Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Religio im ersten Prinzipat als Instrument augusteischer Machtpolitik
2.1 Religio im Dienste der augusteischen Propaganda - Der Aufstieg des Octavian
2.2 Religio als „Monopol“ des Prinzeps - Eine letzte Metamorphose
3. Schluss
4. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
War Augustus im religiösen Bereich ein politischer Pragmatiker? Ein kalkulierender Stratege auf dem Weg zur unumschränkten Autokratie? Gar ein „genialer Heuchler“1, der ! und " nur als Instrumente seiner Machtpolitik verstand? Oder war er doch der gottesfürchtige Friedensbringer, der sich nur zum Wohl und Erhalt des Staates wegen gegen die Mörder seines Vaters stellte und dem langen Bürgerkrieg durch den Sieg gegen Antonius ein Ende bereitete? Augustus also als konservativer Traditionalist, der nicht nur die Republik restaurierte, sondern auch den in Vergessenheit geratenen , die Sitten und Gebräuche der Älteren, die nebst der besonderen Gottesfürchtigkeit, einst den Aufstieg Roms ermöglicht hatten?2 Letzteres Bild propagiert der erste " vor allen Dingen von sich selbst in der einzigen, uns von ihm übermittelten Schrift, dem „Index Rerum gestarum.“3 Diesen Taten- und Rechenschaftsbericht hatte Augustus an sein Testament angefügt, und er sollte nach seinem Tod zwei Pfeiler vor dem - ebenfalls von ihm selbst - erbauten Mausoleum schmücken.4 Durch Sueton erfahren wir an anderer Stelle, was Augustus damit ursprünglich bezweckte: „Ich trachte danach, dass ich, solange ich lebe, von den Bürgern gemäß dem Vorbild dieser großen Männer beurteilt werde und ebenso die Kaiser der folgenden Generationen.“5 Auch bei Tacitus findet sich, wenn auch indirekt, der Tatenbericht des Augustus wieder, so lässt er im ersten Buch seiner Annalen Befürworter und Gegner des Princeps, während dessen Leichenbegräbnis, beim „Totengericht“ zu Wort kommen. Genau dort finden wir auch den Vorwurf, es sei „nichts für die Verehrung der Götter übrig geblieben, da er [Augustus] in Tempeln durch und im Götterbild verehrt werden wollte.“6 In der Tat fällt das religiöse Phänomen des Herrscherkults, der im Laufe der Kaiserzeit an Intensität und Zulauf gewinnt7, in die Zeit der augusteischen Restauration. Die Quellenlage zum frühen Kaiserreich, vor allem für den Zeitraum der iulisch-claudischen Dynastie und damit über die Errichtung des Prinzipats unter Augustus, ist vergleichsweise üppig8 und so stehen neben dem durch eine Abschrift erhaltenen Tatenbericht „Res Gestae (Divi Augusti)“, die Werke von Historikern wie Tacitus, Cassius Dio, Livius, aber auch leider nur fragmentarisch erhaltenen Arbeiten, wie die des Appian oder Nikolaos von Damaskus, zur Verfügung. Dazu kommen die bis heute bekannten Werke der „augusteischen Dichter“, insbesondere Vergil und Horaz, in denen sich ebenfalls die religiösen Entwicklungen des Prinzipats nachempfinden lassen. Besonderes Interesse gilt auch den biographischen Werken, wie die des Plutarch. Allen voran aber die Augustusvita Suetons, die unerlässlich für das Verständnis von Augustus und seinem religionspolitischen Wirken bleibt. Im Folgenden sollen deshalb die Annalen des Tacitus, die Kaiserbiographie Suetons und das „ 1 2 “, also der durch eine Abschrift erhaltene Tatenbericht des Kaisers selbst, im Zentrum der Analyse stehen. Neben der Quellenarbeit erscheint eine Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur des letzten Jahrhunderts elementar, wobei auch kurz auf die wichtigsten Forschungsdiskussionen eingegangen werden soll. Sueton geht bei der Augustusvita nur bis zum neunten Kapitel chronologisch vor, danach geht er dazu über „die Abschnitte im einzelnen dar[zu]stellen, jedoch nicht nach zeitlichen, sondern nach thematischen Gesichtspunkten, damit Darlegung und Verständnis um so deutlicher werden können“,9 die chronologische Sichtweise bietet jedoch erhebliche Vorteile bei der Analyse der ! unter Augustus, da er sie je nach politischer Tagesordnung zu instrumentalisieren wusste.10 Dieser Werdegang, der demnach stark mit den politischen Etappen seines Prinzipats korreliert, soll auch das Vorgehen dieser Arbeit bestimmen. Während seines Aufstiegs von Octavian zu Augustus, dient ihm die ! als publikumswirksames