Der historische Roman gehört zu den epochetypischen Kunstformen des 19. Jahrhunderts, die in ganz Europa ein Massenpublikum ansprach und begeisterte. Von der Geschichtswissenschaft und ihrem steten Streben nach Gelehrsamkeit und Objektivität als unhistorisch gebrandmarkt, bewegt sich der historische Roman in einer Grauzone zwischen Fiktionalität und geschichtlicher Wahrheit. Die vorliegende Dissertation Quo vadis? - Untersuchungen zur Antike im historischen Roman beschäftigt sich mit eben diesem Spannungsverhältnis von Wissenschaft und Kunst, indem es die Funktion und Verwendungsmöglichkeiten der Antike im historischen Roman seit Walter Scott analysiert.
Im Zentrum der Arbeit steht die Untersuchung exemplarischer Romane, durch die verschiedene Tendenzen in der Verwendung historischer Stoffe in der Literatur aufgezeigt werden konnten: Felix Dahns Ein Kampf um Rom, Edward Bulwer-Lyttons The Last Days of Pompeii, Robert Harris Pompeii (2003), Lion Feuchtwangers Der falsche Nero, Bertold Brechts Romanfragment Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar und schließlich Robert Graves Ich, Claudius, Kaiser und Gott stehen beispielhaft für die zahlreichen historischen Romane, die seit 1814 geschrieben worden sind. Ein eigenes Kapitel erhält der Jesus-Roman, eine Unterart des historischen Romans, der sich mit dem Leben und Wirken Jesu beschäftigt. Am Beispiel Lewis Wallaces Ben-Hur, Henryk Sienkiewicz' Quo vadis?, Dostojewskis Der Idiot und Georg Hauptmanns Der Narr in Christo Emanuel Quint werden wichtige Entwicklungslinien des Jesus-Romans aufgezeit.
Die Analyse der historischen Antikenromane hat schließlich gezeigt, dass sich trotz der Heterogenität der Gattung einige Tendenzen und Gemeinsamkeiten feststellen lassen: Geprägt wurden die Entstehung der Romane, die Wahl des Stoffes und die Art seiner Verarbeitung von den politischen Veränderungen, vor allem jedoch von der gesellschaftlichen Entwicklung des Menschen seit dem 19. Jahrhundert. Im Unterschied zum Historiker sucht der Schriftsteller in seinem Werk nicht nach einem objektivem Geschichtsbild, sondern nutzt die Antike zu einem bestimmten Zweck. Ob als Metapher für die Moderne, bloßes Kostüm oder Mittel zur Korrektur der Überlieferung – die Antike bietet als Reservoir literarischer Stoffe eine nahezu unbegrenzte Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten.
Inhaltsverzeichnis
- Dichtung und Wahrheit
- Faszination Antike
- Die Entstehung des historischen Romans im 19. Jahrhundert
- Walter Scott
- Die Entwicklung des historischen Romans bis ins 20. Jahrhundert
- Die Besonderheiten des historischen Antikenromans
- Zwischen Realismus und Idealisierung: Felix Dahns Ein Kampf um Rom
- Gotisches Ideal
- Das Volk der Goten gegen Rom und Byzanz
- Funktionalisierung der Geschichte
- Das Volk im Kampf um eine Idee
- Der Professorenroman
- Römische Katastrophenbewältigung: Edward Bulwer-Lytton und Robert Harris
- Bulwer-Lyttons The Last Days of Pompeii
- Der historische Roman Bulwer-Lyttons Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart -,,Romance in the aid of History" - Die Frage nach dem rechten Maß Gelehrsamkeit - Fazit
- Robert Harris' Weltuntergangsszenario Pompeii
- Harris und die Geschichte Harris und die Wissenschaft - Ampliatus Zusammenspiel von Raum und Zeit – Macht und Verletzbarkeit eines Weltreiches Das
- Bulwer-Lyttons The Last Days of Pompeii
- Der historische Roman als Gesellschaftskritik: Lion Feuchtwangers Der Falsche Nero
- Das Problem der Emigration
- Feuchtwangers historischer Roman
- Der Falsche Nero als kritischer Gesellschaftsroman
- Der historische Roman als Satire
- Der satirische Antikenroman Bertolt Brechts
- Fazit
- Die historische Biographie
- Robert Graves und die historische Biographie
- Ich, Claudius, Kaiser und Gott
- Der Stoff als Herausforderung des Schriftstellers: Das Leben Jesu als historischer Roman
- Das Problem des Jesus-Stoffes
- Die Leben-Jesu-Forschung
- Formen des Jesus-Romans
- Der Jesus-Roman als alternative Theologie -
- Der Messias im Spiegel seiner Zeitgenossen: Lewis Wallaces Ben Hur
- Die Verkündung der Lehre durch die Jünger Jesu: Sienkiewicz' Quo vadis?
