Ilija Trojanows „Der Weltensammler“ im Lichte der Theorie Interkultureller Kommunikation


Bachelorarbeit, 2009

35 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ilija Trojanows „Der Weltensammler“ im Lichte der Theorie Interkultureller Kommunikation
2.1. Begriffsdiskussion: Kultur - Interkulturalität
2.1.1. Kultur
2.1.2. Interkulturalität
2.2. Interkulturelle Kommunikation
2.2.1. Begriffsklärung
2.2.2. Interkulturelle Kompetenz und Interkulturelles Lernen
2.3. Ilija Trojanow: „Der Weltensammler“ - ein interkultureller Roman
2.4. Interkulturelle Kommunikation in Trojanows „Weltensammler“
2.4.1. Der Elitemigrant: Richard F. Burton
2.4.2. Ignoranz der kulturellen Andersheit
2.4.3. Der Sonderweg Burtons: Entwicklung interkultureller Kompetenz
2.4.4. Schwierigkeiten in der interkulturellen Kommunikation
2.4.5. Richard Burton zwischen Assimilation und „Verwandlung“

3. Schlussbemerkung

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Viele Rezensionen zu Ilija Trojanows „Der Weltensammler“ stellen einen Aspekt ihrer Betrachtung besonders heraus: die biographische Nähe des Autors zu seiner Romanfigur Richard F. Burton. Dass Trojanow in Bulgarien geboren, in Südafrika aufgewachsen sei, aber auf Deutsch schreibe, beschwört einen Vergleich mit dem britischen Soldaten aus dem

19.Jahrhundert ja fast schon herauf - im Hinblick zumindest auf die Interkulturalität ihrer Lebenssituationen. Trojanow heute und Burton damals müssen sich aber freilich mit anderen Gegebenheiten auseinandersetzen: um interkulturelle Kommunikation zu erleben, muss man in diesen Tagen nicht mehr weit reisen - moderne Medien und wachsende Mobilität haben die Welt zusammenrücken lassen. Auch wenn der Text seine Handlung im 19. Jahrhundert ansiedelt, so sind die darin verhandelten interkulturellen Problemfelder doch hochaktuell. Diese Arbeit fragt sich daher, wie sich Theorien interkultureller Kommunikation in Trojanows Roman spiegeln. Es wird daher zunächst der Frage nach einem interkulturell anschlussfähigen Kulturbegriff auf den Grund zu gehen sein, bevor die Arbeit eine Diskussion grundlegender Begriffe und Definitionen Interkultureller Kommunikation leistet, die im Hinblick auf die Betrachtung von „Der Weltensammler“ unerlässlich sind. Auf diese Begriffe baut die Arbeit in der Folge auf. Sie setzt sich mit ihnen in einer Textanalyse von Trojanows „Weltensammler“ auseinander und beleuchtet und hinterfragt die Thesen Interkultureller Kommunikation.

2. Ilija Trojanows „Der Weltensammler“ im Lichte der Theorie Interkultureller Kommunikation

2.1. Begriffsdiskussion: Kultur - Interkulturalität

2.1.1. Kultur

Die Begriffe Interkulturalität und Interkulturelle Kommunikation sind keineswegs voraussetzungslos. Ihre Basis ist der Kulturbegriff, der hier zunächst einer Klärung bedarf. Zweifelsohne wird eine Diskussion des Begriffes „Kultur“ beziehungsweise eine abschließend eindeutige Definition von Kultur nicht zuletzt durch seinen inflationären Gebrauch in jedem nur erdenklichen Kontext erschwert beziehungsweise unmöglich gemacht. Spätestens seit der Popularisierung von Kultur durch die Cultural Studies in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, die sich vor allem der „Erforschung der Populärkultur und der Alltagskultur ohne elitären Anstrich“1 widmeten und die Erscheinungsformen von Kultur nicht mehr allein im künstlerischen Bereich, sondern vielmehr auch im Alltag jedes Einzelnen heraushoben, hat der Kulturbegriff eine entscheidende Ausweitung erfahren. Diese Ausweitung läuft der älteren Vorstellung von Kultur als Hochkultur freilich zuwider, die Kultur, vereinfacht gesprochen, als einen elitären Kreis für Gebildete definierte2. Gleichwohl lässt sich in der heutigen Lebenswelt beobachten, dass Kultur - in kulturwissenschaftlicher Definition - in verschiedenen Formen die Menschen in beinahe allen Bereichen ihres Lebens bestimmt. Der Begriff der Kultur ist durchaus dehnbar geworden. Er spielt eine Rolle nicht nur in „wissenschaftlichen, politischen, ethischen und ästhetischen Diskursen“3, sondern eben auch in der Lebenswelt jedes einzelnen Menschen. Die Vielfalt seiner Verwendung in den unterschiedlichsten Zusammensetzungen führt etwa Berking auf eine zunehmende „Ästhetisierung des Alltags“4 zurück; die starke funktionale Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft macht deutlich, dass es sich bei „Kultur“ keineswegs nur um eine Grobstruktur etwa im Sinne von Nationalkulturen handeln kann, sondern „sich auch andere kulturelle Einheiten herausgebildet haben“5. Nicht zuletzt deshalb wird der Kulturbegriff heute auf Phänomene angewandt, die weder viel mit Kunst noch mit den althergebrachten kulturellen Grobstrukturen zu tun haben. In diesem Sinn sind Esskultur und Biergartenkultur, Gesprächskultur und Erinnerungskultur vielmehr kulturelle Praxis.

