Herausforderungen der Gebauten Umwelt 2050 an die Bauindustrie

Szenarien, Chancen, Strategien


Masterarbeit, 2011

137 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Summary

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 EINLEITUNG
1.1 Hintergrund und Veranlassung
1.2 Problemstellung und Zielsetzung
1.3 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit

2 PERSPEKTIVE DER GEBAUTEN UMWELT 2050
2.1 Megatrends
2.1.1 Klimawandel
2.1.2 Umsteuern bei Ressourcen und Energie
2.1.3 Globalisierung
2.1.4 Demographischer Wandel
2.1.5 Neue Mobilitätsmuster und Verkehrsentwicklung
2.1.6 Wissen und Information
2.1.7 Individuum und Gesellschaft
2.2 Zukunftsszenarien
2.2.1 Natur und gebaute Umwelt
2.2.2 Energieversorgung
2.2.3 Stadt und Raum
2.2.4 Wohnen und Bauen
2.2.5 Verkehr und Mobilität

3 PERSPEKTIVE DER DEUTSCHEN BAUINDUSTRIE
3.1 Herausforderungen und neue Märkte
3.1.1 Sicherung der Daseinsvorsorge
3.1.2 Bestandsorientierte Siedlungsentwicklung
3.1.3 Ökologie und Nachhaltigkeit
3.1.4 Markt- und Kundenorientierung
3.1.5 Bildung als Schlüsselelement
3.2 SWOT-Analyse

4 ZUKUNFT ERFOLGREICH GESTALTEN
4.1 Strategische Handlungsoptionen
4.1.1 Marktorientierte Strategien
4.1.2 Zusammenarbeit von Unternehmen und Branchen
4.1.3 Erschließung neuer Märkte
4.2 Managementkompetenzen

5 FAZIT
5.1 Zusammenfassung
5.2 Ausblick

Quellenverzeichnis

Abstract

In der gebauten Umwelt findet die Kultur einer Gesellschaft ihren Ausdruck. Ihre Werte, Ästhetik, Strukturen, Technologien, das Verhalten der Menschen und die menschlichen Beziehungen innerhalb einer Gesellschaft sind alle im reichen Erbe der gebauten Umwelt ausgedrückt. Dies reicht von Konstruktionsdetails und Handwerk über das Baumaterial, die Bautechniken und die architektonische Komposition bis hin zum Design der Städte. In der gebauten Umwelt finden auch bereits umgesetzte Innovationen und der wachsende Wohlstand ihren materiellen Ausdruck. Das Bild der gebauten Umwelt unterliegt andau- ernden technischen, gesellschaftlichen und biosphärischen Änderungen, die sich über Trends und Megatrends identifizieren lassen.

Unternehmen der deutschen Bauindustrie sind direkt von den neuen Anforderungen der gebauten Umwelt betroffen. Verborgen in den einzelnen Trends oder in deren Kombination liegen die potentielle Nachfrage sowie der dazugehörige Markt. Bekannte Megatrends sind beispielsweise der Klimawandel, das Umsteuern bei Ressourcen und Energie, die Globalisierung, neue Mobilitätsmuster sowie der demographische Wandel. Doch wie wirken sich diese Zukunftstreiber auf die gebaute Umwelt aus? Und kann der Status Quo der deutschen Bauindustrie die Zukunft zufriedenstellend bedienen? Wie muss eine kompetente, lösungsfähige und kundenorientierte Bauindustrie aufgestellt sein, um die Bedürfnisse der zukünftigen Marktbedingungen zu decken?

Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung verschiedener Szenarien darüber, wie die gebaute Umwelt im Jahr 2050 aussehen könnte und welche Herausforderungen sie an die Unternehmen der deutschen Bauindustrie stellt, aber auch die Erörterung der Chancen, die sich hieraus für den Wirtschaftszweig ergeben. Aus den entwickelten Szenarien werden sowohl strategische Handlungsoptionen zum Verhalten im Wettbewerb entwickelt, als auch die notwendigen Managementkompetenzen, welche es in die Unternehmen zu integrieren und zu implementieren gilt, abgeleitet.

Eine allgemeine Einführung in die Thematik in Kapitel 1, die das Wesen der gebauten Umwelt und der deutschen Bauindustrie beleuchtet, sensibilisiert den Leser für die Problemstellung der vorliegenden Arbeit. In Kapitel 2 werden aufbauend auf ausgewählten Megatrends mit Hilfe von Expertenmeinungen und -interviews unterschiedliche Szenarien dafür entwickelt, wie die gebaute Umwelt im Jahr 2050 aussehen könnte.

Kapitel 3 wechselt in die Perspektive der deutschen Bauindustrie: Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich aus dem Zukunftsbild der gebauten Umwelt für Unternehmen der deutschen Bauindustrie? Eine abschließende SWOT-Analyse bildet die Grundlage für die Gewinnung strategischer Handlungsoptionen in Kapitel 4. Da in Zeiten des Wandels der Führung eines Unternehmens besondere Bedeutung zukommt, werden anschließend die wichtigsten Managementfunktionen bestimmt, die ein stabiles Unternehmen der Zukunft beherrschen muss.

Das Fazit in Kapitel 5 schließt zusammenfassend und ausblickend die Gedanken der vorliegenden Arbeit ab.

Summary

The culture of a society is being reflected in its built surroundings. Its values, aesthetics, structures, technologies, people’s actions and human interactions within a society are all being expressed in the opulent heritage of the built environment. This can be seen in constructional details, craftsmanship, materials, techniques and architectural composition and urban design. Implemented innovations and a growth in wealth are being materially expressed in built structures and their appearance is subject to constant technical, societal and biospheral change that can be identified in trends and mega trends.

German construction enterprises are influenced directly by new requirements of the built environment. Potential demand and its associated market are hidden in the specific trends or their combination. Well-known mega trends are climate change, redirection in uses of resources and energy, globalisation, new patterns of mobility and demographic change. But how do those future drivers affect the built surroundings? Can the German construc- tional industry serve future demands satisfactorily? How must a competent, able to pro- vide solutions and customer-oriented constructional business be organised, in order to meet the future market’s needs?

Objective of this master’s thesis is to develop various scenarios how the built environment could be shaped in 2050 and what challenges the German construction industry must face, but also to demonstrate the opportunities for this economic sector. Strategic courses of action in the competition and necessary managerial competences that must be inte- grated and implemented in the businesses are being derived from the different scenarios.

The reader will be sensitised of the problem raised in this work in chapter 1 in which a general introduction shines a light on the character of the built environment and German building industry. In chapter 2 an outlook on built structures in 2050 is being constructed with the help of different scenarios developed based on mega trends, expert opinions and interviews of experts.

Chapter 3 changes to the perspective of German construction business and raises the question of challenges and opportunities for German enterprises due to the future of the built environment. A conclusive SWOT analysis serves as a basis to develop strategic courses of action in chapter 4. The management of a corporation is especially essential in times of change. Therefore managerial functions necessary to provide a stable business in the future are being identified.

Chapter 5 summarises the most important findings and concludes with an outlook.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Strategische Handlungsfelder und Stoßrichtungen in der Bauwirtschaft

Abbildung 2: Strukturanalyse der deutschen Bauindustrie

Abbildung 3: Produzentenanteile Bauinvestitionen (jew. Preise)

Abbildung 4: Modell der Zukunftsfaktoren

Abbildung 5: Entwicklung Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2050

Abbildung 6: Modellvergleich: Jahresmitteltemperatur in Deutschland

Abbildung 7: Rohstoffproduktivität und Wirtschaftswachstum

Abbildung 8: Entwicklung der Bruttostromerzeugung aus erneuerbaren Energien und des Bruttostromverbrauchs in Deutschland bis 2050

Abbildung 9: Prognostizierte Entwicklung der Bevölkerungszahl von 1950 bis 2060

Abbildung 10: Künftige Bevölkerungsdynamik 2008 bis 2025

Abbildung 11: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland 2008 und 2060

Abbildung 12: Zusammensetzung der Privathaushalte nach Haushaltsgröße

Abbildung 13: Trend der Siedlungsflächenentwicklung 2000 bis 2020

Abbildung 14: Beschleunigung des gesellschaftlichen Lebens

Abbildung 15: Extreme Wetterereignisse richten schwere Schäden an

Abbildung 16: Übersicht über den Ausschöpfungsgrad der erneuerbaren Energiepotentiale

Abbildung 17: Ausbau des Stromnetzes in Deutschland

Abbildung 18: Urbane Erholung - Grünanlagen als „Kälteinseln“

Abbildung 19: Shared Space: Ortsmittelpunkt 2008 und nach dem Umbau

Abbildung 20: Smart Cities: Mobilität -ö kologischer Fußabdruck - Städtische Aktivität

Abbildung 21: Neue Nutzergruppen suchen individuell anpassbaren Wohnraum

Abbildung 22: Plusenergiewohnhaus mit Solardach und -lamellen

Abbildung 23: Aktive Energieerzeugung kombiniert mit Energie sparender Bautechnik

Abbildung 24: Anforderungen an neue Materialien

Abbildung 25: Der Weg zum Erfolg

Abbildung 26: Kooperationssystem der deutschen Bauindustrie

Abbildung 27: Kooperationsnetzwerk - Virtuelles Unternehmen

Abbildung 28: Vision im „Leitbild Bau“ und daraus abgeleitete Managementkompetenzen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Mögliche Wirkungen des Klimawandels in ausgewählten Sektoren

Tabelle 2: Schutzgüter und -ziele des Nachhaltigen Bauens

Tabelle 3: SWOT-Analyse der deutschen Bauindustrie

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 EINLEITUNG

1.1 Hintergrund und Veranlassung

Neben der Langlebigkeit von Bauwerken erfüllt die Bauwirtschaft das Grundbedürfnis des Wohnens und schafft über die Infrastruktur die Basis für die Warenproduktion und das Angebot von Dienstleistungen. Im Zuge dessen ist sie als Voraussetzung von Produktion, Vertrieb und Warenverwendung sowie der Erbringung von Dienstleistungen eng mit ande- ren Wirtschaftszweigen verbunden. Die zukünftige Entwicklung der Bauindustrie ist auf- grund ihrer wichtigen Stellung innerhalb der deutschen Volkswirtschaft von entscheiden- der Bedeutung.1 Dabei sind die Unternehmen der Bauindustrie insbesondere von einem durch Trends permanent beeinflussten Markt betroffen, der gebauten Umwelt. Das Bild der gebauten Umwelt wird nachhaltig durch die Zukunftstreiber der Umwelt, der Gesell- schaft, der Politik und der Wirtschaft verändert.

