Auswirkungen des Ausbaus erneuerbarer Energien auf konventionelle Kraftwerksportfolios


Tesis, 2011

125 Páginas


Extracto


Inhaltsverzeichnis

II. Kurzfassung

III Abstract

Indizes

Variablen der Modellierung

Abkürzungen

1 Einleitung
1.1 Rahmenbedingungen
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

2 Grundlagen des aktuellen Strommarktdesigns
2.1 Liberalisierung der Energiewirtschaft
2.2 Veränderte Wettbewerbsbedingungen
2.3 Marktdesign und Investitionen in Theorie und Praxis
2.3.1 Der energy-only Markt
2.3.2 Mögliche Gründe für Marktversagen

3 Modellierung der Leistungsentwicklung
3.1 Analyse und Modellbildung
3.1.1 Eingrenzung des Betrachtungsbereichs
3.1.2 Einflussgrößen auf die Wirtschaftlichkeit
3.2 Methodik und Verfahren
3.2.1 Bewertungsmethode
3.2.2 Mechanismus zur Leistungsentwicklung
3.2.3 Akteurverhalten
3.2.4 Clustering des Kraftwerksparks

4 Modellierung der Versorgungssicherheit
4.1 Grundlagen der Versorgungssicherheit
4.1.1 Begriffsklärung
4.1.2 Verantwortlichkeit für Versorgungssicherheit
4.2 Messung von Versorgungssicherheit
4.2.1 Kriterien zur Untersuchung der Versorgungssicherheit
4.2.2 Verfahrensarten zur Untersuchung der Versorgungssicherheit
4.3 Analyse und Modellbildung
4.3.1 Nachfrage
4.3.2 Konventionelle Kraftwerke
4.3.3 Windkraft
4.3.4 Photovoltaik
4.3.5 Wasserkraft, Biomasse, Geothermie
4.3.6 Systemdienstleistungen
4.3.7 Demand Side Management
4.3.8 Internationaler Stromhandel
4.4 Methodik und Implementierung
4.4.1 Zusätzliche Annahmen
4.4.2 Mathematische Darstellung der Modellierung
4.4.3 Technische Implementierung und Zufallsgeneratoren

5 Untersuchungen
5.1 Szenarios
5.2 Datenmodell
5.3 Ex-post Betrachtung – 2010 (Backtesting)
5.3.1 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
5.3.2 Versorgungssicherheit
5.3.3 Bewertung der Ergebnisse
5.4 Ex-ante Betrachtung – 2015 bis 2020
5.4.1 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
5.4.2 Versorgungssicherheit
5.4.3 Bewertung der Ergebnisse
5.5 Sensitivitätsuntersuchungen
5.5.1 Einfluss des Winddargebots
5.5.2 Einfluss der Stromnachfrage
5.5.3 Gesonderte Berücksichtigung von Systemdienstleistungen
5.5.4 Einfluss des Untersuchungszeitpunktes

6 Zusammenfassung und Ausblick

7 Abbildungsverzeichnis

8 Tabellenverzeichnis

9 Literaturverzeichnis

10 Anhang

A. Höchstlasten in Deutschland nach Datum und Uhrzeit

B. Unterscheidung der Arbeitsnichtverfügbarkeiten von Steinkohlekraftwerken in Deutschland

C. Personalbedarf in Kraftwerken

II. Kurzfassung

Die Energiebranche ist derzeit gezeichnet von wechselnden ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie einer Verringerung der Auslastung konventioneller Kraftwerke. In dieser Arbeit wird untersucht, ob das aktuelle Strommarktdesign unter Berücksichtigung des zunehmenden Ausbaus erneuerbarer Energien in der Lage ist, ein sicheres und nachhaltiges deutsches Kraftwerksportfolio zu gewährleisten. Aus diesem Grund wird die Leistungsentwicklung des deutschen Kraftwerksparks mit besonderer Berücksichtigung fossiler Technologien bis 2020 mithilfe eines Modells prognostiziert, das Optionsbewertung und fixe Kosten von Anlagen zusammenführt. Darauf aufbauend wird die Versorgungssicherheit Deutschlands auf Basis einer Monte-Carlo-Simulation für die berechneten Szenarios ermittelt. Die Ergebnisse zeigen, dass Neuinvestitionen in konventionelle Erzeugungskapazitäten sich nur in Einzelfällen lohnen. Insgesamt sinken die konventionelle Kraftwerksleistung und – trotz des massiven Ausbaus regenerativer Erzeugungstechnologien – das Niveau der Versorgungssicherheit.

III Abstract

The energy sector is currently undergoing numerous changes of its economic and legal framework, while the utilization of conventional power plants is decreasing. This work assesses whether the current electricity market design in Germany is able to provide the necessary incentives for investments in safe and sustainable generation capacity when considering the increasing amount of renewable energy sources. For this reason, the capacity development Germany’s power plant portfolio ‑ with special regard to fossil plants ‑ is predicted using a real-option approach that also considers fixed costs of the assets. Building on that, Germany’s generation adequacy is assessed using a Monte Carlo method. Results show that investment in new conventional capacity is only profitable in exceptional cases. Overall, the amount of conventional capacity and – despite the massive increase in renewable technologies – the level of generation adequacy are declining.

