Evaluation als Instrument zur Qualitätssicherung Internationaler Bauausstellungen

Empfehlungen zur Entwicklung und Durchführung eines Monitoring- und Evaluationsverfahrens anhand einer Fallanalyse der IBA Hamburg


Tesis, 2011

175 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Anlass und Stand der Forschung
1.2 Zielstellung und Aufbau

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Das Format der Internationalen Bauausstellungen
2.1.1 Geschichtlicherüberblick
2.1.2 Voraussetzungen, Merkmale und Ziele
2.1.3 Das Memorandum Internationaler Bauausstellungen
2.2 Evaluation und Monitoring
2.2.1 Begrifflichkeiten und Bedeutungen
2.2.2 Entwicklung der Evaluation
2.2.3 Funktionen der Evaluation
2.2.4 Arten und Modelle der Evaluation
2.3 Zwischenfazit: Erste Einschätzungen zur Evaluierbarkeit Internationaler Bauausstellungen

3 Methodik
3.1 Methodenwahl
3.1.1 Qualitative Herangehensweise
3.1.2 Erhebungsmethoden
3.1.3 Analyse- undAuswertungsverfahren
3.2 Anwendung der qualitativen Inhaltsanalyse nach Gläser und Laudel

4 Fallstudie: Die Internationale Bauausstellung Hamburg 2013
4.1 Vorstellung der Fallstudie
4.1.1 Anlassund Ziel
4.1.2 DasProgrammgebiet
4.1.3 Leitthemenund Projekte
4.1.4 Organisationsstruktur und Aufgaben der IBA GmbH
4.2 Die Funktionslogiken der IBA Hamburg
4.2.1 Vor-IBA-Phase
4.2.2 Startphase
4.2.3 Projektentwicklungsphase
4.2.4 Projektrealisierungsphase
4.2.5 Abschlussphase
4.2.6 Post-IBA-Phase
4.3 Gegenüberstellung der Funktionslogiken der IBA Fürst-Pückler-Land und der IBA Hamburg
4.3.1 Vor-IBA-Phase
4.3.2 Startphase
4.3.3 Projektphase
4.3.4 Abschlussphase
4.3.5 Post-IBA-Phase
4.4 Qualitätssicherung, Evaluation und Monitoring im Rahmen der
IBA Hamburg
4.4.1 Methoden, Instrumente und Vorgehensweisen der IBA Hamburg
4.4.2 Vorschläge der Experten zur Konzeption eines IBA-Monitorings

5 Empfehlungen zur Durchführung und zur Evaluation Internationaler Bauausstellungen
5.1 Handlungsempfehlungen zur Durchführung einer IBA
5.1.1 Vor-IBA-Phase
5.1.2 Startphase
5.1.3 Projektentwicklungsphase
5.1.4 Projektrealisierungsphase
5.1.5 Abschlussphase
5.2 Empfehlungen zur Konzeption und Durchführung einer IBA-Evaluation
5.2.1 Empfehlungen zur Evaluation auf übergeordneter Ebene des IBA-Formates
5.2.2 Empfehlungen für eine Evaluation auf der Gesamtebene einer IBA
5.2.3 Empfehlungen für eine Evaluation auf der Projektebene einer IBA

6 Schlussfolgerungen
6.1 Zusammenfassung und kritische Reflexion
6.2 Ausblick und weiterer Forschungsbedarf

Quellenverzeichnis

Anhangsverzeichnis und Anhang
1 Das Memorandum zur Zukunft Internationaler BauausstellungenI
2 Interviewleitfäden
3 Suchraster mit Kategorien für die qualitative InhaltsanalyseXIV
4 Exzellenzkriterien der IBA Hamburg
5 Die Handlungsempfehlungen des Forschungsprojektes
„Die Zukunft Internationaler Bauausstellungen"

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Anlass derArbeit

Abbildung 2: Aufbau derArbeit

Abbildung 3: ArchitekturinderWeißenhofsiedlung

Abbildung 4: IndustriekulturprojektderIBAEmscherPark

Abbildung 5: Vom Tagebau geprägte Landschaft in der Lausitz

Abbildung 6: Geschichtlicher Überblick der Internationalen Bauausstellungen

Abbildung 7: Wesentliche Eigenschaften einer IBA

Abbildung 8: Leitfunktionen vonEvaluation

Abbildung 9: Vorgehensweise im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse

Abbildung 10: Der Federplan von Fritz Schumacher (1920)

Abbildung 11: Eingrenzungdes IBA-Gebietes

Abbildung 12: Projektplan der IBA Hamburg

Abbildung 13: Einbindung der IBA GmbH und der igs GmbH

Abbildung 14: Die interne Organisationsstruktur der IBA Hamburg GmbH

Abbildung 15: Grobe Phaseneinteilung der IBA Hamburg

Abbildung 16: Negative Schlagzeilen für Wilhelmsburg

Abbildung 17: Das Weissbuch

Abbildung 18: Der angestrebte Verbindungskorridor über die Elbinsel

Abbildung 19: Das Konzept „Sprung über die Elbe"

Abbildung 20: Vorläuferprozesse und Ereignisse in Hamburg

Abbildung 21: Beispiele neu etablierter Strukturen

Abbildung 22: Schwerpunktverschiebung der Themen

Abbildung 23: Zusammenspiel verschiedener Aspekte

Abbildung 24: Symbolisierung der Zollzaunverlegung

Abbildung 25: Öffentlicher Projektaufruf für Veddel

Abbildung 26: Multikulturelle Beteiligung im Weltquartier

Abbildung 27: Der Weg zum IBA-Projekt

Abbildung 28: Die IBA und beteiligte Akteursgruppen im Geflecht der Governance-Strukturen

Abbildung 29: Der Flakbunker im Umbau zum Energiebunker

Abbildung 30: Visionalisierung der „neuen Mitte Wilhelmsburg" mit dem neuen BSU-Gebäude

Abbildung 31: Gegenüberstellung der Funktionslogiken

Abbildung 32: Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider IBA in der Vor-IBA-Phase

Abbildung 33: Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider IBA in der Startphase

Abbildung 34: Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider IBA in der Projektphase.. 89 Abbildung 35: Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider IBA in der Abschlussphase

Abbildung 36: Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider IBA in der Post-IBA-Phase

Abbildung 37: Instrumente und Maßnahmen der Qualitätssicherung im Verlauf der IBA Hamburg

Abbildung 38: Instrumente und Verfahren zur Sicherung von Projektqualitäten

Abbildung 39: Evaluationsgegenstände bzw. Ebenen

Abbildung 40: Handlungsempfehlungen zur Durchführung von IBA

Abbildung 41: Beispielhafte Ziele und Konkretisierungsgrade auf verschiedenen Ebenen (IBA Hamburg)

Abbildung 42: Vorschläge für eine Evaluation auf Ebene des IBA-Formates

Abbildung 43: Vorschläge für eine Evaluation auf Gesamtebene einer IBA

Abbildung 44: Vorschläge für eine Evaluation auf der Projektebene einer IBA

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Mögliche Systematisierung von Evaluationen

Tabelle 2: Herausforderungen und erste Vorschläge für eine IBA-Evaluation

Tabelle 3: Beispiel aus der Auswertungskategorie „Kooperation und Vernetzung"

Tabelle 4: Kritik an der IBA Hamburg und ihre Reaktion darauf

Tabelle 5: Hinweise der Experten für ein IBA-Monitoring

Tabelle 6: Vorschläge zu Bewertungskriterien der Memorandumsempfehlungen 119 Tabelle 7: Die Kriterien des Strukturmonitorings und mögliche zugrunde liegende Ziele der IBA Hamburg

Tabelle 8: Beispielhafte Projektziele für verschiedene Qualitätskriterien sowie mögliche Indikatoren zur Bewertung ihrer Umsetzung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Internationale Bauausstellungen haben sich im Zeitraum eines Jahrhunderts zu einem unverwechselbaren und unverzichtbaren Markenzeichen deutscher Baukultur entwickelt (vgl. Roters 2007: 262). Indem sie im Rahmen einer übergeordneten Vision über eine Laufzeit von mehreren Jahren hinweg herausragende Projekte auf die internationale Bühne stellen, finden sie als einzigartiges Instrument erfolgreicher Planungs-, Stadt- und Regionalpolitik unter dem Label „IBA" weltweit Anerkennung (vgl. Lütke Daldrup 2009: 21, vgl. Durth et al. 2009:1). In einer Art „städtebaulichem Experimentierraum auf Zeit" mit einem lokalen oder regionalen Bezugsraum agieren sie jenseits der üblichen Verwaltungsstrukturen als „Katalysatoren" der innovativen Stadtentwicklung. Dabei unterliegen sie weder vorgegebenen Regeln oder Vorschriften noch einem festen Kalender (vgl. Scheuvens u. Wachten 2007: 216). Jede IBA muss sich selbst erfinden und den nötigen politischen und finanziellen Rückhalt erlangen, um den außergewöhnlich hohen Anspruch auf Qualität, Vorzeigbarkeit und Ausstrahlung ihrer Projekte und Verfahren einlösen zu können (vgl. Wachten 2007: 3).

Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, die Qualitäten des „Formates IBA"1 zu sichern und weiterzuentwickeln, indem zum einen der Wissensfundus zu den Funktionslogiken bzw. Abläufen von IBA mithilfe einer Fallstudie erweitert wird und zum anderen erste Empfehlungen zur Entwicklung eines zweckmäßigen Evaluationskonzeptes2 erarbeitet werden - denn „Monitoring und Evaluation gehören zu den Instrumenten einer zukunftsorientierten Stadtpolitik" (Haack 2004: 55).

Die Aktualität und der Anlass dieses Anliegens werden im folgenden Kapitel genauer erläutert. Anschließend werden der Aufbau der Arbeit und die Vorgehensweise der empirischen Untersuchung der IBA Hamburg 2013 skizziert (s. Kapitel 1.2).

1.1 Anlass und Stand der Forschung

In den letzten Jahren scheint die Nachfrage nach IBA „virulenter als je zuvor" (Roters 2007: 262); trotz der oftmals betonten „Selbstverpflichtung zur Qualität" von IBA führte diese derzeitige „Häufung" zu der Sorge, der IBA-Ansatz könnte der Gefahr einer „Inflati-onierung" bzw. Beliebigkeit ausgesetzt sein oder zum reinen wirtschaftsfördernden Standortmarketing eingesetzt werden (vgl. Hatzfeld u. Marten 2011:293). Die daraus hervorgegangene Diskussion um die Eigenschaften von IBA und die Möglichkeiten einer

Qualitätssicherung3 und Weiterentwicklung des IBA-Formates wird von dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) im Rahmen des Programms „Nationale Stadtentwicklungspolitik" moderiert und unterstützt. In diesem Prozess geht es unter anderem um die Frage, wie aus den Erfahrungen bisheriger IBA gelernt werden kann, denn „jede neue IBA steht vor der Aufgabe, das Format der IBA weiter zu entwickeln [sic], sozusagen die Staffel weiterzutragen" (Lütke Daldrup 2009: 21). In Zusammenarbeit von Vertretern4 vergangener und aktueller IBA und einer Reihe weiterer Akteure der Stadtentwicklung wurde dazu das „Netzwerk IBA meets IBA" gegründet. Unter Federführung von Dr. Werner Durth wurde hier das „Memorandum zur Zukunft Internationaler Bauausstellungen" mit zehn Qualitätsgrundsätzen einer IBA erarbeitet (s. Kapitel 2.1.3). Ein im Juli 2009 gegründeter unabhängiger Expertenrat soll über die Einhaltung dieser Empfehlungen wachen und die Ausrichter Internationaler Bauausstellungen unterstützen (BMVBS 2009). Neben dem Expertenrat sind die Plattformen „IBA-Labor" - ein jährliches Expertentreffen mit dem Schwerpunkt der Qualitätsdiskussion - und „IBA-Forum" - ein breites Diskussionsforum zum internationalen Erfahrungsaustausch - Bestandteile des Netzwerkes (vgl. Hatzfeld u. Marten 2011: 94).