Im Jahr 2050 sind die „peaks“ der globalen Megatrends, „peak oil“, Bevölkerungswachs- tum und Urbanisierungsgrad, gerade auf dem Scheitelpunkt oder bereits überschritten. Die Treibhausgasemissionen müssen bis zu diesem Zeitpunkt auf ein Minimum be- schränkt sein, um die Folgen des Klimawandels in Grenzen zu halten.2 Doch wie wird sich diese Entwicklung auf die gebaute Umwelt im Jahr 2050 in Deutschland auswirken? Und kann der Status Quo der deutschen Bauindustrie die Zukunft zufriedenstellend bedienen? Wie muss eine kompetente, lösungsfähige und kundenorientierte Bauindustrie aufgestellt sein, um die Bedürfnisse der zukünftigen Marktbedingungen bedienen zu können?

Um für diese Problemstellung ein Gespür zu entwickeln sowie im Verlauf der vorliegenden Arbeit mögliche Antworten auf diese Fragen zu finden, folgt an dieser Stelle als Einführung in die Thematik eine kurze Charakterisierung der Merkmale der gebauten Umwelt sowie der derzeitigen Situation und Struktur der Bauindustrie.

1.1.1 Merkmale der gebauten Umwelt

Nach Karl Marx stehen der Mensch und die ihn umgebende Welt, seine Umwelt, in Wechselbeziehung zueinander. Dabei wird die Umwelt im gleichen Maße vom Menschen geformt wie der Mensch von der Umwelt. Die sichtbaren, gegenständlichen Resultate der direkt wirksamen Beziehung zwischen Mensch und Umwelt sind beispielsweise Städte, Gemeinden, Industriegebiete, Parks, Bergwerke, Straßen und Kanäle. Die Gesamtheit der Umweltgestaltung bezeichnet man als die gebaute Umwelt.3

Die gebaute Umwelt ist somit ein fester Bestandteil der alltäglichen Lebenswelt, sie prägt die menschliche Sinneswahrnehmung und Entwicklung. Sie spiegelt das Selbstverständ- nis und die Werthaltungen einer Gesellschaft wider, ihr kulturelles Erbe und die Achtung der Geschichte sowie auch ihre Leistungsfähigkeit und ihren Modernisierungswillen. In diesem Zusammenhang muss die gebaute Umwelt bereits in ihrem Erscheinungsbild bestimmte Qualitäten zum Ausdruck bringen: Funktionstüchtigkeit, Wirtschaftlichkeit und Gebrauchsnutzen ebenso wie Offenheit, Formenvielfalt und Gestaltqualität, regionale und nationale Identität sowie Umweltbewusstsein und soziale Integration.4

Dabei unterliegt die gebaute Umwelt andauernden technischen, gesellschaftlichen und biosphärischen Änderungen. Trotz der hohen Lebensdauer sämtlicher Infrastrukturen muss sie die Nachfrage der Nutzer bedarfsgerecht und rechtzeitig bedienen. Ein Anspruch bei der zukunftsverträglichen und nachhaltigen Entwicklung der gebauten Umwelt ist hierbei die Verknüpfung sozialer, wirtschaftlicher,ö kologischer, kultureller und planerischer Aspekte.5 Darüber hinaus finden in der gebauten Umwelt umgesetzte Innovationen und wachsender Wohlstand einer Gesellschaft ihren materiellen Ausdruck.6 Die Planung und Gestaltung der gebauten Umwelt trägt maßgeblich zur Identität von Städten, Ortschaften und einzelnen Quartieren bei und muss sich in einer Zeit demographischen Wandels mehr denn je als anpassungsfähig erweisen.7

Nachhaltigkeit ist die Forderung des 21. Jahrhunderts. Dabei befriedigt eine nachhaltige Entwicklung die Bedürfnisse der heutigen Generation, ohne die Chancen zukünftiger Ge- nerationen zu gefährden. Dies betrifft gleichermaßen die Befriedigung sozialer undö ko- nomischer Bedürfnisse und damit die Schonung der natürlichen Lebensgrundlage.8

1.1.2 Die deutsche Bauindustrie

Die Bauwirtschaft im engeren Sinne umfasst das Bauhauptgewerbe und das Ausbauge- werbe. Hierbei wird das Bauhauptgewerbe in Bauindustrie und Bauhandwerk unterteilt.9 Laut des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie e.V. wird der Begriff „Bauindustrie“ jedoch zumeist synonym für das „Bauhauptgewerbe“ verwendet.10 Nach der nationalen Klassifikation der Wirtschaftszweige umfasst das Bauhauptgewerbe diejenigen Wirt- schaftszweige, die sich überwiegend mit Arbeiten im Hoch- und Tiefbau sowie speziali- sierten Bautätigkeiten, wie zum Beispiel Zimmerei und Ingenieurholzbau, beschäftigen.11

Im Jahr 2005 hatte die Bauwirtschaft mit einem Bauvolumen von 235 Milliarden Euro die Talsohle einer langjährigen rückläufigen Entwicklung erreicht, seitdem legen die Umsätze wieder zu. Zwar kam es während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 zu einem leichten Rückgang der Bauaktivitäten, allerdings haben die zur Krisenlinderung verab- schiedeten Konjunkturpakete wirksame Wachstumsimpulse für die Branche gesetzt.12

Eine aktuelle Roland-Berger-Studie prognostiziert dem deutschen Bauvolumen auch zukünftig ein moderates Wachstum, das langfristig positiv ausfallen soll.13

Die Geschäftsmodelle in der deutschen Bauwirtschaft lassen sich anhand der bedienten Segmente, der Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette sowie Größe und geographischer Ausrichtung eines Unternehmens charakterisieren (Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Strategische Handlungsfelder und Stoßrichtungen in der Bauwirtschaft

Quelle: UniCredit Bank AG (2011), S. 15.

Anhand dieser Merkmale lassen sich fünf Typen von Geschäftsmodellen identifizieren:14

(1) Internationale Konzerne decken gleichzeitig viele verschiedene Segmente im Hoch- und Tiefbau sowie Wertschöpfungsaktivitäten ab, ihre Umsätze liegen oft bei über einer Milliarde Euro.
(2) Breit aufgestellte Mittelständler hingegen richten sich auf den nationalen Markt aus und haben einen geringeren Umsatz.
(3) Lokale/regionale Bauunternehmen sind deutlich kleiner, jedoch ebenfalls mit einer Vielzahl von Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette und bedienten Segmen- ten (Wohnungsbau, lokaler Tiefbau, Renovierung) vertreten. Sie stellen hinsichtlich ihrer Anzahl die größte Gruppe unter den Unternehmen der deutschen Bauwirt- schaft.
(4) Im Gegensatz zu den genannten drei Geschäftsmodellen fokussieren sich die Spezialisten im klassischen Bau auf bestimmte Segmente (Schienen-, Wasser-, Fertigbau) und/oder Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette (Projektplanung, -finanzierung).
(5) Spezialisten der Gebäudetechnik bieten im Wesentlichen die Bauausführung spe- zifischer Gebäudetechnik in bestimmten Segmenten an.

Die Struktur des Bauhauptgewerbes in Deutschland ist kleinteilig, rund 90 % der Betriebe haben weniger als 20 Beschäftigte. Allerdings vereinen die etwa 1 % aller Betriebe mit mehr als 100 Beschäftigten rund 20 % aller Beschäftigten auf sich.15

Die Unternehmen der jeweiligen Geschäftsmodelle stehen aufgrund schwieriger Rahmenbedingungen enorm unter Druck. Abbildung 2 zeigt diejenigen Faktoren, die zu der hohen Wettbewerbsintensität zwischen den Bauunternehmen führen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Strukturanalyse der deutschen Bauindustrie

Quelle: UniCredit Bank AG (2011), S. 11.

Auf der einen Seite haben Bauunternehmen eine relativ geringe Verhandlungsmacht gegenüber ihren Lieferanten, auf der anderen Seite ist die Verhandlungsstärke der Abnehmer in der Bauindustrie jedoch besonders hoch. Darüber hinaus erhalten Bauunternehmen Konkurrenz durch neue „Wettbewerber“. Ersatzprodukte verstärken den Wettbewerb im Baugewerbe zusätzlich.

Die Branche unterliegt einem starken Strukturwandel, in dessen Folge sich zwischen den einzelnen Bereichen der Wertschöpfungskette Bau teils erhebliche Verschiebungen ergeben haben. So entwickelten sich die Branchen im Umfeld des Bauhauptgewerbes deutlich günstiger als der Kernbereich der Bauwirtschaft (Abbildung 3).16

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Produzentenanteile Bauinvestitionen (jew. Preise)

Quelle: ZDB (2011), S. 11.

Während das Bauhauptgewerbe von 1995 bis 2010 fast 11 %-Punkte an Bauinvestitionen verloren hat, haben das Ausbaugewerbe und die übrigen Produzenten (verarbeitendes Gewerbe, Dienst- und Eigenleistungen) diese Anteile hinzugewonnen.17 Diese Zahlen drücken die langfristigen Veränderungen in der Baunachfrage sowie in der Bauproduktion aus: Verschiebungen von der Produktion hin zu den begleitenden Dienstleistungen, vom Bau selbst hin zu Instandhaltung und Wartung sowie von der direkten Herstellung von Gebäuden in die Vorfertigung von Teilen.18

1.2 Problemstellung und Zielsetzung

Das Bild der gebauten Umwelt unterliegt andauernden technischen, gesellschaftlichen und biosphärischen Änderungen, die sich ihrerseits über Trends und Megatrends identifi- zieren lassen. Unternehmen der deutschen Bauindustrie wiederum sind direkt von den Entwicklungen auf dem Markt der gebauten Umwelt betroffen. Verborgen in den einzelnen Trends oder in deren Kombination sind die potentielle Nachfrage sowie der zuständige Markt.19 Untersuchungen des Strukturwandels in der Wertschöpfungskette Bau zeigen, dass das Modell der Bauwirtschaft überdacht werden muss. Aufgrund der Konzentration auf die technische Qualität der Produkte wurden die Effektivierung der Prozesse und die Kundenorientierung vernachlässigt. Im Übergang zu einem Nachfragermarkt stellt dies die Unternehmen bei der aktiven Erschließung von Märkten und der konsequenten Umset- zung von Innovationen vor erhebliche Schwierigkeiten.20

Die Bauwirtschaft wird bei der Erreichung von ehrgeizigen Zielen im Klimaschutz und bei der Ressourcenschonung sowie bei der notwendigen Anpassung in Wohnungen und Inf- rastruktur aufgrund der demographischen Entwicklung eine zentrale Rolle mit hoher Bedeutung für das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland spielen.21 Bauen ist Zukunft, und so ist auch die gemeinsame strategische Vision der Wertschöpfungskette Bau im „Leitbild Bau“ aus dem Jahr 2009 die Vision einer zukunftsorientierten Branche:

Unsere Vision ist eine kompetente und lernende Wertschöpfungskette Bau mit innovativen Unternehmen und qualifiziertem Personal, die in unterschiedlichen Koo perationsformen und Netzwerken ihren Kunden ma ß geschneiderte und umfassende Leistungen mit hoher Qualität liefert.22