Formelzeichen und Abkürzungen

Indizes

Variablen der Modellierung

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Rahmenbedingungen

Die Energiewirtschaft befindet sich derzeit in einem starken Wandel, der Energieerzeuger vor neue Herausforderungen stellt. Dabei spielen seit einigen Jahren die regenerativen Energien eine zentrale Rolle im liberalisierten Strommarkt. Um die Klimaschutzziele von EU und Bundesregierung zu erreichen, werden sie durch den Staat mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mittels garantierten Einspeisevergütungen sowie einer Vorrangeinspeisung ins Stromnetz gefördert. Als Folge dieser Entwicklung stehen konventionelle Kraftwerke, die Strom aus fossilen Brennstoffen oder per Kernspaltung gewinnen, unter zunehmendem wirtschaftlichem Druck. Sie konkurrieren in einem immer kleiner werdenden Residualmarkt mit der Konsequenz, dass deren Auslastung abnimmt und die erzielbaren Margen sinken. Bereits heute decken bestimmte Kraftwerkstypen nicht mehr ihre Vollkosten. Verstärkt wird diese Problematik durch die Vollauktionierung von CO2-Zertifikaten an der Leipziger Strombörse EEX ab dem Jahr 2013. Stilllegungen von Erzeugungskapazitäten könnten die Folge sein.

Kraftwerksbetreiber weisen zudem darauf hin, dass sich Investitionen in neue fossile Erzeugungskapazitäten, aber auch in Pumpspeicherkraftwerke, als Folge dieser Entwicklung ökonomisch nicht mehr rentierten.

Nicht nur die Förderung regenerativer Energien durch die Klimapolitik der Bundesregierung, sondern auch die jüngsten Ereignisse in Japan tragen in erheblichem Maße zu einer Veränderung des Strommarktes bei. Infolge des schweren Erdbebens und des daraus resultierenden Tsunamis am 11. März 2011 wurde das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi so stark beschädigt, dass es zu Kernschmelzen bei drei Reaktoren kam [1]. Als Reaktion auf diese Vorfälle entwickelte sich eine heftige Diskussion um die Sicherheit deutscher Kernkraftwerke und die Zukunft der Atomkraft in Deutschland im Allgemeinen. Das in diesem Zuge ausgesprochene Atom-Moratorium der Bundesregierung vom 14. März 2011 rückte auch die Frage nach der Versorgungssicherheit Deutschlands in den Fokus. Neben einer Sicherheitsprüfung aller 17 deutschen Kernkraftwerke wurde auch die sofortige Abschaltung der sieben ältesten Reaktoren beschlossen. Die im Weiteren von der Politik beschlossene „Energiewende“ sieht die endgültige Stilllegung der vom Moratorium betroffenen Kraftwerke sowie die schrittweise Außerbetriebnahme der verbleibenden Kernkraftwerke bis zum Jahr 2022 vor. Diese Stilllegungen verschärfen im kommenden und darauf folgenden Winter die Versorgungssituation in Deutschland. Mit Inbetriebnahmen von einigen zurzeit im Neubau befindlichen Steinkohlenkraftwerken ab dem Jahr 2013 sollte sich die Situation aber zunächst entspannen.

Mit den genannten Veränderungen entstehen für Kraftwerksbetreiber zahlreiche Herausforderungen. Das aktuell herrschende Marktdesign setzt auf endogene Investitionsanreize über den Strompreis. Fraglich ist allerdings, ob diese angesichts der beschriebenen regulatorischen und politischen Eingriffe im liberalisierten Strommarkt noch zustande kommen. Daher wird auf dem politischen Parkett bereits über die Einführung von Kapazitätsmärkten diskutiert, einem weiteren regulatorischen Eingriff in den Strommarkt. In der Tat stellt sich die Frage, ob die Einführung weiterer Kapazitätselemente im Strommarkt die Versorgungssicherheit gewährleisten kann.

1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

Gegenstand dieser Arbeit ist die Frage, ob das aktuelle Strommarktdesign unter Berücksichtigung der aufgezeigten Veränderungen im Markt, insbesondere hinsichtlich des Ausbaus erneuerbarer Energien, in der Lage ist, ein sicheres und nachhaltiges deutsches Kraftwerksportfolio zu gewährleisten. Mitentscheidend ist hierfür die Leistungsentwicklung des fossil gefeuerten Kraftwerksparks.

Zunächst wird in Kapitel 2 das dem liberalisierten Strommarkt derzeit zugrunde liegende Marktmodell vorgestellt. Dabei wird auch auf die Veränderungen eingegangen, die den Markt in den vergangenen Jahren beeinflusst haben und ihm eine Richtung für die zukünftige Entwicklungen weisen. Nach der Erläuterung, wie ein solcher Markt in der Theorie funktioniert, werden Anforderungen und Gegebenheiten aus der Praxis aufgezeigt, die seine Anreizwirkung beeinträchtigen können. Anschließend wird in Kapitel 3 hinterfragt, ob sich daraus ein zu geringes Maß an verfügbarer Kapazität im Strommarkt mit Implikationen auf die Versorgungssicherheit entwickelt. Zu diesem Zweck wird zunächst die Modellierung der Leistungsentwicklung des deutschen Kraftwerksparks von 2010 bis 2020 beschrieben. Die dabei modellendogen getroffenen Konservierungs- und Investitionsentscheidungen werden nach rein ökonomischen Gesichtspunkten getroffen, um die Aussagekraft in Bezug auf das Marktdesign zu verstärken. Um die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Fähigkeit einer bislang noch größtenteils autonomen deutschen Stromversorgung zu prognostizieren, wird in Kapitel 4 detailliert auf das Thema Versorgungssicherheit eingegangen. Hierfür werden zunächst grundlegende Begrifflichkeiten geklärt und gegeneinander abgegrenzt. Darüber hinaus wird die Frage nach der rechtlichen Verantwortlichkeit für die Sicherheit in der Elektrizitätsversorgung behandelt. Eine Vorstellung sowie ein Vergleich verschiedener Methoden zur Messung der Versorgungssicherheit schließen sich an. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den erneuerbaren Energien und der Messung ihres Beitrags zu einer gesicherten Stromversorgung in Deutschland. Für weitergehende Untersuchungen wird ein Simulationsmodell entwickelt und die dafür relevanten Faktoren innerhalb der Energiewirtschaft analysiert. Das Kapitel schließt mit einer Beschreibung der spezifischen Herausforderungen einer solchen Simulation sowie einer Erläuterung ihrer Implementierung in einer Programmiersprache. Die Präsentation der Ergebnisse der Modellierung der Leistungsentwicklung und deren Konsequenzen auf die Versorgungssicherheit erfolgt in Kapitel 5. Neben der Analyse und Bewertung der Sicherheitsreserven werden insbesondere die Verlässlichkeit der Windenergie und die Notwendigkeit der Vorhaltung konventioneller Kraftwerke fokussiert. Kapitel 6 schließt die Arbeit mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und einem Ausblick auf weiterführende Forschungsmöglichkeiten innerhalb des Themenfeldes ab.

