Einer der bedeutendsten Vertreter des russischen Realismus, war Lew Nikolaewitsch Tolstoi. Nach dem historischen Roman „Krieg und Frieden“, der ganz in der realistischen Tradition verfasst wurde, erschien sein zweiter großer Roman: „Anna Karenina“. Diesmal griff Tolstoi auf einen gegenwartsbezogenen Stoff zurück und benutzte die zeitgenössischen Metropolen St. Petersburg uns Moskau als Kulissen für seine Handlung. In „Anna Karenina“ erwies sich Tolstoi als hervorragender Psychologe, der dem Leser tiefe Einblicke in die menschliche Seele gewährte.
Die Komplexität des Romans, sein Umfang und vor allem die scheinbar willkürliche Häufung verschiedener Motive, die auf den ersten Blick miteinander nur lose verknüpft sind, wurde von den Kritikern als belastend und störend empfunden.
Lotmans Theorie der semantischen Räume eignet sich sehr gut für die Analyse des Romans, da „A. K.“ auf zwei unterschiedlichen Erzählsträngen aufgebaut ist, also über zwei kontrastive semantische Räume verfügt. Das theoretische Werkzeug, das Lotman in seiner Abhandlung liefert, macht es möglich, die zwei unterschiedlichen Lebensmodelle, die Tolstoi seinem Leser anbietet, systematisch zu untersuchen.
Neben Lotmans Werk „Die Struktur literarischer Texte“ erscheint es mir sinnvoll, auf die wissenschaftlichen Beiträge von Karl Nikolaus Renner zurückzugreifen, der die Theorie der Grenze von Lotman präzisierte und weiterentwickelte. Im ersten Teil der Arbeit setze ich mich also mit den theoretischen Grundlagen Lotmans Theorie auseinander. Im zweiten Teil skizziere ich die sujetlose Textschicht des Werkes. Im dritten Teil der Arbeit gehe ich auf die Ereignisse ein, wobei den beiden zentralen Erzählsträngen Anna-Wronsky und Kitty-Lewin eine besondere Bedeutung beigemessen wird. Es soll außerdem ausgearbeitet und exemplarisch gezeigt werden, warum manches Geschehen nicht als Ereignis im Sinne von Jurij Lotman gelten kann. Der letzte Teil meiner Arbeit stellt ein Resümee dar, in dem ich die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammenfasse.
Ziel dieser Arbeit ist es, zu zeigen, dass zwei verschiedene Erzählstränge den unterschiedlichen semantischen Räumen angehören und die zentralen Ereignisse im Text das Überwinden der Grenze und den Übertritt einen der Helden in einen anderen semantischen Raum implizieren. Es soll außerdem herausgearbeitet werden, dass verschiedene Ehe- und Liebeskonzeptionen, die im Roman koexistieren, mit verschiedenen semantischen Räumen gleichgesetzt werden können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Jurij Lotmans Theorie des Narrativen - Zusammenfassung und Schlüsselbegriffe
- Grundriss der sujetlosen Textschicht in „Anna Karenina“
- Semantischer Raum „Das Künstliche“
- Semantischer Raum “Das Natürliche”
- Sujethafte Textschicht in „Anna Karenina“
- Anna-Wronski-Strang
- Übertritt aus dem semantischen Raum „Das Künstliche“ in den semantischen Raum „Leidenschaft“
- Übertritt aus dem semantischen Raum „Leidenschaft“ in den semantischen Raum,,Das Natürliche“
- Kitty-Lewin-Strang
- Anna-Wronski-Strang
- Zusammenfassung
- Literaturangaben
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert Lew Nikolaewitsch Tolstois Roman „Anna Karenina“ im Lichte der narrativen Theorie von Jurij Michailowitsch Lotman. Ziel ist es, die Struktur des Romans anhand Lotmans Konzepts der semantischen Räume zu untersuchen und zu zeigen, wie verschiedene Erzählstränge und Handlungselemente unterschiedlichen Räumen zugeordnet werden können. Darüber hinaus sollen die verschiedenen Ehe- und Liebeskonzeptionen, die im Roman koexistieren, in den Kontext der semantischen Räume gestellt werden.
- Analyse der narrativen Struktur von „Anna Karenina“ anhand der Theorie von Jurij Lotman
- Untersuchung der semantischen Räume im Roman und deren Bedeutung für die Handlung
- Interpretation der unterschiedlichen Erzählstränge Anna-Wronski und Kitty-Lewin im Kontext der semantischen Räume
- Analyse der verschiedenen Ehe- und Liebeskonzeptionen im Roman
- Bedeutung der Grenzen und Übergänge zwischen den semantischen Räumen für die Entwicklung der Handlung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Arbeit ein und erläutert die Relevanz der Untersuchung von „Anna Karenina“ im Kontext von Lotmans Theorie. Sie stellt Tolstois Werk in den historischen und literarischen Kontext des russischen Realismus und erläutert die Kritik an der Form des Romans. Anschließend wird die Arbeit von Lotman vorgestellt und deren Relevanz für die Analyse von „Anna Karenina“ begründet. Die Arbeit gliedert sich in vier Teile: einen theoretischen Teil, der die Grundlagen von Lotmans Theorie erläutert, einen Teil, der die sujetlose Textschicht des Romans skizziert, einen Teil, der die sujet-hafte Textschicht in „Anna Karenina“ anhand der beiden zentralen Erzählstränge Anna-Wronski und Kitty-Lewin analysiert, sowie einen Schlussabschnitt, der die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammenfasst.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts, darunter Realismus, Gesellschaftskritik, Ehe und Liebe. Sie untersucht die formale Struktur eines literarischen Textes anhand der Theorie des sowjetischen Literatur- und Kulturwissenschaftlers Jurij Michailowitsch Lotman. Wichtige Begriffe in diesem Zusammenhang sind semantische Räume, Grenzen, Übergänge, Erzählstränge und Handlungselemente. Die Arbeit beschäftigt sich außerdem mit der Frage, wie die verschiedenen Ehe- und Liebeskonzeptionen in „Anna Karenina“ durch die unterschiedlichen semantischen Räume dargestellt werden.
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- Lidiya Zagaynova (Autor), 2011, Jurij M. Lotmans Theorie des Narrativen im Bezug auf L. N. Tolstois „Anna Karenina“, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/181239