Der Körper, der die Kreatur beherbergt, der wandelbar und schwach ist, kommuniziert mit dem Außen. Er ist Medium zwischen Innen und Außen, zwischen der äußeren Realität und dem Ich, ist Spiegel der Seele und doch führt er ein Eigenleben. Für David Lynch ist der Körper zentraler Gesichtspunkt einer Suche nach dem Dazwischen, dem Nicht-Greifbaren und dem Fremden.
Woher kommen die Motive, die in beinahe allen denkbaren Variationen in seinem mittlerweile umfassenden Œuvre auftauchen? Die Stabilität und Ganzheit des menschlichen Körpers, der im Bildraum sowohl das Fleisch wie auch den Hüter oder das fremde Außen der Seele repräsentiert, wird in einer konkreten Strategie von allen Seiten aus infrage gestellt.
David Lynch ist seit den späten 70er und frühen 80er Jahren eine stete Größe des amerikanischen Independentfilms. Generell lassen sich seine Filme jedoch nicht einem bestimmten Genre oder einer konkreten Kategorie zuweisen und stellen mehr eine Methodik avantgardistischer Formauflösung dar, „da sie sich mit allen Schwächen und Krankheiten unserer Kultur auseinandersetzen.“
Eine grundlegende theoretische Annäherung an die philosophische, psychologische und filmwissenschaftliche Bedeutung der Körperdarstellung und –wahrnehmung ist Ausgangspunkt der Analyse des deformierten Körpers, mit einem Fokus auf den Kopf. Anders als beim klassischen Hollywoodfilm, bei dem eine kausallogische Narration, eine aristotelische Dramaturgie und klare Figurenpsychologie dominieren, sind die filmischen Werke Lynchs nicht auf oberflächlicher Ebene einer filmwissenschaftliche Analyse greifbar.
Der Argumentation vorangestellt ist eine allgemeine Zusammenfassung der Merkmale des „Universum Lynch.“ Im Zuge dessen soll auch das Problem des Autors und seine eigene Mystifizierung infrage gestellt werden. So sind sowohl die Dementierung von weit reichenden kunst- und filmhistorischen Einflüssen als auch die Verweigerung jeder Intention oder Interpretation des Künstlers nur zwei Hauptmerkmale des Mythos, den David Lynch um sich geschaffen hat. Des Weiteren ist eine Auseinandersetzung mit der filmischen Abstraktion und einer postmodernen Ästhetik grundlegend insofern, als neben der Abkehr von klassischer Narration und eindeutiger Semiologie die Dominanz eines konkreten Motivs sowohl die Grundstruktur des filmischen Arbeitens wie auch das individuelle Wirkungspotenzial beim Zuschauer verändert.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. David Lynch: Film und Kunst
- 2.1 Der Weg von der bildenden Kunst zum Film
- 2.1.1 Der modifizierte Körper in der Fotografie: André Kertész
- 2.1.2 Der entstellte Körper in der Malerei: Francis Bacon
- 2.2 Das Problem der Interpretation: die Mystifizierung des Autors
- 2.3 Abstraktion und Postmoderne im Film
- 2.3.1 Die Wahrnehmung der Abstraktion im Bildraum
- 2.3.2 Die postmoderne Mehrfachkodierung von Zeichen
- 3. Die Fremdheit des Körpers und der Dinge
- 3.1 Kopf- und Körperdeformation
- 3.1.1 Die Masken des Menschen
- 3.1.2 Der Körper als Skulptur
- 3.2 Das Fremde Selbst
- 3.2.1 Entfremdung und Entäußerung
- 3.2.2 Die Faszination für den fremden Körper und das Abjekt
- 3.2.3 Die Wahrnehmung des Unheimlichen
- 4. Eraserhead: die Fremdheit einer Welt
- 4.1 Eraserhead
- 4.2 Die Verkörperung des Fremden
- 4.2.1 Das Baby: eine Figur außerhalb der symbolischen Ordnung
- 4.2.2 Bipolare Figuren der metaphysischen Sphäre
- 4.2.3 Henry Spencer: der Träumer zwischen Illusion und Wirklichkeit
- 4.3 Ästhetik des Surrealismus
- 5. The Elephant Man: Der Mensch als unzivilisiertes Tier
- 5.1 John Merrick: die tragische Ironie der Natur
- 5.1.1 Die Kunst, einen kranken Körper darzustellen
- 5.1.2 Die Sprache als Ausgleich zur Immanenz des Bildes
- 5.2 Der mystifizierte Blick: religiöse Konnotation als Abstraktion
- 6. Lost Highway: Die Destruktion einer vertrauten Welt
- 6.1 Fred Madison: Identitätsverlust zwischen Realität und Wahnsinn
- 6.2 Eine Kopfdeformation in 720 Einzelbildern
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht die Darstellung von Kopf- und Körperdeformationen in drei Filmen David Lynchs (Eraserhead, The Elephant Man, Lost Highway) im Kontext philosophischer und kunstwissenschaftlicher Bildtheorie. Ziel ist es, die Motivation hinter Lynchs Inszenierung des Körpers als Ort des Fremden und Unheimlichen zu ergründen und die wiederkehrenden Motive in seinem Werk zu analysieren.
- Die Darstellung des Körpers als Medium zwischen Innen und Außen
- Die Inszenierung von Fremdheit und Entfremdung im Körper
- Der Einfluss von Surrealismus und Postmoderne auf Lynchs Filmästhetik
- Die Beziehung zwischen Körperdeformation und symbolischer Ordnung
- Die Rolle der Wahrnehmung im Umgang mit dem Unheimlichen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und skizziert die zentrale Fragestellung. Kapitel 2 analysiert David Lynchs künstlerischen Werdegang und seine Filmästhetik, mit Fokus auf Abstraktion und Postmoderne. Kapitel 3 beleuchtet theoretische Ansätze zur Fremdheit des Körpers und der Körperdeformation. Kapitel 4 untersucht die Darstellung des Fremden in Eraserhead, Kapitel 5 The Elephant Man. Kapitel 6 befasst sich mit Lost Highway.
Schlüsselwörter
David Lynch, Film, Körper, Körperdeformation, Fremdheit, Unheimlichkeit, Surrealismus, Postmoderne, Bildtheorie, Abstraktion, Symbol, Identität, Eraserhead, The Elephant Man, Lost Highway.
- Arbeit zitieren
- Aurelia Vowinckel (Autor:in), 2011, Variationen über den Körper, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/183054