Nach dem kulturwissenschaftlichen Ansatz Lüsebrinks6 lassen sich grob drei Kulturbegriffe unterscheiden. Neben dem materiellen Kulturbegriff, der im Sinne der Wortgeschichte Kultur als Agricultura thematisiert, sind dies der intellektuell-ästhetische sowie der anthropologische Kulturbegriff. Ersterer geht - wie bereits kurz angerissen - von einem eher elitären Zugang zu Kultur aus und hat eine eindeutig künstlerische Dimension. Es handelt sich hierbei also um einen starren Begriff, dem „ästhetische, aber auch moralisch-ethische Werte zugrunde“7 liegen, die Populär- bzw. Massenkultur sind klar ausgegrenzt.

Gangbarer für die vorliegende Arbeit ist aufgrund ihres interkulturellen Kontextes allerdings der drittgenannte, der anthropologische Kulturbegriff. Wenn es auch hier unterschiedliche Vorstellungen von einer Definition von „Kultur“ gibt, so ist den anthropologischen Ansätzen doch gemeinsam, dass es - im Gegensatz zum intellektuell-ästhetischen Kulturbegriff eben nicht um eine elitäre Hochkultur geht, sondern Kultur im Sinn der Kulturanthropologie

„im wesentlichen zu verstehen [ist] als ein System von Konzepten, Überzeugungen, Einstellungen, Wertorientierungen, die sowohl im Verhalten und Handeln der Menschen als auch in ihren geistigen und materiellen Produkten sichtbar werden. Ganz vereinfacht kann man sagen: Kultur ist die Art und Weise, wie die Menschen leben und was sie aus sich selbst und ihrer Welt machen.“8

Es wird klar, dass diese Definition für einen „offene[n] Kulturbegriff“9 plädiert, der gerade im Hinblick auf andere Kulturen beziehungsweise den interkulturellen Kontakt anschlussfähig ist. Kultur wird im oben stehenden Definitionsangebot als spezifisch menschliche Leistung gezeigt, die den