2 Grundlagen des aktuellen Strommarktdesigns

Im Folgenden wird ein Überblick über die Funktionsweise des Strommarktes in der liberalisierten Energiewirtschaft gegeben und auf die veränderten Wettbewerbsbedingungen eingegangen. Im Anschluss wird das aktuelle Strommarktdesign im Detail beschrieben. Darauf aufbauend werden mögliche Probleme beleuchtet, die bei einem solchen Design zum Marktversagen führen können.

2.1 Liberalisierung der Energiewirtschaft

Um mehr Wettbewerb im Energiemarkt zu gewährleisten, haben die EU gegen Ende der 90er Jahre und die deutsche Bundesregierung zu Beginn des letzten Jahrzehnts begonnen, eine Reihe von Richtlinien und Gesetzen zur Liberalisierung der Energiewirtschaft erlassen. Diese sollen einen fairen und unverfälschten Wettbewerb sowie günstigere Strom- und Gaspreise durch verursachungsgerechte Zuordnung der Netzbetriebskosten ermöglichen. Quersubventionen und Missbrauchsspielräume von integrierten Versorgern sollen hingegen vermieden werden. Zu diesem Zweck wurde mit dem sog. Unbundling eine Trennung von Wettbewerbs- und Monopolbereichen bewirkt. Zu den Wettbewerbsbereichen zählen die Erzeugung, der Handel sowie der Vertrieb von Elektrizität. Für den Transport von Strom und Gas ist hingegen eine Infrastruktur mit hohen Investitionskosten notwendig, deren Parallelbau volkswirtschaftlich nicht als sinnvoll erachtet wird. Aus diesem Grund werden Stromnetze als natürliche Monopole angesehen und es wird ein alleiniger Anbieter akzeptiert, da dieser durch Fixkosten-Degression geringere Durchschnittskosten aufweist und Synergien nutzen kann. Die Netzbetreiber werden jedoch staatlich reguliert, um Anreize zur Kostensenkung zu schaffen und einen diskriminierungsfreien Zugang für alle Marktteilnehmer zu ermöglichen [2].

Diese Entkoppelung ermöglicht es, auch Unternehmen ohne eigene Erzeugungs- und Transportkapazitäten am Wettbewerb teilzuhaben zu lassen, wodurch das Thema Energiehandel in Deutschland und Europa signifikant an Bedeutung gewinnt. Im Zuge dessen wurden Energiebörsen gegründet, auf denen Angebot und Nachfrage zusammengeführt werden. Der für Deutschland relevante Handelsplatz ist die European Energy Exchange (EEX), deren Preisfindung über eine zweiseitige Auktion (Double Auction) stattfindet [3]. Dabei sind sowohl Kauf- als auch Verkaufsangebote möglich. Einmal pro Tag wird über eine Aggregation aller Gebote zu Angebots- und Nachfragefunktionen ein einheitlicher Börsenpreis in stündlicher Auflösung für den Day Ahead Markt bestimmt. Dieser besitzt eine Allokationsfunktion, da die Reihenfolge, in der die Anbieter einen Zuschlag erhalten, streng nach ihrem Angebotspreis festgelegt wird. Das teuerste eingesetzte Kraftwerk zur Erfüllung der Nachfrage legt den Preis für alle anderen Kraftwerke fest. Dadurch können alle weiteren Kraftwerke mit günstigeren Erzeugungskosten die verbleibende Marge zur Fixkostendeckung einsetzen. Besonders für Kraftwerke mit einem hohen Fixkostenanteil wie Braunkohle-, Steinkohle- oder Kernkraftwerke ist dies relevant. Ein derartiges Auktionsverfahren soll bewirken, dass Anlagenbetreiber den Strom zu ihren jeweiligen variablen Grenzkosten anbieten. Die so entstehende Einsatzreihenfolge der Kraftwerke wird als Merit-Order bezeichnet. In Abbildung 2.1 ist anhand einer stilisierten Merit-Order das Prinzip der Preisfindung an der Börse und die daraus entstehende Entlohnung der Anlagen veranschaulicht.

Abbildung 2.1: Darstellung der börslichen Preisfindung anhand der Merit-Order

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Struktur der Merit-Order, die primär durch die unterschiedlichen Erzeugungstechnologien entsteht, ist der technologischen und ökonomischen Besonderheit des Gutes Strom geschuldet. Wäre Strom kostenlos und in großem Maße lagerfähig, würde man zu seiner Erzeugung ausschließlich die Technologie mit den geringsten Durchschnittskosten nutzen [4]. Da dies jedoch nicht möglich ist, müssen Angebot und Nachfrage jederzeit im Einklang stehen. Dafür benötigt man neben Grundlastkraftwerken mit niedrigen variablen Erzeugungskosten auch Spitzenlastkraftwerke, um Saisonalitäten und Tagesschwankungen decken zu können. Solche Anlagen, wie z.B. Gasturbinenkraftwerke, zeichnen sich durch niedrigere Fixkosten und höhere variable Kosten aus. Da sich ihre Fixkosten am Markt schneller zurückverdienen lassen sind sie daher eher geeignet, in einer geringen Anzahl von hochpreisigen Stunden zu laufen. In Abbildung 2.2 ist dieser Zusammenhang schematisch dargestellt.