Die theoretische Umsetzung ihrer Vision wird von den Akteuren der Planungs- und Bau- wirtschaft im Leitbild Bau angesprochen. Das Tempo der wirtschaftlichen Veränderungen soll aktiv aufgenommen und die Innovationsfähigkeit der Branche erhalten und darüber hinaus erhöht werden.23 Jedoch muss dieses in Worte gefasste Leitbild jetzt in die Praxis umgesetzt und mit Leben gefüllt werden. Nur dann verbessert sich das Ansehen der Branche bei Kunden, in der Öffentlichkeit und Politik sowie auf dem Arbeitsmarkt nachhal- tig.24 Bereits heute kann die Zukunft gestaltet werden, wenn die Megatrends zur erfolgrei- chen Positionierung eines Unternehmens genutzt werden, so dass die gesamte Wert- schöpfungskette Bau, in deren Zentrum die Bauwirtschaft selbst steht, weiterhin mit etwa 10 % der Bruttowertschöpfung ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Deutschland bleibt und auch zukünftig etwa 12 % aller Sozialversicherungspflichtigen beschäftigen kann.25

Um bereits heute die Zukunft aktiv zu gestalten ist es erforderlich, dass sich die deutsche Bauindustrie sowohl den neuen Anforderungen und wachsenden Herausforderungen aus der oben zitierten Vision im „Leitbild Bau“ stellt als auch sich der Megatrends als langfris- tige und übergreifende Transformationsprozesse im Zusammenhang bewusst wird und ihnen strategisch begegnet. Die Stärkung des Bewusstseins der vielen Unternehmen in der Wertschöpfungskette Bau für eine verbesserte Zusammenarbeit und für gemeinsame Entscheidungen und Darstellungen nach außen helfen ihnen, den vielfältigen neuen An- forderungen gerecht zu werden.26

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, verschiedene Szenarien zu entwickeln, an denen verdeutlicht wird, wie die gebaute Umwelt im Jahr 2050 aussehen könnte. Aus diesen entwickelten Szenarien sollen Strategien zum Verhalten im Wettbewerb sowie notwendige Managementkompetenzen, welche es in den Unternehmen zu integrieren und zu imple- mentieren gilt, abgeleitet werden. Die Ergebnisse sollen den Unternehmen der deutschen Bauindustrie dabei helfen, die Megatrends und damit verbundene Herausforderungen in Deutschland zu erkennen, die Erfordernisse der gemeinsamen Vision im „Leitbild Bau“ zu realisieren und sich anschließend erfolgreich für die Zukunft zu positionieren.

1.3 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit

Kapitel 1 beginnt mit der Problemstellung, die den Hintergrund sowie die Motivation der Arbeit skizziert. Hieran schließen sich die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit sowie eine Beschreibung des weiteren Vorgehens an.

Kapitel 2 widmet sich verschiedenen Perspektiven für das Jahr 2050. Bekannte Mega- trends, die unser aller Leben in den nächsten Jahren nachdrücklich beeinflussen, werden zusammen mit ihren jeweiligen Auswirkungen charakterisiert. Auf den beschriebenen Zu- kunftstreibern basierend werden mit Hilfe von Expertenmeinungen und -interviews unter- schiedliche Szenarien entwickelt, die veranschaulichen, wie die gebaute Umwelt im Jahr 2050 aussehen könnte, wenn man alle derzeit bekannten Parameter berücksichtigt und deutet. Ein Leitfaden mit offenen Fragen und einem weiten möglichen Antwortrahmen diente als strukturierender Orientierungsrahmen für die Experteninterviews. Auf diesem Weg wurden aus dem Blickwinkel der befragten Experten die Auswirkungen der Mega- trends sowie Handlungserfordernisse und mögliche Strategien erfragt.

Kapitel 3 wechselt in die Perspektive der deutschen Bauindustrie: Welche Herausforde- rungen und Chancen ergeben sich aus dem Zukunftsbild der gebauten Umwelt für Unter- nehmen der deutschen Bauindustrie? Neue Märkte werden aufgezeigt und beschrieben sowie die Bedürfnisse an neue Marktprodukte und Dienstleistungen abgeleitet. Die we- sentlichen Ergebnisse hinsichtlich der Stärken und Schwächen der deutschen Bauindust- rie sowie den sich daraus ergebenden Chancen und Risiken bezüglich der externen Ein- flussfaktoren werden abschließend in einer SWOT-Analyse gegenübergestellt.

Diese bildet die Grundlage für die Gewinnung strategischer Handlungsoptionen in Kapitel 4. Denn die Zukunft der Unternehmen in der deutschen Bauindustrie wird wesentlich von ihrer Fähigkeit abhängen, flexibel zu reagieren und sich den externen Bedingungen anzupassen. Da in Zeiten des Wandels der Führung eines Unternehmens besondere Bedeutung zukommt, werden anschließend die wichtigsten Managementfunktionen bestimmt, die ein stabiles Unternehmen der Zukunft beherrschen muss.

Das Fazit in Kapitel 5 schließt zusammenfassend und ausblickend die Gedanken der vorliegenden Arbeit ab.

2 PERSPEKTIVE DER GEBAUTEN UMWELT 2050

In der gebauten Umwelt findet die Kultur einer Gesellschaft ihren Ausdruck. Die Werte, Ästhetik, Strukturen, Technologien, das Verhalten und die menschlichen Beziehungen in- nerhalb einer Gesellschaft sind alle in dem reichen Erbe der gebauten Umwelt ausge- drückt, von Konstruktionsdetails und Handwerk über das Baumaterial, die Bautechniken und die architektonische Komposition bis zum Design der Städte.27 Über die gebaute Umwelt hat das Bauwesen weit über dieö konomischen Aspekte hinaus eine grundlegen- de soziale,ö kologische und kulturelle Relevanz. Doch wie wird die gebaute Umwelt im Jahr 2050 aussehen?

2.1 Megatrends

Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.28

Der Blick in die Zukunft ist stets durch Ungewissheit geprägt. Die Vorstellung von der Zukunft hängt immer erheblich von dem derzeitigen Wissensstand ab. Aufbauend auf den Daten der Vergangenheit kann man unter Berücksichtigung von Randbedingungen und weiteren Annahmen Vermutungen über die Zukunft generieren - allerdings mit der Unsicherheit über den exakten Verlauf und die dadurch entstehende Bandbreite der Entwicklung.29 So bestehen Trends auf der einen Seite aus Fakten, Daten und dokumentierten Informationen. Auf der anderen Seite sind sie Projektionen der Zukunft, geprägt durch Visionen, Einschätzungen und Vermutungen.30

„Megatrend“31 oder „Zukunftsfaktor“ ist immer ein langfristiger und übergreifender Transformationsprozess, der sich in dreierlei Hinsicht von dem Begriff „Trend“ abhebt:32

(1) Zeithorizont: Der Megatrend ist über einen Zeitraum von Jahrzehnten zu beobach- ten.
(2) Reichweite: Sein Geltungsbereich umfasst alle Weltregionen und alle Akteure.
(3) Wirkungsstärke: Er bewirkt tiefgreifende, mehrdimensionale Umwälzungen aller gesellschaftlichen Teilsysteme.

Megatrends ermöglichen es zudem, die unterschiedlichsten Phänomene der Trends, Themen und Gesetzmäßigkeiten des Wandels sowie der menschlichen Triebkräfte, in ei- nem einzigen Gedanken zu erfassen.33 Die Zukunftsfaktoren als Treiber des Wandels werden nach Mićić auf drei Ebenen klassifiziert, als: Grundlegende, Verstärkende und Resultierende Zukunftsfaktoren (Abbildung 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Modell der Zukunftsfaktoren

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Mićić (2007), S. 67.

Grundlegende menschliche und biosphärische Zukunftsfaktoren verursachen gemeinsam mit den verstärkenden technologischen und politischen Zukunftsfaktoren wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen, die ihrerseits wieder als Zukunftsfaktor wirken kön- nen.

Megatrends prägen als wirkungsmächtige Einflussgrößen die Märkte der Zukunft. Die Globalisierung von Wirtschaft und Kultur, die Bevölkerungsentwicklung und die zunehmende Lebenserwartung, die Verstädterung sowie der Klimawandel und die Durchdringung aller Lebensbereiche mit Informations- und Kommunikationstechnologien sind bereits relevante strategische Themen in den Zentralen vieler Konzerne.34

Die folgenden Kapitel bieten einen Überblick über ausgewählte relevante Megatrends der Zukunft. Des Weiteren werden die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Trends herausgearbeitet. Die gewählte Reihenfolge orientiert sich hierbei an dem vorgestellten Modell der Zukunftsfaktoren (Abbildung 4), wie oben beschrieben von den ursächlichen Megatrends hin zu den resultierenden.

2.1.1 Klimawandel

In derö ffentlichen Wahrnehmung und auf politischer Ebene hat kaum einer der Mega- trends des globalen Wandels eine solch große Bedeutung erlangt wie der Klimawandel. Dabei ist er kein neues Phänomen. Neu an der gegenwärtigen Entwicklung sind allerdings das Tempo der klimatischen Veränderungen in den letzten Jahrzehnten und das Tempo, in dem dieser Prozess voraussichtlich verlaufen wird.35 Wesentliches Kennzeichen ist die Erwärmung der Erdatmosphäre.36 Hierbei ist inzwischen der menschliche Einfluss unum- stritten - deswegen nennt man diesen Klimawandel auch anthropogenen Klimawandel. Maßgebliche Größe des Klimawandels ist der vom Menschen verursachte Anstieg der Treibhausgase37 in der Atmosphäre.38 Verursacht wird dieser durch das Wachstum der Weltbevölkerung und die wirtschaftliche Expansion, primär durch die Erzeugung und Ver- brennung fossiler Brennstoffe, die Ausweitung der Landwirtschaft sowie die fortschreiten- de Entwaldung großer Flächen.39

Da Klimaveränderungen40 weltweit zu beobachten sind, ist Umweltschutz eine globale Aufgabe. Über das exakte Ausmaß, die zu erwartende Stärke und regionale Verteilung der Auswirkungen wird noch diskutiert. Nichtsdestotrotz kommt es heute darauf an, die notwendige Trendänderung zugunsten des Klimaschutzes frühzeitig einzuleiten.41 Selbst wenn man sofort alle CO2-Emissionen einstellen könnte, würde es noch 50 bis 60 Jahre dauern, bis der Temperaturanstieg aufhört.42 International anerkanntes Ziel ist es, die glo- bale Erwärmung bis 2100 auf höchstens 2°C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.43 Für Deutschland und andere Industrieländer bedeutet dies, aufgrund ihrer historischen Verantwortung und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die Treibhausgas- emissionen bis zum Jahr 2050 zwischen 80 % und 95 % zu reduzieren.44

Beim internationalen Klimaschutz nimmt Deutschland eine Führungsrolle ein. Seit 1990 gehen die Treibhausgasemissionen in Deutschland zurück (Abbildung 5). Neben der Kli- mapolitik ist diese Entwicklung auch auf die wirtschaftliche Umstrukturierung in den neuen Bundesländern zurückzuführen. Hier wurden zum einen veraltete emissionsintensive Energieträger stillgelegt, zum anderen konnte die Energieeffizienz gesteigert werden. Auch der deutliche Rückgang der Emissionen im Jahr 2009 ist in erster Linie nicht auf klimapolitische Maßnahmen, sondern auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen.45

Die Bundesregierung hat sich 2009 im Vorfeld der Klimaverhandlungen von Kopenhagen das Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 % gegenüber 1990 zu reduzieren.46,47 Dieses klimapolitische Ziel stellt jedoch nur ein Etappenziel dar: minus 55 % bis 2030, minus 70 % bis 2040 und schließlich minus 80 % bis 95 % bis 2050 (Abbildung 5).48

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Entwicklung Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2050

Quelle: UBA (2011b), S. 15.