Propagandainstrument, nicht nur zur innenpolitischen Stärkung seiner Position in Rom, sondern auch zur Legitimation des blutigen Befreiungskrieges gegen die Antonius-Partei.11 Als die neue Staatsordnung gegen 28/27 v. Chr. feste Formen annimmt, wird die Restauration der ! einer der Stützpfeiler seiner Herrschaft und wird Ausdrucksform des neuen , des angebrochenen Friedenszeitalters.12 Das Jahr 12 v. Chr. gilt als „Epochenjahr“13 der „religiösen Fundierung des Principats“14 und markiert gleichsam die letzte Etappe als Entwicklung zur Hofreligion, in der sich nun endgültig der Wille zur dynastischen Absicherung erkennen lässt.15
2. Religio im ersten Prinzipat - Instrument augusteischer Machtpolitik
Dass Augustus von Anfang an ein „religiöses Programm“,16 ja in gewisser Weise eine „Religionspolitik“17 verfolgte, ist in der Forschung allgemein anerkannt. Nur das Ausmaß der bewussten Vereinnahmung der ! zu politischen Zwecken bleibt strittig und wird, bei jeder seiner im sakralen Rahmen, durchgeführten Handlungen, Thema kontroverser Diskussionen. Ebenso hat sich eine Dichotomie der Begrifflichkeiten entwickelt, wenn man die Bedeutung der ! unter Augustus analysiert. Neben der von Augustus selbst stetig betonten „Restauration“, die aus der Erneuerung der „viele[n] vorbildlichen Einrichtungen der Vorfahren“18 bestand, die Gefahr liefen „aus dem Gedächtnis unseres Zeitalters“19 zu verschwinden, tritt die von ihm bewusst verschwiegene „Innovation.“20 Der „religiös hochgeladene“21 Begriff der „Restauration“ bot Augustus die Möglichkeit, rein formal an die " ( anzuschließen. Ein weiteres durch Sueton erhaltenes Edikt, gibt uns auch hier Einblick in die politischen Absichten des Augustus:
„Es möge mir vergönnt sein, den Staat auf eine gesunde und behütete Grundlage zu stellen und dafür den Erfolg zu verbuchen, nach dem ich strebe, nämlich Begründer der besten Verfassung genannt zu werden, und bei meinem Tode in mir die Hoffnung zu tragen, dass die Grundlagen des Staates, die ich geschaffen habe, stets erhalten bleiben werden.“22
Gerade wegen der zahlreichen Widersprüche zwischen „Kontinuität und Wandel“, „Tradition und Innovation“23 und einer Restauration, die „mehr Neubau als Wiederherstellung bedeutet[e].“24 gilt die Entwicklung der römischen Staatsreligion in der Ära Augustus als „bedeutendstes Ereignis in der Geschichte der römischen Religion und als ein fast einmaliges in der Geschichte der Religion überhaupt.“25 Welche Bedeutung gerade die Jahre in den Wirren des Bürgerkrieges und der Triumviratszeit haben, betont SCHEIDT, wenn er behauptet, dass all das, was wir als augusteische Religionspolitik definieren können, sich bereits komplett in den Jahren 44 bis 28 abgespielt hat.26
2.1 Religio im Dienste der augusteischen Propaganda - Der Aufstieg des Octavian
Schon die biblisch anmutenden Geburtsmythen, „durch die man seine zukünftige Größe und sein immerwährendes Glück erhoffen und erkennen konnte“27, die wir am Ende von Suetons Kaiserbiographie finden und von denen wir annehmen müssen, dass sie erst in den späten Regierungsjahren des Augustus Verbreitung gefunden haben, wenn nicht sogar erst nach dessen Tod, sind voll von Wunderzeichen und religiösen Beziehungen, die versuchen den " " bzw. die !, in göttliche Nähe zu rücken. So prophezeit ein Orakel in Velitrae die Macht des Augustus,28 ein Wunderzeichen setzt den römischen Senat in Angst und Schrecken, als es die Geburt eines römischen Königs verkündet, mal hinterlässt der Gott Apollo in Form einer Schlange ein unauslöschliches Zeichen bei Octavius‘ Mutter Atia, dessen Sohn wird daraufhin „für einen Sohn von Apollo“29 gehalten, dann wiederum haben Vater und Mutter vor der Niederkunft Traumerscheinungen, die die historische Größe und Bedeutung ihres Neugeborenen verheißen. Von der Geburtsstunde des jungen Octavius informiert verkündet P. Nigidius gar im Senat „es sei der Herr der Welt geboren worden“30, später wird er im selben Atemzug mit Alexander dem Großen genannt und selbst vor dem höchsten Staatsgott wird kein Halt gemacht, wenn er dem Vater „in übermenschlicher Größe […] mit Blitz und Szepter, in den Prachtgewändern des Iupiter Optimus Maximus m]it einer Strahlenkrone“31 erscheint.