Abbildung 2.2: Erlössituationen für Grund-, Mittel- und Spitzenlastkraftwerke

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an [5]

Während Spitzenlastkraftwerke nur in wenigen hochpreisigen Stunden im Bereich A in Betrieb sind, sind Grundlastkraftwerke in vielen Stunden im Einsatz und erwirtschaften im gesamten Bereich A+B+C Erlöse über ihren Grenzkosten. Diese können zur Deckung ihrer hohen Fixkosten verwendet werden. Alle nicht preissetzenden Kraftwerke sind demnach „price taker“ und profitieren mit von höheren variablen Kosten anderer Kraftwerke [6]. Hohe Preise zu Peak-Zeiten stellen somit für alle Kraftwerkstypen eine wichtige Einnahmequelle dar.

Der Einfluss der jüngsten Entscheidungen im Hinblick auf die deutsche Atompolitik, die umfangreiche Förderung regenerativer Erzeugung sowie weitere Einflüsse auf das Preisniveau und das Erzeugungsangebot im Elektrizitätsmarkt werden im Folgenden näher erläutert.

2.2 Veränderte Wettbewerbsbedingungen

In den letzten zehn Jahren war der deutsche Strommarkt geprägt von massiven Veränderungen und regulatorischen Eingriffen in das Marktgeschehen seitens der Politik. Neben der Liberalisierung der Elektrizitätswirtschaft sind vor allem zwei weitere Faktoren zu nennen: Die vielfach geänderte Linie hinsichtlich der Atompolitk sowie die starke Förderung erneuerbarer Energien.

Der im Jahr 2000 von SPD und Grünen beschlossene und im Jahr 2002 im Atomgesetz festgehaltene Ausstieg aus der Kernenergie sah eine schrittweise Schließung der Kraftwerke entsprechend zugestandener Reststrommengen vor. Dieser Beschluss bewirkte in Erwartung der baldigen Stilllegung sämtlicher Kernkraftwerke einen signifikanten Zuwachs von Neubauprojekten. Zwei Legislaturperioden später sollten diese Entscheidungen teilweise revidiert werden. Die geplante Laufzeitverlängerung wurde jedoch nach den Unfällen im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi wieder aufgehoben und eine „Energiewende“ in Deutschland beschlossen, die die sofortige Stilllegung von acht Kernkraftwerken sowie ein schrittweises Abschalten aller Kernkraftwerke bis 2022 vorsieht [7]. In Tabelle 2.1 wird eine Übersicht über die unterschiedlichen Abschaltzeitpunkte nach alten und neuen Regelungen gegeben.

Tabelle 2.1: Geplante Abschaltzeitpunkte der deutschen Kernkraftwerke

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle:[7,8]

Die Kombination aus Neubauprogrammen und Laufzeitverlängerung bewirkte eine Überkapazität bei der Kraftwerksleistung von ca. 22% im deutschen Markt [9]. Obwohl die Laufzeitverlängerung mittlerweile in großen Teilen wieder zurückgenommen wurde, und durch das Abschalten von mehreren Kernkraftwerken gleichzeitig erhebliche Kapazitäten aus dem Markt genommen wurden, findet sich für Neubauten und ältere Kraftwerke zeitweise kein ausreichend hohes Preisniveau, um diese rentabel zu betreiben. Diese Entwicklung ist vor allem der starken Förderung erneuerbarer Energiequellen geschuldet. Um den Klimaschutzzielen der EU und der Bundesregierung Rechnung zu tragen, wurde im deutschen Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) eine Vorrangeinspeisung für Strom aus regenerativer Erzeugung festgelegt (§ 21 und § 8 Abs.1 EEG). Darüber hinaus sind technologieabhängig feste Vergütungssätze über einen Zeitraum von bis zu 20 Jahren vorgesehen, die Investitionen in erneuerbare Technologien sicherer machen und somit deren Ausbau fördern sollen. Mittels einer Degression dieser Fördersätze werden darüber hinaus der technische Fortschritt sowie Lerneffekte im Umgang mit diesen Technologien berücksichtigt.

Durch ihren Vorrang im Netz müssen konventionelle Kraftwerke nur noch die Differenz zwischen regenerativer Einspeisung und Nachfrage, die sogenannte Residuallast, decken. Diese Auswirkung auf den börslichen Strompreis wird auch Merit-Order-Effekt genannt und ist in Abbildung 2.3 grafisch dargestellt [10].

Abbildung 2.3: Merit-Order-Effekt durch hohe Einspeisung erneuerbarer Energien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Besonders zu Peak-Zeiten bewirkt eine hohe Einspeisung von Strom aus Wind und Photovoltaik eine Verdrängung teurer Öl- und Gaskraftwerke, die ansonsten preissetzend gewesen wären. Für die Endverbraucher bedeuten diese niedrigeren Großhandelspreise jedoch keine fallenden Strompreise, da im Gegenzug höhere EEG-Differenzkosten anfallen. Die dadurch steigende EEG-Umlage wird vom Endverbraucher getragen. Dabei weisen regenerative Erzeugungstechnologien bis dato höhere Stromgestehungskosten auf als konventionelle [11]. Neben dem Preiseffekt sinkt gleichzeitig der Einsatzbedarf von Kraftwerken im Vergleich zu Zeiten, in denen der Anteil erneuerbarer Erzeugung noch verhältnismäßig unbedeutend war. Mit Hilfe von Abbildung 2.4 werden die möglichen Fälle, die aus der Kombination von Nachfragehöhe sowie der Einspeisung von Strom aus Wind und Photovoltaik entstehen, veranschaulicht. Lediglich im Falle hoher Last bei niedriger regenerativer Einspeisung ist ein hohes Preisniveau zu erwarten. In den anderen Fällen deckt der Strom aus erneuerbaren Quellen bereits einen mittleren bis großen Teil der Nachfrage ab und senkt gleichzeitig den Marktpreis für die konventionellen Anlagen und damit deren Erlösmöglichkeiten.

