Eine Betrachtung der weiblichen Charaktere in Dantons Tod


Hausarbeit, 2002

15 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Männer & Frauen & ihre Funktionen in Dantons Tod

Julie

Marion

Lucille

Literaturverzeichnis

Einleitung

In Büchners Drama Dantons Tod stehen sich zwei unversöhnliche politische Parteien gegenüber. Danton und seine politischen Freunde wünschen die Revolution zu konstituieren. Die Zeit des Umbruchs sei vorüber, Zeit die Republik zu errichten. Dem gegenüber stehen Robespierre und die Jakobiner. Für sie ist die Revolution noch nicht abgeschlossen. Innere Feinde bedrohen weiterhin ihren Fortschritt.

Reduzierte sich Büchners Drama jedoch auf diesen historischen Streit, so wäre es nicht nötig gewesen die weiblichen Charaktere des Dramas so oft zu Wort kommen zu lassen. Bestenfalls hätte sich Büchner damit begnügen können, Lucille und Julie als Reminiszenzen an den historen Danton und Camille auftreten zu lassen. Völlig überflüssig wäre es, den Grisetten, allen voran Marion, Text zuzuweisen.

Aus dieser Beobachtung ergeben sich zwei Schlußfolgerungen. Entweder ist Dantons Tod nicht ausschließlich die Darstellung eines politischen Konfliktes oder die Frauen stellen eine dritte politische Strömung innerhalb des Dramas dar.

Im Verlaufe dieser Hausarbeit soll der Frage nachgegangen werden, welches die Funktion des jeweiligen weiblichen Charakters in Dantons Tod ist.

Männer und Frauen und ihre Funktionen in Dantons Tod

Auffällig bei den Personen des Stückes ist, daß Büchner die Personage in vier großen Teilen angeordnet hat. Den Anfang machen Danton und seine Verbündeten, gefolgt von Robespierre und seinen Anhängern. Diese beiden Gruppen tragen den vordergründigen Konflikt des Dramas. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn sie zuerst genannt werden.

Die dritte ist nicht mehr in sich geschlossen. Es handelt sich bei ihr um eine lose Aufzählung der Nebenrollen mit wenigen Auftritten, etwa Paris oder Simon.

Unabhängig von der Bedeutung ihrer Funktion für das Drama werden die weiblichen Figuren geschlossen an das Ende der Auflistung gesetzt. Bemerkenswert ist vor allem, daß Marion nicht als die erste der Grisetten genannt wird, obgleich sie ohne Zweifel deren bedeutendste Vertreterin ist.

Allerdings ist auch innerhalb des Gefolges von Danton keine Hierarchie zu erkennen. Es wäre auch müßig eine zu erstellen. Zwar gewinnt Camille durch die ihm beigestellte Lucille eine exponiertere Stellung im Drama als Lacroix oder Legendre. In seiner Beziehung zu Danton nimmt Camille aber nicht unbedingt eine besondere Position ein. Abgesehen von zwei Stellen im Gefängnis ist Camilles Funktion dieselbe wie die der anderen unter dem Stichwort Deputierte zusammengefaßten, nämlich den Fatalismus Dantons zu illustrieren, indem sie im Stile einer Cassandra oder eines Laokoon vor drohender Gefahr warnen. Weiterhin verdeutlichen sie die politische Bedeutungslosigkeit der Gemäßigten in dieser Phase der Revolution, die ohne ihren Kopf Danton nicht in der Lage sind, den radikalen Jakobinern die Initiative zu entreißen.

Die Gruppe um Robespierre könnte statt Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses auch die Bösewichter heißen. Sie bilden zuvorderst das Gegengewicht zu Danton und sind unabdingbar für das zustande kommen eines dramatischen Konfliktes und müssen daher natürlich eine gegensätzliche Position einnehmen. Ihre Handlungen und Dialoge kennzeichnen sie jedoch recht eindeutig als Verbrecher. Die Sympathielenkung ist nur darum nicht so auffällig, weil niemand in diesem Drama kein Blut an den Händen kleben hat. Mit den Septembermorden als historischen Hintergrund eignet sich Danton nicht zum tragischen Helden nach antikem Vorbild.