Anlässlich der Diskussion um Anzahl, Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des IBA-Ansatzes haben das BMVBS und das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) im Jahr 2009 außerdem das Forschungsprojekt „Zur Zukunft Internationaler Bauausstellungen" in Auftrag gegeben (vgl. BMVBS 2011:9), das von dem Fachgebiet Städtebau, Stadtgestaltung und Bauleitplanung (STB) der Fakultät Raumplanung an der Technischen Universität Dortmund und dem Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) in zwei Teilen bearbeitet wurde. Ein Forschungsbaustein war die Erarbeitung eines Monitoringverfahrens für IBA, mit dem aktuellen und zukünftigen IBA Instrumente an die Hand gegeben werden sollen, ihre Prozesse und Abläufe laufend zu beobachten, zu bewerten und ggf. zu korrigieren (vgl. ebd.: 12). Auf Grundlage einer Analyse der IBA Fürst-Pückler-Land wurden im Rahmen dieses Forschungsprozesses zunächst Funktionslogiken einer IBA herausgearbeitet und in einem Phasenmodell dargestellt. Daraufhin wurden Handlungsempfehlungen erarbeitet, die den ersten Schritt zu einem komplexen Monitoringverfahren darstellen (s. Kapitel 4.3). Da die Ergebnisse aber nur auf der Basis einer einzigen IBA erarbeitet wurden, ist ihre Generalisierbarkeit erst durch einen Vergleich mit weiteren IBA zu überprüfen (s. Abbildung 1).

Bisher hat es keine systematische Evaluierung Internationaler Bauausstellungen gegeben und auch die allgemeine Betrachtung von IBA-Effekten ist bislang nur fragmentarisch erfolgt;5 auf Praxiserfahrungen kann für die Konzeption eines IBA-Evaluationsverfahrens daher nicht zurückgegriffen werden, auch wenn die aktuellsten IBA auf unterschiedliche Weise die Anwendung evaluativer Verfahren zu realisieren bzw. planen scheinen (vgl. BMVBS 2011:10, 43)6. Dass bisher kein Evaluationskonzept für dieses Format ausgearbeitet wurde, ist u. a. darauf zurückzuführen, dass die Eigenschaften von IBA ihrer Kontrolle bzw. Überprüfbarkeit teilweise widersprechen (s. Kapitel 2.1). Zudem liegen erst seit der Verabschiedung des Memorandums7 übergeordnete Qualitätsansprüche für alle IBA vor, die sich in ihrer spezifischen Ausrichtung stark voneinander unterscheiden (s. Kapitel 2.1.1).

Trotz der Schwierigkeiten, die mit einer IBA-Evaluierung verbunden sind, sollte das Instrument der Evaluierung als Maßnahme zur Qualitätssicherung des IBA-Ansatzes nach Ansicht vieler Akteure aus der Planungspraxis und der Wissenschaft weiter verfolgt werden. Roters beispielsweise argumentiert, dass Städte und Regionen, die mit Instrumenten wie IBA Experimentierräume schaffen wollen, „sich aber zugleich einem Kanon verbindlicher Qualitäts- und Verfahrenskriterien unterwerfen" (Roters 2007: 270) müssten. Als Beispiel nennt er u. a. eine Evaluierung nach einheitlichem Maßstab und verweist diesbezüglich auf die gründliche Evaluierung der Regionalen in Nordrhein-Westfalen (vgl. ebd.).

Auch Stockmann betrachtet Evaluationen als besonders geeignet, die Qualitätsentwicklung zu unterstützen, „da es sich um ein flexibles, auf die Aufgabenstellung und den situativen Kontext jeweils adaptierbares Konzept handelt" (Stockmann 2006:17). Das gelte sowohl in der privaten Wirtschaft als auch bei öffentlichen Verwaltungen und darüber hinaus im gesamten Non-Profit-Bereich (vgl. ebd.: 16). Gerade infolge des gesellschaftlichen Veränderungsbedarfs, der Knappheit der öffentlichen Haushalte und des gestiegenen Qualitätsbewusstseins der kritischen Öffentlichkeit besteht in allen gesellschaftlichen Bereichen moderner Wissensgesellschaften ein zunehmender Bedarf an diesen wissenschaftlich abgesicherten Nachweisen über die Wirksamkeit, Effizienz, Qualität und Akzeptanz politischer Programme und Maßnahmen (vgl. von Kardorff 2005: 238f.). Auch in ihrer Funktion gesellschaftlicher Aufklärung und Auseinandersetzung (s. Kapitel 2.2.3) könnte Evaluation zur Qualitätssicherung des Instrumentes IBA dienen, denn „nichts wirkt mehr gegen Missbrauch eines Konzeptes wie eine breite öffentliche Diskussion" (Hatzfeld u. Marten 2011: 296).

Angesichts der eingangs erläuterten Debatte um eine Qualitätssicherung der „Marke IBA" ist demnach zu erforschen, inwiefern das Instrument der Evaluation mit seinen skizzierten qualitätssichernden Funktionen auch auf den komplexen Gegenstand IBA angewendet werden kann. Im folgenden Kapitel wird skizziert, welchen Beitrag diese Arbeit dazu leisten soll.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Anlass der Arbeit

Quelle: Eigene Darstellung

1.2 Zielstellung und Aufbau

Mit einer Fallstudie sowie weiteren Überlegungen zur Evaluation von IBA knüpft diese Arbeit an den im vorangegangenen Kapitel dargelegten Anlass für ein zweckmäßiges IBAEvaluationskonzept an. Dabei sei schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass nicht der Anspruch auf vollständige und abschließende Erkenntnisse dieses sehr komplexen und teils widersprüchlichen Themas erhoben wird. Diese Diplomarbeit soll vielmehr einen anreichernden Beitrag in der Diskussion um die Evaluation von IBA liefern und die Entwicklung eines Evaluations- oder Monitoringverfahrens einen weiteren Schritt voranbringen.

Die für dieses Vorhaben wesentlichen Kenntnisse zu dem Instrument der Internationalen Bauausstellungen und zu dem Instrument der Evaluation werden im zweiten Teil der Arbeit vermittelt und abschließend durch ein Zwischenfazit ergänzt, das erste Einschätzungen und Vorschläge zur Anwendbarkeit der Evaluationsformen auf Internationale Bausstellungen liefert (s. Kapitel 2.3).

Wie bereits erwähnt, ist für die Konzeption eines an die Besonderheiten von IBA angepassten Evaluationsdesigns insbesondere auch ein breiteres Wissen über Prozessabläufe und Funktionslogiken von IBA erforderlich (vgl. BMVBS 2011:45). Daher liegt der Schwerpunkt der Arbeit auf einer empirischen Untersuchung. Die IBA Hamburg ist dafür aus verschiedenen Gründen besonders geeignet: Zunächst einmal ist sie derzeit die am längsten laufende und noch nicht abgeschlossene IBA, so dass Einblicke in die laufenden Prozesse gewonnen werden können, und vor Ort Akteure anzutreffen sind, die z. T. auf eine fünfjährige Erfahrung mit der IBA Hamburg zurückblicken können. Zudem signalisierten die verantwortlichen IBA-Akteure im Vorfeld eine große Kooperationsbereitschaft und ein Interesse an Untersuchungen zur Qualitätssicherung und Evaluation des IBA-Formats. Das spiegelt sich auch in der Vielzahl an internen qualitätssichernden Instrumenten und Maßnahmen der IBA Hamburg wider, deren Anwendung und Zweckmäßigkeit für diese Arbeit ebenfalls interessant erscheinen.

Die im Rahmen der Fallanalyse verwendeten Methoden werden in einem eigenständigen Kapitel begründet und erläutert (s. Kapitel 3.1). Insbesondere die Anwendung der für die Experteninterviews ausgewählte qualitative Inhaltsanalyse nach Gläser und Laudel wird ausführlicher dargestellt, da diese eher unbekannte Methode einiger Erklärungen bedarf (s. Kapitel 3.2).

Der Untersuchungsgegenstand der IBA Hamburg wird in Kapitel 4.1 zunächst kurz vorgestellt, bevor die Analyseergebnisse präsentiert werden. Da die herausgearbeiteten Funktionslogiken die Grundlage für die anschließende Konzeption der Handlungsempfehlungen für IBA bilden, werden sie in Form eines Phasenmodells dargestellt, wie es auch für die IBA Fürst-Pückler-Land entwickelt wurde (vgl. BMVBS 2011: 54). Dabei muss in Erwägung gezogen werden, dass aufgrund der verbleibenden dreijährigen Laufzeit der IBA Hamburg noch nicht alle Phasen eindeutig bestimmt und analysiert werden können (s. Kapitel 4.2). Nach der Darstellung der Analyseergebnisse werden diese mit denen der IBA Fürst-Pückler-Land verglichen (s. Kapitel 4.3); so können erste Hinweise zur Generalisierbarkeit gefunden werden, die in die Erarbeitung der Handlungsempfehlungen zur Durchführung einer IBA einfließen(s. Kapitel 5.1). Getrennt davon werden in Kapitel 4.4 die Untersuchungsergebnisse zu den von der IBA Hamburg verwendeten und vorgeschlagenen Instrumenten der Qualitätssicherung und Evaluation dargestellt. Die Analyseergebnisse aus diesem Themenbereich dienen der Erarbeitung von allgemeinen Empfehlungen zur Evaluation von IBA (s. Kapitel 5.2).

Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit konzentriert sich also auf zwei Aspekte:

Abbildung 2: Aufbau der Arbeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

- Erstens können auf Grundlage des erweiterten Wissensfundus zu den Abläufen und Wirkungsweisen von IBA weitergehende Handlungsempfehlungen entwickelt werden, die laufenden und zukünftigen IBA Hilfestellungen bei der Durchführung sowie der Vor- und Nachbereitung geben können. Sie sollen Antworten auf die Frage geben, welche Aspekte in welchen Phasen besonders zu beachten sind. Dabei finden die Empfehlungen des IBA-Memorandums besondere Berücksichtigung, denn aufgrund ihres Charakters als „übergeordnete Qualitätskriterien" sollte ihre Erreichung im IBA-Prozess aufmerksam verfolgtwerden (s. Kapitel 5.1).

- Zweitens sollen erste Empfehlungen zur Konzeption und Umsetzung eines Evaluationskonzeptes erarbeitet werden. Dieser Teil basiert auf den theoretischen Überlegungen zu Funktionen und Zweckmäßigkeiten von Evaluationsverfahren sowie auf den empirischen Ergebnissen zu den Instrumenten der Evaluation, des Monitorings und der Qualitätssicherung, die im Rahmen der IBA Hamburg verwendet und vorgeschlagen werden. Diese weiterführenden Empfehlungen sind eher allgemeiner Natur und stellen lediglich Hinweise dar, wie ein geeignetes Evaluationsverfahren für IBA gestaltet und durchgeführt werden könnte. Dabei steht insbesondere die Frage der Überprüfbarkeit der Ziele (auch der Memorandumsempfehlungen) im Vordergrund (s. Kapitel 5.2).