Abbildung 2.4: Last- und Einspeisesituation bestimmen das System

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an [12]

Ein hoher Anteil regenerativer Erzeugung stellt strengere Qualitätsanforderungen an den Kraftwerkspark. Die durch schwankende Einspeisung schlechter prognostizierbare Residuallast erfordert stellenweise schnelle Lastwechsel. Dafür wird ein flexibler und schnell regelbarer Kraftwerkspark benötigt [12]. Der Wettbewerbsdruck unter konventionellen Anlagen ist dadurch in den vergangenen Jahren stark gestiegen und hat das Spannungsfeld von Effizienz und Verfügbarkeit um Flexibilität ergänzt. Eine Fahrweise im Lastfolgebetrieb erfordert mehr An- und Abfahrten von Kraftwerken und bewirkt somit einen höheren Verschleiß sowie höhere Nichtverfügbarkeiten. In Anhang B lässt sich eine über die letzten zehn Jahre steigende Wahrscheinlichkeit für Nichtverfügbarkeiten erkennen, die nur teilweise auf den alternden deutschen Kraftwerkspark zurückzuführen ist [13]. Um die Stromgestehungskosten zu mindern, setzen Kraftwerksbetreiber auch zunehmend auf Kosteneinsparungen. Diese spiegeln sich in weniger Service-Personal sowie zustandsorientierten und „postmortalen“ Instandhaltungsstrategien wider. Diese sehen Reparaturen lediglich bei einem Ausfall von Systemkomponenten vor [14].

Die aktuellen Clean Spreads – also der erzielte Strompreis abzüglich Brennstoff- und CO2-Kosten – sind laut Aussagen der Kraftwerksbetreiber trotz kostensenkender Maßnahmen nicht hinreichend gestiegen, um einen Anreiz für Neuinvestitionen zu bieten. Auch das Atom-Moratorium zeigte trotz seiner angebotsverknappenden Wirkung nur eine bedingte Anhebung des Preisniveaus auf dem Spotmarkt. Aktuell deckt Deutschland gemäß der Angaben europäischer Netzbetreiber große Teile seiner Stromnachfrage mit günstigem Strom aus Nachbarländern, insbesondere Frankreich und Tschechien [15]. Dadurch verbessert sich die Lage für ältere Kraftwerke mit höheren variablen Kosten nur marginal. Sofern Deutschland auf lange Sicht kein Netto-Stromimporteuer werden soll, sind in den kommenden Jahren erhebliche Neubauprogramme notwendig, da einerseits altersbedingt, andererseits wirtschaftlich bedingt viele Kraftwerke aus dem Markt ausscheiden werden. Zur Veranschaulichung ist in Abbildung 2.5 die von der dena prognostizierte Sterbelinie der inländischen Kraftwerke illustriert.

Abbildung 2.5: Entwicklung der Nettoengpassleistung bestehender Kraftwerke

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: [16]

2.3 Marktdesign und Investitionen in Theorie und Praxis

Die aufgezeigten Marktentwicklungen machen es notwendig, einen genaueren Blick auf das Strommarktdesign zu werfen. In diesem Kapitel werden dazu die theoretischen Hintergründe erläutert. Im Anschluss wird überprüft, ob das angedachte Modell so im Markt Anwendung finden kann oder unter den aktuellen Marktbedingungen wohlmöglich als nicht praxisgerecht einzustufen ist.

2.3.1 Der energy-only Markt

Wie die meisten europäischen Strommarktdesigns verzichtet auch das deutsche System auf spezifische Vergütungen zur Gewährleistung einer adäquaten Erzeugungskapazität. Stattdessen soll der Elektrizitätsmarkt intrinsisch Anreize für Investitionen bieten. Solche Systeme werden auch als energy-only Märkte bezeichnet, da das vorhandende bzw. das erwartete Preisniveau der einzige Treiber für Investitionen in Kapazitäten ist.

Ein vollständig kompetitiver Wettbewerb, auf dem im strengen Sinne des Merit-Order-Prinzips stets zu Grenzpreisen angeboten wird, kann jedoch keine angemessene Erzeugungskapazität garantieren, da in einem solchen System nicht alle Anlagen ihre Vollkosten erwirtschaften können. In diesem Markt sind Engpässe für Investitionsanreize zwingend notwendig [4]. Für energy-only Märkte bedeutet dies, dass Erlöse zur Fixkostendeckung über Knappheitsrenten erwirtschaftet werden. Die Voraussetzung dafür ist eine marktbasierte Nachfragereaktion, die zulässt, dass sich Angebot und Nachfrage in genau dem Gleichgewicht treffen, das die maximale Zahlungsbereitschaft der Konsumenten widerspiegelt. Dazu muss die Möglichkeit bestehen, dass die Preise in Knappheitssituationen weiter über die marginalen Betriebskosten hinaus ansteigen können und nur durch die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten begrenzt werden. Wenn es nicht zu einer Markträumung kommt, ist der Marktpreis in der Theorie undefiniert. Dies würde in einer Knappheitssituation theoretisch unbegrenzte Marktmacht für Anbieter bedeuten. Um Nachfrager in einem solchen Fall gegen überhöhte Preise zu schützen, ist eine Preisobergrenze notwendig [17]. Optimalerweise entspricht diese Obergrenze genau dem Value of Lost Load (VOLL). Dieser Wert beschreibt den Betrag, den Konsumenten maximal zu zahlen bereit wären, um eine Unterbrechung ihrer Stromversorgung zu vermeiden. Über eine Anpassung der Preisobergrenze kann der Staat in der Theorie auch die Investitionsanreize für Spitzenlast beeinflussen [18].