Abbildung 5 ist darüber hinaus zu entnehmen, dass der Energiesektor den weitaus größ- ten Anteil des Treibhausgasausstoßes in Deutschland verursacht. Folglich erfährt dieser Bereich die meiste Aufmerksamkeit für die Umsetzung der Ziele des Klimaschutzes.49

Die direkten und indirekten Folgen des Klimawandels werden regional stark unterschied- lich ausfallen. Die Prognosen gehen davon aus, dass sich sowohl Jahreszeiten als auch Klima- und Vegetationszonen verschieben werden. Die extremen Wetterereignisse wer- den in ihrer Ausprägung zukünftig noch drastischer ausfallen.50 In Abbildung 6 sind ver- schiedene regionale Klimamodelle für Deutschland bezüglich der Jahresmitteltemperatur zusammengefasst, die in den vergangenen 100 Jahren bereits um etwa 0,9°C gestiegen ist.51

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Modellvergleich: Jahresmitteltemperatur in Deutschland

Quelle: BMU (2009), S. 16.

Die Berechnungen für die Periode 2021 bis 2050 im Vergleich zum Referenzzeitraum 1961 bis 1990 sind in den oberen Bildern dargestellt, die Bilder unten zeigen den Zeitraum 2071 bis 2100. Die Ergebnisse zeigen deutliche Trends. So stimmen drei der Modelle hinsichtlich der Struktur einer sich nach Süden verstärkenden Erwärmung weitgehend überein (für den Zeitraum 2021 - 2050 von 0,5°C bis 1,5°C), zu spüren insbesondere in den Wintermonaten. Nach 100 Jahren hat sich die Erwärmung deutlich erhöht. Für den Zeitraum 2071 - 2100 projizieren die Modelle eine weitere Erwärmung von 1,5°C bis zu 3,5°C im Vergleich zum Referenzzeitraum, in den deutschen Alpenländern auch leicht darüber. Um wie viel Grad das Klima genau ansteigen wird, hängt vor allem davon ab, wie stark die Erdbevölkerung das Treibhaus Erde weiter anheizt.52

Die Klimamodelle für Deutschland zeigen ferner, dass es weniger Frosttage, mehr heiße Tage und mehr Tropennächte geben wird und dass die Zahl und Dauer von Hitzewellen zunehmen wird. Darüber hinaus werden die Gletscher und Schneebedeckung in den Al- pen zurückgehen. Der Meeresspiegel kann bis zum Jahr 2100 im Mittel rund 30 cm höher liegen.53

Auch bei den Niederschlagsmengen wird der Klimawandel in Deutschland besonders deutlich. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts nahmen die Niederschläge um etwa 9 % zu. Die Niederschlagsmengen bleiben zukünftig zwar über das Jahr gesehen annähernd kon- stant, doch ist mit einer Verschiebung des Niederschlagszyklus zu rechnen. So werden die Niederschläge im Sommer bis zum Jahr 2100 um bis zu 40 % abnehmen (insbeson- dere im Südwesten Deutschlands) und andererseits im Winter nahezu überall um bis zu 40 % zunehmen.54

Die beschriebenen Temperatur- und Niederschlagsprojektionen lassen zukünftig weitere Klimafolgen erwarten. Dabei wirkt sich der globale Klimawandel neben der Bevölkerungs- entwicklung oder der Siedlungsstruktur sowohl auf die Umwelt als auch auf Wirtschaft und Gesellschaft aus.55 Tabelle 1 zeigt Beispiele für mögliche Wirkungen des Klimawandels in folgenden Sektoren Deutschlands: Gesundheit, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, Na- turschutz, Verkehr, Tourismus, Hochwasser- und Küstenschutz sowie der Raum- und Siedlungsentwicklung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Mögliche Wirkungen des Klimawandels in ausgewählten Sektoren

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an UBA (2008), S. 7.

Tabelle 1 verdeutlicht, dass die meisten Gesellschaftsbereiche gegenüber Klimaänderungen mäßig bis hoch anfällig sind. Stellen sich die oben skizzierten Veränderungen ein, so hat dies auch markante Auswirkungen auf die Wirtschaft.

Generell lassen sich aus dem Klimawandel zwei Handlungsoptionen ableiten, die untrennbar miteinander verbunden sind. Zum einen das Abbremsen des Klimawandels durch Verringerung der Treibhaushausemissionen, beispielsweise über Steuern und staatliche Regulierungen oder neue Technik und eine höhere Energieeffizienz. Zum anderen die Anpassung über verschiedene Maßnahmen an jene Folgen des Klimawandels, die bereits heute nicht mehr zu vermeiden sind, zum Beispiel durch Infrastrukturmaßnahmen wie Hochwasserschutzanlagen oder durch Produktinnovationen.56

2.1.2 Umsteuern bei Ressourcen und Energie

Die zukünftige Veränderung des Klimas ist nicht mehr aufzuhalten, aber das Ausmaß der globalen Erwärmung und ihre Folgen können noch abgeschwächt werden. Jedoch ist die Zeit, innerhalb der ein Umsteuern noch möglich ist, begrenzt. Ein ambitionierter Klimaschutz beinhaltet neben der nachhaltigen Nutzung aller verfügbaren Ressourcen auch die drastische Verringerung der Treibhausgasemissionen.

2.1.2.1 Ressourcenknappheit

Für die wirtschaftliche Entwicklung ist die Nutzung von Rohstoffen unverzichtbar. Dabei stellen die in den letzten Jahren insgesamt stark gestiegenen Rohstoffpreise, Spekulatio- nen auf den Rohstoffmärkten, Währungsschwankungen sowie die Entwicklung von rohstoffintensiven Zukunftstechnologien und die mitunter hohe Konzentration der Weltroh- stoffproduktion auf wenige, teils politisch und wirtschaftlich instabile, Länder neue Heraus- forderungen an die von Importen abhängige deutsche und europäische Wirtschaft. Insbe- sondere die Wettbewerbsverzerrungen auf den internationalen Rohstoffmärkten und die hohe Preisvolatilität schränken die Planungssicherheit der Unternehmen ein.57

Die steigende Nutzung von Rohstoffen verursacht über ihre gesamte Wertschöpfungskette massive Umweltbelastungen, wie zum Beispiel Emissionen in Boden, Wasser und Luft.58 Darüber hinaus werden nicht erneuerbare Bodenschätze, die heute verbraucht werden, künftigen Generationen nicht mehr zur Verfügung stehen. Deswegen ist ein sparsamerer Umgang mit Rohstoffen unbedingt erforderlich:59

Die Erde benötigt eine Million Jahre, um so viele fossile Brennstoffe zu bilden, wie sie die Menschheit derzeit in einem Jahr verbraucht.60

Der Umfang der Ressourcennutzung hat heutzutage ein Ausmaß erreicht, das weder nachhaltig ist noch dauerhaft beibehalten werden kann.61 Insbesondere aufgrund des ra- santen Wirtschaftswachstums der Schwellenländer, allen voran China62, steigt die Roh- stoffnachfrage weltweit kontinuierlich.63 So werden strategische Ressourcen wie fossile Energieträger, Frischwasser, Mineralstoffe und Metalle immer knapper.64 Daher liegt ein wesentlicher Schlüssel zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft im effizienteren und nachhaltigen Umgang mit den knappen natürlichen Ressourcen der Erde.65

Abbildung 7 zeigt die Rohstoffproduktivität66 in Deutschland ab 1994 beziehungsweise, wie effizient die Volkswirtschaft mit nicht erneuerbaren Rohstoffen umgeht.67 Die deutsche Bundesregierung gibt das Ziel vor, die Rohstoffproduktivität bis zum Jahr 2020 bezogen auf das Basisjahr 1994 zu verdoppeln.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Rohstoffproduktivität und Wirtschaftswachstum

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010a), S. 8.

Wie Abbildung 7 zeigt, hat sich zwischen 1994 und 2008 die Rohstoffproduktivität insge- samt um 39,6 % erhöht. Das Bruttoinlandsprodukt stieg im gleichen Zeitraum bei rückläu- figem Materialeinsatz (-11,1 %) um 24,1 %. Die Zunahme der Rohstoffproduktivität rührt jedoch hauptsächlich aus einem Strukturwandel hin zu weniger rohstoffintensiven Bran- chen. Während die Branchen mit niedrigem Materialverbrauch (z.B. Dienstleistungsberei- che) gewachsen sind, sind materialintensive Branchen eher geschrumpft (z.B. das Bau- gewerbe68 ). Allerdings ist zu beachten, dass der Materialeinsatz zunehmend durch Importe gedeckt wird - so hat sich der Anteil importierter Güter am gesamten Primärmate- rialeinsatz im genannten Zeitraum von 26 % auf gut 37 % erhöht. Findet dieser Faktor Be- rücksichtigung, so ist der tatsächliche Produktivitätsfortschritt deutlich geringer.69

Begrenzte fossile Rohstoffe müssen Schritt für Schritt durch erneuerbare, nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden, sofern dies nicht die Nahrungsmittelerzeugung oder den Erhalt der Biodiversität und der Ökosystemdienstleistungen beeinträchtigt.70 Die langfristige Ver- fügbarkeit von Kohle, Erdgas, Uran, Metallrohstoffen und Industriemineralen ist aus geo- logischer Sicht gegeben, die Erdölvorkommen hingegen sind begrenzt. Allerdings ist nur ein Bruchteil der bestehenden geologischen Rohstoffpotentiale tatsächlich bekannt, da dank fortschreitender technologischer Entwicklungen werden laufend neue Rohstoffvor- kommen auf der Erde entdeckt. Ob sie tatsächlich auch wirtschaftlich genutzt werden können, ist maßgeblich eine Frage der Zugänglichkeit und damit der Investitionen und des Rohstoffpreises.71

Auch in Zukunft werden sich die Zyklizität der Märkte für mineralische Rohstoffe sowie die hohe Preisvolatilität fortsetzen. Darüber hinaus sind weiterhin hohe und volatile Erdölpreise zu erwarten. Auf der anderen Seite wird die Entwicklung von Zukunftstechnologien, beispielsweise die Fortentwicklung regenerativer Energien wie Wind- und Solarkraft, die zukünftige Rohstoffnachfrage stark beeinflussen.72

2.1.2.2 Wandel im Energiesystem

Eine Wende im Energiesektor muss aus drei Gründen erreicht werden:73

(1) Fossile Energieträger tragen die Hauptverantwortung für den Klimawandel.
(2) Fossile Energieträger sind endlich und werden nicht auf unbegrenzte Zeit verfüg- bar und bezahlbar bleiben.
(3) Die noch vorhandenen Vorräte konzentrieren sich auf nur wenige Regionen der Welt, so dass Staaten, die selbst nur über wenige Ressourcen verfügen, erpress- bar werden.

