In der historischen Fachliteratur haftet der Geschichte Spaniens die Aura des schwer Nachvollziehbaren, des irgendwie Anderen an. Man stand dem Geschehen jenseits der Pyrenäen eher befremdet gegenüber, und im 19. Jahrhundert wurde die Aussage Europa hört an den Pyrenäen auf! zum geflügelten Wort. Zunächst erscheint diese Haltung als Folge eines jener langlebigen und häufig unbegründeten Vorurteile, die nicht nur in der Geschichte manches Geschehen begleiten – je tiefer die Recherche zu diesem Thema jedoch in die Materie hineinführte, desto deutlicher traten die Ereignisse hervor, auf denen diese Beurteilung beruhte .
Das klassische Beispiel für die partikulare Genese der spanischen Nation ist der Begriff der zwei Spanien, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt wurde und eine Entwicklung bezeichnet, die zwar im Spanischen Bürgerkrieg 1936-39 ihren Kulmi-nationspunkt erreichte, aber lange davor ihren Anfang nahm. Je nach der Bewertung der beteiligten Umstände und Faktoren wird dieser Anfang mit verschiedenen Ereignissen verknüpft, etwa mit der Vertreibung der napoleonischen Truppen 1808 oder mit der Regierung der Katholischen Könige (1476 – 1504/06). In dieser Arbeit soll sowohl gezeigt werden, dass sich die Ausbildung zweier entgegensetzter Pole des spanischen Nationalcharakters viel früher, nämlich bereits während des Zweiten Punischen Krieges (218 - 201 a. C.) in der unterschiedlichen Unterstützung für Hannibal und die Scipionen manifestierte , als auch, in welcher Phase sich dieses Auseinanderdriften der gegensätzlichen Spanien in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts befand. Aus dieser Entwicklung ergibt sich die Bedeutung der spätantiken und mittelalterlichen Geschichte auch für das heutige Spanien, in dem die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Folgen des Bruderzwistes im 20. Jahrhundert immer noch nicht überwunden sind. Weiterhin wird der Status der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Strukturen in
den christlichen und muslimischen Reichen Spaniens in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts beschrieben und die Frage aufgeworfen, inwiefern diese Prozesse zu einer Europäisierung oder Afrikanisierung der Iberischen Halbinsel führten.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- DIE ZWEI SPANIEN
- Américo Castro
- Claudio Sánchez Albornoz
- Ignacio Olagüe
- GESCHICHTE SPANIENS BIS ZUM 12. JAHRHUNDERT
- ENTWICKLUNG DER CHRISTLICHEN REICHE
- Die Entstehung Portugals
- Alfons VII. von Kastilien-León (1126-1157)
- ENTWICKLUNG DER ISLAMISCHEN REICHE
- DIE EUROPÄISIERUNG SPANIENS
- Kirche und Mönchtum
- Kirche und Staat
- Santiago de Compostela
- Die Historia compostellana
- Wirtschaft und Besiedlung: Der Jakobsweg
- Reconquista und Kreuzzugsgedanke
- DIE AFRIKANISIERUNG SPANIENS
- SCHLUSSBETRACHTUNG UND AUSBLICK
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entstehung des spanischen Nationalcharakters und der Frage, wie sich zwei gegensätzliche Pole in Spanien entwickelt haben. Sie analysiert die Rolle des Mittelalters in diesem Prozess und untersucht, wie die politische, wirtschaftliche und kulturelle Struktur der christlichen und muslimischen Reiche Spaniens im 12. Jahrhundert zu einer Europäisierung oder Afrikanisierung der Iberischen Halbinsel geführt haben könnten.
- Die Genese des spanischen Nationalcharakters
- Der Dualismus zwischen Modernität und Tradition in Spanien
- Die Bedeutung des Mittelalters für die spanische Identität
- Die Rolle des Islam in der Entwicklung Spaniens
- Die Europäisierung und Afrikanisierung der Iberischen Halbinsel im 12. Jahrhundert
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Geschichte Spaniens ein und beleuchtet das Konzept der "zwei Spanien" als ein zentrales Element der spanischen Geschichte. Das Kapitel beleuchtet die unterschiedlichen Perspektiven auf die Entstehung dieser Dualität und die Bedeutung des Mittelalters für die Entwicklung Spaniens.
Im Kapitel "Die zwei Spanien" werden die Theorien von Américo Castro, Claudio Sánchez Albornoz und Ignacio Olagüe zur Entstehung des spanischen Nationalcharakters dargestellt. Castro betont den Einfluss des Zusammenwirkens von Christentum, Judentum und Islam nach der arabischen Eroberung, während Sánchez Albornoz die Kontinuität der römisch-christlichen Spätantike und des Westgotentums hervorhebt. Olagüe hingegen bestreitet die Existenz einer arabischen Invasion in Spanien und interpretiert die islamische Präsenz als organische Weiterentwicklung des hispanischen Christentums.
Die Kapitel "Geschichte Spaniens bis zum 12. Jahrhundert" und "Entwicklung der christlichen Reiche" skizzieren die wichtigsten historischen Ereignisse und Entwicklungen in Spanien bis zum 12. Jahrhundert. Sie beleuchten die Entstehung Portugals und die Herrschaft von Alfons VII. von Kastilien-León. Das Kapitel "Entwicklung der islamischen Reiche" befasst sich mit der Entwicklung der islamischen Herrschaft in Spanien.
Das Kapitel "Die Europäisierung Spaniens" analysiert die Rolle der Kirche und des Mönchtums, die Beziehungen zwischen Kirche und Staat, die Entwicklung des Jakobswegs und die Bedeutung des Kreuzzugsgedankens für die Entstehung einer europäischen Identität in Spanien.
Das Kapitel "Die Afrikanisierung Spaniens" befasst sich mit dem Einfluss des afrikanischen Kontinents auf Spanien, ohne jedoch nähere Einzelheiten zu enthüllen.
Schlüsselwörter
Spanische Geschichte, Nationalcharakter, "zwei Spanien", Mittelalter, Christentum, Islam, Judentum, Europäisierung, Afrikanisierung, Iberische Halbinsel, Reconquista, Jakobsweg, Américo Castro, Claudio Sánchez Albornoz, Ignacio Olagüe.
- Quote paper
- Barbara Cisneros (Author), 2010, Spanien in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/181419