SCM und Change Management durch den Einsatz von Lean Management


Bachelorarbeit, 2012

58 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Themenbereich und Forschungsinteresse
1.2 Zielsetzung der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Aktuelle Herausforderungen an Logistik und Unternehmensorganisation
2.1 Globalisierung
2.2 Steigende Kundenanforderungen
2.3 Verkürzte Produktlebenszyklen
2.4 Wandel von der Funktions- zur Prozessorientierung

3 Supply Chain Management in Unternehmen
3.1 Definition und Herausforderung des Supply Chain Management
3.3 Strategien des Supply Chain Managements

4 Change Management in Unternehmen
4.1 Grundlagen des Change Managements
4.2 Erfolgsfaktoren im Change Management

5 Lean Management in Unternehmen
5.1 Grundlagen des Lean Managements
5.2 Zielsetzung des Lean Managements
5.3 Merkmale der Lean Management Ansätze

6 Lean Management als ganzheitlicher kontinuierlicher Unternehmenswandel
6.1 Bedeutung der Strategie Lean Management
6.2 Vorgehensweise bei der Organisationsumgestaltung zum Lean Management
6.2.3 Realisierung, Implementierung und Weiterentwicklung

7 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Erfolgreiche Implementierung Lean Management

Abbildung 2: Produktlebenszyklus

Abbildung 3: Supply Chain Übersicht

Abbildung 4: SCM-Strategie

Abbildung 5: Drei Ebenen im Veränderungsprozess

Abbildung 6: Ziele von Change-Prozessen

Abbildung 7: SMART-Formel im Zielbildungsprozess

Abbildung 8: Total Quality Management

Abbildung 9: Total Productive Maintenance

Abbildung 10: PDCA-Zyklus im KVP

Abbildung 11: Lean Management Supply Chain

Abbildung 12: W-Fragenkatalog für die Implementierung von Lean Management

Abbildung 13: Lean Management Ausweitung in der Supply Chain

1 Einleitung

1.1 Themenbereich und Forschungsinteresse

Der Begriff Lean Management resultiert ursprünglich aus den 50er Jahren aus dem Produktionssystem Toyotas und ist im Jahre 1990 erstmals definiert worden. Das schlanke Management ist heute ein aktuelles sowie im Hinblick auf die politische und die damit verbundene wirtschaftliche Volatilität Europas und der USA ein zunehmend bedeutendes Thema.[1]

Während derzeit auf den Börsenmärkten eine angespannte Situation herrscht, können gemäß Holger Schmiedling, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, „die Turbulenzen, die jetzt mehr von den USA als Europa ausgehen [..] durchaus das Wachstum in Deutschland für den Rest des Jahres zum Erliegen bringen – obwohl Deutschland fundamental hervorragend aufgestellt ist.“[2] Die Einschätzung des Bundesfinanzministeriums geht in die gleiche Richtung – es prognostiziert eine deutliche Verlangsamung der Expansion in der deutschen Industrie.[3] Zwar seien die Auftragsbücher noch gut gefüllt, doch die schwachen Konjunktursignale der bedeutenden Handelspartner Deutschlands können sich aufgrund Deutschlands hoher Exportabhängigkeit schnell negativ auf die Umsatzzahlen niederschlagen.[4]

Dementsprechend ist es trotz der im Vergleich zu anderen Nationen guten Ausgangslage für die deutsche Industrie unentbehrlich, weiterhin die Produktivität zu optimieren, um auch innerhalb einer gesamtwirtschaftlich rezessiven Phase im internationalen Vergleich hervorragend aufgestellt zu sein. Thomas Holzbaur, Sprecher der Geschäftsführung bei der U.I. Lapp, spricht sich für eine kontinuierliche Prozessoptimierung aus. Der Kabelhersteller bleibe dauerhaft schlank aufgestellt, um nachhaltig in seine Standorte zu investieren, um zu wachsen und gleichzeitig einer Krise vorzubeugen.[5]