Im letzten Kapitel werden die Untersuchungsergebnisse noch einmal zusammengefasst und kritisch reflektiert sowie der zukünftige Forschungsbedarf skizziert (s. Kapitel 6).

2 Theoretische Grundlagen

Die Entwicklung von Empfehlungen zur Durchführung und zur Evaluierung von Internationalen Bauausstellungen erfordert vielfältige Kenntnisse sowohl über das Instrument IBA als auch über die unzähligen Arten und Funktionen von Evaluationen.

Der erste Teil dieses Kapitels dient dem grundlegenden Verständnis von Internationalen Bauausstellungen, wobei ihre zeitliche und räumliche Verteilung, ihre Besonderheiten und die Ansprüche an eine IBA im Vordergrund stehen (s. Kapitel 2.1). Anschließend werden theoretische Grundlagen zu dem Handlungsfeld der Evaluation (einschließlich Monitoring) vermittelt (s. Kapitel 2.1). Neben der Definition wichtiger Begriffe stellt dieses Kapitel die Funktionen und die Vielfalt der Evaluationsverfahren dar.

Anhand der theoretischen Kenntnisse wird deutlich, warum die Evaluation Internationaler Bauausstellungen eine besondere Herausforderung darstellt. Im Zwischenfazit werden diese Schwierigkeiten noch einmal aufgegriffen und erste hypothetische Lösungsvorschläge entwickelt (s. Kapitel 2.3).

2.1 Das Format der Internationalen Bauausstellungen

Das Format der Internationalen Bauausstellungen stellt einen komplexen Untersuchungsgegenstand dar, dessen - teils widersprüchliche - Aspekte nicht einfach zu erschließen sind. Schon die Bezeichnung „Internationale Bauausstellung" ist -mittlerweile - irreführend; dies wird auch in dem geschichtlichen Abriss von IBA deutlich, der die Weiterentwicklung des IBA-Ansatzes skizziert (s. Kapitel 2.1.1). Gleichzeitig zeigt die kurze Darstellung vergangener, aktueller und geplanter IBA auch die Vielseitigkeit des IBA-Formates auf.

Die Ziele, Merkmale und Voraussetzungen, die allen IBA gemeinsam sind, werden in Kapitel 2.1.2 skizziert. Eng damit verbunden ist das „Memorandum zur Zukunft Internationaler Bauausstellungen", das anschließend in einem eigenen Kapitel vorgestellt wird (s. Kapitel 2.1.3). Als einziges veröffentlichtes Dokument formuliert es Empfehlungen bzw. Grundprinzipien für die Durchführung von IBA und ist somit von besonderer Bedeutung für diese Arbeit.

2.1.1 Geschichtlicher Überblick

Internationale Bauausstellungen sind besondere Formate der deutschen Baukultur, die auf eine über 100 Jahre alte Geschichte zurückblicken können.

Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden im Rahmen der Weltausstellungen und verschiedener internationaler und nationaler Fachausstellungen auch Fragen des Städtebaus thematisiert - doch dienten diese in erster Linie der Präsentation technischer Errungenschaften. Seit der Jahrhundertwende führten die Lebensbedingungen in den schnell wachsenden Städten sowie die Veröffentlichung von Schriften (wie die von Camil-lo Sitte oder Ebenezer Howard) zu einem fachlichen Diskurs, der zunehmend auch die sozialen und ästhetischen Dimensionen des Städtebaus beachtete (vgl. von Petz 2008: 27f.).

Als die erste „Internationale Bauausstellung" wird die Ausstellung „Ein Dokument deutscher Kunst" betrachtet, die von Mai bis Oktober 1901 gezeigt wurde (vgl. Durth 2010:19). Fasziniert von der Reformbewegung „Arts and Crafts" in England und der Künstlergruppe „Secession" ließ Großherzog Ludwig II. von Hessen eine Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in Darmstadt errichten (vgl. Scheuvens u. Wachten 2007: 206). Mit dem im Jugendstil errichteten städtebaulichen Ensemble wurde ein Gestaltungskonzept angestrebt, welches alle Lebensbereiche berühren sollte. Es umfasste neben Parkanlagen, Künstlerhäusern und Ateliers auch eine Kapelle und Kunstausstellungen, und hob somit erstmalig die Trennung auf zwischen Gebautem und Ausgestelltem (vgl. ebd.).

Einige der in Darmstadt beteiligten Architekten (u.a. Joseph Maria Olbrich und Peter Behrens) schlossen sich 1907 mit anderen namhaften Architekten wie Le Corbusier oder Gropius und Scharoun, mit Künstlern sowie mit einflussreichen Politikern und Industriellen zum „Deutschen Werkbund" zusammen, welcher 1925 einen jungen Architekten mit der Planung einer Versuchssiedlung aus neuen, kostengünstigen Materialen beauftragte (vgl. Durth 2010: 20f.). So entstand mit der Weißenhofsiedlung in Stuttgart ein neuer Siedlungstyp der Moderne mit klaren Architekturformen, der einen Kontrast zum geschlossenen Baublock darstellen sollte. Unter dem Titel „Die Wohnung" fand hier im Jahr 1927 eine Ausstellung von internationaler Ausstrahlung statt (vgl. Website Weißenhofsiedlung). In konservativen Kreisen wurde die revolutionär schmucklose Architektur mit den Flachdächern stark kritisiert (vgl. Scheuvens u. Wachten 2007: 206).

Nach dem zweiten Weltkrieg fanden erstmals wieder in Berlin Internationale Bauausstellungen statt. Der Wiederaufbau in Ost-Berlin orientierte sich an den Grundprinzipien der traditionellen Stadtbaukunst und dem Leitbild der kompakten Stadt, West-Berlin hingegen noch an der Charta von Athen und einer gegliederten und aufgelockerten Bebauung (vgl. ebd.). Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Jnterbau Berlin" (Juli bis September 1957) im Bezirk Tiergarten sollte - unter Beteiligung der renommiertesten Architekten - ein Musterbeispiel für „die Stadt von Morgen" präsentiert werden. Diese Ausstellung war auch eine Antwort auf die imposanten Arbeiterwohngebäude, die seit 1952 entlang der Stalinallee erreichtet wurden (vgl. ebd.).

Unter zunehmender Kritik an der Einheitlichkeit der Neubauten und ihrem Flächenverbrauch wurde für die Jahre 1979 bis 1987 eine - erstmalig auch so genannte - „IBA" konzipiert, die zwei Richtungen verfolgte; Die „IBA-Neubau Berlin" sah den Wiederaufbau entsprechend einer „kritischen Rekonstruktion" vor, die „IBA-Altbau Berlin" setzte hingegen auf die „behutsame Stadterneuerung" unter Durchsetzung von Bürgerbeteiligungsprozessen (vgl. Durth 2010: 27). Mit der „IBA-Altbau" unter Leitung von Hardt-Waltherr Hämer machte sich eine Bauausstellung erstmals die Instandsetzung des Bestandes zum zentralen Anliegen, was die deutsche Planungskultur maßgeblich beeinflusste (vgl. ebd.). Auch die darauffolgende Internationale Bauausstellung „IBA Emscher Park" nahm die IBA Berlin zum inspirierenden Vorbild (vgl. Durth u. Sigel 2009: 696).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung3: Architektur in der Weißenhofsiedlung

Quelle: Website Weißenhofsiedlung

Als „Werkstatt für die Zukunft alter Industriegebiete" griff die „IBA Emscher Park" das Prinzip des „Flächenrecyclings" auf. Als erste regional ausgerichtete IBA bezog sie sich nicht mehr auf einzelne Gebäude, sondern machte sich zur Aufgabe, Impulse für den ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Umbau der altindustrialisierten Emscher-Region zu generieren. Dabei spielten v. a. ehemalige Industriebauten (s. Abbildung 4) eine große Rolle (vgl. Scheuvens u. Wachten 2007:210). Von 1989 bis 1999 übernahm die IBAGesellschaft die „ideengebende Rolle als [...] Vermittler zwischen den Alteigentümern, den Kommunen und potenziellen Investoren" (Cox 2011: 91). In regionalen Kooperationen wurden rund 100 Projekte unterschiedlichster Themenbereiche Abbildung 4: Industriekulturprojekt der IBA implementiert, welche sich - gemäß dem Prinzip des perspektivischen Inkrementalismus - an eher allgemeinen Zielvorstellungen des Memorandums der IBA Emscher Park orientierten (vgl. Sieverts 2007:192). Mit dieser Offenheit des Planungsprozesses, der insbesondere auf Innovation und Improvisation zielte, bildete die IBA Emscher Park „den Auftakt einer Reihe .lernender' Bauausstellungen" (Durth 2010: 29). Quelle: Eigenes Foto Inspiriert von den Errungenschaften im Ruhrgebiet wurde im Jahr 2000 in der Niederlausitz die „IBA Fürst-Pückler-Land" unter dem Motto „Wiederaufbau einer zerstörten Landschaft - Werkstatt für neue Landschaften in der Lausitz" gegründet. Bis zum Abschlussjahr 2010 wurde hier eine Vielzahl an Projekten und Maßnahmen initiiert, die der vom Braunkohletagebaubau zerstörten Region neue Impulse für die gestalterische, wirtschaftliche und ökologische Entwicklung verleihen sollten (vgl. Scheuvens u. Wachten 2007: 206). Das entstehende Lausitzer Seenland (s. Abbildung 5), das sich über die Ländergrenzen von Brandenburg und Sachsen erstreckt, soll Europas größte künstliche Seenlandschaft werden (vgl. ebd.).

Ebenfalls im Jahr 2010 endete die „IBA Stadtumbau", die sich zum Ziel machte, Klein- und Mittelstädte in Sachsen-Anhalt zu stärken. Unter Beachtung der demografischen und strukturellen Veränderungen setzte sie seit 2002 in 19 Städten beispielhafte Projekte der Stadterneuerung um -insbesondere in den Bereichen Rückbau und Kultivierung von Baulücken (vgl. IBA Stadtumbau GbR 2010). Jede Stadt nahm mit spezifischen Themen teil, aus denen ein eigenständiges Profil entwickelt werden sollte, wobei die Städte über ein Städtenetz miteinander verbunden waren (vgl. ebd.).

Neben der IBA Hamburg, auf die in Kapitel 4 eingegangen wird, befindet sich derzeit die IBA Basel 2020 in ihren Anfängen. Die 2010 eröffnete trinationale Bauausstellung wird bis zum Jahr 2020 unter der Trägerschaft des Vereins Trinationaler Eurodistrict Basel (TEB) durchgeführt (vgl. IBA Basel 2011). Das Gebiet erstreckt sich über die Ländergrenzen von Frankreich, Deutschland und der Schweiz mit 226 Städten und Gemeinden und etwa 830.000 Einwohnern. Ziel der IBA Basel ist die Überwindung der spürbaren Grenzen zwischen den Ländern mithilfe von Schlüsselprojekten zur planerischen Gestaltung der Zwischenräume und zur Förderung eines nachhaltigen Wachstums der Region (vgl. ebd.).