Vor der Liberalisierung des Strommarktes wurden Energieversorgungsunternehmen mittels cost-plus-Regulierung vergütet. Dadurch wurden auf die Kunden auch die Kosten für die installierte Kapazität umgelegt. Zu Monopolzeiten haben sich durch diese vergleichsweise einfache Möglichkeit der Vollkostendeckung gewisse Überkapazitäten aufgebaut [19]. Im Gegensatz dazu entscheiden sich im liberalisierten Markt private Investoren nur dann zu einem Neubau, wenn ausreichende Anreize bestehen [20]. Aufgrund der hohen Kapitalkosten ist es jedoch schwierig, dauerhafte Anreize zu schaffen, da eine Besonderheit des Strommarktes zu Tragen kommt: Engpasssituationen führen nur in wenigen, kritischen Stunden zu hohen Strompreisen. Hierdurch kann es zu Investitionszyklen kommen, bei denen nur in Phasen niedriger Erzeugungskapazität und hoher Preise investiert wird [21]. Die daraufhin in den Markt eintretende Kapazität bereinigt den akuten Engpass und senkt somit das Preisniveau. Weitere Investitionen bleiben solange aus, bis die Preise durch einen erneuten Engpass bedingt wieder stark ansteigen.

2.3.2 Mögliche Gründe für Marktversagen

Im Folgenden werden verschiedene Aspekte der Energiewirtschaft aufgezeigt, die eine vollständige Umsetzung des Konzeptes des energy-only Marktes beeinträchtigen können. In erster Linie beeinflussen diese das Investitionsklima und können somit dazu führen, dass eine Leistung unter dem volkswirtschaftlichen Optimum im Markt angeboten wird.

2.3.2.1 Preisrestriktionen

In der Theorie leitet sich das optimale Niveau an Erzeugungskapazität über den durchschnittlichen VOLL und die langfristigen Grenzkosten der Erzeugung ab. Beide (vor allem der VOLL) sind jedoch in der Realität schwer abzuschätzen [22]. Die realen Märkte können diesem theoretisch optimalen Spot-Pricing nicht vollständig folgen. Zudem funktionieren energy-only Märkte nur dann, wenn Angebots- und Nachfragefunktionen entsprechend ihrer Grenzkosten bzw. Grenznutzen verlaufen. Aktuell ist im Markt jedoch kein Folgen dieser Dynamik zu beobachten [19]. Wenn alle Anlagen ausgelastet wären, könnte der Preis nicht über den des letzten Kraftwerks steigen; die Grenzkostenkurve endet völlig unelastisch. Eine Anhebung des Preises auf ein Niveau deutlich über den Grenzkosten ist kartellrechtlich unzulässig, da dieses Vorgehen einen Missbrauch von Marktmacht darstellt. Aus diesem Grund gibt es eine politische Einflussnahme auf die Preisbildung, die feste Preisobergrenzen setzt. An der EEX liegt diese derzeit bei 3000 €/MWh [23] und damit unter dem geschätzten VOLL [24]. Bisher wurde diese Preisgrenze jedoch nie erreicht. Dennoch kann ein solches Beschneiden der Erlösmöglichkeiten in Knappheitssituationen, deren hohe Preise Treiber für Neuinvestitionen sein sollten, zukünftig ein Problem darstellen. Dies wird auch als Missing Money Problem bezeichnet [25]. Veranschaulicht wird dies in Abbildung 2.6, die darüber hinaus zeigt, dass alle Arten von Anlagen (Spitzen-, Mittel- und Grundlast) dadurch betroffen sein können.

Abbildung 2.6: Das Missing Money Problem in der Praxis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: [26]

2.3.2.2 Marktmacht

Bei zu hohen Knappheitspreisen, also im umgekehrten Fall, sind Marktmachtprobleme am schwerwiegendsten. Anhand von Fällen aus den USA, wie z.B. der Firma Enron, zeigt sich dies in Form künstlicher Angebotsverknappung. Die Zurückhaltung von Kapazität bewirkte im Jahr 2000 eine Erhöhung der Strompreise um 800 % [27]. Auch für deutsche Aufsichtsbehörden ist es im Allgemeinen schwer einzuschätzen, wann und ob Unternehmen lediglich legitime Knappheitspreise verlangen beziehungsweise Anlagen dem Markt technisch nicht zur Verfügung stehen oder ob Marktmacht ausgeübt wird. In einer umfassenden Untersuchung des Bundeskartellamtes konnte ein solches Verhalten jedoch nicht festgestellt werden [28].

2.3.2.3 Investitionszyklen

Die in Kapitel 2.3.1 beschriebenen Investitionszyklen induzieren Engpässe im Markt, die ihrerseits die Preise steigen lassen und auf diesem Weg ältere, wohlmöglich konservierte Kraftwerke wieder lukrativ machen oder zu neuen Investitionen führen. Diese Preissignale ergeben sich im Markt jedoch erst, wenn die Differenz zwischen verfügbarer Kapazität und Spitzennachfrage ausreichen gering ist [29]. Hinzu kommt die Time Lag Problematik, da ein Kapazitätsmangel bedingt durch die langen Planungs- und Bauzeiten konventioneller Kraftwerke nicht kurzfristig zu beseitigen ist. Zum Teil verzögern sich Projekte zusätzlich durch lange Genehmigungsverfahren und Widerstand von Bürgerinitiativen. Fraglich ist auch, ob Phasen geringer Versorgungssicherheit, die mit temporär extremen Strompreisen einhergehen, politisch intendiert sind bzw. in Kauf genommen werden.

