Praxis und Methoden der Erziehungspartnerschaft im Heim

Eine kritische Reflexion


Mémoire (de fin d'études), 2010

198 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Fragestellung und Zielsetzung
1.2 Hinführung zur Thematik

2 Ausgangsbasis praktischer Elternarbeit
2.1 Geschichtliche Entwicklung der Elternarbeit
2.2 Rechtliche Grundlage
2.2.1 Rechtliche Verankerung der Familienorientierung im KJHG
2.2.2 Zwischen Elternrecht und Kindeswohl

3 Begriffsbestimmung und Definition der Elternarbeit

4 Begründung der Notwendigkeit der Elternarbeit

5 Ziele und Zielgruppen der Elternarbeit

6 Wer leistet Elternarbeit?

7 Voraussetzungen für die Elternarbeit

8 Eltern und Fachkräfte - ein partnerschaftliches Verhältnis?

9 Fallarbeit

10 Formen und Methoden der Elternarbeit
10.1 Kooperationsansätze
10.1.1 Informelle Elternarbeit
10.1.1.1 InformativeAngebote
10.1.1.1.1 Schriftliche Mitteilungen
10.1.1.1.2 Elternrundbriefe
10.1.1.1.3 Heimzeitung
10.1.1.2 Einzelkontakte
10.1.1.2.1 Telefonkontakte
10.1.1.2.2 Tür-und-Angel-Gespräche
10.1.1.2.3 Elternsprechstunden
10.1.2 Formelle Elternarbeit
10.1.2.1 Standardisierte Formen unter Beteiligung der Familie, Erzieher und Jugendamtsmitarbeiter
10.1.2.1.1 Aufnahmegespräche
10.1.2.1.2 Hilfeplangespräche
10.1.2.1.3 Vorbereitung der Entlassung undNachbetreuung
10.1.2.2 Angebote unter Beteiligung der Familie und Erzieher
10.1.2.2.1 Hausbesuche
10.1.2.2.2 Feste mit Eltern und Kindern
10.1.2.3 Angebote unter Beteiligung der Eltern und Erzieher
10.1.2.3.1 Thematischer Elternabend
10.1.2.3.2 Elterngruppen
10.1.2.4 Eltern alsMiterzieher.
10.1.2.4.1 Besuche der Eltern in der Gruppe
10.1.2.4.2 Eltern im Gruppenalltag
10.1.2.4.3 Familienpädagogische Wochenenden
10.1.2.4.4 Eltern- und Familienfreizeiten
10.1.2.4.5 Beurlaubungen der Heimkinder zu den Eltern
10.2 Beratungsansatz und Elterntraining
10.2.1 Elternberatung
10.2.2 Elterntraining
10.3 Therapeutische Familieninterventionen
10.3.1 Systemische Familientherapie
10.3.2 Familienaktivierung durch Aufnahme ganzer Familien
10.3.3 Eltern-Kind-Beobachtung mitVideo-Home-Training
10.4 Elternarbeit bei nicht absehbarer Rückführung
10.4.1 Elternarbeit als Trauerarbeit
10.4.2 Elternarbeit ohne Eltern - Eine Paradoxie?
10.4.3 Elternarbeit zur Unterstützung des Ablösevorgangs

11 Hindernisse und Erschwernisse der Elternarbeit
11.1 Schwierigkeiten seitens der Eltern
11.1.1 Einstellungen und Haltungen der Eltern
11.1.2 Desinteresse
11.1.3 Sprache und Sprachniveau
11.1.4 Eltern in schwieriger persönlicher Situation
11.1.5 Sozial unterprivilegierte Familien
11.2 Schwierigkeiten seitens der Erzieher
11.2.1 Einstellungen und Haltungen der Fachkräfte
11.2.2 Mangelnde Qualifikation
11.3 Allgemeine Schwierigkeiten
11.3.1 Zeitliche und personelle Ressourcen
11.3.2 Finanzielle Ressourcen

12 Motivation zur Elternarbeit

13 Professionelle Grundstandards in der Elternarbeit

14 Effektivität von Elternarbeit

15 Zusammenfassung und Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 1: Erziehungspartnerschaft zum Kindeswohl

Abb. 2: Handlungszyklus der Elternarbeit

Abb. 3: Inhaltliche Ebenen der Elternarbeit

Abb. 4: Aushandeln einer gemeinsamen Problemdefinition

Tab. 1: Informelle Elternarbeit

Tab. 2: Formelle Elternarbeit

Tab. 3: Elternberatung und Elterntraining

Tab. 4: Therapeutische Familieninterventionen

Tab. 5: Elternarbeit bei nicht absehbarer Rückführung 123

1 Einleitung

1.1 Fragestellung und Zielsetzung

Während meines Studiums habe ich ein 2-monatiges Praktikum in einer stationären Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe absolviert. Im Rahmen meiner Tätigkeit kam ich mit allen Bereichen in Kontakt und konnte somit die verschiedenen Ebenen der sozialpädagogischen Institution kennenlernen. Dabei bin ich auch auf das Phänomen „Elternarbeit“ in vollstationär unterbringenden Einrichtungen gestoßen.

In der Praktikumszeit machte ich die Erfahrung, dass den Eltern weitreichende Informationen, zum Beispiel Kenntnisse über den Ablauf des Heimalltags, fehlen und sie in Entscheidungen oftmals zu wenig einbezogen werden. Des Weiteren war der Umgang der Erzieher mit den Eltern nicht immer der Beste: Die Eltern der Kinder wurden vorwiegend als Störfaktoren und als Konkurrenz wahrgenommen. Die Arbeit mit den Eltern ließ viele Schwierigkeiten aufkommen und nicht selten kam es zu persönlichen Auseinandersetzungen zwischen Erziehern und Eltern.

Auch in meinem absolvierten Praktikum im Jugendamt sind mir negative Einstellungen seitens der Mitarbeiter gegenüber den Eltern aufgefallen. Diese wurden als zusätzliche Arbeit und als Hindernis für eine erfolgreiche Kindesentwicklung angesehen.

Diese als Last empfundene Arbeit mit den Eltern seitens der Mitarbeiter nahm ich als Anstoß, mein Augenmerk auf die Elternarbeit in der Heimerziehung zu richten.

Die Arbeit soll aufzeigen, dass von diesem Denken Abschied zu nehmen ist, denn gerade der Einbezug der Eltern kann im größten Teil aller Fälle positive Entwicklungen bewirken. Eltern nehmen aufgrund von kindlichen Loyalitätskonflikten weiterhin, ob positiv oder negativ, Einfluss auf ihr Kind. Studien bestätigen die Bedeutung von Elternarbeit als eine wesentliche Einflussgröße auf den Hilfeverlauf. Egal, was die leiblichen Eltern im Elternhaus gemacht haben, die Familie bleibt wichtig für ihre Kinder und muss in der weiteren Entwicklung mit einbezogen werden.

Unter Familie werden in der Diplomarbeit insbesondere Eltern, Elternteile, Geschwister, Großeltern, Stiefmutter/Stiefvater, aber auch Freunde der alleinerziehenden Elternteile und Bezugspersonen aus der nahen Verwandtschaft verstanden, soweit sie in das gesamte soziale Beziehungsgeflecht innerhalb der Herkunftsfamilie einzubeziehen sind. So ist das Kind immer im Kontext seines gesamten Beziehungsgeflechtes zu sehen.

Da sich das Arbeitsfeld der Eltemarbeit innerhalb der stationären Betreuung als sehr umfangreich und vielschichtig darstellt, habe ich mich entschlossen den Fokus auf einen eingegrenzten Bereich der Elternarbeit zu legen. Thema dieser Arbeit ist: Praxis und Methoden der Erziehungspartnerschaft im Heim - Eine kritische Reflexion.

Nach kurzer Hinführung zur Thematik wird auf die Ausgangsbasis praktischer Elternarbeit eingegangen, um Grundinformationen über die Geschichte und Rechtsgrundlage der Elternarbeit zu geben. Inwieweit müssen Jugendhilfeeinrichtungen von Rechtswegen Elternarbeit leisten? Daraus folgend wird eine allgemeine Begründung für die eventuell notwendige Durchführung von Elternarbeit dargestellt: Welche Begründungen existieren, Eltern in die Arbeit der Einrichtungen einzubeziehen?

Um ein Verständnis davon zu bekommen, was unter dem Begriff „Elternarbeit“ in meiner Arbeit zu verstehen ist, gilt es, den Begriff zu definieren, um aufkommende Missverständnisse auszuschließen. Dies ist nötig, da in der Literatur keine allgemein gültige und anerkannte Definition zu finden ist. Obwohl in vielen Veröffentlichungen der Begriff „Elternarbeit“ durch den weiten Begriff „Familienarbeit“ abgelöst wurde, wird in dieser Arbeit gezielt der Begriff „Elternarbeit“ gewählt.

Weitere Fragestellungen, die nach der Begriffsbestimmung von Elternarbeit bearbeitet werden, sind: Welche Ziele werden mit Elternarbeit verfolgt? Was sind die Voraussetzungen und wer leistet Elternarbeit? Interessant wird es, die Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Mitarbeitern der stationären Einrichtung zu betrachten. So stellt sich die Frage, ob denn ein partnerschaftliches Verhältnis besteht bzw. überhaupt bestehen kann?

Das Hauptaugenmerk gilt den verschiedenen Formen und Methoden der Elternarbeit, die in der Praxis stationärer Hilfeformen der Jugendhilfe verwendbar sind und die Eltern in die Heimerziehung mit einbinden sollen. Die Methoden sollen praktische Anregungen für alle geben, die sich mit Elternarbeit im Bereich der stationären Unterbringung befassen möchten.

Zu Beginn des Methodenkapitels werden Aspekte der Kooperation mit Eltern beschrieben. Danach konzentriert sich die Arbeit auf Ansätze des Elterntrainings und der Elternberatung. Um das Gleichgewicht der Familie wieder herzustellen, werden Ansätze der therapeutischen Familieninterventionen aufgeführt, die die Hilfe zur Selbsthilfe in der] Familie anregen. Zu den weiteren Methoden der Elternarbeit zählen ergänzend die Elternarbeit ohne Eltern, Elternarbeit als Trauerarbeit oder die Elternarbeit als Unterstützung des Ablösevorgangs. Die Arbeit mit Eltern ist mehr als das Führen von Einzelgesprächen. Familienwochenenden können organisiert werden, Eltembildung kann im Rahmen von themenzentrierten Seminaren stattfinden und Hausbesuche, um das kindliche Herkunftsmilieu kennenzulernen, stellen eine weitere Methode dar.

Zur optimalen Durchführung der verschiedenen Methoden der Elternarbeit werden wesentliche fachliche Grundstandards der Mitarbeiter in der Jugendhilfe vorausgesetzt, die aufgeführt werden.

Als Mitarbeiter oder Erzieher sind alle im Heim angestellten Fachkräfte gemeint, unabhängig von ihrer Ausbildung oder Qualifikation, so z.B. Gruppenerzieher, Heimleiter, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen oder Erzieher, d.h. alle mit der Erziehung des untergebrachten Kindes beauftragten Mitarbeiter.

Doch die Umsetzung der Methoden der Elternarbeit hängt nicht ausschließlich von der Professionalität der Mitarbeiter ab, sondern auch von anderen Beteiligten am Hilfeprozess. Unzählige Schwierigkeiten können in der Arbeit mit Eltern auftreten, die die Arbeit erschweren und behindern können. Aus zeitlichen und personellen Gründen in stationären Einrichtungen stellt die Elternarbeit meist eine enorme Herausforderung für die Fachkräfte dar. Verschiedene Grenzen, wie bspw. schwer erreichbare Eltern, erschweren eine Elternarbeit in der Heimerziehung. Die am häufigsten in der Praxis auftretenden Hindernisse werden angeschnitten.

Anschließend stellt sich die Frage, wann Elternarbeit als erfolgreich gilt und welche Methoden der Elternarbeit einen Beitrag dazu leisten. Muss Elternarbeit denn erfolgreich sein, um sie als gut bezeichnen zu können?

Wie der Titel meiner Diplomarbeit aussagt, werde ich mich ausschließlich auf die Methoden der Elternarbeit begrenzen, um den arbeitsökonomischen Rahmen meiner Diplomarbeit nicht zu sprengen. Ein schlüssiges Konzept, das auf alle stationären Einrichtungen übertragbar ist, besteht nicht. Es wird lediglich auf unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten hingewiesen, wie Elternarbeit unter anderem in der Heimerziehung geplant und durchgeführt werden könnte. Im Zusammenhang der Fragestellung ist es bedeutend, auch den alltagspraktischen Umgang der Fachkräfte mit den Eltern in Form der Kontaktpflege zu untersuchen. Weiteres Hauptanliegen ist die Bearbeitung der methodisch gezielten Elternarbeit sowie ihre therapeutischen Ansätze. Die Arbeit soll nicht nur positive Aspekte der Elternarbeit hervorheben. Diese ist in der Heimerziehung zwar nicht mehr wegzudenken, dennoch ist es wichtig, die Methoden kritisch zu reflektieren.