Dem Energiesektor kommt, wie bereits erwähnt, eine Schlüsselfunktion für die Senkung der Treibhausgasemissionen zu.74 Die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf maximal 2°C erfordert die Reduktion der energiebedingten Kohlendioxidemissionen in der Europäi- schen Union und Deutschlands um mindestens 90 % und damit den vollständigen Umbau des gesamten Energiesystems.75 Dieser grundlegende Wandel im Energiesystem, ge- nauer gesagt die Stromerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser, Geothermie und Biomasse sowie die effizientere Nutzung und gesteigerte Produktivität von Energie76, ist die zentrale Voraussetzung für den Schutz des globalen Klimas und die Schonung wertvoller Res- sourcen. Nach und nach werden deshalb fossile Energieträger in sämtlichen Energiean- wendungsbereichen (Strom, Wärme, Verkehr) zunehmend durch erneuerbare Energien ersetzt.77 Erneuerbare Energien sind prinzipiell dazu in der Lage, ein Vielfaches des glo- balen Energiebedarfs zu decken. Außerdem sind sie sauber und bieten auf lange Sicht ein erhebliches Kostensenkungspotential.78 Erneuerbare Energien als heimische Energie- quellen reduzieren darüber hinaus die Abhängigkeit von Energieimporten, erhöhen die Energiewertschöpfung im Land und schaffen Arbeitsplätze.79

Nach dem Super-GAU in Japan80 hat die Bundesregierung 2011 eine Kehrtwende in der Atompolitik vollzogen - weg von der Laufzeitverlängerung hin zu einem raschen Ausstieg. Acht deutsche Kernkraftwerke wurden sofort stillgelegt, die neun verbleibenden Meiler sollen nun bis zum Jahr 2021 vom Netz gehen, wobei die drei modernsten Meiler als „Sicherheitspuffer“ bei Bedarf bis 2022 Strom produzieren sollen. Gleichzeitig soll die alternative Energiegewinnung mittels neuer Gesetze gefördert werden.81

Das BMU hat gegenwärtig das Ziel gesetzt, die Energieversorgung in Deutschland bis zum Jahr 2050 vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen.82 Laut dem Umweltbundesamt ist die Umsetzung dieses Zieles in Deutschland als hoch entwickeltem Industrieland mit Erhaltung des heutigen Lebensstils und der Konsum- und Verhaltensmuster technisch möglich.83 Abbildung 8 zeigt eine von vielen möglichen Lösungsoptionen hin zu einer rein regenerativen Energieversorgung in Deutschland bis zum Jahr 2050. Insgesamt muss unter anderem aufgrund eines wesentlich höheren Elektrifizierungsgrads des Verkehrssektors ein höherer Strombedarf gedeckt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Entwicklung der Bruttostromerzeugung aus erneuerbaren Energien und des Bruttostromverbrauchs in Deutschland bis 2050

Quelle: FVEE-Fachausschuss „Nachhaltiges Energiesystem 2050“ (2010), S. 36.

Wie Abbildung 8 zu entnehmen ist, wird die Stromerzeugung im Jahr 2050 wohl haupt- sächlich mit Wind- und Solarenergie erfolgen, da diese Techniken das größte Potential aufweisen und zu den kostengünstigsten Stromquellen zählen werden. Die fossile Wär- meerzeugung wird durch Solarwärme- und Geothermieanlagen ersetzt. Schnell reagie- rende Gaskraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung ergänzen die direkte erneuerbare Strom- erzeugung.84 Das Ziel einer 100 % regenerativen Energieversorgung ist sehr robust: Falls eine Technologie nicht das im Mengengerüst angegebene Ausbauziel erreicht, so wird der ausfallende Anteil von einer oder mehreren Alternativtechnologien aufgefangen werden.85

Neben der Stärkung der Erneuerbaren Energien sind Energiesparen und -effizienz weitere Maßnahmen der Energiewende in Deutschland. Bis zum Jahr 2050 soll der Bedarf an Primärenergie86 um 50 % gesenkt werden. Darüber hinaus ist ein Ausbau des Stromnetzes für die Versorgungssicherheit und den reibungslosen Ausbau der Erneuerbaren Energien dringend notwendig, um das bestehende Ungleichgewicht der Stromproduktion und des Stromverbrauches zwischen dem Norden und dem Süden Deutschlands besser ausgleichen zu können. Zusätzlich speichern moderne Energiespeicher Strom aus Wind- und Sonnenenergie und speisen ihn bei Bedarf ins Netz ein.87

Der grundlegende Wandel im deutschen Energiesystem ist nicht nur eine große Kraftan- strengung - er bietet gleichzeitig die große Chance für Deutschland, weltweit Vorreiter und Vorbild für eine wirtschaftlich erfolgreiche und nachhaltige Energiewende zu wer- den.88

2.1.3 Globalisierung

Der Begriff „Globalisierung“ beschreibt grundsätzlich den Prozess einer immer stärkeren globalen Interaktion und Interdependenz zwischen den Gesellschaften, Volkswirtschaften, Regierungen, Unternehmen, Forschungs- und Bildungseinrichtungen, zivilgesellschaftli- chen Organisationen und Einzelpersonen in aller Welt. Zu den wichtigsten Antriebskräften der Globalisierung zählen internationale Kooperationen, die Liberalisierung von Handel und Dienstleistungen, Tourismus, Interkulturisierung sowie die technologischen Entwick- lungen im Bereich der Information und Kommunikation (IuK).89 Die Globalisierung verän- dert auch die Produktionsprozesse: Unternehmen gliedern verstärkt einzelne Schritte oder ganze Stufen der Wertschöpfung an andere Anbieter aus (Outsourcing) und/oder verla- gern sie in Niedriglohnländer (Offshoring). Auch der Einkauf (Sourcing) wandelt sich. Glo- bal-Sourcing-Anbieter analysieren im Firmenauftrag weltweit Bezugsquellen und helfen, diese auszuschöpfen, indem sie am jeweiligen Ort Personal und Infrastruktur zur Verfü- gung stellen. Aufgrund der geringeren Lohnkosten im Ausland bei vergleichbarer Produk- tivität können hier bis zu 60 % gespart werden.90

Inzwischen nehmen fast alle Länder der Welt an der globalen Arbeitsteilung teil. Das Tempo und der Umfang des heutigen Globalisierungsprozesses sind in der Geschichte einmalig. Entscheidendes Merkmal ist hierbei neben dem Auftreten wichtiger neuer Akteu- re wie China, Indien, Russland und Brasilien auch der Einfluss nichtstaatlicher Akteure wie multinationaler Unternehmen und Finanzinstitutionen auf die weltwirtschaftliche Agen- da.91 Trotz des aufwärtsgerichteten Trends der vergangenen Dekaden sind bereits heute Rückschlags- oder zumindest Bremspotentiale im Globalisierungsprozess erkennbar. Ne- ben den tiefgreifenden Verwerfungen an den globalen Finanz- und Kapitalmärkten sind in diesem Zusammenhang weiter denkbar: weltweite Verteilungskonflikte um knapper und teurer werdende Ressourcen, neue Sicherheitsfragen in der Weltwirtschaft sowie Armuts- szenarien infolge der globalen Bevölkerungszunahme, die zusätzlich durch den weltwei- ten Klimawandel verschärft werden.92

Langfristig kann man jedoch von einem weiteren Fortschreiten der weltwirtschaftlichen In- tegration ausgehen, auch wenn der Prozess der Globalisierung kurzzeitig und vorüberge- hend ins Stocken gerät. Das Wachstum der Weltwirtschaft wird sich im Trend fortsetzen, allerdings werden sich die Zentren dieses Wachstums weiterhin in Richtung des asiati- schen Raumes93 sowie in die rohstoffreichen Länder94 entwickeln. Auch zukünftig dürften sich ein steigendes Weltbruttoinlandsprodukt, ein noch stärker wachsender Welthandel sowie ein noch weitaus stärkeres Wachstum der globalen Direktinvestitionen fortsetzen. Auf lange Sicht wird ein weiterer Abbau der Zollschranken verbunden mit der fortschrei- tenden Öffnung der globalen Dienstleistungsmärkte neue Schubkraft für den Welthandel mit Industriegütern und Dienstleistungen bringen. Die steigenden Transportkosten und Engpässe in der weltweiten Logistik-Infrastruktur hingegen könnten eine gewisse Brems- wirkung entfalten.95

Aufgrund ihres Einflusses auf die Weltwirtschaft und die Umwelt kommt den Industrie- Staaten weltweit eine besondere Führungsverantwortung in Fragen derö kologischen und nachhaltigen Entwicklung im Zusammenhang mit der Globalisierung zu.96 Aus diesem Grund tragen die Industrienationen mit ihrer Entwicklungspolitik dazu bei, die weltweite Armut zu mindern, den Frieden zu sichern sowie die Globalisierung gerecht zu gestalten und die Umwelt zu schützen.97

Erwähnt werden müssen ferner die Bewegungen in Entwicklungsländern und auch in ent- wickelten Staaten des Nordens, die gegen die Art und Weise, in der die Globalisierung umgesetzt wird, protestieren. Sie richten sich hierbei gegen das Problem der kulturellen Verluste, gegen zunehmende Umweltprobleme und die Abwanderung von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländern. So geraten internationale Unternehmen zunehmend unter ethi- schen Druck.98

2.1.4 Demographischer Wandel

Der Begriff „demographischer Wandel“ bezeichnet die Veränderung der Alterszusammensetzung in einer Gesellschaft.99 Die drei Faktoren Geburtenrate, Lebenserwartung und Wanderungssaldo beeinflussen dabei die demographische Entwicklung in einem Land. Aus der Summe des Wanderungssaldo und des Geburten- oder Sterbeüberschusses ergibt sich die Entwicklung der Bevölkerungsanzahl eines Landes.100

Die Prozesse der Bevölkerungsentwicklung beeinflussen natürlich Größe und Anzahl der privaten Haushalte in Deutschland. Darüber hinaus sind die Zusammensetzung aus Stadt- und Landbevölkerung und die Inanspruchnahme von Siedlungs- und Verkehrsfläche wei- tere Faktoren, die der demographische Wandel in seiner Auswirkung beeinflusst.