- Jesus in Gestalt eines Zeitgenossen: Das Schöne und Närrische bei Dostojewskij und Hauptmann
- Das Problem des Jesus-Stoffes
- Die Antike im historischen Roman
- Die Nähe des Romans zur Quelle
- Die Funktion der Antike im historischen Roman
- Das Christentum als zentrales Motiv
- Der historische Roman als Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Dissertation „Quo vadis? Untersuchungen zur Antike im historischen Roman“ von Anja Maibaum befasst sich mit der Verwendung des antiken Stoffes im historischen Roman. Die Arbeit analysiert exemplarisch ausgewählte Werke, die sich mit der römischen Republik, der Kaiserzeit oder der Entwicklung des Christentums auseinandersetzen. Die Autorin untersucht die Intentionen der Autoren, die Funktion der Antike im historischen Roman und die Rezeption dieser Werke.
- Die Faszination der Antike für die Literatur
- Die Entwicklung des historischen Romans vom 19. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert
- Die Verwendung des antiken Stoffes als Mittel der Gesellschaftskritik
- Die Rolle des historischen Romans als Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart
- Die Rezeption historischer Romane und ihre Bedeutung für die Literaturgeschichte
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel „Dichtung und Wahrheit“ beleuchtet die Faszination der Antike für die Literatur und die Entstehung des historischen Romans im 19. Jahrhundert. Es wird die Bedeutung von Walter Scott als Begründer der Gattung und die Entwicklung des historischen Romans bis ins 20. Jahrhundert dargestellt. Das Kapitel schließt mit einer Analyse der Besonderheiten des historischen Antikenromans.
Das zweite Kapitel „Zwischen Realismus und Idealisierung: Felix Dahns Ein Kampf um Rom“ untersucht den historischen Roman „Ein Kampf um Rom“ von Felix Dahn. Die Autorin analysiert die Verwendung des gotischen Ideals, die Darstellung des Volkes der Goten und die Funktionalisierung der Geschichte in Dahns Werk. Das Kapitel beleuchtet auch die Rolle des Volkes im Kampf um eine Idee und die Bedeutung des Romans als „Professorenroman“.
Das dritte Kapitel „Römische Katastrophenbewältigung: Edward Bulwer-Lytton und Robert Harris“ befasst sich mit den historischen Romanen „The Last Days of Pompeii“ von Edward Bulwer-Lytton und „Pompeii“ von Robert Harris. Die Autorin analysiert die Darstellung der römischen Katastrophe, die Verbindung von Geschichte und Gegenwart sowie die Frage nach dem rechten Maß an Gelehrsamkeit in den Werken beider Autoren.
Das vierte Kapitel „Der historische Roman als Gesellschaftskritik: Lion Feuchtwangers Der Falsche Nero“ untersucht den historischen Roman „Der Falsche Nero“ von Lion Feuchtwanger. Die Autorin analysiert die Verwendung des historischen Stoffes als Mittel der Gesellschaftskritik, die satirische Funktion des Romans und die Bedeutung des Werkes für die Entwicklung des satirischen Antikenromans.
Das fünfte Kapitel „Die historische Biographie“ befasst sich mit der historischen Biographie als literarische Gattung. Die Autorin analysiert die Werke von Robert Graves, insbesondere „Ich, Claudius, Kaiser und Gott“, und untersucht die Besonderheiten der historischen Biographie als literarische Form.
Das sechste Kapitel „Der Stoff als Herausforderung des Schriftstellers: Das Leben Jesu als historischer Roman“ untersucht die Verwendung des Lebens Jesu als Stoff für den historischen Roman. Die Autorin analysiert die Herausforderungen, die dieser Stoff für den Schriftsteller mit sich bringt, und untersucht verschiedene Formen des Jesus-Romans. Das Kapitel beleuchtet auch die Rezeption des Jesus-Romans als alternative Theologie.
Das siebte Kapitel „Die Antike im historischen Roman“ fasst die Ergebnisse der Untersuchung zusammen und beleuchtet die Nähe des Romans zur Quelle, die Funktion der Antike im historischen Roman und die Bedeutung des Christentums als zentrales Motiv. Das Kapitel schließt mit einer Analyse des historischen Romans als Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den historischen Roman, die Antike, insbesondere die römische Geschichte, das Christentum, die Gesellschaftskritik, die historische Biographie und die Rezeption historischer Romane. Die Arbeit analysiert die Verwendung des antiken Stoffes im historischen Roman und untersucht die Intentionen der Autoren, die Funktion der Antike im historischen Roman und die Rezeption dieser Werke. Die Autorin beleuchtet die Faszination der Antike für die Literatur, die Entwicklung des historischen Romans vom 19. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert und die Rolle des historischen Romans als Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
- Quote paper
- MA Anja Maibaum (Author), 2011, Quo vadis? Untersuchungen zur Antike im historischen Roman, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/182253