Die unterschiedlichen Formen der Fremdunterbringung werden hier außer Acht gelassen und die Arbeit mit Eltern, denen das Sorgerecht entzogen wurde, nicht berücksichtigt.

Des Weiteren möchte ich darauf aufmerksam machen, dass in der Diplomarbeit bewusst auf eine männliche und weibliche Doppelformulierung verzichtet wird, da dies die Lesbarkeit enorm verschlechtert. Beim Leser wird die Fähigkeit vorausgesetzt, dies nicht als Abwertung der Frau zu verstehen.

1.2 Hinführung zur Thematik

Familien sind nicht nur private Orte, sondern erfüllen wichtige gesellschaftliche Funktionen. Die Aufgaben und Strukturen sind allerdings gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen unterworfen und befinden sich ständig im Wandel. In Familien, die unvollständig oder überfordert sind, können die erwarteten Funktionen nur unvollkommen erfüllt werden (vgl. Knapp 2007, S.251f.).

Die Bewältigung komplexer werdender Sozialisationsaufgaben wird für die Familien weitestgehend schwieriger, da sich die familiären Belastungsmöglichkeiten aufgrund der Individualisierungsprozesse reduzieren. Dies führt zur strukturellen Überforderung der Familien (vgl. Merchel 1993, S.48). Aus einem Auseinanderbrechen der familiären Systeme folgt eine vermehrte Anzahl an stationären Fremdunterbringungen. Bis zu dem Zeitpunkt der Heimaufnahme wurde eine Besserung der familiären Situation meist durch verschiedene ambulante Maßnahmen angestrebt, die schlussendlich nicht die gewünschten Resultate erbrachten. Damit ist die Fremdunterbringung das Ergebnis zahlreicher gescheiterter Hilfemaßnahmen. Aus dieser Perspektive heraus erwächst die Bedeutung der Notwendigkeit von Methoden in der Elternarbeit der stationären Einrichtungen, die systematisch eine positive kindliche Entwicklung zu garantieren versuchen.

Die Familie bietet durch Wärme, Vertrauen, Zutrauen, Fürsorge etc. den Kindern einen Entwicklungsraum zu Selbstständigkeit, Konfliktfähigkeit und vieles mehr. Ist dieser Entwicklungsraum gestört bzw. zerstört, wird nach Heimen gefragt (vgl. Rose 1993, S.32). „Heimerziehung ist heute die heilpädagogisch-therapeutische ,Intensivstation’, wo in unterschiedlichen Settings - als Wohngruppe oder familienähnlich - umschriebene Defizite (behandelt’ werden“ (Trede 2009, S.22). Die Aufgabe, die familialen Fähigkeiten und die vorhandenen Stärken wieder zu entdecken und diese für die Arbeit mit Kind und Eltern zu nutzen, übernimmt die Elternarbeit in der Heimerziehung (vgl. Conen 2002, S.33). Hauptanliegen ist es, die Eltern nicht aus ihrer Verantwortung zu entlassen, auch wenn in vielen Fällen ihr Unterstützungspotential eingeschränkt ist. „Aus der grundsätzlichen Achtung der elterlichen Verantwortung ergibt sich für das Heim die Aufgabe, alles zu tun, um die Beziehung der Eltern zu ihrem Kind zu verbessern und so die Eltern möglichst wieder zu befähigen, selbst für ihr Kind zu sorgen“ (Flosdorf 1988, S.181). Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, müssen die Eltern für eine aktive Mitarbeit im Hilfeprozess gewonnen werden, wozu es besonderer Methoden der Elternarbeit bedarf. Sind die Eltern zu einer Beteiligung im Hilfeverlauf bereit, können wiederum andere Formen und Methoden der Elternarbeit in der Heimerziehung bedeutsam werden, um schließlich das Bestmögliche für die Familie erreichen zu können. An dieser Stelle wird der Schwerpunkt der Diplomarbeit sichtbar.

Aufgrund der veränderten Bedingungen gibt es vielfache Bestrebungen, Eltern von ihrer Erziehungsarbeit zu entlasten. Damit entstehen neue Schnittstellen zwischen der privaten, innerfamiliären Erziehung und der Erziehung in Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe. Somit ist eine Entwicklung von neuen Formen der Zusammenarbeit erforderlich, um die Erziehung des Kindes gemeinsam zu bewerkstelligen (vgl. Gragert/Seckinger 2008, S.6). Eltern, Jugendhilfe und Heim tragen somit bei einer Erziehungspartnerschaft die gemeinsame Verantwortung für das Kind. „Elternrechte, die Persönlichkeitsrechte der Kinder und staatlicher Erziehungsauftrag bilden den Dreiklang aus rechtlichen Regelungen, aus dem das ,Kindeswohl’ harmonisch ertönen soll“ (Soppart-Liese 1998, S.23).

Doch die Wirklichkeit der Praxis weist Lücken auf, auch wenn im KJHG eine intensive partnerschaftliche Zusammenarbeit rechtlich abgesichert ist. Wie dies im Einzelnen vom Gesetzgeber eingefordert wird, wird im Punkt 2.2 dargestellt. Wird ein Kind aus der Familie herausgelöst und in eine Einrichtung untergebracht, wird das Gleichgewicht des Familiensystems gestört. An dieser Stelle setzt die Elternarbeit ein, die die Balance trotz Fremdunterbringung des Kindes wieder herstellen soll (vgl. Pfaff/ Scholten 1989, S.107).

In der Heimerziehung aber entstehen in Hinblick auf die Elternarbeit größere Probleme als in anderen sozialpädagogischen Arbeitsfeldern. Das Heim als Ort der Ausgrenzung und Stigmatisierung erschwert die Zusammenarbeit der Mitarbeiter mit den Eltern des im Heim untergebrachten Kindes. Eltern erleben die Fremdunterbringung als unberechtigte Wegnahme ihres Kindes, als Eingeständnis ihres eigenen Unvermögens und Beschneidung ihrer elterlichen Rechte. Diese elterlichen Vorbehalte und Ängste erschweren eine effektive Elternarbeit erheblich (vgl. Günder 2007a, S.231). Auch seitens der Mitarbeiter der stationären Einrichtung werden die Eltern nicht immer als Partner angesehen, sondern oftmals als Störfaktoren, die eine wünschenswerte Kooperation verhindern. Doch tun Eltern „das ihnen Bestmögliche in der Erziehung der Kinder, wenn dies auch nicht immer das Beste für das Kind ist“ (Conen 2002, S.32).

Dessen ungeachtet ist Eltemarbeit Grundvoraussetzung in der Heimerziehung und ihre Methoden müssen planmäßig und zielgerichtet angewandt werden. Die Frage ist nun, wann man von einer gelungenen Elternarbeit sprechen kann und ob die Qualität in der Elternarbeit so einfach bestimm- und messbar ist? Zur Festlegung der Qualität sind die pädagogischen Bedingungen, unter denen die Elternarbeit stattfindet, zu berücksichtigen. Pädagogische Konzepte, Gesetze ebenso gesellschaftliche Normen sind zu beachten. Um eine erfolgsversprechende Zusammenarbeit zu gewährleisten, müssen unterschiedliche Voraussetzungen und Bedingungen geschaffen werden, die letztendlich auch über die Effektivität der methodisch gezielten Elternarbeit entscheiden.

In der Diplomarbeit wird der Qualitätsanspruch an die Elternpartnerschaft präzisiert. Bewährte und neue Formen, wie auch ihre methodische Umsetzung, werden dargestellt. Im Mittelpunkt steht schließlich die Frage, welche Formen der Zusammenarbeit eine Beteiligung der Eltern ermöglichen und soziale Partizipation unterstützen. Erweisen sich bestimmte Methoden der Elternarbeit in der Heimerziehung als erfolgreich? Ist die Elternarbeit trotz unausweichlicher Schwierigkeiten zu gewährleisten?

Um das Hauptanliegen der Diplomarbeit auf den Punkt zu bringen, wird folgende Fragestellung untersucht: Wie muss die Elternarbeit methodisch organisiert sein, um Eltern zur Mitarbeit zu gewinnen, damit Elternarbeit in der Heimerziehung als gelungen gilt? Heimerziehung hat sich viel zu lange an den kindlichen Defiziten orientiert und den familialen Kontext außer Acht gelassen. Aus dem sinnhaften Einbezug der Familie als Gesamtsystem erwachsen die Formen und Methoden der Elternarbeit. Im Folgenden wird versucht, diese spezifischen Formen und Methoden differenzierter zu betrachten und sich kritisch damit auseinanderzusetzen.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, kurz auf die historische Entwicklung der Elternarbeit einzugehen, um damit zu verdeutlichen, dass Elternarbeit nicht immer den heutigen Stellenwert in der Praxis inne hatte. Um einen Wandel zu verdeutlichen, müssen auch die rechtlichen Grundlagen Berücksichtigung finden, da mit der Einführung des KJHG ein Paradigmenwechsel eingeleitet werden sollte.

2 Ausgangsbasis praktischer Elternarbeit

2.1 Geschichtliche Entwicklung der Elternarbeit

Fachdiskussionen zur Thematik „Elternarbeit“ werden bereits seit 1949 geführt und veröffentlicht. Erst in den letzten Jahren hat jedoch das Interesse an Elternarbeit zugenommen. In den verschiedenen „Epochen“ der Elternarbeit wurde diese unterschiedlich gesehen und bewertet. Aus der Neuorientierung der Heimerziehung in Richtung Elternarbeit findet seit Beginn der 80er Jahre gezielte Eltern- und Familienarbeit Eingang in die Heime.

Gegen Ende der 60er stand die Beziehung und Rolle des Heimerziehers zu dem betreuten Kind im Vordergrund. Dies führte zum Einsetzen der so genannten „Heimkampagne“ und zu Reformbewegungen innerhalb der Heimerziehung. Die Beziehung zu den Eltern wurde dahingehend gestaltet, dass sie den Heimerziehungsprozess so wenig wie möglich störten. So konzentrierte man sich damals ausschließlich auf das sozial auffällige Kind, welches von seinem Herkunftsmilieu abgegrenzt wurde, um eine positive Entwicklung zu gewährleisten. Diese mehr familienfeindliche Sichtweise änderte sich im Laufe der Zeit. Demgemäß lassen sich vor allem durch den Einbezug der Herkunftsfamilie in den Entwicklungsprozess die Schwierigkeiten des Kindes lösen (vgl. Taube/ Vierzigmann 2000, S.6).

Bereits der „Zwischenbericht der Kommission Heimerziehung“ im Jahr 1977 erkannte die Notwendigkeit von Elternarbeit und ging davon aus, dass kindliche Störungen nur in der Familie zu beheben sind. Auch der 8. Jugendbericht der Bundesregierung trieb die Entwicklung mit den Schlagworten „Regionalisierung“ und „Lebensweltorientierung“ voran. Somit orientierten sich die Hilfsangebote der Jugendhilfe mehr nach den kindlichen Bedürfnissen und richteten sich wohngebietsnah und systemorientiert aus (vgl. Tischner 1994, S.360f.). Schließlich wurde die Heimerziehung nicht mehr nur als Familienersatz, sondern auch als Ergänzung zur Familie verstanden (vgl. Verband katholischer Einrichtungen der Heim- und Heilpädagogik 1989, S.7).

Ende der 70er Jahre wurden im Auftrag der Internationalen Gesellschaft für Heimerziehung etliche Vorschläge und Forderungen zur Reform der Heimerziehung, insbesondere zur Durchsetzung von Elternarbeit im Heim, gesammelt. Einige davon waren:

- Die Zusammenarbeit mit den Eltern gehört zum Erziehungsauftrag des Heimes.
- Ohne Eltemarbeit lassen sich Sozialisationsziele nicht festlegen und bleibt die pädagogische Arbeit des Heimes unvollständig.
- Die Gewährleistung der örtlichen Nähe von Elternhaus und Heim ist notwendig (vgl. Bäuerle/Markmann 1978, S.16ff.).