Konkrete Vorbereitungen für eine weitere IBA laufen derzeit in Berlin (IBA Berlin 2020). Unter dem Leitbegriff „Stadtkapital!" stellt sich die dritte IBA Berlins der Aufgabe, in Zeiten knapper öffentlicher Kassen unterschiedlichste Kapitalien und ungenutzte Ressourcen der Stadt zu aktivieren und für die qualitative Stadtentwicklung nutzbar zu machen (vgl. Beeck u. Heller 2010:19). Die definierten Spannungsfelder „Hauptstadt", „Raumstadt" und „Sofortstadt" sollen dabei als Erprobungsräume für die Trilogie einer mentalen, einer städtebaulichen und einer beteiligenden Strategie genutzt werden (vgl. ebd.: 11).

Auch der Freistaat Thüringen hat im Juni 2011 den Beschluss für eine IBA gefasst, bei der das gesamte Landesgebiet zur „IBA-Bühne" werden soll (vgl. TMBLV2011:1). Der ehemalige Geschäftsführer der IBA Fürst-Pückler-Land, Dr. Rolf Kuhn, konnte bereits für die Zusammenarbeit gewonnen werden (vgl. TMBLV 2010). Und im Oktober 2010 hat der Minister des Ministeriums für Bau, Landesentwicklung und Verkehr (TMBLV) eine Machbarkeitsstudie für die IBA in Auftrag gegeben. Die IBA Thüringen soll Herausforderungen des demografischen, soziokulturellen, finanziellen und energetischen Wandels aufgreifen und dazu beitragen, die städtischen und ländlichen Kulturlandschaften im ganzen Land aktiv zu gestalten (vgl. ebd.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Vom Tagebau geprägte Landschaft in der Lausitz

Quelle: Eigenes Foto

In Heidelberg wurde 2008 ein „wissenschaftlicher Beirat Internationale Bauausstellung Heidelberg" gegründet, der zu dem Ergebnis kam, dass das Instrument einer IBA für die Perspektive der „europäischen Wissenschaftsstadt Heidelberg" geeignet ist (vgl. Stadt Heidelberg 2011a). Unter dem Motto „Wissen schafft Stadt" sollen die wechselseitigen Beziehungen von Baukultur und Wissensgesellschaft gestaltet werden. Nachdem in den letzten Jahren eine Reihe von Studien8 angefertigt wurden, befindet sich die IBA Heidelberg jetzt in der konkreten Vorbereitung eines beschlussfähigen Konzeptes bis Ende 2011 (vgl. Stadt Heidelberg 2011b: 3).

Abbildung 6: Geschichtlicher Überblick der Internationalen Bauausstellungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Die Kurzdarstellungen der IBA sowie Abbildung 6 veranschaulichen die bereits erwähnte zunehmende Beliebtheit von IBA. Auch die Vielfalt ihrer Themen, Ziele und Raumbezüge sowie eine Entwicklung von relativ einfachen Ausstellungen zu umfassenden Strukturprogrammen ist erkennbar, auf die das folgende Kapitel genauer eingeht.

2.1.2 Voraussetzungen, Merkmale und Ziele

Im Laufe der Zeit hat eine Erweiterung des Handlungsfeldes und der Zielsetzungen von IBA stattgefunden. Internationale Bauausstellungen dienen nicht mehr vorrangig der Präsentation von Architektur, sondern sie sind „im Laufe der Zeit durchweg immer komplexer, mehrdimensionaler, weniger hardware- als softwareorientierter, großräumiger und strukturpolitischer geworden" (Scheuvens u. Wachten 2007:214). Im Sinne der „Baukultur"9 traten neben den ästhetischen und technologischen Aspekten zunehmend auch soziale, ökonomische und ökologische Aspekte in den Vordergrund (vgl. Durth et al.

2009:1). Nach Meyer-Künzel haben sich IBA „zu Ereignissen entwickelt, die regional -aktuell auch grenzüberschreitend - operieren, Problemlösungsansätze aufzeigen, prozess- und kommunikationsorientiert sind und langfristig wirken sollen" (Meyer-Künzel 2008: o. S., zitiert nach BMVBS 2011: 9f.).

Insbesondere die Frage nach der Qualität von Planungsprozessen und Partizipationsverfahren gewann an Bedeutung; interdisziplinäre Kooperationen wurden stetig erweitert und Verfahren zunehmend mit innovativen Strategien und differenzierten Qualitätsvereinbarungen kombiniert (vgl. IBA Hamburg GmbH 2009: 4). „Eine IBA ist in Teilen eine Auflösung hoheitlicher Planung in einen Prozess" (Hatzfeld u. Marten 2011: 298), in dessen Rahmen bemerkenswerte Steuerungs- und Beteiligungsverfahren entwickelt werden; daher sind IBA immer auch „Erneuerungsstrategien der Stadtpolitik" (ebd.: 289). Dabei bewegen sie sich zwischen der politischen Einflussnahme von „oben" und kreativer Beteiligung von „unten" und vereinen so „Top-down-" und „Bottom-up-Ansätze" (ebd.: 297f.). Als städtische oder regionale Ereignisse - i. d. R. mit einer Laufzeit zwischen sechs und zehn Jahren - liegen sie in der Obhut der Länder und/oder Kommunen (vgl. Lütke Daldrup 2010: 51).

Oftmals bedarf es zur Initiierung einer IBA einer besonderen Konstellation engagierter lokaler Akteure, die mehrheitlich von dem hohen Qualitätsanspruch einer IBA überzeugt sind, den Vorlaufprozess und die inhaltliche Vorbereitung einer IBA kontinuierlich vorantreiben und die Entscheidungsträger schließlich von der Austragung einer Internationalen Bauausstellung überzeugen können (vgl. Cox 2011: 93, vgl. Walter 2010a: 60f.). Neben den personellen sind außerdem erhebliche finanzielle Ressourcen Voraussetzung für eine IBA (vgl. Lütke Daldrup 2009: 20, vgl. Hatzfeld u. Marten 2011: 289. Die finanzielle Mindestausstattung einer IBA sollte dabei noch durch zusätzliche Mittel und Fördermöglichkeiten aus verschiedenen Quellen ergänzt werden, die im Rahmen einer IBA auf kreative Weise akquiriert werden können (vgl. Walter 2010a: 61).

IBA entstehen aus einer spezifischen örtlichen Problemlage heraus - verbunden mit der Einsicht, dass man hier mit herkömmlichen Mitteln nicht weiterkommt (vgl. ebd.: 59). Daher verfolgen sie jeweils auch spezifische, kontextgebundene Zielsetzungen und weisen unterschiedliche lokale oder regionale Gebietesbezüge auf (s. Kapitel 2.1.1). Fast immer geht es aber um etwas Neues und Außergewöhnliches, und um Innovationen in unterschiedlichen Bereichen (vgl. Roters 2007:262). Dazu brauchen IBA den Freiraum einer außenstehenden Organisationsform, um jenseits von normalen Verwaltungsstrukturen in einem „Ausnahmezustand auf Zeit" zu agieren und zu experimentieren (vgl. IBA Hamburg GmbH 2009:12). Ihr Ziel ist es, neue Denkweisen und Lernprozesse anzuregen (auch durch provokante Themen), die mithilfe offener Prozesse noch im Planungsverlauf zu Lösungen führen können (vgl. Durth etal. 2009: 3).

Neben den örtlichen Problemlagen spielen auch aktuelle Fragen des gesellschaftlichen Wandels eine bedeutende Rolle: „Allen Internationalen Bauausstellungen ist gemeinsam, dass sie vor dem Hintergrund programmatischer Ansprüche modellhafte Lösungen für drängende Fragestellungen im Spiegel der jeweiligen Zeit aufzeigten." (IBA Hamburg GmbH 2009: 4) Diese Fragstellungen sind i. d. R. nicht allein in Fachkreisen zu beantworten, sondern sie bedürfen einer öffentlichen Aufmerksamkeit (vgl. Walter 2010a: 59).

Um eine gewisse Aufmerksamkeit auch im Ausland zu erregen, müssen die behandelten Fragestellungen einer IBA nicht nur außergewöhnlich bedeutend, aktuell und international relevant sein, sondern die Ergebnisse müssen auch als vorbildliche Antworten darauf anerkannt sein und in Form einer Art „nationalen Selbstdarstellung" öffentlichkeitswirksam präsentiert, kommuniziert und inszeniert werden (vgl. Hatzfeld u. Marten 2011: 289). Somit regen Internationale Bauausstellungen als öffentliche Veranstaltungen den nationalen und internationalen Fachdiskurs an und stärken die öffentliche Wahrnehmung von Stadtentwicklung; dabei geht es nicht nur um nationale und internationale Aufmerksamkeit, sondern insbesondere auch um die Identifikationsmöglichkeiten für die lokalen Bürger mit ihrer Baukultur (vgl. Lütke Daldrup 2009:19).

Eine hohe Beachtung und Verbreitung erfordert neben der verbalen Auseinandersetzung und einer feinteiligen Kommunikationsstrategie auch die praktische Realisierung von visionären Projekten mit einer breiten Ausstrahlung, die zudem nachhaltig wirken (vgl. Walter 2010a: 61). Mithilfe punktueller Maßnahmen sollen Entwicklungsimpulse für den Gesamtraum sowie für die Wissenschaft und für die administrative Planungspraxis erzeugt werden, deren Bedeutung über die Laufzeit einer IBA hinausgeht (vgl. BMVBS 2011:51, vgl. Durth et al. 2009:1). Zu den Merkmalen einer IBA zählt daher auch die „Formulierung eines Zukunftsauftrags, der nach dem Ende einer IBA als Grundlage des planerischen Handelns dienen soll" (BMVBS 2011:46).

Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die relevantesten Merkmale einer IBA:

Abbildung 7: Wesentliche Eigenschaften einer IBA

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Ergebisqualität

2.1.3 Das Memorandum Internationaler Bauausstellungen

Das vierseitige Dokument mit dem Titel „Ein Memorandum zur Zukunft Internationaler Bauausstellungen" wurde anlässlich der Diskussion um die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des IBA-Ansatzes im Rahmen des Netzwerkes „IBA meets IBA"10 unter Leitung von Dr. Werner Durth verfasst und nach mehreren Diskussions- und Änderungsprozessen im September 2009 veröffentlicht. Es unterliegt dem Verständnis einer „Qualitätssicherung durch Selbstverständigung und Selbstverpflichtung der Akteure" (vgl. IBA Hamburg GmbH 2009:23, vgl. Walter 2010a: 63). Ausgangspunkt war ein weitgehender Konsens darüber, dass die Charakteristik einer IBA eine Art „Zertifizierung" ausschließt, dass sich durch die IBA der Nachkriegszeit aber bestimmte Regeln etabliert haben (vgl. Hatzfeld u. Marten 2011: 293): „Das Memorandum nähert sich einer Konvention, was eine IBA ausmacht. Ich bezweifele, dass man eine IBA wirklich zertifizieren kann wie eine Bundesgartenschau oder eine EXPO. Aber in der Definition ihrer Qualitäten kann eine schärfere Kontur der IBA als Qualitätsmarke entstehen." (Lütke Daldrup 2009:20)

Das Memorandum arbeitet die Erfahrungen mit den IBA der letzten Jahrzehnte auf und ist wesentlich von der IBA Emscher Park geprägt (vgl. ebd.). Es formuliert die „qualitativen Gemeinsamkeiten" aller IBA als eine Art übergeordneten Anspruch, den jede IBA jenseits ihrer spezifischen Ziele verfolgen sollte (vgl. Durth et al. 2009:1). Die entwickelten Kriterien sollen also Hinweise geben, wie eine IBA dem traditionellen Reform-, Inno-vations- und Qualitätsanspruch an dieses Instrument erfolgreich gerecht werden kann (vgl. Hatzfeld u. Marten 2011: 293).