Dennoch wird niemand bestreiten, daß es sich bei Danton um eine Identifikationsfigur handelt, während das Gefolge Robespierres vor allem einen Eindruck von der Grausamkeit dieser Phase der Revolution vermitteln. Ihre Dialoge und Handlungen kontrastieren die Auftritte Robespierres vor den Bürgern und vor dem Wohlfahrtsausschuß. Spricht jener von einer abstrakten Tugend, die durch einen gleichfalls abstrakt gehaltenen Schrecken herrschen soll, so füllen sie gerade letzteren Begriff mit blutigem Leben. Etwa wenn Collot und Barrère in der sechsten Szene des dritten Aktes nicht nur das Gnadengesuch einer Frau ablehnen, die um einen raschen Tod nachsucht, sondern sich auch noch zynisch über schwangere Gefangene auslassen: „Desto besser, da brauchen ihre Kinder keinen Sarg.“1

Wie es sich für Bösewichter gehört, ist ihre Gruppe auch nicht homogen in ihren Ansichten, im Gegensatz zu Dantons Gruppe. Es gibt im Gefolge Robespierres eine Hierarchie des Zynismus. Für Robespierre ist das Blutvergießen eine moralische Notwehr. St. Just argumentiert sicherlich bereits zynisch, wenn er eine Parallele zwischen der Revolution und den Gesetzen der Natur zieht, doch versucht er wenigstens die Morde in einen sittlichen Zusammenhang zu bringen. „Die Natur folgt ruhig und unwiderstehlich ihren Gesetzen. Der Mensch wird vernichtet, wo er mit ihnen in Konflikt kommt.“2 Sicherlich glaubt er selbst daran, Danton wäre mit diesen Gesetzen in Konflikt gekommen und daher zu einem guten Teil selbst daran schuld, wenn er das Schafott besteigen muß. Dem Außenstehenden ist natürlich klar, daß seine Rechtfertigung nicht haltbar ist, da die Jakobiner ihre Politik mit den Naturgesetzen gleichsetzen.

Erst in Collot und Barrère wird aber der ungezügelte Willen zur Macht, vielleicht sogar eine Blutrünstigkeit um ihrer selbst Willen sichtbar. Daher kann es in dieser Gruppe auch keine Loyalität geben. Fabrés „Lebewohl Danton. Ich sterbe doppelt“3 läßt sich als Ausdruck einer solchen Loyalität bis in den Tod verstehen oder Dantons „Willst du grausamer sein als der Tod? Kannst du verhindern, daß unsere Köpfe sich auf dem Boden des Korbes küssen?“4 Dem gegenüber steht Collots Zukunftsprognose für Robespierre:

BARRERE: Robespierre will aus der Revolution einen Hörsaal für Moral machen und die Guillotine als Katheder gebrauchen.

BILLAUD: Oder als Betschemel.

COLLOT: Auf dem er aber alsdann nicht stehen, sondern liegen soll.5

Büchner zeichnet Robespierre aber nicht als einen grausamen Moralisten, der etwa mit Sophokles Kreon zu vergleichen wäre. Zwar wird in keinster Weise seine Unbestechlichkeit in Frage gestellt, dafür kommen aber Zweifel auf wie es um seine Tugendhaftigkeit bestellt ist. Man kann Robespierres Monolog im Anschluß an das Gespräch mit Danton so begreifen, daß Büchner Robespierre tragische Züge verleiht und ihn menschlicher gestaltet. Der Tyrann wird unversehens zum Märtyrer, indem er Opfer seiner eigenen Handlungen wird, über die er nicht mehr Herr ist.