In den 80ern steigerte sich das Interesse an der Elternarbeit aufgrund der Vielfalt an veröffentlichten Publikationen zum Thema Elternarbeit deutlich. Darunter befanden sich auch eine Reihe von Studien, zum Beispiel jene von der „Plangruppe Petra“ aus dem Jahr 1980, die Untersuchung von Heun aus dem Jahr 1981, die Erhebung des Verbandes katholischer Einrichtungen der Heim- und Heilpädagogik und schließlich die von Conen herausgebrachten Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zum Thema Elternarbeit aus dem Jahr 1990. Trotz der immer größeren Beachtung der Elternarbeit in der Heimerziehung waren in Heuns Untersuchung 73% der befragten Einrichtungen der Ansicht, von Elternarbeit abzusehen, sollte eine Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie nicht angestrebt werden (vgl. Heun 1981, S.106f.). Neben den differenzierten Sichtweisen über die Notwendigkeit von Elternarbeit verdeutlichen die Studien weiterhin, wie verschiedenartig die einzelnen Einrichtungen die Methoden der Elterarbeit in Hinblick auf Auswahl und Intensität ausüben.

Mit dem Inkrafttreten des neuen Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) im Jahre 1991 wird der Paradigmenwechsel widergespiegelt. Dieser vollzieht sich „von einer individuumorientierten Behandlung jugendlicher Heiminsassen (nach dem alten JWG) zur Elternarbeit, die die elterliche Erziehungsfähigkeit der Eltern (wieder)herstellen soll“ (Schulze-Krüdener 2007, S.101). Eltern wurden in Bezug auf die kindliche Entwicklungsförderung in der Heimerziehung nicht mehr ausgegrenzt, da man mit ihnen effektiver Ziele erreichen kann. Aus diesem Grund sollen sie bei der Durchführung von Hilfemaßnahmen mitwirken. Um eine gerechte Partizipation der Eltern in den Heimalltag zu garantieren, wurden neue Anforderungen an die Methodenentwicklung deutlich, schließlich wurde die Heimerziehung bisher nur von gelegentlichen Elternkontakten geprägt, die dosiert kontrolliert wurden.

Besonders durch die Entwicklung systemischer Ansätze in den 80er/90er Jahre wurde nun die Familie als System in den Blick genommen und kindzentrierte Methoden verloren an Gewicht bzw. wurden erweitert. „Bezieht das Heim nicht die Dynamik der Herkunftsfamilie in seine Arbeit ein, so wird diese Dynamik von den Kindern um so stärker über Symptome und Auffälligkeiten in die Einrichtung bzw. in die Betreuungsarbeit eingebracht (...), sei dies in Form von Eskalationen“ (Conen 1992, S.13). So sollen auch nach §80 SGB VIII (Jugendhilfeplanung) Einrichtungen und Dienste so geplant werden, dass Kontakte zu der Familie und zum sozialen Umfeld erhalten und gepflegt werden können (vgl. SGB VIII 2006, S.53). Das Heim wird infolgedessen als eine Art Zwischenstation angesehen und verliert den Charakter der langfristigen Ersatzerziehung. Aus dem Wandel von familienersetzenden hin zu familienergänzenden Maßnahmen ergeben sich erhöhte Anforderungen an die Elternarbeit in der Heimerziehung. Bis zur heutigen Zeit werden aus dieser Entwicklung heraus neue Methoden in der Elternarbeit entwickelt, die ihre Umsetzung in der stationären Heimerziehung finden und auf ihre Wirkung hin geprüft werden. Nachfolgend werden ausführlicher die rechtlichen Grundlagen der Elternarbeit beschrieben, an denen die stationären Einrichtungen bei der Anwendung von Methoden nicht vorbeikommen.

2.2 Rechtliche Grundlage

2.2.1 Rechtliche Verankerung der Familienorientierung im KJHG

Das Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) wurde durch das präventiv orientierte Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) abgelöst, in dem die Einsicht in die Unumgänglichkeit der Zusammenarbeit mit den Eltern fremduntergebrachter Kinder erstmals rechtlich eingefordert wurde. In Bezug auf eine stationäre Erziehungshilfe haben Eltern, spätestens mit dem 8. Jugendbericht, verschiedene Teilhaberechte und -verpflichtungen, sodass einer Partizipation nichts mehr im Wege steht (vgl. Günder 2007a, S.222).

Gleich in mehreren Paragraphen des KJHG wird von Einrichtungen der Jugendhilfe die Arbeit mit Eltern eingefordert, um sie in die Heimerziehung fest zu integrieren und eine kontinuierliche Zusammenarbeit zu gewährleisten (vgl. Faltermeier 2004, S.54). „Durch die Unterstützung der Eltern bei den grundgesetzlich obliegenden Erziehungsaufgaben soll ,indirekt’ die Erziehungssituation von Kindern und Jugendlichen verbessert werden“ (Maas 1991, S.9).

Anhaltspunkte in Hinblick auf die Elternarbeit werden im Kinder- und Jugendhilfegesetz folgende gegeben:

§1 (2) „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ (SGB VIII2006, S.15).

§9 „Bei der Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben (...) [ist] die von den Personensorgeberechtigten bestimmte Grundausrichtung der Erziehung (...) zu beachten“ (a.a.O., S.18).

§22 (2) „Das Leistungsangebot soll sich pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien orientieren.

§22 (3) Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sollen die in den Einrichtungen tätigen Fachkräfte und anderen Mitarbeiter mit den Erziehungsberechtigten zum Wohl der Kinder Zusammenarbeiten“ (a.a.O., S.23f.). In Bezug auf die Methodenanwendung gilt es, die Familie im weitesten Sinne mit einzubeziehen, mit ihrer bisherigen Lebensgeschichte zu akzeptieren und den Aufbau der Elternarbeit an die daraus entstandenen Interessen und Bedürfnisse der Familie zu orientieren. „Dem Konzept einer lebensweltorientierten Jugendhilfe folgend, müssen sich die Organisations- und Handlungsmuster der Jugendhilfe in Richtung auf ein flexibles, den individuell unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung tragendes Angebot hin weiterentwickeln“ (Güthoff 1998, S.35).

Die Unverzichtbarkeit von Elternarbeit heben weitere Paragraphen, wie §27, §34 und insbesondere §36 und §37 KJHG, hervor, an denen sich die Jugendhilfe orientieren muss. Die Erziehungshilfen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts des kindlichen Beziehungssystems können wechseln oder nebeneinander bestehen. Sie stehen keinesfalls in Konkurrenz zueinander, sondern stellen ein ergänzendes, miteinander verzahntes Hilfeangebot dar (vgl. Rose 1993, S.35).

So hat nach §27 (1) KJHG ein Personensorgeberechtigter „bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist“ (SGB VIII 2006, S.26). In welchem Umfang und in welcher Art diese Hilfe erbracht wird, entscheidet man nach individuellem Bedarf. Die §§28-35 KJHG regeln verschiedene Formen, welche als Hilfe zur Erziehung gewährt werden können.

Wenn eine Rückführung in die Herkunftsfamilie durch eine Verbesserung der Erziehungsbedingungen das Ziel einer vollstationären Unterbringung ist (vgl. §34 KJHG), dann müssen Kind und Familie im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Dies beinhaltet eine Arbeit mit den Eltern durch Mitarbeiter der Einrichtungen, in denen die Kinder untergebracht sind. Welche pädagogischen Angebote dafür genutzt werden, hängt von der jeweiligen Einstufung nach den §§34 und 35 KJHG ab.

Bei der Auswahl der Hilfeart und der Einrichtung, die die Hilfe ausführen soll, haben die Eltern ein Wunsch- und Wahlrecht (vgl. §5 KJHG), das ihnen bereits vor der Unterbringung ihres Kindes in eine stationäre Einrichtung von Seiten des Gesetzgebers eingeräumt wird. „Dies unterstreicht die Subjektstellung der Eltern im Hilfegeschehen: Sie sollen nicht Spielball einer oftmals undurchschaubaren staatlichen und quasistaatlichen Machtausübung sein, sondern eine aktive und selbstbewusste Rolle bei der Gestaltung der Hilfemaßnahme spielen“ (Tischner 2002, S.44). Damit kann die Familie nach ausreichenden Informationen selbst darüber entscheiden, in welcher methodisch ausgerichteten Einrichtung ihr Kind untergebracht wird. Aus Gründen der häufig auftretenden Inobhutnahmen in der Heimerziehung wird das elterliche Abwägen von Alternativen in der Praxis erschwert. Ebenfalls können keine verfügbaren Alternativen vorhanden sein, z.B. aufgrund von Platzmangel oder Entfernung. In diesem Fall kann keinesfalls von einer Wahl gesprochen werden (vgl. Hamberger 1998, S.215).

Für die Erziehung in stationären Einrichtungen kommen insbesondere die Paragraphen §§34-37 KJHG zum Tragen. Eine gezielte Elternarbeit beruht nicht auf Zufälligkeiten, sondern erfordert bestimmte Rahmenbedingungen. Rechtlich sind diese durch den Auftrag zur Elternarbeit im Rahmen der Heimerziehung größtenteils in den §§36 Abs. 2, 37 Abs. 1 KJHG festgeschrieben.

So wird in §36 KJHG die Relevanz der Elternarbeit dargelegt. Darin wird vorgeschrieben, dass die Eltern über Art und Umfang der Hilfe beraten werden müssen, dass sie bei der Auswahl der Einrichtung zu beteiligen sind und dass ein Hilfeplan mit den Personensorgeberechtigten, dem Kind und den beteiligten Fachkräften aufgestellt werden soll (vgl. SGB VIII 2006, S.30). Zur Beteiligung der Eltern an der Ausgestaltung der Maßnahme gilt der Hilfeplan als maßgebliches Instrument und fordert eine Einigung aller Beteiligten in Bezug auf Ziele und weitere Vorgehensweisen (vgl. Tischner 2002, S.44). Durch die angemessene Berücksichtigung der Eltern noch vor der Fremdunterbringung des Kindes wird die Basis für eine gelingende Zusammenarbeit zwischen Eltern und Institution gelegt, die für weiterführende Methoden von großer Bedeutung ist.

§36 stellt aber nur eine Norm dar, da sich dieser Paragraph auf alle im KJHG genannten Hilfeformen (§§28-35) bezieht, also auch die nichtstationären Hilfeformen. In Bezug auf die Kooperation zwischen Eltern und Einrichtung stehen die Kindeswohlerwägungen im Vordergrund (vgl. Paeßens 1996, S.21f.). So sollen nach §37 KJHG „die in der Einrichtung für die Erziehung verantwortlichen Personen und die Eltern zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zusammenarbeiten“ (SGB VIII 2006, S.31). Die Unterstützung der Familie und damit die Arbeit auf die Rückführung hin, sollen nicht von der Entscheidung des Jugendamts abhängen (vgl. Rose 1993, S.34f.). Eltern haben ein Recht auf Beratung und Unterstützung und sollen dazu befähigt werden, ihre Kinder wieder selbst erziehen zu können. Dabei soll die Beziehung des Kindes zu seiner Herkunftsfamilie gefördert werden (vgl. §37 KJHG). Steht also eine Veränderung im Zentrum, so steht eine Arbeit mit den Eltern und nicht gegen sie im Vordergrund. Aufgaben und Ziele werden im §37 KJHG beschrieben, welche die Eltemarbeit methodisch umzusetzen hat (vgl. Flosdorf 2007, S.41). Ist aber nach § 37 Abs.1 Satz 4 „eine nachhaltige Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie (...) nicht erreichbar, so soll mit den beteiligten Personen eine andere, dem Wohl des Kindes (...) förderliche und auf Dauer angelegte Lebensperspektive erarbeitet werden“ (SGB VIII2006, S.30).

Zusammenfassend lässt sich aus dem Dargestellten folgern, dass stationäre Einrichtungen der Jugendhilfe von Seiten des Gesetzgebers dazu angehalten sind, mit den Eltern der in ihren Einrichtungen untergebrachten Kinder zusammenzuarbeiten. Demnach sind die Methoden nach diesen Vorgaben und vor allem nach den Bedürfnissen aller Beteiligten auszurichten. Diese spezifische Orientierung an der Bedürfnis- und Interessenlage der Familie kann allerdings Dilemmasituationen hervorrufen, die große Anforderungen an die Fachkräfte stellen.

2.2.2 Zwischen Elternrecht und Kindeswohl

Ein Spannungsverhältnis besteht zwischen Elternrecht und Kindeswohl, mit denen die Fachkräfte in stationären Einrichtungen bereits zu Beginn ihrer Arbeit konfrontiert werden. Diese Spannung ist vorangehend in den gesetzlichen Bedingungen aufzufinden, mit welcher auch Fachkräfte der Heimerziehung zu kämpfen haben. In Artikel 6 (2) des Grundgesetztes bzw. § 1 (2) SGB VIII heißt es: „Die Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft“ (SGB VIII 2006, S.15). Wenn diese Erziehung und Versorgung aus verschiedenen Gründen scheitert, hat der Staat das Recht einzugreifen. Hierbei wird versucht den Eltern eine Unterstützung zukommen zu lassen, indem verschiedene Hilfsangebote bereitgestellt werden. So hat nach §27 (1), Hilfe zur Erziehung, ein Personensorgeberechtigter „bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist“ (a.a.O., S.26).