2.1.4.1 Bevölkerungsentwicklung

Die neueste UN-Bevölkerungsprojektion geht davon aus, dass die Weltbevölkerung von fast sieben Milliarden (Juli 2011) bis zum Jahr 2050 auf voraussichtlich 9,3 Milliarden Menschen anwachsen wird. Dabei unterscheidet sich die Bevölkerungsdynamik der ein- zelnen Länder aufgrund ihrer unterschiedlichen Fertilitätsraten erheblich. So findet das zukünftige Bevölkerungswachstum fast ausschließlich in den Entwicklungsländern statt (v.a. in Afrika), während hingegen Europa und China von einem Rückgang der Bevölke- rung geprägt sein werden.101

Demographische Entwicklungen haben eine lange Vorlaufzeit. In Deutschland hat die Ab- nahme und Alterung der Bevölkerung schon vor 30 Jahren begonnen.102 Dennoch ist die Bevölkerung Deutschlands aufgrund von Wanderungsgewinnen ausländischer Bevölke- rung bis zum Jahresende 2002 fast stetig angewachsen.103 Seit 2003 führt das wachsen- de Geburtendefizit allerdings zur Abnahme der Bevölkerung. Die Ergebnisse der Bevölke- rungsvorausberechnung (Abbildung 9) werden schwerpunktmäßig anhand von zwei Varianten beschrieben, welche die Entwicklung unter der Annahme einer annähernd kon- stanten Geburtenhäufigkeit (1,4 Kinder je Frau), eines Anstiegs der Lebenserwartung um etwa acht (Männer) beziehungsweise sieben Jahre (Frauen) und eines Wanderungssal- dos von 100.000 (Untergrenze) beziehungsweise 200.000 Personen (Obergrenze) im Jahr aufzeigen.104

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Prognostizierte Entwicklung der Bevölkerungszahl von 1950 bis 2060

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Statistisches Bundesamt (2009), S. 12.

Abbildung 9 ist zu entnehmen, dass der Bevölkerungsrückgang anhalten und sich verstärken wird. Ende 2010 leben rund 82 Millionen Menschen in Deutschland - im Jahr 2060 werden es nur noch zwischen 65 Millionen und 70 Millionen sein.

In den einzelnen Bundesländern wird die für Deutschland insgesamt dargestellte Entwick- lung unterschiedlich ausfallen. Auf der regionalen Ebene der Kreise zeigt sich ein Neben- einander von wachsenden und schrumpfenden Regionen und Gemeinden (Abbildung 10).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Künftige Bevölkerungsdynamik 2008 bis 2025

Quelle: BBSR (2011).

Tendenziell ist weiterhin ein Ost-West-Gefälle feststellbar, welches sich aber bis 2025 ab- schwächen wird. Die meisten Regionen in Deutschland sind mit steigenden Sterbeüber- schüssen konfrontiert und auch die westdeutschen Regionen können diese Abgänge im- mer weniger durch Wanderungsgewinne kompensieren. Vom Ruhrgebiet in Richtung Osten erstreckt sich ein Korridor, in dem vermehrt Kreise mit abnehmender Bevölkerung liegen. Im Osten werden die Kontraste zwischen Wachstum und Schrumpfung größer und stärker als im Westen, da die sowieso schon dünnbesiedelten ländlichen Räume noch mehr Bevölkerung verlieren werden. Im Westen findet eine Abnahme oder Stagnation entweder in den Kernstädten (v.a. in den altindustrialisierten Verdichtungsgebieten) oder in den peripheren Räumen statt. Bevölkerungszuwachs gibt es nur noch außerhalb der Großstädte und Agglomerationszentren in deren erweitertem Umland. Im Osten konzen- triert sich die Dynamik auf den engeren suburbanen Raum der größeren Städte („Speck- gürtel“ um Berlin).105 Aufgrund der anhaltenden Zuwanderung aus dem Ausland wird die Heterogenität der in Deutschland lebenden Bevölkerung zukünftig zunehmen. Dabei geht das BBR davon aus, dass sich die internationalen Zuwanderungen auf die Agglomerati- onsräume in Baden-Württemberg und Bayern sowie den südlichen Teilen von Rheinland- Pfalz und Hessen konzentrieren werden.106

Ein weiterer Trend im Zusammenhang mit dem demographischen Wandel ist die deutliche Alterung der Weltbevölkerung107 - immer weniger junge Menschen stehen immer mehr äl- teren Menschen gegenüber. Die Zahl der 80-Jährigen und Älteren in Deutschland wird von circa 4 Millionen heute auf etwa 9 Millionen im Jahr 2060 wachsen. Dabei wird die Zahl kontinuierlich steigen und 2050 mit über 10 Millionen den bis dahin höchsten Wert er- reicht haben. Am deutlichsten zeigt sich die Bevölkerungsschrumpfung in der Gruppe der unter 20-Jährigen: Im Jahr 2060 wird ihr Anteil voraussichtlich 16 % der Bevölkerung ausmachen. Damit wird es nur um etwa 1 Million mehr junge Menschen unter 20 geben als es Menschen im Alter von 80 und mehr Jahren geben wird (Abbildung 11).108

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland 2008 und 2060

Quelle: Statistisches Bundesamt (2009), S. 15.

Besonders stark wird die Bevölkerung unter dem Gesichtspunkt der Erwerbstätigkeit zwi- schen 20 und 65 Jahre von der Schrumpfung und Alterung betroffen sein. Im Jahr 2009 gehören fast 50 Millionen Menschen dieser Altersgruppe an. Nach 2020 wird ihre Zahl deutlich zurückgehen, im Jahr 2030 auf etwa 42 bis 43 Millionen und schließlich 2060 nur noch circa 36 Millionen betragen (27 % weniger als heute). Dabei beeinflusst die Höhe der Zuwanderung maßgeblich das Ausmaß der Schrumpfung der Bevölkerung im Erwerbsal- ter. Falls jährlich 200.000 Personen (Obergrenze) zuwandern, werden im Jahr 2050 etwa 39 Millionen Menschen im Erwerbsalter sein. Sollte die Zuwanderung nur halb so hoch ausfallen (Untergrenze), gibt es 2050 ein noch kleineres Erwerbspersonenpotential von nur noch 36 Millionen.109

2.1.4.2 Private Haushalte

Der Bevölkerungsrückgang und die Alterung der Gesellschaft sind unumkehrbare Prozes- se, die die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung immer stärker kennzeichnen110 und somit die Größe und Zahl der privaten Haushalte in Deutschland beeinflussen. Die Haus- haltsgröße wird unter anderem durch die beiden demographischen Faktoren Geburten- häufigkeit und zunehmende Lebenserwartung beeinflusst. Tendenziell werden die Haus- halte in Deutschland immer kleiner. Die Einpersonenhaushalte stellen seit mehr als drei Jahrzehnten die größte Gruppe dar, während die Zahl der Haushalte mit drei und mehr Personen dagegen beständig sinkt. Die zukünftige Entwicklung erwartet eine Fortsetzung dieses Trends (Abbildung 12).111

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 12: Zusammensetzung der Privathaushalte nach Haushaltsgröße

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Statistisches Bundesamt (2011a), S. 8.

Weniger Kinder pro Ehepaar und eine Zunahme der älteren Bevölkerung, die hauptsächlich in Ein- oder Zweipersonenhaushalten lebt, führen weiterhin insgesamt zu einer Verringerung der durchschnittlichen Haushaltsgröße. Im Ländervergleich innerhalb Deutschlands zeigt sich außerdem, dass die durchschnittliche Größe der Haushalte in den alten Flächenländern von 2009 bis 2030 von 2,1 Personen pro Haushalt auf 1,9 Personen zurückgehen wird. In den neuen Ländern wird sie von 1,9 Personen pro Haushalt auf 1,8 sinken und in den Stadtstaaten von 1,8 Personen auf 1,7 Personen.112

Die Zahl der Privathaushalte in Deutschland wird aufgrund des Trends zu kleineren Haus- halten bis zum Jahr 2030 tendenziell steigen: Während die Bevölkerung um 6 % schrump- fen wird, steigt die Zahl der Haushalte insgesamt um 2 %. Auch hier zeigen sich regionale Unterschiede. Nach der Trendvariante wird in den alten Flächenländern und in den Stadt- staaten die Zahl der Haushalte um durchschnittlich 4 % bis 5 % steigen, während es hin- gegen in den neuen Ländern insgesamt weniger Haushalte geben wird (-10 %).113

2.1.4.3 Urbanisierung

Die Bevölkerung ändert sich zukünftig nicht nur hinsichtlich ihrer Größe und regionalen Zusammensetzung, denn hinzu kommt eine strukturelle Verschiebung bezüglich der Zu- sammensetzung aus Stadt- und Landbevölkerung.114 Mitte des 20. Jahrhunderts war der Anteil der Landbevölkerung weltweit noch fast zweieinhalbmal so hoch wie der der Stadt- bevölkerung und der Urbanisierungsgrad115 belief sich auf knapp 30 %. In den letzten Jahrzehnten hat eine gewaltige Urbanisierung stattgefunden: Im Jahr 2008 entsprach der Anteil der Stadtbevölkerung erstmals dem Anteil der Landbevölkerung. Der Trend der Ur- banisierung wird sich global gesehen weiter fortsetzen. Für das Jahr 2025 gehen Progno- sen von einem Urbanisierungsgrad von 57 % aus, bis 2050 soll er auf rund 70 % steigen. Den höchsten Anteil der urbanen Bevölkerung im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung wei- sen demnach im Jahr 2025 Nordamerika mit 86 %, Lateinamerika mit 84 % und schließ- lich Europa mit 76 % auf.116

In Deutschland hat sich seit den 1970er Jahren (Westdeutschland) beziehungsweise den 1990er Jahren (Ostdeutschland) hingegen die Suburbanisierung als dominierender Trend der Siedlungs- und Wohnungsmarktentwicklung herausgebildet. Dabei sind Art, Intensität und Wirkung regional und in zeitlicher Einordnung sehr vielfältig, dennoch wurde die räumliche Entwicklung der Städte jahrzehntelang durch die Abwanderung der Bevölke- rung ins Umland geprägt.117 Eine Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik machte 2005 die Trendwende sichtbar: Insbesondere die innenstadtnahen Quartiere werden wie- der als attraktiver Wohnstandort entdeckt.118 Empirische Belege dieser proklamierten „Re- naissance der Städte“ bleiben jedoch aus. Daher bleibt erst einmal abzuwarten und weiter zu beobachten, inwieweit sich der bislang eher subjektiv wahrgenommene Trend einer zunehmenden Akzeptanz der Kernstadt und innenstadtnahe Quartiere als Wohnstandort auch quantitativ niederschlägt.119