Als Ergebnis haben sich die Sachverständigen und Experten auf folgende „10 Empfehlungen zur Durchführung einer Internationalen Bauausstellung"11 verständigt, deren Einhaltung von dem unabhängigen Expertenrat12 beobachtet werden sollen (vgl. Durth et al. 2009: 2f):

- 1: Aufgreifen von Zukunftsfragen gesellschaftlichen Wandels:

Eine IBA zentriert drängende Aufgaben einer lokalen oder regionalen Problemlage auf die Bereiche Architektur und Städtebau und fokussiert Zukunftsfragen gesellschaftlichen Wandels auf solche Aspekte, die räumliche Entwicklungen anstoßen oder durch die Gestaltung von Räumen beeinflusst werden können.

- 2: Aneignung städtischer Räume:

Durch die Gestaltung von Gebäuden, neue Formen der Aneignung städtischer Räume und der Schaffung erlebbarer und einprägsamer Orte gibt eine IBA auch neue Antworten auf soziale Probleme und stellt gesellschaftliche Entwürfe zur Diskussion.

- 3: Thematische Orientierung an Anlass und Ort:

Eine IBA entsteht aus konkreten Herausforderungen und einem aktuellen Problemdruck, aus denen die zentralen Themen einer IBA herausgearbeitet werden müssen. Dazu gehört immer auch eine Vorgeschichte durch lokale oder regionale Initiativen und Ereignisse sowie formelle und informelle fachliche und öffentliche Diskurse zur Definition der Themen.

- 4: Anspruch an modellhafte Lösungen für aktuelle Probleme:

Eine IBA regt nachhaltig Fragen des Städtebaus und der gesellschaftlichen Entwicklung insgesamt an, indem sie möglichst modellhafte Lösungen in baukultureller, ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht entwickelt und diese aufgrund ihres programmatischen Anspruchs auch im internationalen Maßstab aufzeigen kann.

- 5: Qualifizierung von Verfahren:

Auch wenn eine IBA in erster Linie von ihren gebauten Ergebnissen lebt, lenkt sie die Wahrnehmung auch auf die Entstehungsbedingungen und die Qualität von Prozessen. So gelangt sie zu einer neuen Planungs- und Baukultur, die in gelungenen projektbezogenen Kooperationen einer Vielzahl von Akteuren deutlich wird.

- 6: Anspruch einer internationalen Dimension:

Eine IBA muss von Anbeginn international angelegt sein. Diesem Anspruch kann sie durch herausragende Beiträge aus dem Ausland, durch eine internationale Relevanz der Projekte und durch eine international ausgerichtete Öffentlichkeitsarbeit nachkommen.

- 7: Ausnahmezustand auf Zeit:

Eine IBA ist ein Entwicklungslabor, das eine Konzentration der intellektuellen, künstlerischen und finanziellen Kräfte für einen überschaubaren Zeitraum erfordert. Durch intensive Kooperation und Erfahrungsaustausch zwischen Experten und Betroffenen werden Projekte angestoßen und gleichzeitig langfristige Impulse für die Alltagspraxis der örtlichen Planung gegeben.

- 8: Offenheit und Mut zu Risiko:

Eine IBA ist ein Experiment mit offenem Ausgang, in dem auch mithilfe strittiger Themen, Provokationen und produktiver Kontroversen neue Ideen generiert werden. Um Freiräume jenseits der Alltagspraxis sowie ein breites Interesse an den Projekten zu erlangen, muss dies allen Akteuren, Verbündeten und insbesondere der Öffentlichkeit bewusst gemacht werden.

- 9: Aufbau angemessener Organisationsformen:

Anstelle bewährter Verfahren und Handlungsmuster sind für eine IBA Phantasie bei Programm, Gestaltung und Organisation sowie Improvisations- und Reaktionsfähigkeit gefragt, um zu exemplarischen und ausstrahlungskräftigen Lösungen zu kommen. Der langfristige Erfolg der Projekte und eine Verstetigung werden durch eine Verzahnung formeller und informeller Planung gefördert.

- 10: Umsetzung zeitgemäßer Strategien der Kommunikation und Präsentation:

Da jede IBA von ihrer Verbreitung lebt, muss sie die innovativsten und wirksamsten Kommunikationsformen bzw. -wege nutzen und weiterentwickeln.

Um eine „Verregelung" der IBA zu verhindern und den Widerspruch von Flexibilität und Beliebigkeit zu bewältigen, sind die Empfehlungen eher allgemeiner Natur und veränderbar (vgl. Walter 2010a: 63, vgl. Hatzfeld u. Marten 2011: 294f.). Das Memorandum wird somit als ein „lernendes Dokument" angesehen, das fortzuschreiben bzw. weiterzuentwickeln ist (vgl. Hatzfeld u. Marten 2011: 294). Dabei sollen zukünftig insbesondere die Fragen im Vordergrund stehen, wie aus vergangenen IBA gelernt werden kann, wie die Qualität des Instrumentes IBA kontinuierlich gesichert werden und wie der europäische Diskurs um IBA ausgeweitet werden kann (vgl. Durth et al. 2009: 3).

2.2 Evaluation und Monitoring

Das Instrument der Evaluation gewinnt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Institutionen zunehmend an Bedeutung; darunter sind insbesondere politisch initiierte öffentliche Programme ein zentrales Anwendungsfeld der Evaluation (vgl. DeGEVal 2011). Eine Einschätzung über die Möglichkeiten und Grenzen einer IBA-Evaluation ist jedoch erst auf Grundlage theoretischer Vorkenntnisse zu dem Handlungsfeld der Evaluation möglich (s. Kapitel 2.3). Nachdem im vorangegangenen Kapitel das Evaluandum (also IBA) dargestellt wurde, behandelt dieses Kapitel daher die Bedeutung und die Entwicklung der Evaluation und des Monitorings (s. Kapitel 2.2.1-2.2.2) sowie ihre Funktionen und die wichtigsten Arten und Modelle (s. Kapitel 2.2.3-2.2.4).

2.2.1 Begrifflichkeiten und Bedeutungen

Der Begriff Evaluation lässt sich von dem lateinischen Wort „valor" („Wert") und der Vorsilbe „e" („aus") ableiten, was dann soviel bedeutet wie „,den Wert aus etwas ziehen', also eine Bewertung vornehmen." (Stockmann 2010: 64) Zunächst wurde der Begriff in der Fachterminologie der Sozialwissenschaften eingeführt, gefolgt von weiteren wissenschaftlichen Disziplinen wie der Raumplanung. Der stärker eingedeutschte Begriff der Evaluierung wird in der Literatur synonym verwendet, unterstreicht aber mehr die Pro-zesshaftigkeit der Tätigkeit (vgl. Koglin 2005: 6). Auch der Bereich der Evaluations/or-schung, der alle forschenden Aktivitäten umfasst, bei denen es um die Bewertung von

Erfolgen oder Auswirkungen geht (vgl. Bortz u. Döring 2002:102), ist nur schwer von dem Prozess der Evaluierung zu unterscheiden und daher häufig übereinstimmend mit den Bezeichnungen Evaluation oder Evaluierung (vgl. Stockmann 2010: 64). Der Einfachheit halber werden diese Begriffe auch in dieser Arbeit synonym verwendet.

Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen und methodischen Vorgehensweisen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen existiert eine Vielzahl an Definitionen von Evaluation. Das umgangssprachliche Verständnis des - zunehmend inflationär verwendeten - Begriffs bezieht sich meistens auf den bewertenden Charakter von Evaluationen (vgl. ebd.: 66). Fachspezifische Definitionen hingegen heben explizit die vorangestellten Prozesse der Informationsgewinnung und der Analyse hervor, mit der die nötigen quantitativen oder qualitativen Daten empirisch erhoben werden (vgl. ebd.: 65, vgl. Lichfield etal. 1975: 4). Dieser Arbeit soll die Definition von Stockmann zugrunde gelegt werden, die drei wesentliche, in Definitionsversuchen gängige Aspekte beinhaltet: „Evaluation ist ein Instrument zur empirischen Generierung von Wissen, das mit einer Bewertung verknüpft wird, um zielgerichtete Entscheidungen zu treffen." (Stockmann 2010: 64, Herv. im Original) Evaluationsforschung, die beispielsweise im Auftrag eines Ministeriums durchgeführt wird, wird auch als „Begleitforschung" bezeichnet (vgl. Bortz u. Döring 2002:103f.).

Mit dieser Definition wird die Ähnlichkeit der Evaluation zur wissenschaftlichen Grundlagenforschung deutlich, die von gleichen oder ähnlichen Untersuchungsfragestellungen und wissenschaftlichen Standards geleitet wird und die gleichen Methoden verwendet (vgl. Stockmann 2000:12). Grundlegende Unterschiede zwischen diesen beiden Forschungsfeldern werden vor allem in ihrer Zielsetzung und Absicht gesehen; während die Grundlagenforschung als theoriebasierte und zweckfreie Wissenschaft auf eine objektive Erkenntnisgenerierung abzielt (vgl. Stockmann 2010:59), verfolgt die Evaluationsforschung den Zweck einer praktischen Anwendbarkeit der - häufig bewerteten - Ergebnisse (vgl. Ritz 2003:35). Evaluationsforschung zählt daher zur „angewandten Sozialforschung" und greift i. d. R. auf die Ergebnisse der Grundlagenforschung zurück (vgl. Bortz u. Döring 2002:103 f., vgl. von Kardorff 2005: 239). Die Bewertung der Ergebnisse selbst erfolgt anhand zuvor definierter Kriterien und Ziele, nicht durch die Formulierung von neuen „Werturteilen" über das Ergebnis (vgl. Stockmann 2010: 60f.). Evaluation ist somit nicht gleichzusetzen mit Entscheidungsfindung, sondern erleichtert diese lediglich durch die Bereitstellung von Informationen und Bewertungen über die Zielerreichung und die Wirkungen13 einer Maßnahme oder eines Programms (vgl. Lichfield et al. 1975: 8, vgl. von Kardorff 2005: 239). Obwohl diese Entscheidungsprozesse i. d. R. außerwissenschaftlich (z. B. politisch) erfolgen, ist die Evaluation als Wissenschaft genauso wie die grundlagenbezogene Forschung den zentralen Werten der Validität, Reliabilität und Objektivität verpflichtet und „bewegt sich demnach in einem Spannungsverhältnis zwischen Wissen-scha/tlichkeit und Nützlichkeit' (Stockmann 2010: 58, Herv. im Original).

Auch für den Begriff des Monitorings gibt es zahlreiche Definitionen. Allgemein bezeichnet es Systeme der Dauerbeobachtung, die in verschiedenen Bereichen - insbesondere auch in der Raumplanung - eingesetzt werden (vgl. ILS NRW 2005:12). Häufig handelt es sich hierbei um ein intern durchgeführtes deskriptiv-analytisches Evaluationsverfahren, welches der Bestandsaufnahme und dem Programmmanagement dient (vgl. Stockmann 2010: 82f.). Meist unter Einbeziehung beteiligter Stakeholder und unter Verwendung von Indikatoren14 ermittelt das Monitoring die nötigen qualitativen und quantitativen Daten sowie Informationen über intendierte und nicht intendierte Wirkungen. Damit unterscheidet es sich vom Controlling, das sich überwiegend auf Kostenaspekte und strukturelle Faktoren konzentriert (vgl. Stockmann 2006: 80f.).