2.3.2.4 Regulatorische Unsicherheit

Unabhängig davon, ob Phasen extremer Preisspitzen in Engpasssituationen effizient sind oder nicht, tragen Politiker das Risiko, für hohe Strompreise verantwortlich gemacht zu werden. Dieses Risiko überträgt sich indirekt auch auf Investoren. Jene müssen mit politischen Interventionen rechnen, die Hochpreisphasen entgegenwirken. In diesem Sinne trägt die Preisvolatilität in einem energy-only Markt selbst ein regulatorisches Risiko mit sich. Auch abgesehen von der Gefahr der Regulierung in Phasen hoher Strompreise fanden Investoren in der jüngeren Vergangenheit durch politische und regulatorische Eingriffe schnell wechselnde Marktbedingungen vor. Zu nennen sind hier beispielsweise angepasste Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien, Kurswechsel in der Atompolitik, die Liberalisierung des Gasmarktes, die Einführung des CO2-Zertifikatehandels oder die zukünftige Umweltpolitik. Bis hinreichende Erfahrungen mit dem liberalisierten Markt gesammelt werden konnten und langfristig stabile, energiepolitische Rahmenbedingungen vorliegen, ist folglich mit einem zurückhaltenden Handeln von Investoren zu rechnen [21].

2.3.2.5 Risikoaversion

Ein weiteres Problem des Energiemarktes können risikoaverse Investoren darstellen. Da Investitionsentscheidungen in der Energiewirtschaft langfristige finanzielle Konsequenzen haben, müssen die Entwicklungen des Strommarktes über lange Zeiträume abgeschätzt werden. Daher sind Investitionen in Kraftwerkskapazitäten nicht nur durch kurzfristige Preissignale getrieben. Zwar werden Forward-Kontrakte im Großhandel nur für die nächsten zwei bis drei Jahre gehandelt, bei langlebigen Investitionen spielen jedoch auch die langfristigen Grenzkosten der Stromerzeugung sowie Erwartungen an das Marktumfeld eine tragende Rolle. Darunter fallen der erwartete Erzeugungsmix im eigenen Portfolio und im Gesamtmarkt sowie Commodity-Preise, residuale Nachfrage, Übertragungskapazitäten und der Fortschritt der Marktintegration. Je nach Technologie sind dabei Zeiträume von 15 bis 50 Jahren relevant. All diese Faktoren haben einen Einfluss auf die erwartete Rentabilität von Investitionen und sind in der Regel nur über Fundamentalmodelle prognostizierbar. Eine solche Modellierung ist in den meisten Fällen mit starken Annahmen und Ungenauigkeiten verbunden. Zudem erfordern Kraftwerksinvestitionen hohe Summen an Kapital und Zeit, bis sie betriebsbereit sind und Umsätze erwirtschaften können. Eine Großinvestition, z.B. in ein Kernkraftwerk oder einen modernen Kohle-Doppelblock, kann dabei auch bei finanzstarken Marktteilnehmern über 5% des Firmenwerts betragen. Das Eingehen eines solchen Kreditrisikos kann sich wiederum negativ auf das Kreditrating auswirken und somit die Refinanzierung des jeweiligen Unternehmens gefährden.

Unter Berücksichtigung der oben genannten Unsicherheiten in liberalisierten Energiemärkten ist es wahrscheinlich, dass Investoren in Erzeugungskapazität eine risikoaverse Strategie im Bezug auf Kraftwerksinvestitionen wählen [30]. Dies beeinflusst das Niveau an bereitgestellter Kapazität in negativer Weise.

2.3.2.6 Asymmetrischer Wohlfahrtsverlust

Energieversorger kalkulieren in ihre Gesamtkosten nicht nur die Kosten der reinen Stromerzeugung ein, sondern auch solche, die bei Eintreten eines Stromausfalls entstehen. Diese setzen sich zusammen aus internen Kosten und entgangenen Umsätzen sowie externen Schadensersatzforderungen gewichtet mit der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Stromausfalls. Die maximale Höhe solcher Forderungen fällt aufgrund des derzeitig gültigen Schadensersatzrechtes jedoch deutlich geringer aus als der volkswirtschaftliche Gesamtschaden, der sich z.B. mittels VOLL abschätzen lässt. Eine Haftung ergibt sich zudem gem. §§ 280, 286, 823 BGB nur im Falle von Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Nach § 18 NAV gilt dies auch für die Energieversorgung [19]. Auf weitere Besonderheiten des Energierechts im Bezug auf die Versorgungssicherheit wird in Kapitel 4 näher eingegangen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass die großen volkswirtschaftlichen Folgekosten einer Stromknappheit nicht in den Preisen enthalten sind und somit keinen zusätzlichen Anreiz zur Bereitstellung von Kapazität bilden [20]. Diese Asymmetrie im Hinblick auf den Wohlfahrtsverlust von Investoren im Vergleich zu Konsumenten führt bei rationalem Marktverhalten der einzelnen Marktteilnehmer zu einem Kapazitätsniveau, das geringer ist als das volkswirtschaftliche Optimum.

Die oben aufgeführten Aspekte können einen negativen Einfluss auf die Funktionalität des energy-only Marktes haben. Staatliche Förderung und damit teilweise garantierte Renditen lassen Investitionen in regenerative Erzeugung als sicherere und vielfach auch lukrativere Investition erscheinen. Zudem sind Investitionen in erneuerbare Erzeugungstechnologien, wie z.B. Windenergie- oder Solaranlagen, finanziell besser skalierbar. Im Gegensatz zu einem Kraftwerk ist es unschwer möglich, einen Windpark zu erweitern. Als Folge ist damit zu rechnen, dass ein großer Teil der konventionellen Kapazitäten in Zukunft durch erneuerbare Technologien ersetzt wird. Welche Auswirkungen die verstärkte Nutzung solcher dargebotsabhängiger Technologien auf den deutschen Kraftwerkspark und die Versorgungssicherheit hat, soll im Folgenden untersucht werden.