Durch Lean Management können Unternehmen demnach sowohl ihre Struktur schlanker gestalten, als auch zusätzlich wachsen. Die Umstrukturierung ist allerdings ein integrativer, ganzheitlicher Wandel, der nicht nur das Unternehmen, sondern seine komplette Supply Chain betrifft.[6] Die dadurch hervorgerufene, hohe Komplexität des Wandels vom Ausgangszustand zum Zielzustand erfordert eine professionelle Planung, Organisation und Führung, die eine reibungslose Umsetzung der Lean Strategie ermöglicht.[7] Laut einer Studie des Herstein-Instituts wurde ermittelt, dass 38% der Change-Management-Projekte scheitern. Dabei mangele es dem Unternehmen insbesondere an der entsprechenden Realisierungskompetenz.[8]

Für die Implementierung des Lean Managements im Unternehmen ist es folglich interessant zu verstehen, wie beim Unternehmenswandel Lean Management, Supply Chain Management und Change Management ineinander konvergieren. Diese wissenschaftliche Arbeit beleuchtet den anspruchsvollen Weg zum Wandel und aufgezeigt auf, welche Dimensionen überwunden werden müssen, um ein Scheitern des Projektes zu verhindern.

1.2 Zielsetzung der Arbeit

Nicolaus Stadler, Berater des ROI Management Consulting AG, präzisiert eine unumgängliche Prämisse der Lean Philosophie. Bei ihrer Implementierung für den Optik-Elektronikkonzern Jenoptik AG betont er, dass der Lean Gedanke abteilungsübergreifend gelebt werden müsse. Würde dieser Etablierung zu wenig Aufmerksam geschenkt werden, bestehe eine große Gefahr, dass das Projekt scheitere.[9] Hierdurch wird verdeutlicht, dass der Wandel zum Lean Management mit einer hohen Komplexität verbunden ist.

Im Nachfolgenden wird deshalb untersucht, welche Risiken der Change Agent, also der Betreiber des Wandels, hinsichtlich des Unternehmens auf sich nimmt und wie er diesen Unternehmenswandel erfolgreich begleitet. Wie wird das Unternehmen effektiv umgestaltet? Welche methodischen Schritte sind zu berücksichtigen? Wie wird nachhaltige Perfektion generiert? Dem Anwender soll verdeutlicht werden, welche erfolgsversprechenden Vorgehensweisen im Rahmen der Bewältigung auftretender Herausforderungen im organisatorischen Wandel existieren. Dafür ist es unabdingbar, die Grundlagen des Change Managements kennenzulernen, um schlussendlich einen Leitfaden anbieten zu können, der die Implementierung der Lean Strategie vereinfacht.

Ist ein erfolgreicher Wandel zum Lean Management geschaffen, ist das Ergebnis häufig eine gesteigerte Produktivität, die Verkürzung der Durchlaufzeiten sowie die Senkung der Bestände, einhergehend mit frei werdenden Kapazitäten, die zur Ausweitung der Geschäftsaktivitäten genutzt werden können. Das Unternehmen stärkt seine entscheidenden Wettbewerbsfaktoren.[10] Um diesen Soll-Zustand zu erreichen, ist ein stringenter und weitreichender Unternehmenswandel unerlässlich. Damit jener Unternehmenswandel vollzogen werden kann, ist es erforderlich, das Ausmaß des Wandels zu begreifen. Wie weitreichend sind die vorgenommenen Veränderungen?

Da Lean Management als ganzheitlicher, kontinuierlicher Unternehmenswandel verstanden werden soll, muss der Anwender verstehen, wie ein Unternehmen in seiner Umwelt positioniert ist, was Supply Chain Management ist und welche Bedeutung es im Zusammenhang mit der Implementierung des Lean Managements hat. Demnach wird, wie in der nachfolgenden Abbildung dargestellt ist, in dieser Arbeit eine Untersuchung durchgeführt, wie das Supply Chain Management und das Change Management im Implementierungsprozess des Lean Managements eingebunden sind und wie dieser Wandel erfolgreich vollzogen werden kann.

Abbildung 1: Erfolgreiche Implementierung Lean Management

Quelle: Eigene Darstellung.

