Die Lebenden spiegeln sich selbst in dem Bild, das sie sich vom Tod machen. Dieses Bild stellt sich dar als Triptychon, auf dessen erster Tafel wir den Tod als angsteinflößendes Phänomen des natürlichen physischen Verfalls sehen. Die zweite Tafel ist der Unsterblichkeitsgalube, der sich in allen (auch säkularen) Religionen und Mythenkreisen (und nicht nur dort) artikuliert. Das Gefühl der Sorge schließlich, das in die Leiche eine Kontinuität des vormals Lebenden projiziert, erscheint uns mit der dritten Tafel. Die Sterbe- und Todesmentalitäten begenen uns also in der Zeit als historische Variationen auf die Themen Angst, Unsterblichkeit und Sorge.
Das Besondere an den Todesmentalitäten des Mittelalters ist, dass hier der Friedhof - im Gegensatz zu Antike und Moderne - als Mittelpunkt des sozialen Lebens und Sterbens erscheint und damit als ein zentrales Moment dieser Epoche. In diesem Zusammenhang wurde unter anderem von Ariès die These aufgestellt, dass der christliche „Kinderglaube“ des Mittelalters die Angst vor dem Tod überwunden habe. Diese Arbeit wird versuchen, die mittelalterlichen Mentalitäten zum Thema Tod zu rekonstruieren und dabei auch diese These zu überprüfen. Sie analysiert zu diesem Zweck die mittelalterlichen Todesmentalitäten anhand der Entstehung und Entwicklung der christlichen Grabstätten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Unsterblichkeit - der Doppelcharakter des Leichnams
- Christliche Bestattung in den Kinderschuhen - antike Kontinuitäten
- Bestattung ad sanctos - Annäherung zwischen Lebenden und Leichen
- Der Kirchhof als Friedhof - Ansteigen des psychischen Drucks
- Einwände der Kirchhof als sozialer Mittelpunkt
- Auslagerung der Friedhöfe - Abwendung von den Toten
- Schlüsse - die Immanentisierung des Eschatons
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entwicklung von Todesmentalitäten im Mittelalter anhand der Entstehung und Entwicklung der christlichen Grabstätten. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Rolle des Friedhofs als Mittelpunkt des sozialen Lebens und Sterbens.
- Die Entwicklung der christlichen Bestattungspraxis
- Die Bedeutung des Friedhofs als sozialer Raum
- Die Beziehung zwischen Lebenden und Toten im Mittelalter
- Die Veränderung von Todesvorstellungen im Laufe der Zeit
- Die Herausforderungen der zeitlichen Eingrenzung des Mittelalters
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die grundlegenden Aspekte von Todesmentalitäten im Mittelalter vor und erläutert die Notwendigkeit einer mentalitätshistorischen Betrachtung. Sie führt ein in die zentralen Themen der Arbeit und stellt die Forschungslandschaft dar.
- Unsterblichkeit - der Doppelcharakter des Leichnams: Dieses Kapitel untersucht den ambivalenten Charakter des Leichnams im Mittelalter und die Vorstellung von Unsterblichkeit. Es thematisiert die Verbindung zwischen Angst, Unsterblichkeit und Sorge, die den Umgang mit dem Tod prägen.
- Christliche Bestattung in den Kinderschuhen - antike Kontinuitäten: Dieses Kapitel analysiert die frühen Anfänge der christlichen Bestattungspraxis und ihre Verbindungen zu antiken Bestattungstraditionen. Es beleuchtet die Kontinuitäten und Veränderungen, die sich im Laufe der Zeit vollzogen haben.
- Bestattung ad sanctos - Annäherung zwischen Lebenden und Leichen: Dieses Kapitel befasst sich mit der Entwicklung der Bestattung "ad sanctos" und der damit verbundenen Annäherung zwischen Lebenden und Toten. Es beleuchtet die besondere Bedeutung von Heiligtümern und die enge Beziehung zwischen Lebenden und Verstorbenen in diesem Kontext.
- Der Kirchhof als Friedhof - Ansteigen des psychischen Drucks: Dieses Kapitel untersucht die Entstehung des Kirchhofs als Friedhof und die damit verbundenen Veränderungen in den Todesvorstellungen. Es beleuchtet die wachsende Bedeutung des Friedhofs als Ort des Sterbens und des Abschieds und die damit einhergehende zunehmende Belastung der Lebenden.
- Einwände der Kirchhof als sozialer Mittelpunkt: Dieses Kapitel befasst sich mit dem Kirchhof als sozialem Mittelpunkt und dem vielfältigen Leben, das sich dort abspielte. Es beleuchtet die soziale und kulturelle Bedeutung des Kirchhofs im Mittelalter und die unterschiedlichen Funktionen, die er erfüllte.
- Auslagerung der Friedhöfe - Abwendung von den Toten: Dieses Kapitel analysiert die Auslagerung der Friedhöfe und die damit verbundene räumliche Abwendung von den Toten. Es beleuchtet die Gründe für diese Entwicklung und die Auswirkungen auf die Todesmentalitäten.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen dieser Arbeit sind: Todesmentalitäten, Sepulchralkultur, Mittelalter, Bestattungspraxis, Friedhof, Kirchhof, soziale Bedeutung des Todes, religiöse Vorstellungen, Abwendung von den Toten, Immanentisierung des Eschatons, christliche Traditionen, antike Kontinuitäten, Mentalitätsgeschichte, historische Forschung.
- Arbeit zitieren
- Dr. Holger Muench (Autor:in), 1996, Todesmentalitäten des Mittelalters - Mentalitätshistorische Betrachtung am Beispiel der Sepulchralkultur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18430