2.2.2 Entwicklung der Evaluation

Die Anfänge der „modernen" Evaluation als ein systematisches und wissenschaftliches Vorgehen (über eine bloße Bewertung hinaus) ordnen die meisten Autoren in die Zeit der sozialen und sicherheitspolitischen Reformprogramme in den USA in den 1930er und 1940er Jahren ein. Der eigentliche Boom der Evaluationsforschung setzte dort aber erst infolge weiterer umfangreicher Programme und folglich einer erhöhten staatlichen Nachfrage nach Evaluationen zu Beginn der 1960er Jahre ein. Seitdem waren in vielen Bereichen eine zunehmende Professionalisierung und Wertschätzung von Evaluationen zu verzeichnen. In Europa erlebte die moderne Evaluationsforschung - ebenfalls „politikgetrieben" durch eine Vielzahl politischer Reformprogramme - erst zehn Jahre später einen Boom, der sich in Deutschland aus verschiedenen Gründen (fiskalische Beschränkungen, Aufkommen des Neoliberalismus, Reformernüchterung u. a.) aber nicht fortsetzte. (vgl. zu diesem Absatz Stockmann 2010: 24-32)

Derzeit ist weltweit ein zweiter Evaluationsboom festzustellen, der sich nach Ansicht von Stockmann vermutlich auch auf Deutschland auswirkt. Dies begründet der Autor u. a. mit der zunehmenden Verwendung von Konzepten des „New Public Management" und einer Reihe beachtlicher Professionalisierungsschritte in den letzten zehn Jahren, z. B. der Anstieg deutschsprachiger Evaluierungsliteratur oder die Gründung der „Deutschen Gesellschaft für Evaluation" (vgl. ebd.: 38-42). Als wichtige Steuerungsinstrumente sind Evaluationen mittlerweile feste Bestandteile verschiedenster gesellschaftlicher Bereiche; in Ministerien zur Überprüfung der Wirksamkeit von Programmen, in Behörden zur Erfolgskontrolle oder in staatlichen wie nicht staatlichen Organisationen zur Programmsteuerung.15 Nach Ansicht Stockmanns wächst ihre Bedeutung und der Bedarf -nicht zuletzt verstärkt durch die Knappheit öffentlicher Finanzmittel - auch weiterhin (vgl. Stockmann 2010:10).

Im Zuge der Professionalisierung der Evaluation kam in den USA eine Debatte um Qualitätskriterien für Evaluationen auf. Im Jahre 1981 publizierte das „Joint Committee on Standards for Educational Evaluation" die „Standards for Evaluation of Educational Programs, Projects and Materials", die sich ab Mitte der 1990er Jahre auch im deutschen Sprachraum verbreiteten. Obwohl die Standards sich in erster Linie auf Evaluationen im Bereich Bildung und Erziehung beziehen, wird ihre - reflektierte und angepasste - Anwendung zunehmend auch für Evaluationen in anderen Bereichen empfohlen. Unter den vier Eigenschaften „Nützlichkeit", „Durchführbarkeit", „Korrektheit" und „Genauigkeit" werden insgesamt 30 Standards formuliert (z.B. Glaubwürdigkeit, Kostenwirksamkeit, Offenlegung, Meta-Evaluation u. a.), die Maximalansprüche an Evaluationen darstellen.16 (vgl. zu diesem Absatz Widmer 2006: 94-101)

Da sich für den Bereich der Selbstevaluation, der ebenfalls einen Bedeutungszuwachs verzeichnet, einige Besonderheiten ergeben, wurden die Standards für dieses Handlungsfeld etwas angepasst. In diesem Zusammenhang wurde auch festgestellt, dass der Bedeutungszuwachs der Evaluation trotz einheitlich formulierter Ansprüche mit einer Ausdifferenzierung der Evaluationsverfahren und ihren jeweiligen Funktionen einhergeht (vgl. DeGEVal 2004:4f.).

2.2.3 Funktionen der Evaluation

Evaluationen erfüllen i. d. R. mehrere Funktionen (s. Abbildung 8), die abhängig von der Absicht und dem zu evaluierenden Gegenstand von unterschiedlicher Bedeutung sind.

Zunächst haben sie i. d. R. ein besseres Verständnis der Wirklichkeit und somit einen Erkenntnisgewinn zum Ziel (vgl. von Kardorff 2005:239). Dieser kann beispielsweise aus Informationen über ausgelöste Effekte (Wirkungsanalyse), über die Verwendung der finanziellen Mittel (Vollzugsanalyse), über die Effizienz (Effizienzanalyse) oder die Zielerreichung (Zielerreichungsanalyse) von Programmen oder Maßnahmen aus unterschiedlichen Bereichen bestehen (vgl. ebd., vgl. Koglin 2005:14). Indem Erfolgsfaktoren ermittelt und transparent gemacht werden, können auch Erfahrungen aus experimentellen Maßnahmen generalisiert und ggf. auf andere Aktivitäten übertragen werden (vgl. Europäische Kommission 2007: 21).

Durch den Vergleich der Erkenntnisse mit den zuvor vereinbarten Zielen, Verpflichtungen und Aufgaben wird mit Evaluationen auch immer eine Form von Kontrolle ausgeübt (vgl. Stockmann 2010: 74). Insbesondere an berichterstattende Evaluationsformen wie dem Monitoring wird der Anspruch erhoben, als „Frühwarnsysteme" gesellschaftlicher oder städtischer Entwicklungen eingesetzt werden zu können (vgl. ILS NRW 2005:14).

Das erworbene Wissen kann weiterhin in die fortlaufende Steuerung von politischen Prozessen oder von Organisationshandeln einfließen und dabei Lernpotenziale erschließen (vgl. Stockmann 2010:19f.). Solche prozessbegleitenden formativen Evaluationen dienen der Entwicklung von Programmen, indem sie mithilfe von iterativen Prozessen und flexiblen Rückkopplungsmechanismen Programmdefizite aufdecken und laufend minimieren (vgl. ebd.: 74, vgl. Koglin 2005:17). Auch die Qualitätsentwicklung von Organisationen kann Zweck einer Evaluation sein (vgl. Stockmann 2006:16). Um die Effizienz und die Wirkungen des Evaluationsgegenstandes rechtzeitig zu erfassen, erfordert eine for-mative Evaluation eine intensive Kommunikation (DialogfUnktion) unter den Stakehol-dern (vgl. Stockmann 2010:15).

Evaluation bietet sich also sowohl als Aufklärungs- als auch als Steuerungsinstrument an (vgl. ebd.: 16).

Stockmann stellt dabei die gesellschaftlich relevanten Zweckbestimmungen in den Vordergrund. Insbesondere für Institutionen der Öffentlichkeit und der Zivilgesellschaft betrachtet er Evaluation als ein wichtiges Element der Moderne, das „einen notwendigen Beitrag zur Gewährleistung der Rationalität politischer Steuerung sowie zur Aufklärung der Gesellschaft leistet" (Stockmann 2010:13). Der Autor argumentiert, dass durch die Offenlegung der Ziele, der Wirkungen und der Beurteilungskriterien, die den öffentlichen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen zugrunde liegen, die nötige Transparenz für eine gesellschaftliche Auseinandersetzung geschaffen werde; nur so sei eine demokratische Meinungsbildung auf der Basis möglichst rationaler Bewertungsgrundlagen möglich. Des Weiteren erhöhe eine unabhängige Überprüfung der Wirksamkeit und Problemlösungskompetenz staatlicher Programme die Glaubwürdigkeit und Legitimation von Politik und ihren Entscheidungen. (vgl. zu diesem Absatz Stockmann 2010:17-19).

Evaluationen, die dem Anspruch gesellschaftlicher Aufklärung oder politischer Legitimationsbeschaffung gerecht werden, stellen aus Sicht Stockmanns in Deutschland allerdings (noch) Ausnahmen dar (vgl. ebd.: 52). Stattdessen würden Evaluationen häufig nicht sachgerecht durchgeführt oder aber rein „taktisch" eingesetzt, was aufgrund einer nur scheinbaren Rationalität mit erheblichen Risiken verbunden sei (vgl. ebd.: 66, 75). Gerade weil für Evaluationen keine finanziellen Mittel von der Gesellschaft bereitgestellt werden- wie beispielsweise für die Grundlagenforschung-, sondern sie in der Regel nach dem Auftragsprinzip vergeben werden, richtet sich ihre Fragestellung oftmals an außerwissenschaftlichen Interessen der Auftraggeber aus (vgl. ebd.: 57). Koglin zählt zu diesen „verdeckten" Zwecken der Auftraggeber beispielsweise die - wahrheitsgetreue oder verzerrte - Darstellung der Ergebnisse in der Öffentlichkeit, die Verzögerung von Entscheidungen, den Eindruck von objektiver Rationalität und wissenschaftlicher Professionalität und die bloße Einhaltung der Verpflichtung zur Evaluation als Zuschussbedingung (vgl. Koglin 2005:18-21).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Leitfunktionen von Evaluation1

Quelle: Stockmann2010: 73

Die Relevanz der verschiedenen Zweckbestimmungen eines Evaluationsvorhabens bestimmt maßgeblich die Herangehensweise und Konzeption; dabei kann auf eine Vielfalt von Evaluationsarten und -formen zurückgegriffen werden.

2.2.4 Arten und Modelle der Evaluation

Evaluationen können auf unterschiedliche Weise eingeteilt werden, eine allgemein anerkannte Festlegung der Evaluationsformen existiert bislang nicht. Daher können häufig weder die verschiedenen Evaluationsformen und -modelle noch die in der Literatur verwendeten Begriffe eindeutig voneinander abgegrenzt werden (vgl. Prombergeretal. 2006: 41, vgl. Koglin 2005: 82). Die Klassifikation von Evaluationen in „Arten" oder „Typen" basiert meist auf einigen wenigen und gut zu unterscheidenden Kriterien. Die Begriffe der „Evaluationsmodelle" oder „Evaluationsansätze" hingegen beziehen sich eher auf praxisorientierte Gestaltungsvorschläge oder Konzepte (vgl. Koglin 2005:83). Ähnliche Evaluationsmodelle lassen sich wiederum zu „Modelltypen" zusammenfassen.17

Einen übersichtlichen Einteilungsversuch gibt Koglin, auch wenn auf eine Evaluationsart durchaus mehrere Unterscheidungsmerkmale zutreffen können (vgl. Koglin 2005: 66-81):18

Tabelle 1: Mögliche Systematisierung von Evaluationen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Koglin 2005: 78

interne/externe Evaluation

Interne Evaluationen werden von einem oder mehreren Mitgliedern der/des zu evaluie-renden Organisation/Programms durchgeführt. Eine besondere Form der internen Evaluation stellt die Selbstevaluation dar, bei der die für die Programmplanung und -umsetzung zuständigen Personen (in der Regel mehrere) ebenfalls für die Evaluation verantwortlich sind (vgl. Stockmann 2010:80). Die Selbstevaluation beruht auf freiwilliger Basis, und die Praktiker haben wesentlichen Einfluss auf die Ziele und die Umsetzung der Evaluation sowie auf die Verwendung der Ergebnisse.