1.3 Aufbau der Arbeit

Wie in Kapitel 1.2 erläutert, soll Lean Management als ganzheitlicher, integrativer Unternehmenswandel verstanden werden. Dies ist ein logistischer Prozess, dessen Umsetzung die Berücksichtigung der aktuellen Umwelteinflüsse erfordert. Aus diesem Grund beschäftigt sich das Kapitel 2 mit aktuellen Herausforderungen an die Logistik und die Unternehmensorganisation. Dabei werden die Themenbereiche Globalisierung, steigende Kundenanforderungen, verkürzte Produktlebenszyklen und der Wandel von der Funktions- zur Prozessorientierung untersucht.

Das dritte Kapitel vertieft den Bereich Supply Chain Management, um das Ausmaß eines Unternehmens samt der Interdependenzen der Beteiligten zu verdeutlichen. Dazu werden zunächst Grundlagen und Begriffe erklärt. Anschließend werden Supply Chain Strategien aufgezeigt, mit deren Anwendung die Interaktion der involvierten Unternehmen, vom Sublieferanten zum Kunden, optimiert werden kann.

Die Themenstellung der Arbeit beruht auf einem organisatorischen Wandel zum Lean Management. Das vierte Kapitel behandelt die Grundlagen des Change Managements und legt u.a. seine Formen, Motive und Ursachen offen sowie die Erfolgsfaktoren, die im Zuge eines Wandels unabdingbar sind.

Im fünften Kapitel werden die Grundlagen, Merkmale und Instrumente zur Implementierung des Lean Managements fokussiert. Dadurch sind für das sechste Kapitel die theoretischen Voraussetzungen geschaffen, um die Themen Supply Chain Management, Change Management und Lean Management im wechselseitigen Kontext betrachten zu können. Es werden Perspektiven und Risiken aufgedeckt sowie die Vorgehensweise bei der Organisationsumgestaltung erläutert. Im abschließenden siebten Kapitel wird ein Fazit diskutiert.

2 Aktuelle Herausforderungen an Logistik und Unternehmensorganisation

2.1 Globalisierung

Hinter dem Begriff Globalisierung verbirgt sich das wirtschaftliche Zusammenwachsen der Länder, die enger werdende Verflechtung der Märkte sowie die Zunahme an Mobilität der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital über die nationalen Grenzen hinweg.[11] Globalisierung hat verschiedene Ursachen. So fielen z.B. nach dem zweiten Weltkrieg sukzessive die Zollsätze in den Industrieländern durch die Öffnung der Staatsgrenzen für den internationalen Handel. Die grenzüberschreitenden Märkte wurden zunehmend liberalisiert, Beschränkungen auf den Kapitalmärkten reduziert. Mittlerweile sind über 140 Länderwährungen konvertibel. Neben der Liberalisierung der Märkte wurden fundamentale Fortschritte in den Bereichen Transportwesen sowie Informations- und Kommunikationswesen erzielt. Dadurch wurde eine grenzüberschreitende Tätigkeit hinsichtlich der technologischen Umsetzung erst ermöglicht und bezahlbar gemacht.[12]

Für Unternehmen ergeben sich dadurch sowohl Chancen als auch Risiken. Eine Auslagerung der Produktionsstätte bietet z.B. Lohnkostenvorteile sowie die Möglichkeit der Erschließung neuer Absatzmärkte. Jedoch erfordert das Outsourcing eine umfassende Steuerung und Kontrolle der neu entstehenden Supply Chain aufgrund einer erhöhten Komplexität. Schlussendlich dürfen die Administrationskosten des SCM die Lohnkostenvorteile nicht übersteigen.[13]

2.2 Steigende Kundenanforderungen

Anhand der Automobilindustrie lässt sich sehr gut illustrieren, dass sich im Zuge des Wandels vom Verkäufer- zum Käufermarkt die Kundenanforderungen kontinuierlich erhöht haben. Ausgehend von den Kundenwünschen des Endkunden im B2C wird jede Instanz der Supply Chain beeinflusst, sodass auch im B2B steigende Anforderungen hinsichtlich der Beschaffung zu verzeichnen sind. Dementsprechend hat sich in der Automobilbranche eine hohe Komplexität im Produktionsprozess entwickelt, da der Kundenwunsch nach individuell ausgestatteten Fahrzeugen die Hersteller zur Implementierung verschiedenster Modelle und Varianten zwingt, um auf dem umkämpften Markt zu bestehen.[14]