„Sache des Tyrannen ist die Restauration der Ordnung im Ausnahmezustand, das sehen wir bei Büchner von Robespierre für sich beansprucht.“6 Allerdings ist es Robespierre selbst, der sein Selbstverständnis, nicht als Bewahrer einer Ordnung, sondern als Initiator einer Neuen anzweifelt, indem er gegen sich selbst argwöhnt:

„Halt! Halt! Ist’s das eigentlich? Sie werden sagen, seine gigantische Gestalt hätte zuviel Schatten auf mich geworfen, ich hätte ihn deswegen aus der Sonne gehen heißen. Und wenn sie nun Recht hätten? [...] Ich weiß nicht, was in mir das Andere belügt.“7

Opferte Robespierre Danton seiner Vorstellung von Tugend, so wäre er furchtbar, aber er wäre es eben in dem Sinne, in dem es Kreon ist. Robespierre würde zum Verbrecher werden, weil es seiner Tugend an Menschlichkeit fehlte und somit wäre er tragisch. Mit dem vorangegangenen Zitat macht aber Büchner diese Interpretation zumindest zweifelhaft. Ob er Danton nun zum Wohle der Revolution oder aus Machtstreben heraus beseitigt, bleibt im Drama offen.

Klar den Bösewichtern zuzuordnen ist Robespierre dennoch. Man wird kaum bestreiten, daß Robespierre Camille aus persönlicher Eitelkeit zum Tode verurteilt. Außerdem billigt er, daß St. Just die Anklage aus Fälschungen zusammenstellt.

Von Robespierre an verlieren also die Gefolgsleute des Advokaten von Aras immer mehr an Menschlichkeit. (Eine solche Hierarchie der Moral findet sich auch in Platons Gorgias oder über die Beredsamkeit. Gorgias besitzt im Gespräch mit Sokrates noch eine sittliche Einsicht, die bei seinem Schüler Polos bereits im Schwinden begriffen ist, während Kallikles als ungezügelter Hedonist den Schlußpunkt bildet. Parallelen zwischen Platons Gorgias und Büchners Dantons Tod herstellen, hieße jedoch sich in Spekulationen ergehen, solange nicht erwiesen ist, daß Büchner den Gorgias zumindest gelesen hat.)

Die weiblichen Charaktere dienen dazu, diesen Eindruck noch zu verstärken. Danton und seine Freunde haben Beziehungen oder sind zumindest beziehungsfähig. Wenigstens beweisen Lacroix oder Hérault mit ihren Anzüglichkeiten, daß sie mit Frauen mehr anzufangen wissen als Barrère oder Collot. Danton und Camille werden durch ihre Ehefrauen in ein soziales Umfeld gesetzt. Das macht sie menschlicher und besser zur Identifikation geeignet als Robespierre. Wenn schon das Schicksal Dantons und Camilles Mitleid beim Zuschauer zu erregen vermag, so tun es gewiß ihre Frauen.

Eine solche Frauengestalt hätte Büchner auch Robespierre zur Seite stellen können. Es war bekannt, daß die Schreinerstochter Lenore Duplay die Geliebte des historischen Robespierre war.

[...]


1 Georg Büchner. Werke und Briefe. S. 105.

2 ebd. S. 103.

3 ebd. S. 131.

4 ebd.

5 ebd. S. 117.

6 von Bormann, Alexander: Dantons Tod. Zur Problematik der Trauerspiel-Form. In: 2. Internationales Büchner Symposium. S. 113.

7 Georg Büchner. Werke und Briefe. S. 87.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Eine Betrachtung der weiblichen Charaktere in Dantons Tod
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Fachbereich Germanistik)
Note
2
Autor
Jahr
2002
Seiten
15
Katalognummer
V18451
ISBN (eBook)
9783638227995
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eine, Betrachtung, Charaktere, Dantons
Arbeit zitieren
Jan Henrik Hartlap (Autor:in), 2002, Eine Betrachtung der weiblichen Charaktere in Dantons Tod, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18451

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