Für die Durchführung externer Evaluationen (auch als Fremdevaluationen bezeichnet) werden möglichst unabhängige Personen beauftragt, die weder an der Durchführung noch an der Planung des Evaluandums beteiligt bzw. dafür verantwortlich sind. Häufig werden interne und externe Evaluationen kombiniert (vgl. ebd.: 80f.).

Ex ante/begleitende/ex post Evaluation Ex ante Evaluationen sind dem Evaluationsgegenstand zeitlich vorgeschaltet und zukunftsorientiert. Vor Beginn der Durchführung soll so auf Grundlage der zu erwartenden Effekte und Nebeneffekte die Zweckmäßigkeit alternativer Maßnahmen analysiert werden.

Begleitende Evaluationen laufen parallel zur Umsetzung des Programms bzw. der Maßnahme. Sie befassen sich i. d. R. mit der planmäßigen Umsetzung, der Effektivität des Ablaufs und der Abschätzung der bisherigen und absehbaren Wirkungen. So können im laufenden Prozess Anpassungen und Verbesserungen vorgenommen werden (vgl. Promberger et al. 2006:46).

Ex post Evaluationen werden nach Beendigung des Programms bzw. der Maßnahme als abschließende Bewertung durchgeführt. Sie gelten als die „klassische" Evaluation (vgl. ebd.).

summative/formative/responsive Evaluation

Der Zeitpunkt einer Evaluation ist besonders eng mit ihrem Zweck verbunden: Formative Evaluationen haben eine frühzeitige und kontinuierliche Verbesserung des Evaluationsgegenstandes zum Ziel, daher setzen sie nach Möglichkeit schon vor einer Maßnahme (preformativ) ein und laufen parallel dazu weiter (formativ). Sie sind aktiv-gestaltend und kommunikationsfördernd angelegt (vgl. Stockmann 2010: 68).

Dem Ansatz der formativen Evaluationen sehr ähnlich sind die sog. Quasi-Evaluationen. Dabei handelt es sich um eine methodisch „verschlankte" und pragmatische Vorgehensweise, bei der es mehr um die deskriptive Erfassung von Veränderungen und um eine enge Interaktion der Beteiligten geht als um die Formulierung valider Kausalaussagen (vgl. Wollmann 2006:112). Diese nutzungs- und lernorientierte Form der Evaluation wird auch als responsive Evaluation bezeichnet (vgl. Beywl 1988:146). Dazu zählen auch sog. partizipative Evaluationsansätze, die sich an den Interessen der Stakeholder orientieren und diesen z. T. sogar die eigenverantwortliche Durchführung der Evaluation („Em-powerment"-Ansätze) übertragen (vgl. Stockmann u. Meyer 2010:140).

Summative Evaluationen hingegen haben die Bewertung des Evaluandums und dessen Wirksamkeit anhand zuvor definierter Kriterien zum Gegenstand. Die Bewertung erfolgt überwiegend auf Grundlage quantitativer Auswertungen (vgl. Prombergeretal. 2006: 47f.). Ergebnisorientierte Beurteilungen werden i. d. R. während oder nach der Durchführungsphase eines Programms/Projektes durchgeführt und können durch for-mativ angelegte Studien vorbereitet werden (vgl. Beywl 1988:147).

quantitative/qualitative Evaluation

Der Unterschied zwischen quantitativen und qualitativen Evaluationen basiert in erster Linie auf der Datenbasis und auf den verwendeten Methoden (vgl. Bortz u. Döring 2002:295).

Quantitative Evaluationen arbeiten überwiegend mit standardisierten Messinstrumenten und Indikatoren, um die Beziehung zwischen Variablen analytisch-statistisch zu erfassen. Die Ergebnisse sind vergleichsweise einfach zu generalisieren und zu vergleichen (vgl. Promberger et al. 2006: 49).

Qualitative Evaluationen verarbeiten Fakten und Informationen, die mehr in verbaler (oder auch geschriebener oder gezeichneter) als in numerischer Form vorliegen. Sie verfolgen eine interpretative und induktive Herangehensweise, die eine Vergleichbarkeit oder Wiederholung nicht ohne Weiteres zulässt.

Üblicherweise werden quantitative und qualitative Verfahren und Daten kombiniert. Dabei ist es nach Beywl und Kleining von großer Bedeutung, die Reihenfolge der Methoden anhand ihres Abstraktionsgrades festzulegen. Aufgrund der Annahme, dass qualitative Methoden weniger abstrakt sind als quantitative, schlussfolgern sie: „Sie [die qualitative Forschung] muß in jedem Fall der quantitativen vorausgehen, braucht aber nicht von ihr gefolgt zu werden." (Kleining 1982:226, zitiert nach Beywl 1988:172, eigene Anmerkung)

Programm/Maßnahme/Projekt

Die Begriffe „Programm", „Maßnahme" und „Projekt" sind nicht immer klar voneinander zu trennen und werden oft synonym verwendet. Stockmann versteht unter Projekten und Programmen „Maßnahmenbündel" oder organisatorische Einheiten, mit denen Wirkungen und Innovationen erzeugt werden sollen (vgl. Stockmann 2010: 68). Dies entspricht dem Anspruch einer IBA (s. Kapitel 2.1.2). Auch die Definition eines Programms als „Set von koordinierten Projekten, von MAßNAHMEN oder Prozessen" (ProEval 2007:12, Herv. im Original), und dass es „hinsichtlich seiner Laufzeit, seines Ziel- und Anwendungsbereichs und seines Budgets begrenzt" (ebd., Herv. im Original) ist, trifft auf das Instrument der IBA zu. Übertragbar ist somit auch die Einteilung in Aggregationsebenen, wie sie Koglin am Beispiel komplexer Förderprogramme vornimmt (vgl. Koglin 2005: 77). Demnach kann ein Evaluationsobjekt eingeteilt werden in eine Makro- (gesamtes Interventionsprogramm), eine Mikro- (einzelne Projekte des Programms) sowie -bei sektorübergreifenden Programmen - eine Mesoebene (zusammengefasste Maßnahmen/Projekte mit ähnlicher Zielsetzung).

Neben diesen drei Evaluationsobjekten existiert in der Praxis noch eine Vielzahl weiterer Evaluationsformen (Produkt-, Personal-, Organisationsevaluation u. a.), die häufig miteinander kombiniert werden.19

Substanzevaluation/ökonomische/verfahrensorientierte Evaluation

Die Reichweite einer Evaluation bezieht sich auf ihre inhaltliche Fragestellung und ist deshalb für die praktische Arbeit und die Methodenwahl von besonderer Bedeutung. Sie bezeichnet quasi die Perspektive des Evaluators auf den untersuchten Gegenstand (vgl. Koglin 2005: 77).

Die Reichweite wird häufig als Kriterium zur Unterscheidung verschiedener Evaluationsmodelle verwendet; daher wird oft auch der Begriff des „Modells" für diese Evaluationsformen gebraucht, z. B. Substanzmodell, Zielerfüllungsmodell, ökonomisches Modell oder Effizienzmodell (vgl. Vedung 1999: 30-32, vgl. Koglin 2005:105f.).

Werden ausschließlich die Ergebnisse, faktische Inhalte und Leistungen eines Evalu-andums untersucht, spricht man von Substanz- oder Effektevaluation. Darunter fällt unter anderem die klassische Evaluationsform der Zielerreichungsanalyse, bei der auf Grundlage zuvor definierter Ziele ein Soll-Ist-Vergleich durchgeführt wird. Aufgrund der eingeschränkten Anwendbarkeit rein zielorientierter Evaluationsformen (z. B. aufgrund der Voraussetzung starrer operationalisierter Zielkriterien) gibt es verschiedene Ansätze zur Weiterentwicklung (vgl. Promberger et al. 2006: 54-56). Wirkungsorientierte Evaluationen beispielsweise bewerten ein Evaluandum nicht anhand vorgegebener Ziele, sondern versuchen intendierte wie nicht intendierte Wirkungen auf Strukturen, Prozesse oder Verhaltensweisen aufzudecken (vgl. Stockmann 2010: 69f.).

Zur Kontrolle und Beurteilung des Mitteleinsatzes und des Programmerfolgs finden ökonomische Evaluationen mittlerweile eine breite Verwendung (vgl. Koglin 2005:77). Die bekannteste ist die Produktivitätsevaluation, die das Verhältnis von Input (z. B. Kapitaleinsatz, Arbeitseinsatz) zu Output (z. B. erzielte Leistung, geschaffene Arbeitsplätze) bewertet. Die Effizienzevaluation betrachtet weniger die Wirkung des Evaluandums als die aufgewendeten Kosten in Relation zu dieser. Dabei kann man unterscheiden zwischen der Kosten-Nutzen-Analyse, bei der sowohl Input als auch Output monetär gemessen werden, und der Kosteneffektivitätsanalyse, bei der der Output in Form von tatsächlichen Folgen eingeschätzt wird (vgl. Vedung 1999: 79f.).

Verfahrensorientierte Evaluationen richten ihren Blick nicht auf das Ergebnis, sondern auf die Planung, die Umsetzung und den Vollzug. Häufig verwendete Evaluationsmodelle stellen das Monitoring und das Controlling dar (s. Kapitel 2.2.1). Beide nehmen i. d. R. keine Bewertung der Ergebnisse oder der zugrunde liegenden Zielsetzungen vor, sondern dienen eher der Berichterstattung (vgl. ProEval 2007:11).

Als Sonderform der Evaluation gilt die Meta-Evaluation (Evaluation von Evaluation), die eine systematische Bewertung einer oder mehrerer Evaluationsstudien vornimmt (vgl. Widmer 2006:101f.). Mittlerweile wird sie als Standard für qualitativ hochwertige Evaluationen formuliert (s. Kapitel 2.2.2).

Der hier dargelegte Ansatz einer Systematisierung von Evaluationsarten verdeutlicht die Komplexität und Heterogenität dieses Arbeitsbereiches. Es sei an dieser Stelle noch einmal daraufhingewiesen, dass die meisten Evaluationen eine Mischform unterschiedlicher Evaluationsarten darstellen (vgl. Koglin 2005: 79). Eine erste Einschätzung darüber, welche Funktionen und Merkmale bei einer IBA-Evaluation im Vordergrund stehen könnten, wird im folgenden Kapitel gegeben.

2.3 Zwischenfazit: Erste Einschätzungen zur Evaluierbarkeit Internationaler Bauausstellungen

„Der Entwurf einer Evaluationsstudie ist eine Kunst. Bei jeder weiteren Unternehmung muss das Design aufs neue [sic] gewählt werden, und die Wahlmöglichkeiten sind beinahe unzäh- Cronbach 1982:1, zitiert nach Beywl 1988:44

Dieses Zitat sowie die im vorherigen Kapitel dargelegte Vielfalt an Evaluationsarten- und modellen verdeutlichen, dass es weder einen idealtypischen Verlauf noch ein allgemeingültiges Schema für die Erarbeitung oder Durchführung von Evaluationen geben kann. Vielmehr muss eine Evaluationsstudie genau auf den Untersuchungsgegenstand und die Fragestellung angepasst sein. (vgl. Koglin 2005: 66) Diese Aussage schließt aber nicht zwangsläufig die Zweckmäßigkeit genereller Rahmensetzungen für Evaluationen aus; für gleiche oder ähnliche Programme bzw. Projekte können durchaus die gleichen Vorgehensweisen und Kriterien festgelegt werden, ohne bei der Umsetzung die Anpassung an ortsspezifische Besonderheiten zu behindern (vgl. Fuhrich 2001:2). Dennoch stellt die Evaluation von Internationalen Bauausstellungen eine besondere Herausforderung dar (s. Kapitel 1). Im Folgenden soll dargelegt werden, inwiefern die Eigenschaften einer IBA zu Schwierigkeiten bei ihrer Evaluierung führen. Zugleich werden erste Vorschläge zur Konzeption und Durchführung einer geeigneten Evaluation entwickelt (s. Tabelle 2).

