Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
DEFINITIONEN
1. EINLEITUNG
1.1 INTEGRATIONSENTWICKLUNG
1.2 EINFÜHRUNG: DER VERTRAG VON LISSABON
2. REFORMEN DES LISSABONVERTRAGS ZUR MINDERUNG DESj DEMOKRATIEDEFIZITS
2.1 DIE KOMPETENZEN DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS (EP)
2.2 DIE ROLLE DER NATIONALEN PARLAMENTE
2.3 DIE CHARTA DER GRUNDRECHTE
2.4 DIE EUROPÄISCHE BÜRGERINITIATIVE (EBI)
6. FAZIT
LITERATURVERZEICHNIS
Definitionen
Um keine Verständnislücken im Lesen dieser Arbeit entstehen zu lassen werden zunächst wichtige Begriffe, die dieser Arbeit zugrunde liegen, definiert.
Demokratie
Demokratie (griech. Demos = das Volk, kratein = herrschen) steht für die Herrschaft des Volkes (vgl. Frevel, 2009, S. 9). In der normativen politischen Theorie gilt es jedoch zwischen zwei unterschiedlichen, komplementären Perspektiven zu unterscheiden. Die input- orientierte Perspektive betont die ‚Herrschaft durch das Volk‘. Politische Entscheidungen sind legitim, wenn und weil sie den ‚Willen des Volkes‘ widerspiegeln - d. h., wenn sie von den wirklichen Präferenzen der Gemeinschaftsmitglieder abgeleitet werden können. Die output- orientierte Perspektive stellt die ‚Herrschaft für das Volk‘ in den Vordergrund - politische Entscheidungen werden legitim, wenn und weil sie das allgemeine Wohl des Gemeinwesens fördern (vgl. Scharpf, 1999, S. 16).
Legitimität
Legitimität (lat. legitimitas = Rechtmäßigkeit) von Herrschaft behandelt die Frage, mit welchen Gründen sich die Herrschaftsausübung - die immer gleichbedeutend mit einer Einschränkung der Freiheit und Selbstbestimmung des einzelnen Individuums ist - rechtfertigen lässt. Herrschaft muss im Einklang mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einhergehen (vgl. Koch/ Conzelmann/ Knodt, 2004, S. 193).
Verfassung
Eine Verfassung ist die „rechtliche Grundordnung des Gemeinwesens. Sie bestimmte die Leitprinzipien, nach denen politische Einheiten sich bilden und staatliche Aufgaben wahrgenommen werden sollen. Sie regelt Verfahren der Bewältigung von Konflikten innerhalb des Gemeinwesens. Sie ordnet die Organisation und das Verfahren politischer Einheitsbildung und staatlichen Wirkens. Sie schafft die Grundlagen und normiert Grundzüge rechtlicher Gesamtordnung“ (Streinz et al., 2008, S. 8 f. zit. n. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1995)
1.Einleitung
Eines der faszinierenden Phänomene der europäischen Geschichte bildet der Gedanke einer Einigung der europäischen Staaten, der über Jahrhunderte hinweg stetig auf die Agenda gerückt ist. Die Motive für diese Vorstellung waren sehr unterschiedlich; sie begründeten sich insbesondere im Bedürfnis, Europa gegen ‚den Feind‘ von Außen zu schützen und eine universalistische Harmonie zu gewährleisten (vgl. Neisser/ Verschraegen, 2001, S. 1). Den Grundstein dieser Einigung im 20. Jahrhundert legten die Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, Italiens und der Beneluxstaaten am 25. März 1957, mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (vgl. Leisse, 2009, S. 1). Der Gedanke entsprang „in dem festen Willen, die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker zu schaffen“ und „entschlossen, durch gemeinsames Handeln den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt der Länder zu sichern, indem sie die Europa trennenden Schranken beseitigen“ (Präambel EWGV). Diese Stelle des EWG-Vertrages verdeutlicht die enorme Rolle des Prozesses der Integration. Im Mittelpunkt steht die dichte Verknüpfung der Völker und Staaten in Europa, die sowohl ein gemeinsames Handeln als auch eine langfristig und zukunftsoffen angelegte Verflechtung ermöglichen soll. Sie stellen bis dato die Grundpfeiler der Integration dar (vgl. ebd., S. 1).
Werner Weidenfeld (2008, S. 23 f.) identifiziert fünf Hauptmotive für den Antrieb der Völker zur Integration:
1. „Der Wunsch nach einem neuen Selbstverständnis“: Der Versuch nach den nationalistischen Verirrungen ein integriertes Europa mit einem neuen Gemeinsinn zu schaffen.
2. „Der Wunsch nach Sicherheit und Frieden“: Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte das vereinte Europa eine Friedensgemeinschaft sein und Schutz vor der kommunistischen Expansion gewährleisten (Föderalismus).
3. „Der Wunsch nach Freiheit und Mobilität“: Durch die langen, kriegsbedingten Beschränkungen des Personen-, Güter- und Kapitalverkehrs, verspürte man das Bedürfnis nach freier, ungehinderter Bewegung von Personen, Meinungen, Informationen, Waren und Geld.
4. „Der Wunsch nach wirtschaftlichem Wohlstand“: Die Integration soll einen gemeinsamen Markt schaffen der zu großer wirtschaftlicher Stabilität und Prosperität führen soll.
5. „Die Erwartung gemeinsamer Macht“: Es soll ein Mächtegleichgewicht in Bezug auf die Supermächte USA und UdSSR hergestellt werden.