Prozessorientierte Unternehmen fokussieren die Befriedigung der Kundenanforderungen. Dieser Ansatz betrifft die gesamte Supply Chain und stell das Unternehmen vor die Herausforderung, das Wertschöpfungsnetzwerk professionell zu koordinieren. Die breitgefächerten Kundenanforderungen erfordern seitens des Herstellers eine große Flexibilität bezüglich der Produktion, damit eine breite Produktpalette angeboten werden kann. Die daraus resultierende Konsequenz für das Unternehmen ist eine ganzheitliche Prozessoptimierung, um so Kapazitäten zur Befriedigung anspruchsvoller Kundenwünsche, wie z.B. verkürzte Lieferzeiten, zu schaffen.[15]

2.3 Verkürzte Produktlebenszyklen

Der Produktlebenszyklus stellt die idealtypische Entwicklung eines Produkts dar und unterteilt diese, wie in der nachfolgenden Abbildung dargestellt, in folgende vier Phasen: Einführung (Introduction), Wachstum (Growth), Reife (Maturity) und Degeneration (Decline).[16]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Produktlebenszyklus

Eigene Darstellung in Anlehnung an: Becker (1996), S. 82.

Ein neu entwickeltes Produkt verfügt innerhalb der Einführungsphase über eine beim potenziellen Kunden noch unbekannte Nutzenstiftung, weil es zum einen hinsichtlich seiner Funktionalität eine Innovation ist und zum anderen aufgrund des unmittelbaren Markteintritts in den Anfängen seiner Publikation steht. Um eine Marktnachfrage zu initiieren, sind verstärkte Marketingmaßnahmen erforderlich. Dadurch resultieren anfangs ein negativer Stückdeckungsbeitrag des Produkts sowie damit gleichermaßen ein finanzielles Risiko.

Während der Wachstumsphase erhöhen sich die Verkaufszahlen, sodass das Unternehmen seine Produktionskapazitäten ausbauen und seine Distributionspolitik erweitern muss, um die steigende Nachfrage bedienen zu können. Durch die steigende Nachfrage und das Gewinnwachstum treten zunehmend mehr Wettbewerber in den Markt ein, wodurch ein Preisdruck auf das Unternehmen ausgeübt wird und die ersten Marktanteile abgegeben werden müssen.

Das Produkt mündet anschließend in die Reifephase, in welcher die Nachfrage stagniert und die Wettbewerbssituation ein Maximum erreicht. Es werden ausgiebige Aktivitäten in den Bereichen Marketing und Vertrieb eingeleitet, um den Kundenstamm zu halten. Eine besondere Herausforderung steht dem Management des Händlernetzes zu, um weiterhin über produktive Distributionskanäle zu verfügen.

Letztlich endet der PLZ in der Degenerationsphase, in welcher das Produkt einen veralteten Status einnimmt und Substitutionstechnologien in den Markt eintreten. Der Deckungsbeitrag droht ins Negative zu gelangen. Folgerichtig wird die Zusammenarbeit mit den Händlern nach und nach aufgegeben. Stellt sich die Unrentabilität weiter ein, kann nur noch ein Relaunch des Produkts eine neue Wachstumsphase einleiten. Andernfalls wird das Produkt eliminiert.[17]

Durch die immer enger werdende Verflechtung der Globalisierung und den steigenden Kundenanforderungen erhöht sich die Anzahl der Wettbewerber. Diese versuchen sich im Kampf um den Kunden stetig durch die Etablierung neuer Innovationen zu differenzieren. Es verkürzen sich PLZ, bzw. Produkteinführungszeiten (time-to-market).[18] Daraus ergeben sich neue Herausforderungen für die Produktentwicklung, die Anlaufproduktion sowie die Markteinführung. [19]

2.4 Wandel von der Funktions- zur Prozessorientierung

Der Erfolg eines Unternehmens beruht insbesondere auf der Befriedigung der Kundenbedürfnisse. Bereits die Unternehmensorganisation kann auf den Kunden fokussiert sein. Die aktuellen Herausforderungen der Logistik erfordern unternehmensübergreifende Prozessoptimierungen und eine konsequente Ausrichtung auf den Kunden. Demnach ist es eine unabdingbare Aufgabe, das Unternehmen von einer funktionsorientierten auf eine prozessorientierte Organisation umzustellen.