Der Aufbau dieses Kapitels orientiert sich an den von Stockmann genannten grundsätzlichen Festlegungen zur Ausgestaltung eines Evaluationsprozesses (vgl. Stockmann 2010:159). Demnach müssen von Anfang an der Evaluationsgegenstand eingegrenzt, die Ziele bzw. der Zweck der Evaluation klar definiert und der Kreis der Beteiligten festgelegt werden. Weiterhin sind Bewertungskriterien festzulegen und die Grundfragen zu klären, von wem zu welchem Zeitpunkt und unter Verwendung welcher Untersuchungsmethoden die Evaluation durchgeführt werden soll (vgl. ebd.).

Evaluationsgegenstand und -zweck

Angesichts der einleitend dargestellten Diskussion um die Qualitätssicherung des Instrumentes IBA (s. Kapitel 1.1) sollte es auch das Ziel einer IBA sein, neben ihren jeweiligen spezifischen Zielen, auch die zu diesem Zweck formulierten Empfehlungen des „Memorandums zur Zukunft Internationaler Bauausstellungen" (s. Kapitel 2.1.3) zu erfüllen. Eine IBA-Evaluation sollte also darauf abzielen, IBA bei der Umsetzung der dort formulierten Ansprüche zu unterstützen und gleichzeitig deren Einhaltung zu beobachten -jedoch ohne ihre inhaltliche und organisatorische Flexibilität zu blockieren (vgl. Hatzfeld u. Marten 2011: 294). IBA-Experten warnen davor, „ein Instrument der Steuerung idealtypischer linearer Planungsprozesse [..] auf einen außeralltäglichen Ansatz wie eine Internationale Bauausstellung anzuwenden." (BMVBS 2011:44) Es ist daher davon auszugehen, dass im Fall eines bewusst offenen und experimentellen Programms nicht der Zweck der Kontrolle oder der zentralen Steuerung anhand fest definierter Ziele im Vordergrund stehen kann (s. Kapitel 2.2.3). Da jede IBA andere Ziele verfolgt und aus sehr unterschiedlichen Ausgangslagen heraus entsteht, kann auch die Messung der Performance im Sinne eines Benchmarkings20 nicht das Ziel einer IBA-Evaluation sein - denn das könnte dazu führen, dass es am Ende mehr um Rechenschaftslegung als um offene Lernprozesse unter den IBA-Akteuren geht (vgl. ebd.: 46). Vielmehr sollte der Erkenntnisgewinn einer IBA-Evaluation der Transparenz und der Legitimitätsbeschaffung sowie der Qualitätsentwicklung von IBA dienen (s. Kapitel 2.2.3). In diesem Zusammenhang spielt auch die Dialogfunktion und der Erfahrungsaustausch (intern sowie mit anderen IBA-Akteuren) eine bedeutende Rolle (vgl. Lütke Daldrup 2010: 54, vgl. Sucato u. Zimmer-Hegmann 2004:106, vgl. BMVBS 2011: 73). Insgesamt sollten dabei in Non-Profit-Organisationen die komplexen Wirkungen von Maßnahmen oder Programmen im Mittelpunkt stehen (vgl. Stockmann 2006:17); eine wirkungsorientierte Evaluation scheint für IBA also auf den ersten Blick sinnvoll (s. Kapitel 2.2.4).

Evaluationszeitpunkt und -beteiligte

Der offene Planungs- und Lösungsfindungsprozess einer IBA scheint somit weniger mit einer summativen - und meistens standardisierten - Evaluation als mit einer formativen, lernorientierten Evaluation vereinbar zu sein (s. Kapitel 2.2.4). Die Veränderungen von Zielen und Strategien im Laufe einer IBA erfordern die Möglichkeit von Rückkopplungsprozessen und Neubewertungen (vgl. BMVBS 2011:45).21 Unterstützend könnte hier die Etablierung eines Monitorings sein, das laufend Informationen zu den Entwicklungen und Wirkungen liefert.

[...]


1 „Format" wird hier gleichgesetzt mit „Instrument" und soll den übergeordneten gemeinsamen Charakter aller IBA hervorheben.

2 Der Begriff der „Evaluation" umfasst in dieser Arbeit stets auch das besondere Evaluationsmodell des „Monitorings" (s. Kapitel 2.2.4).

3 Unter „Qualitätssicherung" wird hier nicht die marktwirtschaftliche Perspektive verstanden, sondern vielmehr der Anspruch, die Qualitäten einer IBA zu definieren und zu gewährleisten, dass erfolgversprechende und nachhaltige Aspekte bisheriger IBA bei der Durchführung zukünftiger IBA oder anderer innovativer Instrumente der Stadt- und Regionalentwicklung Beachtung finden (vgl. Lütke Daldrup 2010: 54f, Hatzfeld u. Marten 2011: 297).

4 Zugunsten einer besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit die männliche Schreibweise verwendet; die weibliche Form ist damit stets auch gemeint.

5 Als Ausnahmen können die Forschungsprojekte „IBA Emscher Park revisited" an der TU Dortmund (STB) und die „Forschungsinitiative IBA 87" an der TU Berlin genannt werden, die eine Neubetrachtung der jeweiligen IBA und ihrer Wirkungen anstreben (mehr dazu auf den Websites www.IBA-Forschung.de und www.F-IBA.de).

6 Abgesehen von der IBA Hamburg sind jedoch kaum Informationen dazu verfügbar; auf eine genauere Darstellung anderer IBA wird daher verzichtet (zu Evaluationsverfahren der IBA Hamburg s. Kapitel 4.4.1).

7 In dieser Arbeit ist mit „Memorandum" stets das „Memorandum zur Zukunft Internationaler Bauausstellungen" (Durth et al. 2009) gemeint. Das spezifische Memorandum der IBA Hamburg wird dementsprechend als „Memorandum der IBA Hamburg" bezeichnet.

8 Darunter beispielsweise „Bausteine für ein Memorandum" von Dr. Ulf Matthiesen (2008) und „Plädoyer für eine Internationale Bauausstellung in Heidelberg" von Dr. Engelbert Lütke Daldrup (2009)

9 Als „Baukultur" wird ein umfassendes Verständnis aus einem nachhaltigen Zusammenspiel von Neuem und Altem bezeichnet, das Gestaltung und Baukunst mit ökologischen und wirtschaftlichen Qualitäten und soziokulturellen Anforderungen in Einklang bringt (vgl. Stiftung Baukultur 2011).

10 Das von der IBA Hamburg im Jahr 2007 initiierte Netzwerk „IBA meets IBA" stellt einen losen Zusammenschluss aus „IBA-Experten" (Vertreter früherer und heutiger IBA, Politiker, Architekten, Planer) dar, die sich über Erfahrungen austauschen und über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der „Marke IBA" diskutieren (vgl. Müller 2009: 232).

11 Die hier aufgeführten Empfehlungen sind aus Gründen der Verständlichkeit etwas verändert und gekürzt, geben den Inhalt der Empfehlungen des Memorandums aber grundsätzlich wieder (Original s. Anhang 1).

12 Dem ein- bis zweimal jährlich tagenden Rat gehören eine Reihe nicht unmittelbar an einer IBA beteiligte einberufene Sachverständige aus Politik, Verwaltung, Medien und Fachwelt an, die u. a. für die fachliche Reputation, Unabhängigkeit und bundesweite Verbindlichkeit der diskutierten Qualitätsziele bürgen (vgl. Hatzfeld u. Marten 2011: 294).

13 Unter „Wirkungen" werden intendierte (beabsichtigte) und nicht intendierte Folgen einer Intervention verstanden. Sie sind nicht zu verwechseln mit den „Outputs", den erbrachten Leistungen oder hergestellten Produkten (vgl. Stockmann 2006: 101).

14 Unter Indikatoren versteht man Konstrukte bzw. Kennzahlen, mit denen ein nicht direkt messbarer Sachverhalt aufgezeigt wird (vgl. ILS NRW 2005: 13).

15 Neben den bereits erwähnten REGIONALEN können als weitere Bespiele die Evaluationsansätze der Programme „Die Soziale Stadt", „Stadtumbau-Ost", „Europäische Kulturhauptstadt" sowie die im Rahmen des Forschungsprojektes „Zukunft der Städte" durchgeführte indikatorengestützte Erfolgskontrolle einer nachhaltigen Stadtentwicklungaufgeführt werden (vgl. Fuhrich 2001: 1f.).

16 Mehr dazu in: Joint Committee on Standards for Educational Evaluation (Hg.) 2000: Handbuch der Evaluationsstandards. 2. Auflage, Opladen: Leske + Budrich

17 Mehr zu den Modelltypen vgl. Beywl 1988: 46

18 Promberger et al. nehmen eine ähnliche Einteilung vor, ergänzen die Unterscheidungsmerkmale jedoch um die verwendeten Methoden (qualitative/quantitative Evaluation) und um die Formen der Feldevaluation (empirische Untersuchung) und der Metaevaluation (Evaluation von Evaluation) (vgl. Promberger et al. 2006: 41).

19 Ein solches Beispiel stellt der CEval-Evaluationsansatz von Stockmann dar, der in den letzten 15 Jahren für die unterschiedlichsten Evaluationszwecke eingesetzt wurde; er beinhaltet mit dem prozessorientierten Lebensverlaufsmodell für Programme, dem Organisationsmodell, dem Innova-tions-/Diffusionsmodell und dem Nachhaltigkeitsmodell verschiedene Evaluationsansätze für Projekte und Programme (vgl. Stockmann 2010: 89-99).

20 Unter Benchmarking (= Maßstäbe setzen) versteht man einen methodischen Vergleich mit Vergleichpartnern (anhand von Referenzwerten), der i. d. R. die eigene Leistungssteigerung zum Ziel hat (vgl. Deutsches Benchmarking Zentrum 2011).

21 Ein ähnliches Vorgehen wurde auch für das Programm „Soziale Stadt" vorgeschlagen (vgl. Häu-ßermann 2004: 84), und im Rahmen des Landesprogramms „Soziale Stadt NRW" bereits umgesetzt (vgl. Sucato u. Zimmer-Hegmann 2004: 107).

Final del extracto de 175 páginas

Detalles

Título
Evaluation als Instrument zur Qualitätssicherung Internationaler Bauausstellungen
Subtítulo
Empfehlungen zur Entwicklung und Durchführung eines Monitoring- und Evaluationsverfahrens anhand einer Fallanalyse der IBA Hamburg
Universidad
University of Dortmund  (Fakultät Raumplanung)
Calificación
1,0
Autor
Año
2011
Páginas
175
No. de catálogo
V183465
ISBN (Ebook)
9783656077152
ISBN (Libro)
9783656077374
Tamaño de fichero
4772 KB
Idioma
Alemán
Notas
Die Interviewtranskripte sind nicht im Anhang enthalten.
Palabras clave
Stadtplanung, Stadtentwicklung, Evaluation, Stadtentwicklungsprojekt, Monitoring
Citar trabajo
Jana Gienke (Autor), 2011, Evaluation als Instrument zur Qualitätssicherung Internationaler Bauausstellungen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/183465

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