Jedoch verläuft die Entwicklung der Integration nicht immer planmäßig und logisch: Offensichtlich fehlte es an einem vorab vereinbarten Konzept, welches die Themen, die Ziele und die gewünschten Gemeinsamkeiten festlegt. Vielmehr folgte die Integration der ‚Methode Monnet‘1, derzufolge sich die Nationalstaaten in einzelnen kleinen Schritten dort gemeinsam vorwärts bewegten, wo die jeweilige historische Situation für alle Staaten politisch akzeptabel war. Dies erschien, vor dem Hintergrund der äußerst heterogenen Ängste und Erwartungen der Mitgliedsstaaten, sinnvoll, weil es keinen Konsens über einen großen gemeinsamen Entwurf und damit auch keinen Fortgang der Integration gegeben hätte (vgl. Brasche, 2008, S. 1). Das Fehlen eines solchen ‚Bauplans‘ bedeutete aber nicht, dass es keine Auseinandersetzung über eine Verfassung gegeben hat. Mit dem Gedanken der Integration war von Anfang an die Idee einer ‚Verfassung‘ für Europa eng verbunden. Erste Elemente einer ‚Verfassung‘ führen zurück ins Mittelalter und sind mit dem Gedanken der Friedenssicherung, der Supranationalität, der Förderung von Wirtschaft und Handel und der Machterhaltung verbunden. Sie bilden den Kern der Europa-Idee und haben damit das Fundament der europäischen Integration gelegt (vgl. Streinz/ Ohler/ Herrmann, 2008, S. 1).
1.1 Integrationsentwicklung#
Die letzten 50 Jahre der europäischen Integrationsgeschichte sind von vier Erweiterungsschritten geprägt. Aus den ursprünglich sechs Gründungsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sind inzwischen 27 Mitgliedsstaaten der EU geworden. In den siebziger Jahren kamen Dänemark, Irland und Großbritannien dazu. In den achtziger Jahren folgten die ehemaligen Militärdiktaturen Portugal, Griechenland und Spanien. Mitte der neunziger Jahre wurde die EU nochmals um drei Staaten, Österreich, Schweden und Finnland, erweitert. Die jedoch historisch wichtigste und umfangreichste Erweiterung fand zwischen den Jahren 2004 und 2007 statt. Durch die Aufnahme der mittel- und osteuropäischen Staaten wuchs die Unionsbevölkerung insgesamt von 180 Millionen auf 500 Millionen Menschen an (vgl. Hänsch, 2010, S. 71; Stratenschulte, 2009, online). Diese Entwicklung machte eine institutionelle Reformierung der EU, um handlungsfähig zu bleiben, unumgänglich. Mit den Änderungsverträgen von Maastricht, Amsterdam und Nizza versuchte man diese neu gebrauchte Handlungsfähigkeit zu schaffen (vgl. Weidenfeld, 2008, Vorwort u. S. 14). Leider haben diese Vertragsreformen die Europäische Union weder ausreichend auf die veränderten globalen Rahmenbedingungen noch auf die Komplexität einer ‚EU der 27‘ vorbereitet. Schlimmer noch: Sie haben Verwirrung gestiftet. Es war nicht mehr nachzuvollziehen, nach welchem Muster Aufgaben zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedsstaaten verteilt waren. Das institutionelle Gefüge und die Entscheidungsstrukturen schienen zu zerfasern (vgl. Weidenfeld, 2005, S. 15).
Doch im Dezember des Jahres 2001 stellten die Staats- und Regierungschefs in der ‚Erklärung von Laeken‘ fest das die EU ‚demokratischer, transparenter und effizienter‘ werden soll. Mit dieser Erklärung legten sie gleichzeitig die Eckpunkte und Ziele für einen einzuberufenden Konvent (Konvent zur Zukunft Europas) fest, der sich zum Auftrag gemacht hatte, einen Entwurf für eine europäische Verfassung zu entwerfen (vgl. Oppelland, 2010, S. 79). Im Juli 2003 war es dann soweit, Giscard d’Estaing legte dem Europäischen Rat den Entwurf eines Verfassungsvertrages vor, der fast alle Bestimmungen des primären Unionsrechts in einem Vertrag zusammenfasste. Damit der Verfassungsvertrag in Kraft treten konnte, war es allerdings notwendig, dass der er von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert wird - wobei in einigen Mitgliedsländern die Zustimmung des Parlaments ausreicht, während in anderen ein ]Referendum notwendig oder wenigstens möglich ist (vgl. Wagener/ Eger, 2009, S. 154). Jedoch zeichnete sich ab Mai 2005, nach vorangegangenen inhaltlichen Änderungen und Diskussionen, das Scheitern des Verfassungsvertrages ab. Im Rahmen eines Referendums lehnten Frankreich und die Niederlande den Verfassungsvertrag ab. Das führte zu einer erheblichen Verzögerung der Ratifizierung, insbesondere in den Staaten, die ebenfalls ein Referendum durchführten (Tschechien, Dänemark, Irland, Portugal und Großbritannien). Hiernach fiel die EU in eine Reflexionsphase, in der die Verträge nochmals überdacht werden sollten und die Mitgliedsstaaten Informations- und Kommunikationsmaßnahmen ergriffen, um das Vertrauen der Bürger in den europäischen Integrationsprozess hervorzurufen und zu festigen (vgl. Hellmann, 2009, S. 7-8).
[...]
1 Siehe(hierzu(Algieri/(Emmanouilidis/(Maruhn,(2003,S.8