Einige Argumente festigen jedoch den hier geschilderten Trend.120 Aufgrund der sozio- demographischen Veränderungen und einem Wandel von Werten und Lebensvorstellun- gen in Deutschland festigen sich sogenannte neue Haushaltstypen wie Singles, Wohn- gemeinschaften, Alleinerziehende und Lebensgemeinschaften unverheirateter Paare und mit ihnen neue Lebensformen und Wohnleitbilder. Mit dieser Hinwendung zu neuen Le- bensformen entstehen vermehrt neue sozio-kulturelle Ansprüche an das Wohnen, den Wohnort und das Wohnumfeld. Die Heterogenisierung von Wohn-, Lebens- und Familien- formen ist ein andauernder Prozess, zudem bedeutet der Trend zu kleineren Haushalten über die Pluralisierung von Wohn- und Lebensformen eine stetig zunehmende Individualisierung von Wohnbedürfnissen und Lebensstilen. Dies alles führt zu einer Wiederentdeckung der (Innen-)Städte als Wohnstandort.121

2.1.4.4 Siedlungs- und Verkehrsfläche

In der Inanspruchnahme von Siedlungs- und Verkehrsfläche drückt sich die räumliche Verteilung von Bevölkerung, Arbeitsplätzen und der hierauf ausgerichteten Infrastruktur aus. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland nimmt seit Beginn der industriel- len Revolution trotz leichter Schwankungen konstant zu.122 Nach Angaben des Statisti- schen Bundesamtes hat sie Ende 2009 rund 13 % der Bodenfläche Deutschlands bean- sprucht. Dabei schwankt der Anteil in den einzelnen Bundesländern erheblich: In den Stadtstaaten ist er am höchsten, so beispielsweise in Berlin bei 70,2 %, in den anderen Bundesländern reicht die Spanne von 7,9 % in Mecklenburg-Vorpommern bis 22,3 % in Nordrhein-Westfalen.123

In der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie „Perspektiven für Deutschland“ hat die Bundesregierung im Jahr 2002 ehrgeizige Ziele im Umgang mit Flächen formuliert. Das sogenannte 30-ha-Ziel sieht vor, die tägliche zusätzliche Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke von 129 ha im Jahr 2000 auf maximal 30 ha im Jahr 2020 zu reduzieren.124 Abbildung 13 schätzt die Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung bis 2020 in Form einer Trendextrapolation:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 13: Trend der Siedlungsflächenentwicklung 2000 bis 2020

Quelle: BBR (2005), S. 57.

Abbildung 13 zeigt, dass starke Zuwächse im Umland der Großstädte bis in die peripheren ländlichen Räume hinein erwartet werden. In den Zentralräumen sowie auch in den Abwanderungsgebieten ist der prognostizierte Zuwachs hingegen sehr gering. Flächige Wohnbebauung und Infrastrukturen greifen sichtbar in die Landschaften und Freiräume hinein. Die Folge wird zunehmend eine geringere Siedlungsdichte sein, da immer weniger Einwohner auf einer größeren Siedlungsfläche zu finden sein werden.125

2.1.5 Neue Mobilitätsmuster und Verkehrsentwicklung

Mobilität bedeutet Unabhängigkeit und Individualität zugleich. Sie verkörpert Wünsche und Hoffnungen, aber zunehmend auch Anforderungen, die die motorisierte Gesellschaft und ihre beschleunigten Wirtschaftszyklen an jeden Einzelnen stellen. Mobilität verwandelt die Produktionsbedingungen rasant und damit einhergehend die Lebens- und Arbeitsbedingungen weltweit.126 Sie ist in unserer heutigen Gesellschaft von grundlegender Bedeutung - denn die Qualität und Kosten für den Transport von Menschen und Waren haben einen großen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, das Wirtschaftswachstum und die Lebensqualität.127 Bedingt durch die Globalisierung und Flexibilisierung wird Mobilität häufig auch zur schlichten Notwendigkeit.128

Die Flexibilisierung des Erwerbslebens verstärkt sich. Daher unterhalten immer mehr Paa- re und Familien neben dem Hauptwohnsitz eine zweite Wohnung oder pendeln täglich über weite Entfernungen zum Arbeitsplatz.129 Mit der Pluralisierung der Lebensstile erge- ben sich vielfältigere Mobilitätsformen und -ansprüche. Die moderne Arbeits-, Freizeit- und Erlebnisgesellschaft pflegt einen veränderten Umgang mit Raum und Zeit und weist die Tendenz zu steigenden Wegelängen und zur Ausweitung der Aktionsräume auf. Gän- gige Prognosen gehen deshalb von einer weiteren Zunahme des motorisierten Individual- verkehrs in Deutschland aus.130 Die regionalen Disparitäten in Deutschland hinsichtlich soziodemographischer undö konomischer Faktoren deuten darauf hin, dass die zukünftige Verkehrsentwicklung regional sehr unterschiedlich ausfallen wird. So wird das Verkehrs- aufkommen in den Abwanderungsregionen teils deutlich zurückgehen, während in den prosperierenden Ballungsräumen ein weiteres Wachstum zu erwarten ist.131

Die demographische Entwicklung ist ein wichtiger Treiber für die Mobilitätsnachfrage. Das Durchschnittsalter der Verkehrsteilnehmer in Deutschland wird im Jahr 2050 deutlich hö- her liegen als heute. Dabei nimmt schon heute die Mobilität der Senioren zu, sie sind akti- ver als frühere Generationen in diesem Alter und nutzen häufiger das Auto. Anders die junge Bevölkerung: Sie verlässt sich mehr als früher auf den Öffentlichen Verkehr oder das Fahrrad. Die Bedeutung von Arbeitswegen und dienstlichen Wegen geht zurück, wäh- rend Freizeit und Einkauf die häufigsten Gründe sind, um das Haus zu verlassen.132

Ein weiterer Trend ist der Mobilitäts-Mix, insbesondere in deutschen Städten. Zukunftsweisend sind hier neue Carsharing-Modelle und nachfragegesteuerte ÖPNV-Angebote ohne festen Fahrplan. Das Auto wird aufgrund der steigenden Energiepreise im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern langfristig an Attraktivität verlieren. Des Weiteren ist mit verschärften Zugangsbeschränkungen für Pkws in den urbanen Zentren sowie einer steigenden Abgabenlast für Pkw-Halter zu rechnen.133

Die derzeitige weltweite Verkehrsentwicklung gibt indes Anlass zur Sorge. Prognosen sagen bis zum Jahr 2050 fast eine Verdopplung des Verkehrsaufwands im Personenverkehr und beim Güterverkehr sogar einen Zuwachs um 140 % voraus. Insgesamt werden die Treibhausgasemissionen des Verkehrs im Zeitraum von 2000 bis 2050 voraussichtlich um 130 % steigen. Nicht zuletzt aufgrund dieser zu erwartender Entwicklungen ist die Förderung einer nachhaltigen Mobilität auf europäischer und globaler Ebene für eine langfristig umweltverträgliche Verkehrsentwicklung unerlässlich.134

Der europäische Verkehrssektor ist in hohem Maße auf Ölimporte angewiesen, wobei über 96 % des Energiebedarfs im Sektor derzeit durch Öl undö lbezogene Produkte ge- deckt werden. Ferner verursachte der Sektor 2008 etwa 25 % der Treibhausgasemissio- nen der EU.135 Während die Energieindustrie ihre Emissionen zwischen 1990 und 2008 um etwa 9 % reduzieren konnte, stiegen die des Verkehrssektors hingegen um etwa 34 %.136 Um den Temperaturanstieg durch den Klimawandel auf unter 2°C zu begrenzen, muss der Treibhausgasausstoß im Verkehrssektor bis 2050 um mindestens 60 % gegen- über 1990 gesenkt werden.137 Darüber hinaus muss der Ölverbrauch ab sofort um etwa 70 % schrumpfen. Diese ehrgeizigen Ziele setzen radikale Änderungen für die Brennstofftechnik und den Fortbewegungsmodus voraus.138 Die Ökobilanz von Fahrzeugen lässt sich mit Hilfe von optimierten Motoren, verbesserter Aerodynamik und leichteren Materialien erheblich verbessern.139

Der Wettlauf um eine Alternative zum herkömmlichen Verbrennungsmotor ist bereits in vollem Gang. Noch ist jedoch unklar, welche Technologie sich langfristig durchsetzen wird.140 In der Zukunft könnten Elektrofahrzeuge eine bedeutende Rolle spielen.141

[...]


1 Vgl. Pekrul (2006), S. 6.

2 Vgl. Heinrich-Böll-Stiftung (2011a), S. 9.

3 Vgl. Karl Marx (1818 - 1883), Philosoph, Nationalökonom und Journalist.

4 Vgl. Deutscher Bundestag (2002), S. 1f.

5 Vgl. BMBF (2002), S. 7.

6 Vgl. ZDB (2009), S. 4.

7 Vgl. BMBF (2002), S. 7.

8 Vgl. Eberl (2011), S. 33.

9 Vgl. Pekrul (2006), S. 8.

10 Vgl. Hauptverband der deutschen Bauindustrie e.V. (o.J.).

11 Vgl. Statistisches Bundesamt (2008), S. 2.

12 Vgl. UniCredit Bank AG (2011), S. 6.

13 Vgl. UniCredit Bank AG (2011), S. 10.

14 a.a.O., S. 15f.

15 Vgl. ZDB (2011), S. 23f.

16 Vgl. Bosch (2007), S. 9.

17 Vgl. ZDB (2011), S. 10.

18 Vgl. Bosch (2007), S. 9.

19 Vgl. van Someren (2005), S. 57.

20 Vgl. Bosch (2007), S. 15f.

21 Vgl. ZDB (2009), S. 7.

22 ZDB (2009), S. 5.

23 Vgl. ZDB (2009), S. 4.

24 a.a.O., S. 15.

25 a.a.O., S. 3.

26 a.a.O., S. 8.

27 Vgl. Bauhaus-Universität Weimar (2009).

28 Mark Twain (1835 - 1910), Schriftsteller.

29 Vgl. Pillkahn (2007), S. 125.

30 a.a.O., S. 127.

31 Der Begriff „ Mega-Trend “ ist in der Soziologie und Zukunftsforschung gleichbedeutend mit „ Zu- kunftsfaktor “ . [Vgl. Mićić (2007), S. 64].

32 Vgl. Z_punkt GmbH (2008), S. 4.

33 Vgl. Mićić (2007), S. 64.

34 Vgl. Z_punkt GmbH (2008), S. 3.

35 Vgl. Grömling/Haß (2009), S. 41.

36 Mićić (2007), S. 101.

37 Darunter fallen Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid, teilfluorierte Kohlenwasserstoffe, fluorier- te Kohlenwasserstoffe und Schwefelhexafluorid. [Vgl. UBA (2011b), S. 2].

