Die maßgebliche Absicht eines jeden Erbrechtssystems ist die vorhersehbare Regelung des Überganges von Vermögen einer verstorbenen Person auf eine Gruppe von Erbberechtigten, welche im Voraus aus rechtlicher Sicht als erbberechtigt festgelegt werden soll. Im Gegensatz zu traditionellen Erbrechtssystemen basieren moderne Erbrechtssysteme vor allem auf dem freien Willen des Individuums, in diesem Falle auf dem freien Willen des Verstorbenen, welcher zum Beispiel in Form eines Testaments seinen bevorzugten Erben selber benennen darf. Diese Art der Selbstbestimmung blieb Individuen zu Zeiten traditioneller Rechtssystemen für gewöhnlich verwährt, da in diesen Formen des Gemeinschaftswesens das Individuum der Gruppe vollständig untergeordnet war. An Stelle von Selbstbestimmung erlegte das damals vorherrschende Rechtssystem obligatorische Erbrechtsregeln auf, die den freien Willen des Verstorbenen bzw. seinen bevorzugt ausgewählten Erben in keinerlei Weise berücksichtigten. Dieses Verfahren zielte vor allem darauf ab, das Vermögen in einer vorhersehbaren Art und Weise an die Gruppe des Verstorbenen weiterzugeben, um die finanzielle Absicherung von Nachkommen, Blutsverwandten, aber auch der Gemeinschaft zu gewährleisten und somit auch ihren Fortbestand zu sichern.
In dieser Hausarbeit sollen die Erbrechtsregeln in beiden Erscheinungsformen des islamischen Patronats näher erläutert werden, wobei aufgezeigt werden soll, wie ein ursprünglich nicht-Verwandter in den Status eines Verwandten erhoben werden konnte. Dieses ermöglichte in gewissen, fest definierten Grenzen auch den Erwerb von Erbansprüchen, die denen eines echten Verwandten sehr nahe kamen, wodurch der Klient bzw. der Freigelassene zu einem gewissen Grad in Rivalität zu den „natürlichen“ Blutsverwandten trat. Zu diesem Zweck werde ich zunächst einen groben Überblick darüber geben, wie der Aufstieg des Islams die bestehende Erbrechtsstruktur veränderte, um anschließend die genaue Rechtsinstitution des islamischen Patronats mit seinen Zielen und Absichten zu erörtern. Daran anschließend werde ich auf die beiden unterschiedlichen Ausprägungen des Patronats – Freilassungspatronat (walā’ al-‘itq) und Vertragspatronat (walā’ al-muwālāt) eingehen, um die mit Ihnen verbundenen Erbrechtsansprüche genauer zu beleuchten und die vorliegenden Unterschiede innerhalb dieser Institutionen herauszuarbeiten.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Veränderung des Erbrechts mit Beginn des Islam
- III. Das Islamische Patronat
- IV. Erbrechtsansprüche
- A. Erbrechtsanspruch des Patrons
- B. Erbrechtsanspruch des Freigelassenen
- C. Begründung des unterschiedlichen Erbrechtsansprüche
- V. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die Erbrechtsregelungen im islamischen Patronat (walā’) und zeigt auf, wie Nicht-Verwandte den Status eines Verwandten erlangen und damit Erbrechte erwerben konnten. Es wird analysiert, wie diese Erbrechtsansprüche im Vergleich zu denen echter Verwandter ausfielen.
- Veränderung des Erbrechts durch den Islam
- Die Institution des islamischen Patronats (walā’)
- Erbrechtsansprüche des Patrons und des Freigelassenen
- Unterschiede in den Erbrechtsansprüchen
- Integration von Nicht-Verwandten in die Erbfolge
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung: Die Einleitung beschreibt die Ziele der Arbeit und gibt einen Überblick über die Thematik der Erbrechtsregelungen im islamischen Patronat. Sie vergleicht moderne und traditionelle Erbrechtssysteme.
II. Veränderung des Erbrechts mit Beginn des Islam: Dieses Kapitel beschreibt das vor-islamische Erbrechtssystem im arabischen Raum und seine Veränderungen durch den Islam. Es wird die Bedeutung der Stammeszugehörigkeit und die Rolle von Frauen im vorislamischen Recht beleuchtet. Die Einführung koranischer Erben und die Modifikation des bestehenden Systems werden erläutert.
III. Das Islamische Patronat: Kapitel III beschreibt die Institution des islamischen Patronats als Mechanismus zur Integration von Freigelassenen und Konvertiten in die Gesellschaft.
IV. Erbrechtsansprüche: Dieses Kapitel analysiert die Erbrechtsansprüche von Patron und Freigelassenen im Detail und beleuchtet die Gründe für die Unterschiede in ihren Ansprüchen.
Schlüsselwörter
Islamisches Patronat (Walā’), Erbrecht, Freigelassene, Konvertiten, vor-islamisches Erbrecht, Stammesgesellschaft, Koranische Erben, Agnaten, Kognaten, Erbrechtsansprüche, Rechtsvergleichung.
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- Magistra Artium Jessica Plambeck (Author), 2009, Die Unterschiede der Erbrechtsregelungen in den beiden Ausprägungen des islamischen Patronats, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/183326