, sie schließen Teilhandlungen ab. Der Zuschauer hat die Gelegenheit, das Gesehene zu „verdauen“. Oftmals werden sie mit Zeitsprüngen verbunden. Überblendungen hingegen werden oftmals benutzt, um zwei Szenen enger aufeinander zu beziehen, bzw. um schlecht ineinandergreifende Szenenübergänge zu kaschieren: „If you find yourself in trouble, dissolve!“(Dmytryk, Edward - „On Film Editing“ - S.85, Focal Press, Boston / London, 1984)

Wischblenden sind fast gänzlich aus der Mode. Sie wurden bevorzugt in den 40er Jahren eingesetzt, lenken aber die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu stark auf die Technik des Übergangs.

Für Blenden gilt allgemein, daß weder in den letzten Bildern der vorangehenden Einstellungen, noch in den ersten der darauffolgenden eine ausgeprägte Kamerabewegung zu sehen sein sollte. Ansonsten wirkt der Übergang holprig und „unsauber“.

Vgl.auchBaddeley, H. - „Filmschnitt und Montage“ - S.72ff, Focal Press, Boston / London, 1955

Deutsche Rechte: Wilhelm Knapp Verlag, Düsseldorf, 1955

[68]in:Beller, Hans (Hrsg.), 1993, S.228f

[69]in:Beller, Hans (Hrsg.), 1993, S.229 - Hierzu gehören sicherlich auch Bildkompositionen, die so strukturiert sind, bzw. so montiert werden, daß sich die Blickachsen der Darsteller bei Dialogen treffen.

[70]in:Beller, Hans (Hrsg.), 1993, S.229f

[71]Schumm über Cloudbusting: „Durch die Serie korrespondenter Verkettungen wird die Handlung über die Einstel-lungsgrenzen hinaus verklammert. Dadurch wirkt die Handlung flüssig. Sie läuft geschmeidig über die Schnittstellen hinweg, als wäre sie aus einem Guß.“ - in:Beller, Hans (Hrsg.), 1993, S. 276

[72]in:Beller, Hans (Hrsg.), 1993, S.238

[73]Der Ausdruck stammt vonBehne, KLaus-Ernst.. Zitiert in:Altrogge, Michael - „...wo alles drunter und drüber geht. Zur Ordnung und Wahrnehmung von Musik und Bildern in Videoclips und ihre Bedeutung für Jugendkulturen“ - S.10, Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie am Fachbereich Philosophie und Sozialwissenschaften I der Freien Universität Berlin, 1996

[74]Baddeley, H. - „Filmschnitt und Montage“ - S.57, Focal Press, Boston / London, 1955

Deutsche Rechte: Wilhelm Knapp Verlag, Düsseldorf, 1955

[75]Buddemeier, Heinz - „Leben in künstlichen Welten. Cyberspace, Videoclips und das tägliche Fernsehen“ - S. 63, Urachhaus, Stuttgart, 1993

[76]„Über Videoclips ist in den letzten Jahren aus unterschiedlicher Perspektive geschrieben worden. Auffällig sind dabei immer wieder Überlegungen, die die hohe Anzahl der Bildschnitte im Unterschied zum Film hervorheben und daraus eine höhere Wahrnehmungsgeschwindigkeit ableiten, womit Videoclips als symptomatische neuere audiovisuelle Ausdrucksformen einer allgemeinen Wahrnehmungsbeschleunigung anzusehen seien.“

Altrogge kommt zu dem Resumée: „Daß Videoclips durchschnittlich schneller geschnitten sind als Spielfilme, ist an sich noch keine Begründung für eine beschleunigte Wahrnehmung.“ (S. 208)

Altrogge, Michael - „Von der Bilderflut zum Bewußtseinstrom. Überlegungen zur musikalischen Organisation von Raum und Zeit in Musikvideos“ - in:Naumann, Barbara (Hrsg.) - „Vom Doppelleben der Bilder“ -

S. 183, Wilhelm Fink Verlag, München, 1993

[77]Vgl.LoBrutto, Vincent - „Selected Takes. Film Editors On Editing“ - S.128, Praeger Verlag, New York / Westport / Connecticut / London, 1991

[78]Buddemeier, Heinz - „Leben in künstlichen Welten. Cyberspace, Videoclips und das tägliche Fernsehen“ - S. 63, Urachhaus, Stuttgart, 1993

[79]Musikvideos werden zwar auf Film gedreht aber auf Video geschnitten, um die gesamte Bandbreite der Computer- und Digitaleffekte-Welt einsetzen zu können.

[80]SUN-CHICK-MINE der Gruppe Soul Chill (Regie: Rösel, 1997) - erhältlich bei Herr Wirrjes bzw. Uni-Mediothek!

[81]Oldham, Gabriella - „First Cut - Conversations with Film Editors“ - S.5, University of California Press, Berkeley / Los Angeles / Oxford, 1992 - Vgl.Kress, Harold F. (S.86) &Pankow, Bill (S. 177)

Excerpt out of 110 pages

Details

Title
Schnitt und Montage im Musikvideo
Subtitle
Theoretischer und praktischer Vergleich zweier Realisationen
College
University of Hildesheim  (Kulturwissenschaften & Ästhetische Kommunikation)
Grade
1,5
Author
Year
1998
Pages
110
Catalog Number
V17951
ISBN (eBook)
9783638223881
ISBN (Book)
9783638777865
File size
819 KB
Language
German
Keywords
Schnitt, Montage, Musikvideo, Theoretischer, Vergleich, Realisationen
Quote paper
Michael Rösel (Author), 1998, Schnitt und Montage im Musikvideo, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17951

Comments

  • guest on 9/10/2008

    Dankeschön.

    Ich bin gerade selbst dabei, ein Musikvideo zu schneiden und deshalb auf der Suche nach Informationen, wie man dieses möglichst professionell bewerkstelligen kann. Um so mehr freue ich mich, dieses Buch gefunden zu haben. Na, mal sehen, was jetzt raus kommt ;) Auf jeden Fall interessantes Thema, das erstaunlicherweise gar nicht so oft in Buchform behandelt zu sein scheint. Na, um so besser für den Autor dieses Buches.

    Alles Gute, Gunnar.

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Title: Schnitt und Montage im Musikvideo



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