38 Vgl. UBA (2008), S. 4.

39 Vgl. OECD (2008), S. 142.

40 Zwischen 1906 und 2005 stieg die globale bodennahe Mitteltemperatur um 0,74 ° C. Gebirgs- gletscher und Schneebedeckung nahmen auf der Nord- und Südhalbkugel ab. Der Meeresspie- gel stieg im 20. Jahrhundert um etwa 17 cm. [UBA (2008), S. 4].

41 Wissenschaftler erwarten einen Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 um 1,8 bis 4,0 ° C, wenn die Menschheit weiter ungebremst klimaschädliche Gase in die Atmosphäre entlässt. Der Mee- resspiegel könnte um 18 bis 59 cm steigen. [Vgl. BMU (2009), S. 12f.].

42 Vgl. Eberl (2011), S. 28.

43 Vgl. UBA (2011a), S. 3.

44 Vgl. UBA (2011b), S. 4.

45 Vgl. UBA (2011b), S. 2.

46 a.a.O., S. 4.

47 Eine Minderung der THG-Emissionen um 40 % bis 2020 im Vergleich zu 1990 bedeutet in abso- luten Zahlen eine Reduktion um 499 Mio. t CO 2 - Ä quivalente. Davon wurden zwischen 1990 und 2009 schon 326 Mio. t CO 2 - Ä quivalente eingespart. [Vgl. UBA (2011b), S. 4].

48 Vgl. Die Bundesregierung (2011a).

49 Vgl. Abschnitt 2.1.2.2 Wandel im Energiesystem, S. 16.

50 Vgl. BMU (2010), S. 45f.

51 Vgl. BMU (2009), S. 13.

52 a.a.O., S. 16.

53 Vgl. UBA (2008), S. 5.

54 Vgl. BMU (2009), S. 16.

55 Vgl. BMU (2010), S. 45f.

56 Vgl. Grömling/Haß (2009), S. 43.

57 Vgl. BGR (2010), S. 16.

58 Vgl. UBA (2011a), S. 14.

59 Vgl. Statistisches Bundesamt (2010a), S. 8.

60 UBA (2011a), S. 15.

61 Die Entnahme abiotischer und biotischer Rohstoffe ist seit Ende des 2. Weltkrieges kontinuier- lich angestiegen und erreichte 2005 das Dreifache der Rohstoffentnahme zu Beginn der 50er Jahre. [Vgl. UBA (2011a), S. 14]. Für 2020 prognostizieren Szenarien eine Rohstoffentnahme von bis zu 80 Mrd. Tonnen. Würden alle Menschen bis 2050ähnliche Materialverbräuche wie in den Industriestaaten erreichen, stiege der globale Rohstoffverbrauch um das zwei- bis fünf- fache. [Vgl. BMU (2010), S. 137].

62 China als drittgrö ß te Volkswirtschaft und Handelsnation gilt als ma ß geblicher Treiber der Welt- wirtschaft und der Rohstoffnachfrag. [Vgl. BGR (2010), S. 13].

63 Vgl. BGR (2010), S. 9.

64 Vgl. Z_punkt GmbH (2008), S. 20.

65 Vgl. BMU (2010), S. 136.

66 Rohstoffproduktivität = Bruttoinlandsprodukt / Einsatz von abiotischem Primärmaterial im Inland. [Vgl. Statistisches Bundesamt (2010a), S. 70].

67 Vgl. Statistisches Bundesamt (2010a), S. 70.

68 Zwischen 1994 und 2007 deutlich verminderte Bauaktivitäten und somit verminderter Einsatz von Baurohstoffen (26 % bzw. -211 Mio. t). [Vgl. UBA (2009)].

69 Vgl. Statistisches Bundesamt (2010a), S. 9.

70 Vgl. BMU (2010), S. 138.

71 Vgl. BGR (2010), S. 15f.

72 a.a.O., S. 14f, 18.

73 Vgl. Burmeister/Glockner (2009), S. 28.

74 Vgl. Abbildung 5: Entwicklung Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2050, S. 11.

75 FVEE-Fachausschuss „Nachhaltiges Energiesystem 2050“ (2010), S. 10.

76 Vgl. Ethik-Kommission (2011), S. 4.

77 Vgl. BMU (2010), S. 55.

78 Vgl. Burmeister/Glockner (2009), S. 28.

79 Vgl. FVEE-Fachausschuss „Nachhaltiges Energiesystem 2050“ (2010), S. 6.

80 Am 11. März 2011 beschädigten ein schweres Erdbeben und ein anschlie ß ender Tsunami den japanischen Reaktorkomplex Fukushima Daiichi schwer. Dadurch fiel das Kühlsystem aus und Radioaktivität gelangt in die Umgebung. Arbeiter versuchen noch immer, die Kontrolle wieder- zuerlangen und die nukleare Katastrophe einzudämmen. [Vgl. Spiegel Online GmbH (2011)].

81 Vgl. tagesschau.de (2011a).

82 FVEE-Fachausschuss „Nachhaltiges Energiesystem 2050“ (2010), S. 8.

83 Vgl. UBA (2010), S. 4.

84 Vgl. FVEE-Fachausschuss „Nachhaltiges Energiesystem 2050“ (2010), S. 23f.

85 a.a.O., S. 35.

86 Primärenergie setzt sich aus verschiedenen im Inland gewonnenen oder importierten Energie- trägern zusammen. Nach der Umwandlung wird sie, abzüglich von Umwandlungsverlusten und dem Verbrauch im Energiesektor, den unterschiedlichen Nutzern (z.B. Industrie, Haushalte, Verkehr) als Endenergie zur Verfügung gestellt. [Vgl. FOCUS medialine.de (2009a), S. 5, 11].

87 Vgl. Die Bundesregierung (2011a).

88 Vgl. Die Bundesregierung (2011a).

89 Vgl. Mićić (2007), S. 216.

90 Vgl. Burmeister/Glockner (2009). S. 179.

91 Vgl. OECD (2008), S. 91.

92 Vgl. Grömling/Haß (2009), S. 9f.

93 Japan als hochentwickeltes Alt-Industrieland sowie China und Indien als neue Mega- Ö konomien entwickeln sich zum grö ß ten Wirtschaftszentrum der Welt. Zudem wird Indien China als bevölkerungsreichstes Land ablösen. [Vgl. Grömling/Haß (2009), S. 10].

94 Schon der Ressourcenhunger der aufstrebenden Staaten in Südostasien wird diesen Volkswirt- schaften rapide und kontinuierlich steigende Einnahmen bescheren, die sie zur Entwicklung ih- rer eigenen Ö konomien einsetzen können. [Grömling/Haß (2009), S. 10f.].

95 Vgl. Grömling/Haß (2009), S. 10f.

96 Vgl. OECD (2008), S. 91.

97 Vgl. Statistisches Bundesamt (2010a), S. 60.

98 Vgl. Mićić (2007), S. 216f.

99 Vgl. BMBF (2000), S. 8.

100 Vgl. Statistisches Bundesamt (2009), S. 11.

101 Vgl. Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (2011).

102 Vgl. BMVBS/BBR (2006a), S. 8.

103 Vgl. BBR (2005), S. 29.

104 Vgl. Statistisches Bundesamt (2009), S. 6f.

105 Vgl. BBR (2005), S. 33f.

106 Vgl. BMVBS/BBR (2004), S. 4.

107 Vgl. Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (2011).

108 Vgl. Statistisches Bundesamt (2009), S. 16.

109 a.a.O., S. 17f.

110 Vgl. BMVBS/BBR (2006a), S. 8.

111 Vgl. Statistisches Bundesamt (2011a), S. 4.

112 a.a.O., S. 11 - 13.

113 Vgl. Statistisches Bundesamt (2011b), S. 32f.

114 Vgl. Grömling/Haß (2009), S. 28.

115 Der Urbanisierungsgrad drückt den Anteil der Stadtbewohner an der Weltbevölkerung aus. [Vgl. Grömling/Haß (2009), S. 29].

116 Vgl. Grömling/Haß (2009), S. 29f.

117 Vgl. Hirschle/Schürt (2008), S. 211.

118 Vgl. Deutsches Institut für Urbanistik (2005).

119 Vgl. Hirschle/Schürt (2008), S. 216.

120 Auch andere Szenarien und Visionen gehen davon aus, dass die Urbanisierung in Deutschland auf lange Sicht gesehen stetig voranschreiten wird. [Vgl. Institut für Mobilitätsforschung (2010), S. 127 und Vgl. Fraunhofer ISI (2011), S. 25].

121 Vgl. Bürkner et al. (2007) S. 42.

122 Vgl. BBR (2005), S. 54.

123 Vgl. Statistisches Bundesamt (2010b).

124 Vgl. Statistisches Bundesamt (2010a), S. 4, 15.

125 Vgl. BMVBS/BBR (2006a), S. 8.

126 Vgl. Brake (2009), S. 3.

127 Vgl. Europäische Kommission (2011a).

128 Vgl. Mićić (2007), S. 196.

129 Vgl. Burmeister/Glockner (2009), S. 149.

130 Vgl. BBR (2005), S. 71, 74.

131 Vgl. Institut für Mobilitätsforschung (2010), S. 14.

132 Vgl. BMVBS (2010a), S. 3.

133 Vgl. FOCUS medialine.de (2009b), S. 41.

134 Vgl. UBA (2011a), S. 26.

135 Davon Stra ß enverkehr 71,3 %, Seeverkehr 13,5 %, Luftverkehr 12,8 %, Binnenschifffahrt 1,8 % und Schienenverkehr 0,7 %. [Vgl. Europäische Kommission (2011a)].

136 Vgl. Europäische Kommission (2011a).

137 Vgl. Europäische Kommission (2011b), S. 3.

138 Vgl. Europäische Kommission (2011a).

139 Vgl. FOCUS medialine.de (2009b), S. 40.

140 Vgl. Burmeister/Glockner (2009), S. 173.

141 Vgl. UBA (2010), S. 29.

Ende der Leseprobe aus 137 Seiten

Details

Titel
Herausforderungen der Gebauten Umwelt 2050 an die Bauindustrie
Untertitel
Szenarien, Chancen, Strategien
Hochschule
Bauhaus-Universität Weimar
Veranstaltung
Professur Betriebswirtschaftslehre im Bauwesen
Note
1,5
Autor
Jahr
2011
Seiten
137
Katalognummer
V179559
ISBN (eBook)
9783656031918
ISBN (Buch)
9783656031963
Dateigröße
22404 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zukunft, 2050, Megatrends, Trends, Gebaute Umwelt, Bauindustrie, Bauwirtschaft, Zukunft Bau, Szenario, Szenarien, Management, Managemenkompetenz, Handlungsoption, Bau, Demographischer Wandel, Klimawandel, Energiewende, Mobilität, Verkehr, Gesellschaft, Wandel, Stadt und Raum, Natur, Siedlungsentwicklung, Ökologie, Nachhaltigkeit, Bauen im Bestand, Strategie
Arbeit zitieren
M.Sc. Gabriele Schubert (Autor:in), 2011, Herausforderungen der Gebauten Umwelt 2050 an die Bauindustrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179559

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