Bevor ich in den folgenden Kapiteln auf die Thematik und deren Spezifität im Fall Polens
eingehe, möchte ich vorab auf die Motivation zur Bearbeitung des Themas ‚Rolle der Beitrittskandidaten
im EU-Verfassungsgebungsprozess am Beispiel Polens’ eingehen.
Die eigentliche Idee zur Bearbeitung dieses Themas kam im Rahmen einer Veranstaltung
beim Magistrantenkolloquium bei Prof. Dr. Hrbek an der Universität Tübingen. Im Rahmen
der dort geführten Diskussion zu einem Thema, die Arbeit des Verfassungskonvents betreffend,
ist mir aufgefallen, dass bei der Auseinandersetzung mit dem sehr aktuellen und kontrovers
diskutierten Thema kaum auf die Rolle der Beitrittskandidaten eingegangen wird. Diese
Feststellung wurde zudem untermauert, durch die mir aus dem familiären und in Polen lebenden
Bekanntenkreis bekannten Diskussionen zu dem Verfassungsgebungsprozess, spätestens
seit dem Bekanntwerden des Konventsergebnisses und dem Anbeginn der Vorbereitungen auf
die Regierungskonferenzphase unter der italienischen Präsidentschaft.
Die größte Aufregung und Aufruhr in meiner unmittelbaren Nähe weckte das Unverständnis
über die, so wahrgenommene, ‚Eigenmächtigkeit’ des Konvents, das in Nizza verabschiedete,
und vor allem für Polen sehr vorteilhafte Abstimmungssystem zu verändern. Diese ‚Eigenmächtigkeit
des Konventspräsidiums’ wurde zumeist verstanden, die in Nizza festgelegten
Regulierungen und die Basis des Beitrittsvertrags durch ein Hintertürchen zugunsten der
EU-15-Staaten zu verändern, ohne dass hier durch Polen Einfluss vorgenommen werden
konnte und sollte. Die hierauf häufigsten Reaktionen, und dies um so erschreckender, als es
sich um Personen handelt, die lange Jahre in Deutschland gelebt haben, war: ‚Wenn ich das
gewusst hätte, würde ich im Beitrittsreferendum gegen den Beitritt in die EU stimmen’. Dieser
Pessimismus über den Verlauf der politischen Ereignisse auf der EU-Ebene nach der Unterzeichnung
des Beitrittsvertrags und dem Beitrittsreferendum, spiegelt sehr gut die Stimmung
der so genannten ‚Elite’ Polens wieder. Diesen Eindruck haben meine Gespräche in
Polen noch eher bestärkt als widerlegt. [...]
Inhaltsverzeichnis
- VORWORT
- TEIL I
- EINLEITUNG
- VON NIZZA BIS ZUM VERFASSUNGSKONVENT – EIN KURZER ABRISS
- FORSCHUNGSSTAND
- ÜBERBLICK ÜBER DEN STAND DER FORSCHUNG ZUM THEMA
- KONSEQUENZEN FÜR DIE EIGENE ARBEIT
- DER LERNTHEORETISCHE ANSATZ
- ANFORDERUNGEN DES ANALYTISCHEN ANSATZES ZUR BEARBEITUNG DER FORSCHUNGSFRAGE
- EINE KURZE DISKUSSION DER EINZELNEN THEORIESTRÄNGE
- Das,political learning'-Modell von Heclo
- Das policy-orientierte Lernmodell von Sabatier
- AUSWAHL DES LERNTHEORETISCHEN ANSATZES VON SABATIER
- TEIL II:DER VERFASSUNGSGEBUNGSPROZESS DER EUROPÄISCHEN UNION - BESCHREIBUNG, ERKLÄRUNG UND ANALYSE -
- DER EU-VERFASSUNGSGEBUNGSPROZESS - BESCHREIBUNG UND ERKLÄRUNG DER REALITÄT IM CHRONOLOGISCHEN ZEITABLAUF
- DIE KONVENTSPHASE
- Die Konventsebene
- Der institutionelle Rahmen und das Mandat des Verfassungskonvents
- Charakteristika der politischen Akteure und der Akteursbeziehungen
- Dominante Politikfelder
- Koalitionsbildung und wahrgenommene Rolle
- Die Nationale Ebene
- Wahrnehmung in der polnischen Öffentlichkeit
- Nationale Debatte der politischen Eliten
- Evaluation
- DIE REGIERUNGSKONFERENZPHASE I – ITALIENISCHE EU-RATSPRÄSIDENTSCHAFT
- Die Regierungskonferenzebene
- Institutionelle Rahmen
- Charakteristika der politischen Akteure und Akteursbeziehungen
- Dominante Politikfelder
- Koalitionsbildung
- Nationale Ebene
- Wahrnehmung in der polnischen Öffentlichkeit
- Nationale Debatte der politischen Eliten
- Evaluation der ersten Regierungskonferenzphase
- DIE REGIERUNGSKONFERENZPHASE II – IRISCHE RATSPRÄSIDENTSCHAFT
- Die Regierungskonferenzebene
- Charakteristika der politischen Akteure und der Akteursbeziehungen
- Dominante Politikfelder
- Koalitionsbildung
- Nationale Ebene
- Wahrnehmung in der polnischen Öffentlichkeit
- Nationale Debatte der politischen Eliten
- Evaluation der zweiten Regierungskonferenzphase
- LERNTHEORETISCHE ANALYSE
- HYPOTHESENBILDUNG UND DEFINITIONENBILDUNG
- ANWENDUNG DES LERNTHEORETISCHEN MODELLS VON SABATIER AUF DAS UNTERSUCHUNGSTHEMA
- Einordnung in das Analyseraster
- Die Regierungskonferenz unter der iatlienischen Ratspräsidentschaft