Menschen gerade vom Tierreich ab- und als intelligentes Wesen mit je eigenen Überzeugungen, Werten, Idealen etc. hervorhebt. Sichtbar wird in dieser Definition aber auch, dass Mensch und Kultur auf untrennbare Weise miteinander verbunden sind, was sich unter anderem ebenfalls in Thomas‘ Begriff von Kultur als einem „Orientierungssystem“10 ausdrückt. Demnach sei es „ein zentrales Bedürfnis des Menschen, sich in seiner Welt zurechtzufinden“11. Kultur leistet dabei einen wertvollen Beitrag, indem sie die Umwelt des Einzelnen mit Sinn und Bedeutung zu versehen mag. Folgt man Thomas in seiner Argumentation, so bietet das Orientierungssystem „Kultur“ dem Individuum Handlungsmöglichkeiten und -anreize, weist aber auch Handlungsbedingungen und -grenzen auf.12 Kultur spannt nach dieser Vorstellung einen Rahmen an Normen und Werten auf, die dem Handelnden Halt geben können. Thomas sieht hier eine enge Verbindung von Kultur und Gesellschaft: das Hineinwachsen des Einzelnen in die Gesellschaft sei als dessen Enkulturation zu sehen,13 die im Erlernen „spezifische[r] sozial relevante[r] Verhaltensweisen“14 bestehe. Somit lässt sich die zuvor genannte Definition des Kulturbegriffes bei Maletzke durchaus noch spezifizieren. Hofstede spricht von Kultur dezidiert als „kollektive[m] Phänomen, da man sie zumindest teilweise mit Menschen teilt, die im selben sozialen Umfeld leben, (…) wo diese Kultur erlernt wurde.“15 Kultur ist somit eine universelle Erscheinung, „für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe aber sehr typisches Orientierungssystem.“16 Sowohl wird die Bezeichnung „Kultur“ als Bezeichnung der gemeinsamen Lebensform einer Gruppe bezeichnet als auch die „Gruppe selbst, die durch eine gemeinsame Lebensweise gekennzeichnet ist.“17 So würden zum Beispiel Deutsche, Engländer oder Franzosen nicht eine eigene Kultur haben, sondern eine je eigene Kultur darstellen.18 Diese Ansicht, ganze Nationen - bildlich gesprochen - über einen kulturellen Kamm zu scheren, ist jedoch mit Recht umstritten. Gerade im Hinblick auf die erwähnte in höchstem Maße fortgeschrittene Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften in eine unüberschaubare Zahl von subkulturellen Gruppierungen erscheint das Ausrufen einer Nationalkultur in der heutigen Zeit so unrealistisch wie unberechtigt.19

Nichtsdestotrotz kann man - wie erwähnt - von Kultur als einem zwar wandlungsfähigen, aber dennoch kollektiven Phänomen sprechen, in dem Menschen (zumindest teilweise) gemeinsame Werte, Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsweisen teilen. Diese werden auch als Kulturstandards20 bezeichnet. Kulturstandards werden „von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur (…) als normal[es], typisch[es] und verbindlich[es]“21 Verhalten in Bezug auf Wahrnehmung, Denken, Werte und Handeln angesehen.

Anhand dieser Kulturstandards lassen sich Differenzen zwischen verschiedenen Kulturen ausmachen. Hofstede macht vier Ebenen fest, die sich zur Betrachtung von Kulturunterschieden eignen: Werte, Rituale, Helden und Symbole.22 Dabei seien die Werte als Kern kultureller Systeme aufzufassen. War in der Vergangenheit vor allem die erwähnte Nationalkultur eine zentrale Bezugsgröße, so trägt in diesem Kontext nicht zuletzt die Globalisierung dazu bei, dass heute andere Gesichtspunkte bei der Bestimmung eine Rolle spielen: neben sozialen und religiösen erweisen sich territorial-geographische Bezugsgrößen als zeitgemäßer für die Betrachtung kultureller Phänomene.

In diesem Kapitel ist abschließend einzugehen auf einen weiteren Aspekt eines anthropologisch basierten Kulturbegriffes: seine Dynamik. Sie ist, möchte man Kultur als Bestandteil von Interkulturalität betrachten, von eminenter Bedeutung. Wichtig zu zeigen ist, dass Kultur keineswegs ein statischer Begriff ist, sondern - nach Wierlacher - ein

„sich wandelndes, auf Austausch angelegtes, vielschichtiges und doch kohärentes, aber nicht widerspruchsfreies und insofern offenes Regel-, Hypothesen-, Bedeutungs- und Geltungssystem, das sichtbare und unsichtbare Phänomene einschließt.“23

Gerade diese Austauschfähigkeit von Kultur, den wandelbaren Charakter sollte man im Blick behalten, wenn es zum Kontakt von verschiedenen Kulturen kommt, zum Kontakt zwischen Eigen- und Fremdkultur.

2.1.2. Interkulturalität

Einen Austausch verschiedener Kulturen meint, wer von Interkulturalität spricht. Die Bedeutung des Begriffspaares „Inter-Kulturalität“ erschließt sich in seiner Übersetzung aus dem Lateinischen: es kommt zum Kontakt „zwischen“ mindestens zwei verschiedenen Kulturen. Dabei muss dieser Kontakt allerdings - im Gegensatz zur „Interkulturellen Kommunikation“ - „nicht notwendigerweise eine kommunikative Dimension (im engeren interaktionalen Sinn) aufweisen“24 Der Begriff der „Interkulturalität“ erscheint somit zunächst universaler und ist vor allen Dingen als das Resultat eines (bereits zuvor stattgefundenen) Kommunikationsvorgangs zu betrachten. Dass sich die Welt in zunehmendem Maße interkulturell darstellt, liegt nicht zuletzt an den ständig sich erweiternden Möglichkeiten der Massenmedien: Durch sie findet der Kontakt verschiedener Kulturen tagtäglich statt und ist zum Alltagsphänomen geworden. Neben der globalen Vernetzung durch die Medien spielt die immer größer werdende Mobilität des Menschen dabei eine zentrale Rolle.