Die Betrachtung eines Unternehmensorganigramms lässt Rückschlüsse auf die Schwächen einer Funktionsorientierung ziehen. Es wird ersichtlich, wie das Unternehmen aufgebaut ist. Einzelne Abteilungen grenzen sich durch unterschiedliche Verantwortungsbereiche voneinander ab. Bei der Ausführung von Prozessen, innerhalb welcher mehrere Abteilungen und Ansprechpartner involviert sind, besteht die Gefahr von Produktivitätsverlusten durch die automatische Bildung von Schnittstellen. Dabei wird der Kunde vernachlässigt, weil die Zielerreichung der einzelnen Abteilungen im Mittelpunkt steht und nicht die Befriedigung der Kundenbedürfnisse.[20]

Die Prozessorientierung hingegen ist ein ganzheitlicher, funktionsübergreifender Ansatz, der alle am Wertschöpfungsprozess beteiligten Mitarbeiter betrifft und alle Prozesse auf den Kunden ausrichtet. Für das Unternehmen besteht die Herausforderung insbesondere in der Implementierung, denn der Wandel zur Prozessorientierung ist eine strategische Veränderung. Sie impliziert eine tiefgründige Mitarbeiterbeteiligung an den Prozessstrukturen und verlangt ein Umdenken zu einer kontinuierlichen Prozessoptimierung. Diesbezüglich ist es eine Kernaufgabe des Managements, durch eine angemessene Führung die Akzeptanz bei den Mitarbeitern zu schaffen.[21]

Einer besonderen Aufmerksamkeit kommt demnach auch der Personalentwicklung zu, denn für einen Wandel zu einer prozessorientierten Organisation ist es erforderlich, dass die Mitarbeiter in der Lage sind, mehr Verantwortung tragen zu können und vertrauter mit den Prozessabläufen umzugehen.[22] Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Zusammenarbeit mit den Lieferanten, da eine Prozessoptimierung die Unternehmensgrenzen überschreitet. Folglich ist ein professionelles SCM eine unerlässliche Prämisse für die erfolgreiche Initiierung einer prozessorientierten Organisation.

Den hohen Aufwendungen für die Umstrukturierung stehen Verbesserungen in der Produktivität, Kommunikation und Mitarbeitermotivation gegenüber. Davon profitiert letztlich der Kunde, weil er im Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit steht.

3 Supply Chain Management in Unternehmen

Die globalen Geschäftstätigkeiten von Unternehmen und die dadurch weltweit entstehende Vernetzung sind die entscheidenden Ursachen für die Erforderlichkeit eines professionellen Managements der Material-, Wert- und Informationsströme. Insofern ist SCM heutzutage ein allgegenwärtiges Thema.

Bestehende, mit der Zeit gewachsene Strukturen und Prozesse unterliegen einem hohen Verbesserungspotenzial. Ein aktuelles Beispiel aus der Automobilbranche soll dies verdeutlichen:

Die Mahle Group gehört zu den 30 größten Automobilzulieferern weltweit. Ein Teilbereich der Mahle Group, die Mahle Aftermarket, erzielt einen Jahresumsatz in Höhe von 800 Millionen Euro und versorgt rund 1.500 weitere Automobilzulieferer aus 135 Ländern mit Kfz-Teilen. Aus 22.000 Filter- und Motorenteilen werden täglich etwa 150 Lieferungen verschickt, die ca. 6.000 Positionen enthalten. Die Schwierigkeit dieser logistischen Herausforderung liegt in der Abwicklung vielfältiger Lieferanforderungen bei einem großen Artikelspektrum. Innerhalb eines 44-monatigen Projektes haben die Logistikexperten von Dr. Schaab + Partner die gesamte Supply Chain von Mahle Aftermarket reorganisiert und eine Liefer-Performance von 95% erreicht – ein für die Anforderung hervorragender Wert. Während im Jahre 2007 noch eine unbefriedigende Marktversorgung, ein schlechter Lieferservice, hohe Lager- und Transportkosten vorlagen, ist das SC-Netzwerk nun nach Relevanz- und Effizienzgesichtspunkten reorganisiert. Es herrscht eine maximale Transparenz über die logistischen Prozesse, eine zeitnahe Flexibilität, eine optimale Wirtschaftlichkeit sowie ein ausgeprägter Servicegrad. Der Service wurde z.B. um Added-Value-Tätigkeiten, wie Assemblieren oder Verpacken, erweitert. Im Vergleich zu anderen Konkurrenten ist dies ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. [23]

