Auf der Grundlage von aktuellen pädagogisch-psychologischen Forschungen zum schulischen Wohlbefinden und der erziehungswissenschaftlichen Schulabsentismusforschung beschäftigt sich diese Lizenziatsarbeit mit den Fragen, welche Faktoren, Situationen und Interaktionsmuster des Schulalltags emotionale Prozesse in Gang bringen, wie sich diese auf das Befinden von SchülerInnen auswirken und welche Folgen für ihr Schulbesuchsverhalten die Befindlichkeit der Jugendlichen nach sich zieht.
Konkret wird aufgezeigt, wie sich die Zusammenhänge zwischen Wohlbefinden in der Schule und den Unterrichtsabsenzen einer Stichprobe von RegelschülerInnen (N=3423) der Jahrgangsstufen sieben bis neun aus 220 Schulklassen der Ostschweiz konstituieren. Es wird deutlich, dass die Häufigkeit der unerlaubten Unterrichtsabsenzen bei jenen SchülerInnen zunimmt, die ihre Beziehung zu Lehrpersonen als belastend empfinden und deren schulbezogene Sorgen hauptsächlich auf böswillige Interaktionen in einem rivalisierenden Klassenklima zurückzuführen sind. Jugendliche mit verstärkten sozialen Problemen bleiben dem Unterricht häufiger fern als ihre Kollegen, die gemäß Selbstbeurteilung gut in die Klasse integriert sind, in der Schule und im Unterricht überwiegend positive Emotionen erleben und sich wohl fühlen. Es sind an erster Stelle Aspekte zwischenmenschlicher Beziehungen, die für die Einstellung zur Schule und die Schulfreude von Jugendlichen ausschlaggebend sind. Insgesamt weisen die Ergebnisse der vorliegenden Lizenziatsarbeit darauf hin, dass sowohl fachlich-didaktische als auch soziale Kompetenzen von Lehrpersonen die Befindlichkeit von SchülerInnen wesentlich beeinflussen. Lehrpersonen sind zum großen Teil für die in einer Schulklasse vorherrschende Atmosphäre verantwortlich. Selbstverständlich spielen auch die verschiedenen Prädispositionen der Schülerschaft eine Rolle bei der Frage, ob der Einzelne positive Emotionen und damit Wohlbefinden in der Schule erlebt.
Da die Schule eine langjährige Sozialisationsinstanz von Kindern und Jugendlichen ist, soll sie diesen möglichst optimale Entwicklungsbedingungen anbieten. In diesem Sinne ist Wohlbefinden ein Indikator und zugleich eine unverzichtbare Voraussetzung für gelingende Lern- und Entwicklungsprozesse. Wohlbefinden wird vor allem durch konstruktive soziale Beziehungen gefördert; es beugt schulischen und sozialen Desintegrationsprozessen sowie unerlaubter Abwesenheit vom Unterricht vor.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- 1 Einleitung
- 1.1 Forschungsgegenstand und Forschungsfeld, Schulabsentismus
- 1.1 Ein historischer Abriss der Erklärungsansätze
- 1.2 Das Konstrukt des schulischen Wohlbefindens von Tina Hascher
- 1.3 Problemstellung, Zielsetzung und Fragestellung dieser Lizenziatsarbeit
- 1.4 Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit im Kontext der erziehungswissenschaftlichen Schulforschung
- 1.5 Sozialpädagogische Relevanz der Themenstellung
- 1.6 Angaben zum methodischen Vorgehen und zu den Kapitelinhalten
- 2 Empirische und theoretische Grundlagen
- 2.1 Schulabsentismus - gegenwärtiger Forschungsstand
- 2.1.1 Begriffe und Definitionen (I)
- 2.1.2 Bedingungsfaktoren des Schulabsentismus
- 2.1.2.1 Die Schülerpersönlichkeit
- 2.1.2.2 Die Schule als Lebens- und Wirkungsraum
- 2.1.2.3 Die Familie als Wirkungsraum