Gesetzlich gesehen besteht damit ein Spannungsverhältnis zwischen Kindeswohl und Elternrecht: Auf der einen Seite soll das Kindeswohl geschützt werden, auf der anderen Seite wird das Elternrecht gestärkt, das die Eltern zu Adressaten der Jugendhilfe macht. Somit kann die Jugendhilfe nicht die kindlichen Interessen gegen die Eltern durchsetzen, solange nicht die Tatbestandsmerkmale des §1666 BGB eintreten und damit die

Möglichkeit eines Eingriffs in das elterliche Sorgerecht besteht. Infolgedessen soll präventiv gehandelt werden, sodass weitgehend eingreifende Maßnahmen des Staates vermieden werden.

Ebenso befinden sich Fachkräfte in der Heimerziehung in einem ähnlichen Spannungsverhältnis und müssen sich dem Kind wie auch den Eltern verpflichten. Zur Erzielung einer positiven Kooperation mit den Eltern, müssen die Mitarbeiter bestimmte Grenzen ziehen und eine klare Positionierung beweisen, deren Umsetzung sich meist als schwierig erweist. Grenzen der Umsetzung zeigen sich dort, wo das Kindeswohl gefährdet ist (vgl. Brandhorst/ Kohr 2006, S.159f.). Trotz allem muss dieses Spannungsverhältnis in Kauf genommen werden, da sozialpädagogisches Handeln ohne eine Auseinandersetzung mit der familiären Privatsphäre nicht denkbar ist. Dieses Dilemma, das Kind zu schützen und gleichzeitig mit den Eltern aktiv zu arbeiten, kann nur überwunden werden, wenn diese belastende Situation bewusst akzeptiert und methodisch bearbeitet wird (vgl. Thiesmeier/ Schrapper 1989, S.100). In diesem Fall nimmt die Elternarbeit einen hohen Stellenwert ein, da sie die Aufgabe innehat, die Eltern mit einer wertschätzenden Haltung aktiv in den Heimprozess mit einzubinden. Die Mitarbeiter bringen den Eltern Respekt und Akzeptanz entgegen, denn durch die Annahme von Hilfe beweisen die Eltern ihre erzieherische Verantwortung dem Kind gegenüber.

Lange Zeit wurde die Elternarbeit als überflüssig sowie als Last wahrgenommen und war ein Stiefkind der Pädagogik (vgl. Bauer/ Brunner 2006, S.9). Nach Taube aber bemühen sich immer mehr Einrichtungen, Elternarbeit zu einem integralen Bestandteil der Arbeit zu machen, obwohl es noch an allgemein verbindlichen Handlungsanweisungen fehlt (vgl. Taube 2000, S.16ff.).

Im Zusammenhang mit der Fragestellung werden in Kapitel 10 bedeutsame Methoden erörtert, die den Verlauf von Elternarbeit gänzlich unterstützen.

Bevor der Schwerpunkt der Arbeit, die Formen und Methoden der Elternarbeit, analysiert werden, muss erst einmal geklärt werden, was unter Elternarbeit in der Heimerziehung zu verstehen ist. Nachfolgend werden auf die Bedeutung und Zielsetzung der Elternarbeit eingegangen und die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Ausgestaltung der Elternarbeit in der Heimerziehung differenziert und erläutert.

3 Begriffsbestimmung und Definition der Elternarbeit

Eltemarbeit ist aufgrund rechtlicher Rahmenbedingungen im KJHG eine Verpflichtung in stationären Erziehungshilfen. Dessen ungeachtet bestehen unterschiedliche Vorstellungen in Bezug auf die methodische Arbeit mit den Eltern. Im Weiteren ist zu klären, was in meiner Arbeit unter Elternarbeit in der Heimerziehung zu verstehen ist.

Da in der Literatur keine allgemein gültige und anerkannte Definition von Elternarbeit für die Anwendung im Heimbereich zu finden ist, wird zum besseren Verständnis zunächst auf den Begriff „Elternarbeit“ eingegangen. Der Beschreibung von Elternarbeit können unterschiedliche Bedeutungen zukommen, wie Familienarbeit, Familientherapie, Elterngespräche, Elternberatung, Elterntraining etc. Diese Tätigkeiten verfolgen wiederum konkrete Zielvorstellungen, die die Elternarbeit bestimmen.

In der Jugendhilfe umfasst der Begriff „Elternarbeit“ unterschiedliche Formen und Methoden und damit auch verschiedene Ziele. Im Folgenden werden verschiedene Definitionen des Begriffes aufgeführt, um eine grundlegende für diese Arbeit zu entwickeln. Auf der Basis dieser Analyse soll eine eigene Begriffsbestimmung formuliert werden.

Furian versteht unter Elternarbeit

„- die Summe aller pädagogischen Bemühungen zur Verbesserung elterlichen Erziehungsverhaltens,
- die Offenlegung und Abstimmung der Erziehung zwischen Familien und außerfamiliärer Erziehungseinrichtung und
- die Verbesserung der Erziehungssituation in außerfamiliären Einrichtungen unter Einbeziehung der Eltern“ (Furian 1982, S.17).

An dieser Stelle kommt weniger der Gedanke der Erziehungspartnerschaft, sondern mehr eine belehrende Grundhaltung zum Ausdruck. Zwar kommt die Mitarbeit der Eltern im Heimalltag zur Sprache, die aktive Mitarbeit der Erziehungsberechtigten steht aber noch außen vor und es fehlt der Raum für eine konstruktive Zusammenarbeit.

Flosdorfs Definition von „Elternarbeit“ stellt eine recht dogmatische Kommunikation zwischen Eltern und Fachkraft dar, wenn er schreibt „Eltemarbeit ist jede Form einer zielgerichteten Kommunikation von seiten erzieherisch Verantwortlicher mit Eltern, um diese direkt oder indirekt im Hinblick auf ihre Einstellungen und ihr Verhalten gegenüber ihren Kindern zu beeinflussen“ (Flosdorf 1988, S.186). Nach seiner Definition versuchen die Erzieher die Eltern in der Kommunikation zu beeinflussen und es geht eben nicht um einen „gemeinsamen Lernprozeß“, wie Schmitt-Wenkebach ihn in Bezug auf Eltemarbeit definiert: „Eltern und Erzieher diskutieren über Ziele und Methoden der Erziehung von Kindern und die dabei auftauchenden Probleme und Lösungsvorschläge. Eltern und Erzieher lernen, daß Erziehung nicht etwas Statisches ist, sondern konkreten Veränderungen unterworfen ist, auf die aktiv Einfluß genommen werden kann“ (Schmitt- Wenkebach 1997, S.259). An dieser Stelle steht mehr ein kooperatives Verhältnis zwischen Eltern und Erziehern der pädagogischen Institution im Mittelpunkt.

Als Inbegriff einer weiteren breit gefächerten Definition bezeichnet Birtsch Elternarbeit als „alle Erzieheraktivitäten (...), die sich auf den Kontakt mit Familienangehörigen der betreuten Kinder beziehen. Dazu gehören alle Kontakte zu den Eltern, aber auch Gespräche mit den Kindern, die sich aus den Elternkontakten ergeben“ (Birtsch 1982, S.8). Infolgedessen stehen auch die Kinder im Mittelpunkt; Ziele und das Ausmaß der Handlungen werden nicht beachtet.

Ein davon zu unterscheidendes Verständnis von Elternarbeit liefert Büttner: „Unter ,Elternarbeit’ verstehen wirjeden vom Heim aus geplanten und durchgeführten Kontakt mit der Herkunftsfamilie des Kindes. Dieser Kontakt folgt dabei einer am Einzelfall orientierten Zielsetzung und ist von den informellen Kontakten zwischen Heim und Eltern (gelegentliche Besuche im Heim, Briefe, Telefonate) deutlich abzugrenzen“ (Büttner 1980, S.23). An dieser Stelle kommt die Einzelfallorientierung zum Ausdruck, die grundlegend für die Methodengestaltung ist, um die für die Beteiligten angepassten Handlungsmethoden auszuwählen. Die Elternarbeit wird in dieser Definition begrifflich eingegrenzt und als nicht zufällig geschehende, sondern als methodisch geplante und strukturierte Elternkontakte charakterisiert, die eine bestimmte Zielsetzung verfolgen. Büttner grenzt damit die zufälligen Elternkontakte von Elternarbeit ab. Nach der Planungsgruppe Petra kann von Elternarbeit im systematischen Sinne nur dann gesprochen werden, „wenn mindestens viermal jährlich ein gezielter und vorbereiteter Kontakt mit Eltern stattfindet“ (Internationale Gesellschaft für Heimerziehung 1993, S.77). Unklar bleibt dennoch, wie mit den Eltern in der Heimerziehung gearbeitet werden sollte.

Dies widerspricht dem Verständnis von Elternarbeit in dieser Arbeit, da genauso informelle Kontakte, also nicht geplante, eingeschlossen werden. Zutreffender ist die Definition von Taube: So „wird unter ,Elternarbeit’ zunächst jegliche Form von Kommunikation verstanden, die zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eines Heims und Eltern von Heimkindern stattfindet. Elternarbeit kann sich dabei implizit und beiläufig ergeben, sie kann aber auch - und dies setzt sich in den Institutionen immer mehr durch - planvoll und explizit erfolgen. ,Familienarbeit’ bezieht demgegenüber neben den Eltern auch die im Heim befindlichen Kinder, wie auch deren zu Hause lebenden Geschwister und andere wichtige Mitglieder der Familie mit ein. Familienarbeit versammelt in diesem Sinne die Familie real - erst dadurch werden Familienstrukturen, Rollenverteilungen, Konflikte und Probleme wirklich sichtbar und veränderbar“ (Taube 2000, S.21). In unserem Zusammenhang soll auf diese Unterscheidung nicht weiter eingegangen werden, da es am sinnvollsten erscheint, Elternarbeit immer unter Einbezug der Eltern sowie der Kinder und anderer Personen, die für das Kind von Bedeutung sind, zu verstehen.

Thiersch wiederum unterscheidet Aufgabenfelder, auf die sich Elternarbeit beziehen können:

,,- Elternarbeit im Kontext der Heimeinweisung und der Heimausweisung, Elternarbeit also als Institutionalisierung der Absprachen darüber, ob und in welcher Form ein Kind ins Heim kommt und, Eltern als Institutionalisierung der Absprache darüber, wann und unter welchen Bedingungen ein Kind wieder nach Hause zurückkommt; Elternarbeit also als Absprache zum Übergang zwischen Elternhaus und Heim.
- Elternarbeit, bezogen auf die Probleme, die Kinder im Heim mit ihren Eltern haben, als Hilfe und Unterstützung im Kontakt der Kinder mit den Eltern, in der Bearbeitung der Probleme, die Kinder mit ihren Eltern haben, und
- Elternarbeit als Beratung der Eltern in bezug darauf, daß sie ein neues Verhältnis zu ihrem Kind, das nicht bei ihnen lebt, finden können“ (Thiersch 2009, S.114).
Die methodische Arbeit in der Heimerziehung darf spezifische Aspekte nicht außer Acht lassen. Die Elternarbeit muss sich an dem kindlichen Lebenskontext, somit an familialen Problemen orientieren und stellt die Lösung der Vermittlung und Aufklärung dieser Lebensverhältnisse dar. Daraus begründet sich die je nach Hilfeverlauf entsprechende Kooperation mit den Eltern oder der Abbruch des Kontaktes (vgl. Hamberger 1998, S.219).

Auch die Arbeit mit elternlosen Kindern über deren Vergangenheit bzw. ihren Ursprung fällt unter den Begriff „Elternarbeit“, wie ihn Günder beschreibt. Nach ihm kann Elternarbeit in der Heimerziehung ausnahmslos bei allen untergebrachten Kindern durchgeführt werden. Dazu berücksichtigt Günder auch therapeutische Aspekte der Elternarbeit, indem er die Arbeit mit Eltern in allgemeine, methodisch geplante und familientherapeutische Elternarbeit gliedert (vgl. Günder 1989, S.93ff).

Im Kontext der vorliegenden Analyse wird in dieser Arbeit ein recht weiter Begriff von Eltemarbeit gewählt, um die Vielzahl der Methoden darstellen zu können. ,,E. [Elternarbeit] ist ein Sammelbegriff für ganz unterschiedliche Formen und Bereiche der Arbeit mit Eltern. Dazu gehören Familienbildung, Familienfreizeit und Familienerholung, Familien- und Erziehungsberatung als Angebote spezieller Institutionen und der Jugendhilfe“ (Leube 1996, S.158). Nach der Bundesarbeitsgemeinschaft im Jahre 1989 ist Elternarbeit im Rahmen der Jugendhilfemaßnahme „das Zusammenwirken zwischen den Eltern einerseits, dem Jugendamt und der jeweiligen pädagogischen Einrichtung andererseits mit dem Ziel, gemeinsam die Erziehungsaufgaben wahrzunehmen. (...) Elternarbeit kann von mündlicher und schriftlicher Kontaktpflege über kontinuierliche Beratung bis hin zu verschiedenen Therapieformen reichen. So gesehen ist Elternarbeit ein Sammelbegriff für erheblich unterschiedliche Formen des Zusammenwirkens. Elternarbeit muß erweitert als Arbeit und Auseinandersetzung mit der Herkunftsfamilie verstanden werden“ (Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter und überörtlichen Erziehungsbehörden 1989, S.2).

