A. Inhalt der Norm des § 200 II SGB VII
Die Vorschrift des § 200 II SGB VII ist mit der Überschrift „Einschränkung der Übermittlungsbefugnis“ gekennzeichnet und befindet sich im Achten Kapitel (Datenschutz) des SGB VII. Die Norm hat folgenden Wortlaut: „Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.“
Die Vorschrift besagt, dass der Unfallversicherungsträger einem Betroffenen mehrere Gutachter vor Erteilung eines Gutachtenauftrags benennen soll und darüber hinaus der Betroffene auf sein Widerspruchsrecht gem. § 76 II SGB X hinzuweisen ist.
In der Verwaltungspraxis hat sich die Benennung von drei Gutachtern eingebürgert.
Da es sich um eine Sollvorschrift handelt, kann auch die Benennung eines Gutachters seitens des Versicherungsträgers genügen, wenn auf dem entsprechenden Fachgebiet keine weiteren Gutachter zur Verfügung stehen. Der Versicherte hat kein eigenes, den Träger bindendes, Vorschlagsrecht.
Die Norm des § 200 II. HS SGB VII ermöglicht dem Betroffenen der Datenübermittlung an den Gutachter gem. § 76 II SGB X zu widersprechen. Darüber hinaus ist der Betroffene über den Zweck des Gutachtens zu informieren. Hierdurch soll ihm die Auswahl der vorgeschlagenen Gutachter erleichtert werden1. Die Norm betrifft auch die Vergabe von Gutachtenaufträgen nach Lage der Akten2.
Der Unfallversicherungsträger ist verpflichtet, den Gutachter mit Namen, Anschrift und Berufsbezeichnung zu nennen. Nur dann ist sichergestellt, dass der Berechtigte ohne eigene Ermittlungen sich über den vorgeschlagenen Gutachter informieren kann und eine sachgerechte Auswahl getroffen wird.
Inhaltsverzeichnis
- A. Inhalt der Norm des § 200 II SGB VII
- B. Definition des Begriffs „Gutachten“ im Sinn der Vorschrift des § 200 II SGB VII
- C. Anwendbarkeit der Norm im Sozialgerichtsverfahren
- I. Bisheriger Meinungsstand in der Rechtsprechung
- II. Die neuere Rechtsprechung des BSG
- 1. Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes durch das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung
- D. Beweisverwertungsverbot
- I. Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, als Ausprägung des Art. 2 I GG
- II. Abwägung zwischen den betroffenen Rechtsgütern
- E. Fernwirkungen eines Beweisverwertungsverbotes
- F. Regelungsauftrag an den Gesetzgeber
- G. Führt der Verstoß gegen das Gutachterauswahlrecht zu einem Beweisverwertungsverbot?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht die beweisrechtlichen Folgen im Sozialgerichtsverfahren, wenn ein Unfallversicherungsträger seiner Verpflichtung zur Information des Betroffenen über dessen Widerspruchsrecht gemäß § 200 Abs. 2 SGB VII, § 76 Abs. 2 SGB X nicht nachkommt. Die Arbeit analysiert die einschlägige Rechtsprechung und die Auswirkungen auf den Untersuchungsgrundsatz und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
- Auslegung des § 200 Abs. 2 SGB VII und dessen Bedeutung im Sozialgerichtsverfahren
- Definition des Begriffs "Gutachten" im Kontext des § 200 Abs. 2 SGB VII
- Beweisrechtliche Folgen bei Verletzung der Hinweispflicht des Unfallversicherungsträgers
- Abwägung zwischen dem Untersuchungsgrundsatz und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung
- Mögliche Konsequenzen eines Beweisverwertungsverbots
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel A: Dieses Kapitel erläutert den Inhalt der Norm des § 200 Abs. 2 SGB VII, insbesondere die Verpflichtung des Unfallversicherungsträgers, dem Betroffenen mehrere Gutachter zur Auswahl zu benennen und ihn über sein Widerspruchsrecht zu informieren. Es wird auf die Auslegung als Soll- und nicht als Muss-Vorschrift eingegangen.
Kapitel B: Hier wird der Begriff „Gutachten“ im Sinne des § 200 Abs. 2 SGB VII definiert. Es wird zwischen einem Gutachten und einer bloßen Stellungnahme unterschieden, wobei das BSG eine enge Auslegung des Begriffs "Gutachten" bevorzugt.
Kapitel C: Dieses Kapitel behandelt die Anwendbarkeit der Norm im Sozialgerichtsverfahren und beleuchtet den bisherigen und den neueren Meinungsstand der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), insbesondere im Hinblick auf die Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Kapitel D: Kapitel D befasst sich mit dem Beweisverwertungsverbot im Falle einer Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Es wird die Abwägung der betroffenen Rechtsgüter diskutiert.
Kapitel E & F: Diese Kapitel behandeln die Fernwirkungen eines möglichen Beweisverwertungsverbotes und formulieren einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber.
Schlüsselwörter
Sozialgerichtsverfahren, Vertragsarztrecht, § 200 Abs. 2 SGB VII, § 76 Abs. 2 SGB X, Beweisrecht, Gutachten, Widerspruchsrecht, Informationelle Selbstbestimmung, Untersuchungsgrundsatz, Beweisverwertungsverbot, Datenschutz.
- Citar trabajo
- Andreas Müller (Autor), 2011, Beweisrechtliche Folgen beim Verstoß des Unfallversicherungsträgers gegen seine Hinweispflicht auf das Widerspruchsrecht gemäß §200 Abs. 2 SGB VII, § 76 Abs. 2 SGB X, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/183676