- 2.1.2.4 Beziehungen zu Gleichaltrigen
- 2.1.2.5 Soziales Umfeld
- 2.1.2.6 Zeitstrukturelle Befunde
- 2.1.3 Vorbemerkungen zu den theoretischen Bezügen (I)
- 2.1.3.1 Lernen am Modell
- 2.1.3.2 Anomietheorien
- 2.1.3.3 Kontrolltheorien
- 2.1.3.4 Etikettierungstheorien
- 2.1.3.5 Subkulturtheorien
- 2.1.3.6 Theorien des differentiellen Lernens
- 2.1.3.7 Defizitansätze in der Bildungsforschung (I) Die individuelle Perspektive
- 2.1.3.8 Defizitansätze in der Bildungsforschung (II) Die institutionelle Perspektive
- 2.1.3.9 Theorie der rationalen Entscheidung
- 2.2 Emotionen und Wohlbefinden im Schulalltag - gegenwärtiger Forschungsstand
- 2.2.1 Begriffe und Definitionen (II)
- 2.2.2 Vorbemerkungen zu den theoretischen Bezügen (II)
- 2.2.2.1 Ein Komponentenmodell der Emotion
- 2.2.2.2 Kategorisierungen von Emotionen in Lern- und Leistungskontexten
- 2.2.2.3 Eine zusammenfassende Systematisierung von Einflussgrößen der Emotionsentwicklung
- 2.1 Schulabsentismus - gegenwärtiger Forschungsstand
- 3 Datenbasis, Variablen, Konstrukte und Hypothesen
- 3.1 Auskunft zur Datenbasis
- 3.1.1 Die Schülerstichprobe – soziodemographische und soziokulturelle Merkmale der Probanden
- 3.1.2 Gegenüberstellung der in der Schulabsentismus- und der Wohlbefindensstudie verwendeten Variablen und Konstrukte
- 3.1.2.1 Variablen und Konstrukte der Schulabsentismusstudie
- 3.1.2.2 Variablen und Konstrukte der Wohlbefindensstudie
- 3.1.3 Prädiktorvariablen
- 3.1.3.1 Die Rolle der Klassenlehrperson bzw. generell von Lehrpersonen
- 3.1.3.2 Leistungsdruck
- 3.1.3.3 Schulleistung (Mathematiknote)
- 3.1.3.4 Soziales Selbstkonzept, Anerkennung oder Diskriminierung durch Klassenkameraden
- 3.1.3.5 Interaktionen in den Unterrichtspausen
- 3.1.4 Komponenten der Befindlichkeit
- 3.1.4.1 Positive Einstellung zur Schule
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Lizenziatsarbeit untersucht die Faktoren, die das schulische Wohlbefinden von Sekundarstufe-I-Schülern beeinflussen und wie sich dieses Wohlbefinden auf deren Unterrichtsabwesenheit auswirkt. Die Arbeit analysiert Daten einer Schweizer Studie, um die Zusammenhänge zwischen Wohlbefinden und unerlaubten Abwesenheiten empirisch zu überprüfen.
- Zusammenhang zwischen Schülerwohlbefinden und Unterrichtsabwesenheit
- Einfluss von Lehrer-Schüler-Beziehungen auf das Wohlbefinden
- Rolle des sozialen Klimas in der Klasse
- Auswirkungen sozialer Probleme auf den Schulbesuch
- Bedeutung von positiven Emotionen für den Schulerfolg
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in den Forschungsgegenstand Schulabsentismus ein, definiert schulische Wohlbefinden und formuliert die Forschungsfragen und -ziele. Kapitel 2 beleuchtet den aktuellen Forschungsstand zum Schulabsentismus und zum Wohlbefinden im Schulalltag, inklusive verschiedener theoretischer Ansätze. Kapitel 3 beschreibt die Datenbasis, die verwendeten Variablen und die aufgestellten Hypothesen.
Schlüsselwörter
Schulabsentismus, Wohlbefinden, Sekundarstufe I, Lehrer-Schüler-Beziehung, Sozialisation, Klassenklima, positive Emotionen, empirische Studie, Regressionsanalyse.
- Citar trabajo
- Reto Müller (Autor), 2011, Zusammenhänge zwischen schulischem Wohlbefinden und Unterrichtsabsenzen auf der Sekundarstufe 1, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/183145