Aus dem bereits Dargestellten kann Elternarbeit zusammenfassend als ein vom Heim aus geplanter, mit einer einzelfallorientierten individuellen Zielsetzung durchgeführter Kontakt zwischen Heimmitarbeitern, untergebrachtem Kind und dessen Eltern verstanden werden. Diese wechselseitige Kommunikation soll durch den entstehenden Lernprozess Problemlösungsstrategien freisetzen, um schließlich eine Verbesserung der Erziehungssituation und somit eine Entlastung für alle Beteiligten herbeizuführen. Elternarbeit bewirkt durch den Miteinbezug der Eltern eine Verbesserung der Familienstruktur und macht sie damit unabdingbar. Ebenso begründen andere Aspekte die Bedeutsamkeit von Elternarbeit in stationären Einrichtungen, sei es die Vermeidung von Loyalitätskonflikten, die Stärkung der kindlichen Persönlichkeit oder die Reintegration des Kindes in die Herkunftsfamilie und beweisen letztlich ihre Notwendigkeit in der Heimerziehung.

4 Begründung der Notwendigkeit der Elternarbeit

Wird ein Kind als Maßnahme der Hilfen zur Erziehung in eine Einrichtung der stationären Jugendhilfe untergebracht und somit von der Herkunftsfamilie getrennt, stellt dies „einen massiven Eingriff in die Lebenssituation des Kindes, in das Elternrecht und in die Autonomie der Familie dar - egal, ob die Eltern selbst die Maßnahme befürworten oder ob sie gesetzlich erzwungen wird“ (Sozialpädagogisches Institut 2000, S.4). Das Gleichgewicht des Systems ’Vater, Mutter und Kind’ wird gestört, welches vorher mit allen Schwächen und Stärken einen relativen Gleichgewichtszustand besaß. Dieses Ungleichgewicht und die erneute Suche nach Stabilität ist in der Heimerziehung die Gelegenheit der Elternarbeit (vgl. Pfaff/ Scholten 1989, S.107).

In der Heimerziehung haben die Fachkräfte keine Chance, die Herkunftsfamilie der Kinder zu ersetzen. Versuchen sie dies dennoch, können Schwierigkeiten wie Konkurrenzdenken, Loyalitätskonflikte des Kindes etc. entstehen und damit den Heimalltag erschweren. Aus diesem Grund sollte der Heimaufenthalt erst gar nicht familienähnlich organisiert werden (vgl. Taube 2000, S.20). „Wie auch die Vergangenheit des familialen Lebens aussieht, die Herkunftsfamilie bleibt Teil des kindlichen Lebens und das Kind fühlt sich den Eltern meist loyal verpflichtet. Ausgehend davon können die Eltern nicht außen vor gelassen werden, auch wenn eine Rückkehr des Kindes nicht angestrebt wird“ (Brandhorst/ Kohr 2006, S.157).

Wird die Familie nicht einbezogen, werden Fortschritte des Kindes wieder aufgehoben, da es sich durch die Besserung der Verhaltensweisen im Heim illoyal gegenüber der Familie verhält. Durch die Veränderung eines Familienmitglieds wird somit ein Ungleichgewicht erzeugt. Damit eine erneute Homöostase entstehen kann, müssen sich alle bzw. einzelne Familienmitglieder verändern (vgl. Conen 2002, S.37). „Hilfe ohne Beteiligung der Betroffenen kann nicht stattfinden. Dieser Satz gehört heute zu den Grundsätzen moderner erzieherischer Hilfen“ (Krause 2009, S.53).

Dementsprechend steht im Zentrum der Auftrag, die Familie als Ganzes, einschließlich personalem Umfeld, in die Erziehung mit einzubeziehen, damit ein fremduntergebrachtes Kind langfristig wieder in seiner Familie leben kann. So deuten Auffälligkeiten beim Kind auf Probleme hin, die insgesamt in der Familie bestehen und welche den gestörten kindlichen Entwicklungsverlauf geprägt haben. Die kindliche Lebenswelt soll in der Art verändert werden, dass Eltern ihren Kindern bessere Entwicklungsbedingungen bieten können, Verhaltensänderungen zulassen und fördern, mit dem Ziel der Bewusstseinsweckung, an Problemen arbeiten zu müssen. Dies kann der Anfang für Veränderungen der familialen Beziehung bedeuten, sodass sich schlussendlich das Kind positiv entwickeln kann und nichts gegen eine Rückkehr in die Herkunftsfamilie einzuwenden ist (vgl. Taube/ Vierzigmann 2000, S.9). Um die Wahrscheinlichkeit der Rückführung zu erhöhen, soll parallel zum Heimaufenthalt des Kindes an der „Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie“ (§§ 34, 37 KJHG) gearbeitet werden. Zu solchen Einforderungen des Gesetzgebers ist eine spezifische Ausgestaltung der Methoden, die sich an der Situationslage der Familie orientieren muss, unabdingbar. Die bedachte Methodenauswahl kann bis hin in Form von therapeutischen Familieninterventionen auftreten, die familiale Veränderungen bewirken sollen. Diese Familienorientierung der Methodendurchführung beweist die Notwendigkeit des Einbezugs der Familie in den Heimalltag.

Die Familie hat eine bedeutsame Rolle, denn sie ist die „prägendste Erziehungseinrichtung unserer Gesellschaft“ (Furian 1982, S.ll) und muss zur positiven Entwicklung des Kindes Sicherheit, Pflege und Geborgenheit erbringen. Denn Kinder wollen keine anderen Eltern, sondern ihre Eltern anders (vgl. Reuter-Spanier 2003, S.129f.). Außerdem sind Eltern für Fachkräfte in dem Sinne relevant, dass sie ihr verfügbares Wissen über die Kinder und die bestehenden familialen Probleme mitteilen können, welches die Fachkräfte nicht aufzeigen können (vgl. Brandhorst/ Kohr 2006, S.157). Hierbei sind die Eltern die Experten für sich und ihre Kinder.

Das Kind als Symptomträger spiegelt die Familie und deren Probleme wider. Eltern müssen ihre Fähigkeiten und Ressourcen erkennen und ausbauen, um dem vorhandenen Ungleichgewicht entgegenzuwirken und eine harmonische Beziehung gemeinsam mit ihrem Kind wieder erlernen zu können (vgl. Dunkel et al. 2003, S.132f.). „In einer Heimerziehung, die nicht am Kind bzw. Jugendlichen als Symptomträger ansetzt, sondern das Eltern-Kind-System insgesamt in den Blick nimmt, ist Elternarbeit selbstverständlicher Bestandteil und unhintergehbarer Qualitätsstandard“ (Schulze-Krüdener 2005, S.20f.). Die Absicht also, nur das Symptom zu beseitigen, wird keinen Erfolg erbringen. Im Mittelpunkt steht nicht mehr der Einzelne, der Symptomträger, sondern die Familie als Gesamtsystem, durch welche Dynamik das Symptom erst entstand (vgl. Conen 2002, S.34). Doch ist dies „einfacher gefordert als getan, denn schließlich hängt die Aufnahme eines Kindes in eine stationäre Einrichtung ja gerade damit zusammen, dass seine familiären Verhältnisse und die dort vorherrschenden Erziehungsbedingungen belastend, in vielen Fällen desolat sind“ (Sozialpädagogisches Institut 2000, S.4).

Bleiben Bemühungen der Elternarbeit während des Heimaufenthaltes aus, wird höchstwahrscheinlich jeder kindliche Kontakt zur Herkunftsfamilie ambivalente Gefühle auslösen und eine „permanente Diskontinuität des Erziehungsprozesses“ bewirken. Bei einer Reintegration des Kindes in die Familie bestünden weiterhin die „krankmachenden Bedingungen“, die einen positiven Entwicklungsgang des Kindes unmöglich machen (vgl. Heitkamp 1984, S.211). Heimerziehung kann an sich auch ohne Eltern erfolgreich sein, doch bestehen diese Erfolge in unveränderten Familienverhältnissen bei einer Rückführung des Kindes nicht fort (vgl. Conen 2002, S.22).

Wie dargestellt wurde, lässt sich die Notwendigkeit von Elternarbeit nicht nur aus dem gesetzlichen Auftrag, welcher im KJHG niedergeschrieben ist, sondern auch aus der fachlichen Literaturdiskussion herleiten. Die Notwendigkeit von Elternarbeit lässt sich schlussendlich daraus begründen, dass Persönlichkeitsstörungen meist schon früh im Eltern-Kind-Verhältnis entstehen und nur mit der Herkunftsfamilie bearbeitet werden können. Nach einer Trennung von den Eltern bleibt überdies die kindliche Ursehnsucht nach Liebe und Geborgenheit unerfüllt, welcher Aspekt die weitere Entwicklung gefährden kann. Dazu muss sich das Kind als Jugendlicher ablösen können, wenn die Entwicklung einer selbstständigen Persönlichkeit nicht aufgehalten werden soll. Im Gesamten müssen fehlende oder ungünstige Bindungsverhältnisse beim Heimaufenthalt des Kindes aufgearbeitet werden. Somit kann die kindliche Entwicklung in der Heimerziehung durch eine Abstimmung mit den Eltern in Bezug auf Ziele, Aufgaben und Methoden unterstützt werden. Auch bei Kindern ohne Rückkehraussicht in die Herkunftsfamilie sind, bei weiterhin bestehenden Kontakten zwischen Kind und Eltern, Aufgabenbereiche der Elternarbeit vorhanden (vgl. Günder 2007a, S.223ff.). „Heimerziehung ohne Einbeziehung der Eltern in die Maßnahme ist und bleibt Bruchwerk ohne umfassende Erfolgsaussichten und kommt (...) dem Versuch nahe, ohne Rute und Schnur angeln zu wollen“ (Schauder 1994a, S.269). Das Argument, dass das Kind in der Heimerziehung eine positive Entwicklung durch die aktive Mitarbeit seiner Eltern erfahren soll, ist evident. Doch die Umsetzung dieser Theorie in die Praxis birgt Schwierigkeiten. Aufgrund des unterschiedlichen Kräfteverhältnisses zwischen Mitarbeitern und Eltern und deren verschieden Aufgaben, Zielvorstellungen und Lebensweisen entstehen zahlreiche Hindernisse, die eine effektive Elternarbeit scheitern lassen können. Neben Vorurteilen, negativen Einstellungen oder Desinteresse der Eltern werden weitere Schwierigkeiten in Kapitel 11 ausführlich genannt.

Für jede Lebenssituation des Kindes sind Methoden der Elternarbeit, die eine Entwicklung zum Wohle des Kindes unterstützen, gegeben. Mit der Methodenauswahl werden gleichzeitig unterschiedliche Zielsetzungen vorgegeben und damit verschiedene Prozesse eingeleitet, die für alle Beteiligten transparent gestaltet sein sollten.

Ferner ist eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, welche sich aus einer offenen und respektierenden Haltung des Heimmitarbeiters den Eltern gegenüber ergeben kann, eine Vorraussetzung für das Gelingen von Elternarbeit. Elternarbeit meint eine Zusammenarbeit von pädagogischen Institutionen mit Eltern in jeglichen Formen, wie Tür-und-Angel- Gespräche, Elternabende, Elternberatung, Familientherapie oder sonstige formelle und informelle Anlässe. Dabei richtet sich Elternarbeit nicht nur an Eltern, sondern auch im Falle einer unmöglichen Einbeziehung derer, an die Kinder selbst und andere dem Kind wichtige Personen. Die intendierten Ziele und die Adressaten der Elternarbeit gilt es nun herauszukristallisieren.

5 Ziele und Zielgruppen der Elternarbeit

In Hinblick auf die Ziele der Elternarbeit soll einleitend auf die Ziele der Heimerziehung hingewiesen werden. Die rechtliche Grundlage hat bereits dargestellt, dass nach §34 SGB VIII die Heimerziehung die Aufgabe hat, eine Rückkehr des Kindes in die Herkunftsfamilie auszuführen. Besteht diese Möglichkeit nicht, soll sie „die Erziehung in einer anderen Familie oder familienähnlichen Lebensform vorbereiten“ (SGB VIII 2006, S.28). Überdies ist ein weiteres Ziel die Verselbstständigung des Jugendlichen. So wird vor allem anhand des §37 KJHG die Familienorientierung für stationäre Hilfen verdeutlicht (vgl. Tischner 1994, S.361).