- Die Regierungskonferenz unter der irischen Ratspräsidentschaft
- FAZIT: LERNTHEORETISCHE ANALYSE DER ROLLE DER BEITRITTSKANDIDATEN IM EU – VERFASSUNGSGEBUNGSPROZESS AM BEISPIEL POLENS
- ANWENDBARKEIT DES THEORIEANSATZES
- ROLLE POLENS IM INTEGRATIONSPROZESS DER EUROPÄISCHEN UNION
- BEDEUTUNG FÜR DEN ERWEITERUNGSPROZESS
- LITERATURVERZEICHNIS
- Die Rolle von Beitrittskandidaten im EU-Verfassungsgebungsprozess
- Lernprozesse von Beitrittskandidaten im EU-Verfassungsgebungsprozess
- Anwendung eines lerntheoretischen Ansatzes (Sabatier)
- Analyse der polnischen Rolle im EU-Verfassungsgebungsprozess
- Bedeutung der Ergebnisse für den Erweiterungsprozess
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit untersucht die Rolle von Beitrittskandidaten im EU-Verfassungsgebungsprozess, wobei Polen als Fallbeispiel dient. Die Arbeit verfolgt das Ziel, die Lernprozesse von Beitrittskandidaten im Rahmen des EU-Verfassungsgebungsprozesses zu analysieren und zu erklären. Dabei wird ein lerntheoretischer Ansatz, insbesondere das policy-orientierte Lernmodell von Sabatier, angewendet.
Zusammenfassung der Kapitel
Das Vorwort erläutert die Motivation zur Bearbeitung des Themas und die Bedeutung der Rolle von Beitrittskandidaten im EU-Verfassungsgebungsprozess. Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und die Relevanz des Themas dar. Anschließend wird ein kurzer Abriss des EU-Verfassungsgebungsprozesses von Nizza bis zum Verfassungskonvent gegeben. Der Forschungsstand wird beleuchtet, wobei ein Überblick über die bestehende Literatur zum Thema gegeben wird und die Konsequenzen für die eigene Arbeit herausgestellt werden. Der lerntheoretische Ansatz wird vorgestellt, wobei die Anforderungen des analytischen Ansatzes zur Bearbeitung der Forschungsfrage und eine kurze Diskussion der einzelnen Theoriestränge erfolgen. Die Auswahl des lerntheoretischen Ansatzes von Sabatier wird begründet.
Im zweiten Teil der Arbeit wird der EU-Verfassungsgebungsprozess im Detail beschrieben und erklärt. Die Konventphase wird analysiert, wobei der institutionelle Rahmen, die Charakteristika der politischen Akteure, die dominanten Politikfelder und die Koalitionsbildung beleuchtet werden. Die Wahrnehmung des Prozesses in der polnischen Öffentlichkeit und die nationale Debatte der politischen Eliten werden ebenfalls betrachtet. Die Evaluation der Konventphase erfolgt im Anschluss. Die Regierungskonferenzphase unter der italienischen Ratspräsidentschaft wird ebenfalls im Detail analysiert, wobei die institutionellen Rahmen, die Charakteristika der politischen Akteure, die dominanten Politikfelder, die Koalitionsbildung und die Wahrnehmung in der polnischen Öffentlichkeit betrachtet werden. Die nationale Debatte der politischen Eliten und die Evaluation der ersten Regierungskonferenzphase werden ebenfalls behandelt. Die Regierungskonferenzphase unter der irischen Ratspräsidentschaft wird ebenfalls im Detail analysiert, wobei die Charakteristika der politischen Akteure, die dominanten Politikfelder, die Koalitionsbildung und die Wahrnehmung in der polnischen Öffentlichkeit betrachtet werden. Die nationale Debatte der politischen Eliten und die Evaluation der zweiten Regierungskonferenzphase werden ebenfalls behandelt.
Im sechsten Kapitel wird die lerntheoretische Analyse durchgeführt. Die Hypothesenbildung und Definitionenbildung werden vorgestellt. Die Anwendung des lerntheoretischen Modells von Sabatier auf das Untersuchungsthema erfolgt, wobei die Einordnung in das Analyseraster, die Regierungskonferenz unter der italienischen Ratspräsidentschaft und die Regierungskonferenz unter der irischen Ratspräsidentschaft betrachtet werden.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den EU-Verfassungsgebungsprozess, die Rolle von Beitrittskandidaten, den lerntheoretischen Ansatz, das policy-orientierte Lernmodell von Sabatier, Polen, die Konventphase, die Regierungskonferenzphase, die Wahrnehmung in der polnischen Öffentlichkeit, die nationale Debatte der politischen Eliten und die Evaluation des EU-Verfassungsgebungsprozesses.
- Quote paper
- Anna Rudkowski (Author), 2005, Rolle der Beitrittskandidaten im EU-Verfassungsgebungsprozess, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/184410