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1 Deubner, L., zit. nach: Christ, K., Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin, 4. durchgesehene u. aktualisierte Auflage, München 2002, S.167.
2 Im antiken Rom und z.T. darüber hinaus herrschte die weit verbreitete Ansicht, dass die Römer ihre Herrschaft ihrer besonderen Gottesfürchtigkeit und " verdanken (vgl. Cic. har. resp. 19) und halten sich für !, die „Frömmsten aller Sterblichen“ (Sall. cat. 12), schon Polybios sieht $ (Götterfurcht) als Grundlage des römischen Staatswesens (Pol. 6,56,6-8); der Bürgerkrieg wurde somit als Strafe der Götter gesehen, da man die " % gebrochen hatte (vgl. Cic. Marcell. 18), dazu J. Liebeschuetz: &' ! +, in: Liebeschuetz, J., Continuity and Change in Roman Religion, Oxford/New York 1979, S.55f.). Man beklagte den Verfall der von den Vätern erbauten Tempel und überlieferten Sitten und Gebräuche (vgl. Hor. carm. 3,6,1-4), Augustus politischer Erneuerungskurs im Sinne einer Wiederbelebung und Restauration, auch baulicher Art, fiel damit auf fruchtbaren Boden.
3 Suet. Aug. 101,4.
4 Ebd.
5 Suet. Aug. 31, 5. Sueton zitiert hier aus einem Edikt, das der Prinzeps anlasslich der Aufstellung von Statuen bedeutender romischer Personlichkeiten im Augustusforum offentlich verlesen lies: ,,commentum idse, ut ad illorum velut ad exemplar et ipse, dum viveret, et insequentium aetatiumprincipes exigerentur a civibus."
6 Tac. Ann. 1,9-10.
7 vgl. Latte, K., Römische Religionsgeschichte (Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft: V.4), 2. Aufl., München 1967, S.311.
8 Beard, M. / North, J. / Price, S. (Hgg.), Religions of Rome (Bd. 1: A history), Cambridge 1998, S.169.
9 S Suet. Aug. 9,1. ,,Proposita vitae eius velut summa partes singillatim neque per tempora sed per species exequar, quo distinctius demonstrari cognosciquepossint."
10 vgl. Aussage Scheidts, der das religiöse Wirken des princeps mehr als „empirischen Opportunismus“, denn als „dauerhafte und vorsätzliche Politik“ einstuft, Scheidt, J., Augustus and Roman Religion: Continuity, Conservatism, And Innovation, in: Galinsky, K. (Hg.), The Cambridge Companion to the Age of Augustus, New York 2005, S.178.
11 Mon. Anc. 1-2. ,,[...]per quem rempublicam a dominatione factionis oppressam in libertatem vindicavi."
12 vgl. Christ, Geschichte, S. 159 u. S.170f.
13 Ebd., S. 161.; siehe auch: Wissowa, G., Religion und Kultus der Römer Altertumswissenschaft V.4), 2. Aufl., München 1912, S.76.
14 Christ, Geschichte, S.161.
15 vgl. Wissowa, Religion, S.79.
16 Scheidt, Augustus, S.178.
17 (Handbuch der klassischen Ders., Cultes, Mythes et politique au début de l’Empire, in : Graf, F. (Hg.), Mythos in mythenloser Gesellschaft. Das Paradigma Roms, Stuttgart /Leipzig 1993, S.109.
18 Mon. Anc. 8. ,,Legibus novis me auctore latis multa exempla maiorum exolescentia iam ex nostro saeculo reduxi et ipse multarum rerum exempla imitanda posteris tradidi."
19 Ebd., s.o.
20 vgl. Liebeschuetz, Continuity, S.63.
21 Beard / North / Price, Religions, S.169.
22 Suet. Aug. 28,2. & * " " 0
23 Galinsky, K., Continuity and Change: Religion in the Augustan Semi-Century, in: Rüpke, J. (Hg.), A companion to Roman Religion, Oxford 2007, S.71f.
24 Wissowa, Religion, S.72.
25 Fowler, W., The religious experience of the Roman people. From the earliest times to the age of Augustus (The Gifford Lectures for 1909-10, Edinburgh), London 1933, S.428.
26 vgl. Scheidt, Augustus, S.178 u. S.182.
27 Suet. Aug. 94,1. & 3.40 (
28 Ebd. 94,2.
29 Ebd. 94,4. &3.4 ( 2"
30 Ebd. 94,5. & 3.4
31 Ebd. 94,6. ,, [...]visus est filium mortali specie ampliorem, cum fulmine et sceptro exuviisque lovis Optimi Maximi ac radiata corona[...]"