Die Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie darf nicht als grundlegendes Ziel der Elternarbeit gesehen werden, da diese nur langfristig erfolgreich sein kann, wenn der Lebenskontext des Kindes bedeutend geändert wird. Dadurch, dass trotz Anstrengungen seitens der Einrichtung eine Arbeit mit Eltern nicht immer möglich ist, stehen neben der Reintegration des Kindes andere Ziele im Mittelpunkt, wie z.B. ein vertrauensvolles partnerschaftliches Zusammenarbeiten mit offenem Gesprächsaustausch oder aber der Durchbruch des Kreislaufs von Mehrgenerationenkonflikten (vgl. Roth 2004, S.35).

Im Allgemeinen werden die Zielsetzungen der Elternarbeit auch von unterschiedlichen Gegebenheiten beeinflusst, bspw. vom jeweiligen Auftrag: Zum einen beruht die Elternarbeit auf freiwilligen Angeboten, zum anderen besteht der gesetzliche Auftrag zur Zusammenarbeit mit den Eltern. Hinsichtlich der unterschiedlichen Möglichkeiten von

Eltemarbeit leiten sich aus den differenzierten Zielsetzungen wiederum unterschiedliche Methoden ab (vgl. Flosdorf 1988, S.185f.).

Für vollstationäre Einrichtungen gelten nach Thiersch folgende Zielsetzungen, unabhängig davon, ob die Heimerziehung nun auf eine kindliche Rückführung in die Herkunftsfamilie oder eine Verselbstständigung des Jugendlichen abzielt:

1. „Distanz und Entlastung von Beziehungen und Aufgaben, in und an denen Heranwachsende gescheitert sind,
2. einen für die spezifische Belastbarkeit und Bedürfnislage des einzelnen eingerichteten Lebensraum und zusätzliche therapeutische Hilfen,
3. stabile affektive Beziehungen im Umgang mit Erwachsenen, die als Professionelle besonderer Belastung gewachsen sind,
4. Lernfelder, die attraktiv sind und zugleich für die nicht mehr entlastete Zukunft außerhalb des Heims lohnende Perspektiven eröffnen“ (Thiersch 1977, S.76).

In der Praxis ist insbesondere das Kind Interesse der Bemühungen, sodass die Methoden der Elternarbeit in ihrer Wirkung dem Kind Nutzen bringen. Dennoch konzentriert sich die Elternarbeit neben der Interessenlage des Kindes vor allem auf die Familie als ganzes System, welche durch unterschiedliche Interventionen stabilisiert werden muss (vgl. Günder 2007, S.78f.). Dass im Zentrum der Elternarbeit die Beseitigung negativer und die Entwicklung positiver Entwicklungsbedingungen steht, greift nach Drees in Hinsicht auf die Zielsetzungen zu kurz, da nicht nur die Verbesserung der Beziehung zwischen Eltern und Kind zur wirklichen Lösung elterlicher Probleme beiträgt, sondern auch die Nutzung sozialer Ressourcen. Die Hilfe soll sich somit nicht ausschließlich auf das Kind beziehen, sondern auch auf die Eltern. Daher wird die Erziehungsinstitution keineswegs an der Institution Familie vorbeikommen (vgl. Drees 1998, S.254f.).

Die Elternarbeit in der Jugendhilfe soll Eltern in unterschiedliche Tätigkeiten einbeziehen und zur Beteiligung anregen und vor allem die elterliche Erziehungsfähigkeit festigen. Gesetzlich im SGB VIII verankert, soll Elternarbeit „insbesondere im Falle einer stationären Erziehungshilfe zum konstitutiven Bestandteil dieser Hilfeart werden“ (Schulze-Krüdener 2007, S.99). Die Methoden der Eltemarbeit verfolgen nicht nur diese Zielsetzungen, sondern sie geben den Eltern eine Orientierung in der sozialpädagogischen Einrichtung und wecken zugleich Interesse in Bezug auf den Ablauf. Durch die Ermutigung der Eltern zur Mitwirkung, kann sich eine vertrauensvolle Beziehung zum Wohle des Kindes entwickeln und Missverständnisse können frühzeitig ausgeräumt werden. Mittels des elterlichen Einbezugs werden Ziele und pädagogische Handlungsweisen fur die Eltern transparent.

Nach Brem-Gräser sind Ziele der Elternarbeit „die Herstellung, Erneuerung bzw. Vertiefung des Kontaktes zwischen Eltern und Kind, die Aktivierung und Stützung eines Prozesses der Selbstbesinnung der Eltern, um sie zu neuen Einsichten in bezug auf Eigenart, Eigenwert und die Erziehung des Kindes zu führen, sowie gemeinsames Erarbeiten neuer Erziehungswege und Erziehungspraktiken“ (Brem-Gräser 1975, S.73). Er stellt vor allem die Eltern-Kind-Beziehung in den Vordergrund, die sich mittels der Elternarbeit bessern muss und legt seine Hoffnung in die elterliche Einsicht, eine Veränderung anzustreben, sodass einer positiven Entwicklung des Kindes nichts mehr im Wege steht.

Ein weiteres Ziel ist somit die Motivation der Eltern, die zur Veränderung der Familiendynamik vorausgesetzt wird. Gemeinsame Ziele müssen in Hinblick auf die familialen Ressourcen und den Kindesstandpunkt formuliert werden, um Eltern für den Kontakt bis hin zur Zusammenarbeit mit dem Heim zu gewinnen (vgl. Köckeritz 2004, S.316).

Der überwiegende Teil der Formen von Elternarbeit baut, wie zuvor dargestellt, auf einer Mitarbeit der Eltern auf. Erst wenn dies gelingt, können Eltern durch Beratung und Unterstützung Möglichkeiten eröffnet werden, unter Umständen biografische Geschehnisse aufzuarbeiten, ihre Erziehungskompetenzen zu verbessern sowie neue Handlungswege zu erlernen, um ihr Kind wieder selbst erziehen zu können. Auch die Beziehung der Eltern zu ihrem Kind soll in der Zeit des Aufenthaltes im Heim gefördert und verbessert werden (vgl. Günder 2007a, S. 239).

Elternarbeit soll schließlich die Atmosphäre der Familie verbessern, wie auch die elterliche Erziehungsfähigkeit stärken. Darunter fallen Methoden von einfachen Besuchskontakten bis hin zu einer intensiven Familientherapie, die die Option auf eine Reintegration des Kindes in die Herkunftsfamilie und auf Verkürzung des Aufenthaltes einschließt (vgl. Taube/ Vierzigmann 2000, S.6).

Vor allem ist eine kontinuierliche Elternarbeit anzustreben, um Unstimmigkeiten mit der elterlichen Erziehungsfunktion zu vermeiden. Unterstützung durch die Herkunftsfamilie und bestehende soziale Netzwerke werden vom Kind benötigt und sind auch nach Beendigung der Fremdunterbringung für den weiteren Lebenslauf bedeutsam. Die Jugendhilfe hat nicht die Aufgabe, grundlegend die Verantwortung der Eltern zu übernehmen, sondern soll so gut wie möglich die Herkunftsfamilie in den Heimprozess einbinden, sodass bestenfalls ein Erfolg der Jugendhilfemaßnahme zu verzeichnen ist (vgl. Gabriel 2007, S.179ff.).

Specht und Grosse unterscheiden zwischen einem Nah-, Zwischen- und Endziel pädagogischer Arbeit. In Bezug auf das Nahziel soll der erzieherische Bedarf ermittelt werden und die familiäre Situation diagnostiziert werden, um die kindlichen Verhaltensweisen im Entstehungszusammenhang verstehen zu können. Zwischenziel ist eine Vorgehensweise, die sich am individuellen Bedarf des Kindes orientiert sowie eine systemische, ressourcenaktivierende Elternarbeit. Hilfestellungen für die Eltern in Hinblick auf die Erziehung bestehen aus verschiedenen Formen des Kontaktes, aus der Teilnahme am Erziehungsprozess, aus der Beratung bis hin zur Therapie. Endziel ist schließlich die Bearbeitung der Persönlichkeits- und Verhaltendefizite des Kindes. Um eine Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie zu ermöglichen, werden außerdem die negativen Entwicklungsbedingungen der Familie aufgearbeitet (vgl. Specht/ Grosse 1994, S.558). Diese Aufteilung von Zwischenetappen erweist sich für die Methodendurchführung als günstig, da schrittweise geprüft werden kann, ob das gesetzte Ziel erreicht wurde, um individuell darauf weiter aufzubauen. So ist Elternarbeit im Heim als eine pädagogische und präventive Maßnahme zur Vermeidung von Verhaltensstörungen zu verstehen. Sie soll Bedingungen, die Auffälligkeiten verursachen, früh erkennen und diese Bedingungen beeinflussen, um ein Fortschreiben von Auffälligkeiten verhindern zu können (vgl. Obersteiner 1994, S.138).

Dennoch stellt sich die Frage, welches Ziel mit Elternarbeit verbunden ist, wenn Eltern nicht existent sind, eine Rückführung ins Herkunftssystem daher unmöglich erscheint? Das Ziel einer Rückführung ist nicht immer gegeben und so wirkt sich Elternarbeit nicht immer umgehend positiv auf den kindlichen Entwicklungsstand aus. Flosdorf weist darauf hin, „daß Ziel und Inhalt einer Elternarbeit auch die klare Abgrenzung eines Kindes, häufiger eines Jugendlichen, gegenüber familiären oder elterlichen Einstellungen und Bedingungen sein kann, die sich als nicht veränderbar erweisen“ (Flosdorf 1988, S.189). Somit kann die Verselbstständigung des Jugendlichen durch die Elternarbeit in der Heimerziehung gefördert werden. Beziehungen können aufgearbeitet und die Enttäuschungen des Jugendlichen überwunden werden. Doch werden in der Praxis die Zielsetzungen für Elternarbeit bei Jugendlichen noch zu wenig beachtet (vgl. Conen 2002, S.26). „Orientierungsmaßstab muss (...) immer die Situation bzw. das Wohl des Kindes oder Jugendlichen sein“ (Münder et al. 2006, S.515). Infolgedessen ist eine Weiterentwicklung von Methoden notwendig, die die Sicht der Kinder und Jugendlichen entscheidender mit einbeziehen.

Adressaten der Elternarbeit sind somit nicht nur die Eltern selbst, sondern auch die Kinder und Jugendlichen, die im Heim leben sowie weitere Mitglieder der Familie, die in der situativen Problemlage beteiligt sind und nicht außer Acht gelassen werden dürfen. „Unter dem Begriff der Elternarbeit lassen sich entsprechend der individuellen Beziehungskonstellationen im Einzelfall auch Kontakte mit Großeltern, Geschwistern oder anderen wichtigen Bezugspersonen subsumieren, die maßgeblich der jeweiligen Lebenswelt des Kindes zuzuordnen sind“ (Hamberger 1998, S.219). So differenziert Günder in Hinblick auf die Adressatengruppe im Wesentlichen zwei Zielsetzungen. Die eine fokussiert sich auf die kindlichen Interessen, die andere auf das gesamte Familiensystem des Kindes (vgl. Günder 1989, S.103ff.).

Weitere Adressaten sind die Einrichtung selbst und deren Mitarbeiter, da es in der Elternarbeit um gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung der Erziehung geht. Die Mitarbeiter müssen die Eltern wertschätzen und die Partnerschaft mit ihnen ernst nehmen (vgl. Furian 1982, S.19). Insofern liegt Elternarbeit nicht nur im Interesse der Eltern, Problemlösungen im Erziehungsalltag zu finden, sondern sie ist auch für das Fachpersonal relevant, indem es nämlich Unterstützung erfährt. „Elternarbeit umfasst alle pädagogischen Bemühungen, die das elterliche Erziehungsverhalten verbessern helfen, ferner das Abstimmen der Erziehung der Kinder zwischen der Familie und den Erziehungsberechtigten sowie das Verbessern der Erziehungssituation in diesen Institutionen unter Einbeziehung der Eltern“ (Furian 1982, S.9). Unterstützung erfährt der Mitarbeiter bspw. dadurch, dass die Eltern ihrem Kind bei den Hausaufgaben helfen oder dass sie gemeinsam Entscheidungen treffen. Primär aber sind die Adressaten von Elternarbeit, neben den wichtigen Bezugspersonen des Kindes, die Eltern und das Kind bzw. der Jugendliche im Heim selbst.