Die Bedeutung von „inter“ nochmals aufgreifend, findet „Inter-Kulturalität“ zudem in einem lokalen Sinn zwischen den Kulturen statt; so gesehen, dass sich dieser Begriff nicht für eine Kultur vereinnahmen lässt, sondern eine „kulturelle Zwischenposition“25 eröffnet, die nicht so sehr eine Schnittmenge kultureller Gemeinsamkeiten der Kommunikationspartner ist, sondern eine neue „dritte Ordnung“26, die kulturelle Unterschiede verstehbar und akzeptierbar macht und eine gemeinsame Wissensgrundlage schafft.

Dabei ist gerade das Bewusstsein von Bedeutung, dass die unseren „Alltag bestimmenden Konzepte und Begriffe kulturspezifisch sind, die Begegnung mit fremden Kulturen daher nie voraussetzungslos, sondern stets durch individuelle Voraussetzungen geprägt ist. Das Interkulturalität erlebende Individuum ist somit - wie in Kapitel 2.1.1. ausgeführt - vor allem in seiner eigenen kulturellen Sozialisation, seinem Orientierungssystem verhaftet. Dies führt dazu, dass „die meisten Menschen die […] eigene Kultur als den Mittelpunkt der Welt und als den Maßstab der Dinge“27 betrachten. Vor dem Hintergrund, dass der Einzelne seine kulturelle Identität gerade im eigenkulturellen Kontext erwirbt und nicht dazu in der Lage ist, über den kulturellen Tellerrand hinauszublicken beziehungsweise sich in einen fremdkulturellen Kontext hineinzuversetzen, wird die in der Forschung „Ethnozentrismus“ genannte Einstellung zumindest verständlich. Das kulturell geprägte Individuum weiß in der Regel nicht um die „Kultur- und Sozialbedingtheit […] (der eigenen) Weltsicht“28 und ist aus gutem Grunde nicht bestrebt diese in Frage zu stellen - immerhin würde es damit auch das eigene Orientierungssystem hinterfragen müssen. Vorausgreifend auf den Analyseteil der vorliegenden Arbeit lässt sich eine weitere Facette des Ethnozentrismus herausstellen. „Häufig bedeutet der Ethnozentrismus auch die Ansicht, die eigene Kultur sei anderen überlegen.

[...]


1 Fauser 2003. S.32.

2 Maletzke 1996. S.15.

3 Straub 2007. S.7.

4 Berking 1989. S.28.

5 Bausinger 2003. S.272.

6 Vgl. Lüsebrink 2005. S.10.

7 Ebd.

8 Maletzke 1996. S.16.

9 Bausinger 2003. S.272.

10 Thomas 2005. S.22.

11 Ebd.

12 Vgl. Thomas 2005. S.22.

13 Vgl. Ebd. S.23.

14 Ebd. S.23.

15 Hofstede 1993. S.19.

16 Thomas 1993. S.380.

17 Maletzke 1996. S.16.

18 Vgl. Maletzke 1996. S.16.

19 Vor diesem Hintergrund dürften auch durchaus aktuelle Forderungen nach einer „Leitkultur“ als obsolet erscheinen.

20 Lüsebrink 2005. S.18f.

21 Thomas 2005. S.25.

22 Vgl. Lüsebrink 2005. S.11.

23 Blickwinkel 1996.

24 Lüsebrink 2005. S.14.

25 Wierlacher 2003. S.260.

26 Ebd. S.262.

27 Maletzke 1996. S.23.

28 Ebd. S.24.

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Ilija Trojanows „Der Weltensammler“ im Lichte der Theorie Interkultureller Kommunikation
Hochschule
Universität Regensburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
35
Katalognummer
V183374
ISBN (eBook)
9783656078388
ISBN (Buch)
9783656341994
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ilija, Trojanow, Interkulturalität, Interkulturelle, Kommunikation, Richard, Burton
Arbeit zitieren
Dominik Hämmerl (Autor:in), 2009, Ilija Trojanows „Der Weltensammler“ im Lichte der Theorie Interkultureller Kommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/183374

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