3 Modellierung der Leistungsentwicklung

Im den vorangegangenen Kapiteln wurde die aktuelle Situation der Stromwirtschaft geschildert und die theoretischen Grundlagen des energy-only Marktes dargelegt. Im nun folgenden Teil dieser Arbeit werden auf dieser Basis zwei Modelle entwickelt. Mit deren Hilfe sollen Untersuchungen durchgeführt werden, die einen möglichen Ausbaupfad für die deutsche Kraftwerksleistung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Versorgungssicherheit aufzeigen. Sofern sich eine potentielle Versorgungskrise abzeichnet, kann ihr frühzeitiges Erkennen dazu dienen, geeignete Maßnahmen zur Gegensteuerung frühzeitig zu entwickeln.

In einem ersten Schritt wird in diesem Kapitel der Strommarkt hinsichtlich seiner Einflussfaktoren auf Neubau- und Stilllegungsentscheidungen untersucht. Darauf aufbauend wird ein Modell entwickelt, um unter Berücksichtigung der Marktsituation verschiedener Akteure und deren Verhaltens langfristige Entwicklungen im deutschen Kraftwerkspark prognostizieren zu können.

3.1 Analyse und Modellbildung

Um ein Modell zur Leistungsentwicklung erstellen zu können, wird der Betrachtungsbereich festgelegt sowie eine Analyse der wesentlichen ökonomischen Einflussgrößen für Investitionsentscheidungen im Energiesektor durchgeführt. Neben variablen und fixen Kosten des Kraftwerksbetriebs und des Strompreises spielt dabei auch die unterschiedliche Größe und Kapitalstruktur der Marktteilnehmer eine Rolle.

3.1.1 Eingrenzung des Betrachtungsbereichs

Um sinnvolle Aussagen in Bezug auf die Fragestellung gewinnen zu können und gleichzeitig die Komplexität des Modells beherrschbar zu halten, ist ein wichtiger Punkt der Modellierung die Eingrenzung des zu betrachteten Systems auf seine für die Fragestellung wichtigen Aspekte. Die Festlegung des Betrachtungsbereiches erfolgt zum einen anhand zeitlicher und geografischer Kriterien. Diese wirken sich in erster Linie auf die Rechenzeit und die benötigten Daten aus. Zum anderen ist es notwendig, die Komponenten des Energiemarktes zu bestimmen, die für den festen Anwendungsrahmen des Modells einen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse haben.

3.1.1.1 Zeitliche Eingrenzung

Investitionsentscheidungen erfordern eine Betrachtung über den Zeitraum ihrer kalkulatorischen Lebensdauer. Bei konventionellen Kraftwerken liegt diese zwischen 20 und 35 Jahren [31]. In der Regel wird in der Modellierung von Marktentwicklungen deshalb von einem mittel- bis langfristigen Zeithorizont ausgegangen [32]. Für diese Arbeit wird der zeitliche Horizont auf die Periode von 2010 bis 2020 festgelegt. Weiterhin hat sich in Marktmodellen die Verwendung von einzelnen Stützjahren als sinnvoll erwiesen, da bei Projekten mit langen Planungs- und Lebensdauern die Entwicklungen in aufeinanderfolgenden Jahren meist vergleichsweise klein sind. Innerhalb eines solchen Stützjahres ist jedoch eine ganzjährige Betrachtung notwendig um Saisonalitäten wie z.B. steigende Gas- und Steinkohlepreise im Winter und revisionsbedingt geringere Verfügbarkeiten von Kraftwerken im Sommer, zu erfassen. Technische Restriktionen machen sogar eine stundenscharfe Abbildung der Prozesse erforderlich. Darunter fallen unter anderem maximal mögliche Leistungsgradienten sowie Mindesteinsatz- und Stillstandzeiten von Kraftwerken.

[...]


[1] Der Portfolioeffekt lässt sich über die Differenz des Optionswertes eines Kraftwerksparks inklusive dem betrachteten Kraftwerk und dem Optionswertes eines Kraftwerksparks exklusive dem betrachteten Kraftwerk sowie dem Standalone-Optionswert des Kraftwerks berechnen.

[2] Dies entspricht einer europäischen Option, die nur zum Fälligkeitsdatum (maturity date) ausgeübt werden kann. Demgegenüber können z.B. amerikanische Optionen jederzeit ausgeübt werden. Aufgrund der Similarität einer europäischen Call-Option zur Abbildung einer Kraftwerksscheibe als Call-Option, wird in dieser Arbeit die europäische Definition verwendet.

Final del extracto de 125 páginas

Detalles

Título
Auswirkungen des Ausbaus erneuerbarer Energien auf konventionelle Kraftwerksportfolios
Universidad
RWTH Aachen University  (Institut für elektrische Anlagen und Energiewirtschaft)
Autor
Año
2011
Páginas
125
No. de catálogo
V181077
ISBN (Ebook)
9783656041047
ISBN (Libro)
9783656041313
Tamaño de fichero
2313 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Energiewirtschaft, Energietechnik, Energieökonomik, Eneuerbare Energien, Windkraft, WEA, Photovoltaik, Konventionelle Kraftwerke, Fossil, Kernkraft, Braunkohle, Steinkohle, Modell, Wasserkraft, Monte Carlo, Simulation, Versorgungssicherheit, Generation Adequacy
Citar trabajo
Dipl. Wirt.-Ing. David Willemsen (Autor), 2011, Auswirkungen des Ausbaus erneuerbarer Energien auf konventionelle Kraftwerksportfolios, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/181077

Comentarios

  • No hay comentarios todavía.
Leer eBook
Título: Auswirkungen des Ausbaus erneuerbarer Energien auf konventionelle Kraftwerksportfolios



Cargar textos

Sus trabajos académicos / tesis:

- Publicación como eBook y libro impreso
- Honorarios altos para las ventas
- Totalmente gratuito y con ISBN
- Le llevará solo 5 minutos
- Cada trabajo encuentra lectores

Así es como funciona