Zusammenfassend sind allgemeine Zielsetzungen der Elternarbeit, eine Stabilisierung des Familiensystems, die Vorbereitung der kindlichen Reintegration in die Herkunftsfamilie durch den Ausbau der elterlichen Erziehungskompetenz und die Verselbstständigung oder Ablösung eines Jugendlichen von seiner Familie. Die Benennung von allgemeingültigen Zielen der Elternarbeit stellt sich somit als schwierig heraus, da sich die Zielvorgaben immer am Einzelfall orientieren müssen. Zielsetzungen entstehen je nach individueller Problemstellung der Herkunftsfamilie und dementsprechend müssen Lösungen gefunden werden. Einrichtungen in der Jugendhilfe müssen sich intensiv damit auseinandersetzen, in welcher situativen Lage sich bspw. die Familien befinden, um Ziele der Eltemarbeit für die Heimunterbringung spezifisch bestimmen zu können.

Bedingt durch die unterschiedlichen Zielsetzungen, die in der Heimerziehung entstehen, werden entsprechend unterschiedliche Methoden der Elternarbeit angewandt. Denn verschiedene Methoden verfolgen verschiedene Zielsetzungen, die ausführlich in Kapitel 10 dargelegt werden.

Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, müssen Fachkräfte der stationären Einrichtung über spezifische Kompetenzen verfügen. Darüber hinaus entscheiden die stationären Einrichtungen selbst darüber, welcher Mitarbeiter mit welcher Qualifikation die Methoden der Elternarbeit anwendet. Im nachfolgenden Kapitel werden unterschiedliche Meinungen von Autoren aufgegriffen, um anschließend ein eigenes Urteil darüber zu fällen, wer in der Heimerziehung Elternarbeit leistet.

6 Wer leistet Elternarbeit?

Für den Praxisbereich der Heimerziehung sind verschiedene Personen mit bestimmten Qualifikationen zuständig, um der Intensität und den verschiedenen Methoden von Elternarbeit gerecht zu werden. Mit der Kritik an Heimen im Rahmen der Heimkampagne begann ein Ausbau gruppenübergreifender Dienste, in denen Sozialpädagogen und Psychologen arbeiteten. Die aufgenommenen Fachleute übernahmen Aufgaben der Therapie und Beratung im Heim (vgl. Conen 2002, S.118). Meist sind es gruppenergänzende Dienste größerer stationärer Einrichtungen, die über Fachberatung und Krisenintervention gravierende Probleme der Kinder auffangen (vgl. Witte/ Coughlan 1996, S.561).

Doch bei Einsatz eines gruppenübergreifenden Dienstes können Schwierigkeiten entstehen und es „tauchen rasch Fragen nach den Unterschieden zwischen Spezialisten und Gruppenpädagogen auf (Bezahlung, Arbeitszeiten u.a.m.)“ (Conen 1992, S.19). Nach Conen aber handelt es sich hier um eine einseitige Betrachtung, da ohne bestimmte Fachkräfte, wie Psychologen oder Pädagogen, die Heimleiter diese Aufgaben übernehmen müssen. Conen plädiert für methodische Weiterqualifizierung der Pädagogen, statt einer Abschaffung der Spezialisten. Dennoch wird aufgrund von Kostensenkungen oftmals auf gruppenübergreifendes Personal verzichtet (vgl. Conen 2002, S.119). Unterschiedliche Ansichten beweisen die fortwährende Diskussion darüber, wer nun Eltemarbeit in der Heimerziehung zu leisten hat.

Heitkamp vertritt eine andere Meinung, hier in Bezug auf die Methode Elternberatung. Weil nämlich die Erzieher während des Heimaufenthaltes die Bezugsperson der Kinder darstellen, ihre Bedürfnisse, Hoffnungen und Enttäuschungen kennen, sind sie nach Heitkamp dazu vorbestimmt, die kontinuierliche Elternberatung durchzuführen. Berater aus anderen Bereichen kennen das Verhalten des Kindes nur aus „zweiter Hand“ und sind aus diesem Grund keineswegs geeignet. Dabei darf der Erzieher in der Gruppe aufgrund von Belastungsgefahr und zeitlicher Überforderung lediglich zwei Kinder übernehmen (vgl. Heitkamp 1984, S.221). Nach der Planungsgruppe Petra aber sind Erzieher, die nach diesem Modell arbeiten, eindeutig überlastet (vgl. Thurau/ Büttner 1987, S.467).

Abstriche macht Heitkamp aber beim Gruppenerzieher, der den Erzieher im Beratungsgespräch unterstützen kann. „Diese kooperative Elternberatung ermöglicht beiden Beratern, vertiefter mit den Problemen des Kindes und denen der Familie umzugehen, verhindert subjektive Fehldeutungen und -haltungen, reduziert Informationslücken, erleichtert Korrekturen inhaltlicher Art und ermöglicht ein gegenseitiges Feedback im Beraterverhalten“ (Heitkamp 1984, S.222). Einen negativen Aspekt gilt es dennoch zu betrachten: Bei einem „Zweier-Block“ aus Gruppenberater und Gruppenerzieher fühlen sich Eltern unterlegen und in ihrer Kommunikationsbereitschaft eingeschränkt. Diese Hürden verschwinden aber meist im Lauf der Zeit. Der Gruppenberater führt die Gespräche mit den Eltern alleine, wenn der Erzieher aufgrund von personeller Ausstattung (unzureichende Qualifizierung oder Minimalbesetzung) verhindert ist (vgl. a.a.O., S.222f.).

Auch Drees vertritt eine ähnliche Meinung zum Thema gruppenergänzendem Dienst und sieht diese Aufteilung des Arbeitsgebietes als sinnlos an, da die Lebenslagen der Familien sehr komplex sind und eine kontinuierliche Arbeit mit den Eltern unausweichlich ist. Erst durch gemeinsames Alltagserleben kann eine Beziehungsbasis zwischen Eltern und Fachkräften geschaffen werden. Das Tätigwerden mehrerer Dienste im Heimalltag kann hingegen zu Spannungen, Rivalität und Entfremdung führen mit der Folge einer ineffizienten Elternarbeit (vgl. Drees 1998, S.101).

Die Planungsgruppe Petra sieht dagegen Nachteile bei der Durchführung von Elternarbeit, die ausschließlich vom Gruppenerzieher erfolgt: „Der Nachteil war hier darin zu sehen, daß die Erzieher sowohl auf der konzeptionellen Ebene für systematische Eltemarbeit nicht hinreichend geschult waren, wie auch auf der sozialen Ebene über die Souveränität oft nicht verfügten, über die man gerade bei dynamischen und konfliktgeladenen Gesprächen verfügen muß“ (Internationale Gesellschaft für Heimerziehung 1993, S.83). Es bedarf bestimmter Qualifikationen der Mitarbeiter, die eine effektive Durchführung von Elternarbeit zulassen.

Nach Conen wird vor allem der Anstieg der kindlichen Auffälligkeiten nicht beachtet, wenn behauptet wird, psychologische oder therapeutische Spezialisten seien in stationären Einrichtungen nicht notwendig. Auffällige Kinder, die früher eher in kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen behandelt wurden, werden heute mehr in der Erziehungshilfe betreut, was die Notwendigkeit von Spezialisten begründet. Die Kompetenz, Systeme betrachten zu können und deren Problematik in die Arbeit mit Eltern und Kindern mit einzubeziehen, besitzen besonders die ausgebildeten Spezialisten, die die Haltung der Mitarbeiter den Eltern gegenüber positiv beeinflussen können (vgl. Conen 2002, S.7f). „Sie stellen einen wichtigen Motor dar, wenn es darum geht, systemische Betrachtungs- und Vorgehensweisen sowohl den Mitarbeitern in Beratungen nahezubringen als auch im alltäglichen Umgang mit den Kindern und Jugendlichen anzuwenden. Sie tragen zur wesentlichen Weiterentwicklung von Konzepten zur Elternarbeit in den Einrichtungen bei“ (a.a.O., S.8).

Auch nach Meinung Neumeyers wird die Elternarbeit vom psychologischen Fachdienst und dem Bezugserzieher bzw. zuständigen Gruppenerzieher durchgeführt, „in der Regel jedenfalls expliziten Mitgliedern des Systems Heim, die primär an und mit dem Problemkind arbeiten“ (Neumeyer 1996, S.123). Neumeyer unterscheidet zwischen pädagogischer und therapeutischer Familienarbeit. Die pädagogische Familienarbeit, bei der es um Erziehungsfragen und Belange aus dem Heimalltag geht, mit dem Ziel eines Auf- und Ausbaus eines partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen Mitarbeitern und den Eltern, ist die originäre Aufgabe der Gruppenerzieher und die therapeutische Familienarbeit wird von speziell therapeutisch ausgebildeten, nicht im Gruppendienst tätigen Mitarbeiter durchgeführt. Diese hat „das Aufgreifen und Bearbeiten des familiären, dysfunktionalen Interaktions- und Strukturgefüges (...)“ (a.a.O., S.127) zum Ziel. Neumeyer unterscheidet zwischen zwei sich ergänzenden, nicht unabhängig voneinander agierenden Bereichen in der Elternarbeit, die die systemische Sicht voraussetzen.

Psychologen übernehmen therapeutische Arbeiten, sind im Bereich der Diagnostik und Kindertherapie tätig oder aber beraten die Mitarbeiter der Einrichtung. Dennoch sind die Spezialisten unzureichend in Bezug auf die Erfordernisse von Heimerziehung ausgebildet und bedürfen weiterer Qualifizierungen, „um die Reproduktion der Dynamik des Kindes und seiner Herkunftsfamilie innerhalb des Heimes bearbeiten zu können“ (Conen 2002, S.120).

Die Diskussion darüber, wer Eltemarbeit in der stationären Einrichtung leistet, spiegelt die Praxisbegebenheit wider, in der auch die Einrichtungen die Zuständigkeit zur Durchführung von Elternarbeit unterschiedlich handhaben.

Schlussendlich ist es der jeweiligen Einrichtung mit entsprechendem Konzept überlassen, welche Mitarbeiter für die unterschiedlichen Methoden der Elternarbeit zuständig sind. Vor allen Dingen ist es bedeutend, vor Beginn der Maßnahme zu klären, welche Person für welchen Kontakt und in welchem Umfang zuständig ist.

In der Regel leisten vor allem die Gruppenerzieher Elternarbeit im Heim, wobei sie überwiegend die verschiedenen Formen der Kontaktpflege durchführen. Sie sind die Bezugsbetreuer, die das Kind täglich sehen, seine Wünsche, Probleme etc. mit ihm besprechen und die Entwicklung des Kindes intensiv begleiten. Eng verbunden damit steht die Tatsache, dass sie auch den meisten Kontakt zu den Eltern haben. Zum anderen sind es Mitarbeiter des so genannten Fachdienstes. Diese arbeiten nicht in den Gruppen selbst und können aufgrund ihrer zusätzlichen therapeutischen/ systemischen Ausbildung über die Form der Kontaktpflege hinaus gezielte Formen der Elternarbeit bis hin zu familientherapeutischer Arbeit mit den Eltern leisten.

Dabei ist allerdings zu beachten, dass in etwa 60% die Elternarbeit von Gruppenerziehern durchgeführt wird, in weniger als 10% Prozent von speziellen Fachkräften, den Rest deckt die Heimleitung ab (vgl. Neumeyer 1996, S. 125). Dies lässt mich zum Schluss kommen, dass eine Aufteilung von Elternarbeit in pädagogische und therapeutische Arbeit, eine Aufteilung von Verantwortung für unterschiedliche Methoden an verschiedene Mitarbeiter, den Idealfall darstellt. Unterschiedliche Formen der Elternarbeit werden von verschiedenen Mitarbeitern eines Heimes mit unterschiedlichen Qualifikationen durchgeführt.

Meiner Auffassung nach können Gruppenerzieher ohne zusätzliche Qualifikation bspw. keine therapeutischen Familieninterventionen durchführen. Aufgrund ihrer Unkenntnis helfen sie den Betroffenen letztlich nicht, sondern können ihnen im Gegenteil sogar Schaden zufügen. Infolgedessen bestehen Voraussetzungen zur Umsetzung von Elternarbeit, die im nächsten Kapitel beschrieben werden.

