In der folgenden Untersuchung möchte ich der Fragestellung nachgehen, in wie weit
Chancengleichheit beim Übergang in die Oberschule im Schulsystem der SBZ bzw.
DDR in den Jahren 1945-1959 gegeben war. In aktuellen bildungspolitischen
Diskussionen ist sehr häufig die Frage zu hören, wie es gelingen kann, den
sogenannten bildungsfernen Schichten die Partizipation an höherer Bildung zu
ermöglichen. Die DDR, in ihrem Selbstverständnis ein Arbeiter- und Bauernstaat,
stand schon in ihren Anfängen - alleine aus Gründen der Selbstlegitimation - vor der
Frage, wie denn Arbeitern und Bauern der Zugang zu höherer Bildung
(Oberschulbildung) gewährt werden kann. Aus diesem Grund wird der Autor
sozialstrukturelle Kategorien, wie z.B. Geschlecht und Region in der Darstellung der
einzelnen Perioden nur am Rande erwähnen. Vornehmlich wird in der Arbeit
Chancengleichheit anhand der Stellung der Individuen im Produktionsprozess und der,
aus dieser abgeleiteten, Implikationen betrachtet. Der Fokus wird auf den Arbeiterund
Bauerkindern liegen und deren Möglichkeiten, einen Zugang zur Oberschule zu
erwerben. Wenn im Folgenden von Chancengleichheit gesprochen wird, dann folge
ich der Unterscheidung von Rainer Geißler (1990), demzufolge zwischen drei Formen
differenziert werden muss. (1) Chancengleichheit im Ergebnis gilt als dann
verwirklicht, wenn alle ein ähnlich hohes Bildungsniveau haben und damit die
Gesellschaft bildungshomogen ist. (2) Proportionale Chancengleichheit nach dem
Proporz-Modell. Sie ist gegeben, wenn der gleiche Anteil einer Bevölkerungsgruppe,
den diese in der Gesamtbevölkerung repräsentiert, auch in weiterführenden
Bildungseinrichtungen vertreten ist. Dabei wird zum einen von der Prämisse
ausgegangen, dass Leistungsfähigkeit in allen Gruppen gleichmäßig verteilt ist und
„entsprechend gleichmäßig entwickelt werden kann oder sie nimmt eine
Vernachlässigung des Leistungsprinzips bei der Auslese im Bildungssystem im Kauf.“
(1990, S. 84). (3) Leistungsbezogene Chancengleichheit: hier sollen „…gleiche
Bildungschancen mit der Auslese nach Leistung in Übereinstimmung gebracht
werden.“ (1990, S. 85). Dabei kann man entweder mehr auf gleiche
Zugangsmöglichkeiten zu verschiedenen Bildungswegen abzielen oder eher in
Richtung Chancengerechtigkeit tendieren, welche mehr die sozialen Einflüsse der
Leistungsfähigkeit berücksichtigt. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- 1. Grundlagen bei Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895):
- 1.2. Grundlagen bei Lenin (1870-1924):
- 2. Pierre Bourdieu:
- 2.1. Die drei Formen des Kapitals:
- 2.2. Die Übertragung der Kapitaltheorie auf die DDR-Gesellschaft:
- 2.3. Die Illusion der Chancengleichheit:
- 3. Die Perioden der Schulentwicklung in der DDR:
- 3.1. Die antifaschistisch-demokratische Schulreform 1945-1949:
- 3.1.1. Fazit zur oben dargestellten Periode:
- 3.2. Der Aufbau der sozialistischen Schule 1949-1959:
- 3.2.1. Entwicklung von 1949-1955:
- 3.2.1.1. Fazit zur oben dargestellten Periode:
- 3.2.2. Entwicklung ab 1955:
- 3.2.2.1. Fazit zur oben dargestellten Periode:
- 3.3. Konvergierung der Entwicklung von 1955 bis 1959 im Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens im Jahre 1959:
- 3.3.1. Fazit zur oben dargestellten Periode:
- 4. Abschließendes Fazit:
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht, inwieweit Chancengleichheit beim Übergang in die Oberschule im Schulsystem der SBZ/DDR von 1945 bis 1959 bestand. Sie betrachtet dies vor dem Hintergrund der damaligen bildungspolitischen Diskussionen und der Selbstlegitimation des Arbeiter- und Bauernstaates DDR. Der Fokus liegt auf den Möglichkeiten von Arbeiter- und Bauerkindern, Zugang zur Oberschule zu erlangen.
- Chancengleichheit im DDR-Schulsystem (1945-1959)
- Einfluss marxistisch-leninistischer Ideologie auf das Bildungssystem
- Soziologische Analyse nach Pierre Bourdieu
- Entwicklungsphasen der Schulreform in der DDR
- Zugang zur Oberschule für Arbeiter- und Bauernschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 0. Einleitung: Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach der Chancengleichheit beim Übergang in die Oberschule in der SBZ/DDR (1945-1959) vor und skizziert den methodischen Ansatz der Arbeit. Es wird auf verschiedene Modelle von Chancengleichheit eingegangen und der Fokus auf Arbeiter- und Bauerkinder gelegt.
Kapitel 1. Grundlagen bei Karl Marx und Friedrich Engels: Dieses Kapitel beleuchtet die marxistisch-leninistische Ideologie als theoretischen Hintergrund des DDR-Schulsystems. Es werden die Theorien von Marx und Engels zu Klassenkampf, Produktionsmitteln und der Notwendigkeit polytechnischer Bildung betrachtet.
Kapitel 1.2 Grundlagen bei Lenin: Dieses Kapitel erweitert die Betrachtung der ideologischen Grundlagen, indem es Lenins Anpassung des Marxismus an die spezifischen Bedingungen Russlands und die daraus resultierenden Implikationen für das Bildungssystem diskutiert.
Kapitel 2. Pierre Bourdieu: Dieser Abschnitt stellt relevante Aspekte der Soziologie Pierre Bourdieus vor, insbesondere seine Kapitaltheorie und deren Anwendung auf die DDR-Gesellschaft.
Kapitel 3. Die Perioden der Schulentwicklung in der DDR: Dieses Kapitel beschreibt die Entwicklung des Schulsystems der DDR in drei Perioden (1945-1949, 1949-1955, 1955-1959). Jede Periode wird analysiert und anhand des Bourdieu'schen Modells hinsichtlich der Chancengleichheit bewertet.
Schlüsselwörter
Chancengleichheit, DDR-Schulsystem, Marxismus-Leninismus, Pierre Bourdieu, Sozialstruktur, Arbeiterkinder, Bauerkinder, Oberschule, Schulreform, Bildungspolitik, Kapitaltheorie, Produktionsmittel, polytechnische Bildung.
- Arbeit zitieren
- Maik Wunder (Autor:in), 2010, In wie weit war Chancengleichheit beim Übergang in die Oberschule im Schulsystem der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und späteren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) gegeben?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/181590