7 Voraussetzungen für die Elternarbeit

Um Eltemarbeit in der Heimerziehung anhand von Methoden effektiv gestalten zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Besonders ist es von Bedeutung, dass die Fachkräfte einen Einblick in die Lebenswelt der Eltern erhalten dürfen, mit dem Ziel, Kenntnisse über ihre Lebensverhältnisse zu gewinnen. Die Fachkraft sollte durch Aufnahmebögen, Gespräche oder Berichte von Vorgängern wahrheitsgemäße Informationen sammeln. Speziell spielen Ausführungen der Schichtzugehörigkeit, Einkommensverhältnisse, Wohnverhältnisse, Familiensituation, gesellschaftliche Situation, Sprachfertigkeit etc. eine wichtige Rolle (vgl. Furian 1982, S.29ff.). Außerdem sollte das Heim eine spezifische Stabilität aufweisen. Sollte das Personal ständig wechseln, besteht die Gefahr, dass sich die Organisationsstruktur aufgrund der fehlenden Konzeption ständig verändert (vgl. Lambach 1987, S.174). Konzeption gilt als Leitidee, wie man die Arbeit mit Eltern gestaltet, mit ihnen umgeht. Eine klare Rollenverteilung in der Einrichtung ist für die Ausführung der Aufgaben unabdingbar. Die Rolle der Mitarbeiter sollte für Eltern, wie auch für andere Arbeitsbereiche, klar definiert sein. Der Mitarbeiter kann sich aufgrund der Kenntnis seiner Rolle kritisch hinterfragen, ob er die Aufgabe gerecht erfüllt hat (vgl. Hölzl/ Schmidt 1989, S.61).

Eine weitere Voraussetzung für Elternarbeit ist die effektive Kooperation zwischen Jugendamt, Heim und Eltern. So verändert sich die Familie in ihrer Struktur, sobald ein Kind aus der Familie genommen wird. Das System Familie erweitert sich um die Systeme Heim und Jugendamt, wobei das Jugendamt für die Gewährleistung der gesetzlich kodifizierten Leistungen zuständig ist. „Zur Realisierung einer vertrauensvollen und dem Kind dienlichen Zusammenarbeit, bei der Konkurrenz um die (bessere) Elternschaft soweit wie möglich vermieden wird, bedarf es in verstärktem Umfang der vermittelnden, moderierenden und konfliktschlichtenden Aktivität von Fachkräften der Jugendhilfe (ASD, Pflegekinderdienst, spezialisierte freie Träger)“ (Münder et al. 2006, S.516). Um ein partnerschaftliches Zusammenarbeiten aller Beteiligten zu gewährleisten, nimmt das Jugendamt somit eine Art Vermittlungsposition zwischen den Eltern und dem Heim ein. „Doch diese Aufgabe wird nicht injedem Einzelfall von den Jugendämtern wahrgenommen und wird zudem in der Praxis durchaus kontrovers diskutiert“ (Schulze-Krüdener 2007, S.106). Aber auch andere am Erziehungsprozess Beteiligten sind für Elternarbeit bedeutend, dennjede professionelle Rolle ermöglicht andere Zugangs- und Kontaktchancen zu der Familie (vgl. Specht/ Grosse 1994, S.563).

Probleme können in diesem Dreiecksverhältnis Jugendamt-Heim-Eltem aufgrund des unterschiedlichen Verständnisses von Kooperation entstehen. Gegenseitige Akzeptanz, der Wille zur gemeinsamen Arbeit, wie auch das Vertrauen in die Kooperationsarbeit sind für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit unausweichlich (vgl. Schulze-Krüdener 2007, S.109f.).

Ein gutes Bündnis der Zusammenarbeit zwischen den drei Parteien Eltern, Heim und Jugendamt kann nur dann entstehen, wenn alle Beteiligten auch die gleichen Ziele verfolgen. Noch vor der Aufnahme des Kindes im Heim steht die Zielformulierung im Zentrum, für die viel Zeit in Anspruch genommen werden sollte, um schließlich spätere Unklarheiten zu vermeiden (vgl. Lemme 1996, S.132). „Die sozialen Dienste sind im Kontext des Hilfeplanungsprozesses (verstanden als kommunikativer Prozess) in erster Linie zuständig für die Herstellung optimaler Rahmenbedingungen für diesen Aushandlungsprozess“ (Schulze-Krüdener 2007, S.107f.). In der Praxis erweist sich jedoch die gemeinsame Zielsetzung als schwer umsetzbar bzw. unrealistisch, da die Ziele der Mitarbeiter mit denen der Eltern selten deckungsgleich sind und unter identischen Formulierungen oftmals Verschiedenes verstanden wird (vgl. Hölzl/ Schmidt 1989, S.56). Aus diesem Grund ist die „richtige“ Umsetzung des Hilfeplangesprächs als Methode der Elternarbeit bedeutend, das ein regelmäßiges Zusammentreffen aller am Hilfeprozess Beteiligten garantieren soll, um immer wieder die Ziele dem Prozessverlauf anpassen zu können. Dabei ist ferner zu überlegen, ob diesen verschiedenen Ansichten der Beteiligten in Hinblick auf die Zielsetzung nicht auch Positives abzugewinnen ist. Dementsprechend kann ein erfolgreicher Aushandlungsprozess meines Erachtens auch als Zielentwicklung betrachtet werden und die zukünftige Vorgehensweise bestimmen.

Das Jugendamt nimmt eine undurchschaubare Rolle ein, da es sowohl als beratende und begleitende Institution funktioniert, aber auch die Kontrollfunktion wahrnimmt. Die knappen zeitlichen Ressourcen machen sich hier deutlich bemerkbar. Die Mitarbeiter des Jugendamtes sind in der Regel mit mehreren Fällen beschäftigt und besitzen dementsprechend weniger Zeit für den Einzelfall (vgl. Lemme 1996, S.123). So sind seitens des Jugendamtes die Möglichkeiten der Hilfe sehr begrenzt und regelmäßige Beratungsgespräche aufgrund der hohen Anzahl der zu betreuenden Familien schwierig. Der Jugendamtsmitarbeiter hat nach der Unterbringung weiterhin mit dem Fall zu tun: Berichte des Heimes über die kindlichen Entwicklungen müssen entgegengenommen werden; eventuell sind weitere Gespräche mit Mitarbeitern des Heimes und mit den Eltern nötig (vgl. Conen 2002, S.129). Bedingt durch die unterschiedlichen Machtverhältnisse zwischen Jugendamt, Heim und Eltern kann eine effektive Zusammenarbeit in der Praxis nicht immer umgesetzt werden (vgl. Schulze-Krüdener 2007, S.107).

Aufgrund des unterschiedlichen Verständnisses von Kooperation sowie der unterschiedlichen Zielsetzungen wird die Wahrscheinlichkeit einer effektiven Methodenumsetzung reduziert. Es verlangt vor allem nach Bemühungen seitens der professionellen Fachkräfte, mit ihren Qualifikationen diese Voraussetzungen für eine effektive Elternarbeit umzusetzen. Die Eltern müssen respektiert werden, da sie vor allem „das Bestmögliche für/mit dem Kind tun, was nicht immer das Beste für das Kind ist“ (Conen 1992, S.21). In Hinblick auf die Elternarbeit sollten das Jugendamt sowie die stationäre Einrichtung das Beziehungsmuster zwischen Eltern und Kind verbessern und die Erziehungsfähigkeit der Eltern stärken, sie zur Mitarbeit motivieren, sodass elterliche Ansichten in die Heimerziehung Eingang finden (vgl. Schulze-Krüdener 2007, S.110). Es geht um die Gewährleistung der elterlichen Beteiligungs- und Mitentscheidungsrechte bei der Planung des Hilfeprozesses. So wird in Hinblick auf die Elternarbeit die Kooperation der Erwachsenen mehr im Mittelpunkt stehen und der Fokus wird weniger auf das Kind gerichtet. Durch die Ablenkung des Arbeitssystems Jugendamt-Heim-Familie vom Symptomträger wird das Kind beachtlich entlastet (vgl. Lemme 1996, S.120).

Zusammenfassend sind die grundlegendsten Voraussetzungen von Elternarbeit eine effektive Kooperation zwischen Jugendamt, Heim und Eltern sowie eine klare Rollen- und Aufgabenverteilung. Insbesondere muss die Lebenslage der Familie gezielt untersucht und ein regelmäßiger Kontakt aller am Hilfeprozess Beteiligten gewährleistet werden. Doch mit den unterschiedlichen Kompetenzen gehen Machtgefälle einher und es erhebt sich die Frage, wie unter diesen Bedingungen ein partnerschaftliches Verhältnis entstehen kann. Wie muss ein solches Arbeitsbündnis aussehen, um eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zu gewährleisten? So werden die Eltern „nicht durchweg als Auftraggeber, Partner oder Kunden betrachtet, sondern auch als Störer angesehen, die partnerschaftliche Zusammenarbeit wird als Alibi-Begriff verstanden und das Erfordernis einer intensiven, ressourcenaktivierenden Elternarbeit nicht anerkannt bzw. die Ressource ,Elternarbeit’ nicht genutzt“ (Schulze-Krüdener 2007, S.108f.).

Im Folgenden wird der Fokus auf das Arbeitsbündnis von Eltern und Heim gelenkt, das tagtäglich in der stationären Einrichtung auf die Probe gestellt wird. Daran anschließend werden in Kapitel 10, dem Schwerpunkt der Arbeit, Methoden der Elternarbeit untersucht, die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Eltern aufbauen oder erhalten können. Zur Umsetzung der spezifischen Methoden bedarf es wiederum verschiedener Voraussetzungen, wie z.B. Beteiligung und Motivation der Eltern, die in dem Kapitel 14 ersichtlich werden. Zu fragen bleibt, wie ein Einstieg in die Elternarbeit aussehen kann, wenn die oben beschriebenen Voraussetzungen nicht gegeben sind.

8 Eltern und Fachkräfte - ein partnerschaftliches Verhältnis?

Die Unterbringung des Kindes in eine Heimeinrichtung stellt einen massiven Eingriff in die bestehende Familienstruktur dar. Besteht Sorge um die kindliche gesundheitliche Entwicklung, kann eine zeitlich befristete bzw. dauernde Trennung von der Herkunftsfamilie notwendig sein. Eltern haben das Recht, ihr Kind in ein Heim zu geben, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist (§27 SGB VIII). Die Frage ist, ob die Eltern ihr „Versagen“ für eine solche Situation eingestehen können, ohne von außen darauf gestoßen zu werden. Besteht eine Kindeswohlgefährdung nach §1666 BGB, kann das Familiengericht auf Initiative des Jugendamtes eine unverzügliche Fremdunterbringung anfordern (vgl. Betz 1992, S.174). Vor der

Fremdunterbringung des Kindes in eine Einrichtung wurden meist andere Hilfemaßnahmen angewandt, die schlussendlich nichts bewirkt hatten. Die letzte Verbindung mit dem Jugendamt stellt einen wichtigen Punkt dar, da dieser Kontakt erhebliche Auswirkungen auf die elterlichen Einstellungen gegenüber dem Heim haben kann (vgl. Burchard/ Salwik 1995, S.89).

Auf dieser Basis nun soll ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen den Fachkräften und Eltern entstehen, welches als Grundlage für eine effektive Elternarbeit gilt. Aufgrund dieser Ausgangssituation gestaltet es sich aber als schwierig, Eltern im Hilfeprozess für eine aktive Mitarbeit zu gewinnen, da ihre Einstellungen zu Institutionen meist negativ geprägt sind.

Mit dem Begriff „Partnerschaft“ wird eine Gleichberechtigung von Familie und Heim verbunden. Partnerschaft impliziert ein Arbeitsbündnis zwischen Familie und Heim, bei dem beide ähnliche Ziele verfolgen und zusammenarbeiten. Erziehungspartnerschaft bedeutet, dass Eltern Möglichkeiten der Mitwirkung und Mitbestimmung in der Heimerziehung erhalten. Zudem umfasst sie den wechselseitigen Austausch von Erziehern und Eltern über die Erziehungsziele und -methoden.

[...]

Fin de l'extrait de 198 pages

Résumé des informations

Titre
Praxis und Methoden der Erziehungspartnerschaft im Heim
Sous-titre
Eine kritische Reflexion
Université
University of Trier
Cours
Pädagogik / Erziehungswissenschaften
Note
1,7
Auteur
Année
2010
Pages
198
N° de catalogue
V180724
ISBN (ebook)
9783656035336
Taille d'un fichier
6587 KB
Langue
allemand
Annotations
Keine empirische, sondern eine rein literarische Diplomarbeit
Mots clés
Elternarbeit, Methoden, Heim, Untebringung, stationär, Elternpartnerschaft, Kooperation, Zusammenarbeit, Elternberatung, Elterntraining, Familientherapie, Familienaktivierung, Trauerarbeit, Ablösevorgang, KJHG, Hindernisse, Grenzen, Fallarbeit, Elternsprechstunde, Elternabend, Hausbesuch, Hilfeplangespräch, Elterngruppen, Familienfreizeit, Video-Home, Jugendamt, Heimerziehung, Mitarbeit, Partner, Erziehung, Jugendhilfe, Herkunftsfamilie, Familie, Einrichtung, Familienarbeit, Heimaufenthalt, Arbeitsbündnis, Motivation, Erziehungspartnerschaft, Praxis
Citation du texte
Jacqueline Ka (Auteur), 2010, Praxis und Methoden der Erziehungspartnerschaft im Heim, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180724

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