Aus dem Beispiel wird deutlich, welchen hohen Stellenwert SCM heutzutage einnimmt und welche Optimierungsmöglichkeiten bestehen. Umfragen und Untersuchungen bestätigen diese Potenziale. Bei einer detaillierteren Betrachtung hinsichtlich einzelner Geschäftsbereiche oder Kennzahlen wurde ermittelt, dass dank eines professionellen SCM punktuelle Verbesserungen erzielt werden können. Zu den Potenzialen gehören laut Umfragen und Untersuchungen beispielsweise reduzierte Sicherheitsbestände (um 20-50%), Gewinnsteigerungen von bis zu 30%, Kostenreduktionen, Reduktionen der Kapitalbindung, Verbesserte Kapazitätsausnutzungen oder eine schnellere Reaktion auf sich verändernde Märkte. [24]

3.1 Definition und Herausforderung des Supply Chain Management

Gemäß Arndt lässt sich SCM folgendermaßen definieren:

„Supply Chain Management ist die unternehmensübergreifende Koordination und Optimierung der Material-, Informations- und Wertflüsse über den gesamten Wertschöpfungsprozess von der Rohstoffgewinnung über die einzelnen Veredelungsstufen bis hin zum Endkunden mit dem Ziel, den Gesamtprozess unter Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse sowohl zeit- als auch kostenoptimal zu gestalten.“ [25]

Aus der Definition geht hervor, dass unter SCM ein unternehmensübergreifender Prozess zu verstehen ist. Dieser umfasst, wie in der nachfolgenden Abbildung illustriert, i.d.R. mehrere beteiligte Unternehmen, die für die Erstellung eines Endproduktes verantwortlich sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Supply Chain Übersicht

Entnommen aus: owl SupplyChain (2011), Stand: 14.10.2011.

In dem abgebildeten (B2C-)Beispiel sind für die Erstellung des Endproduktes 19 Unternehmen auf sechs Ebenen beteiligt. Der Rohstofflieferant bedient zunächst den Teilelieferant. Dieser beliefert wiederum den Komponentenlieferanten des Endproduktherstellers. Die fertiggestellten Produkte gelangen über den Groß- und Einzelhandel letztendlich zum Endkunden. Für den B2C-Markt ist dies eine gängige Konstellation. Vom Rohstofflieferanten bis zum Endprodukthersteller tragen alle Unternehmen zum Wertschöpfungsprozess bei. Die nachfolgenden Händler sind insbesondere für die Distribution zum Endkunden verantwortlich. Die Herausforderung des SCM liegt in der Koordination der drei in der Definition genannten Flüsse (Material-, Informations- und Wertflüsse) innerhalb des komplexen Netzwerks. Denn zur Herstellung des Produktes bedarf es der Einbeziehung mehrerer Unternehmen auf jeder Ebene. Das SCM stellt einen hohen Anspruch an die Qualität der Koordination sowie an die Überwindung der hohen Komplexität. Gemäß der Definition soll dem Kunden ein schneller Zugang zu kostengünstigen Produkten gewährleistet werden.

3.2 Aufgaben und Ziele des Supply Chain Management

Alle Aufgaben und Ziele des SCM münden in ein allgemeines, übergeordnetes Ziel: Die Kundenbefriedigung. Alle Optimierungen entlang der Supply Chain wirken sich unmittelbar auf den Kunden aus und gelten seinen Bedürfnissen. Unter Berücksichtigung der aktuellen Trends in der Logistik ist es heutzutage besonders das prozessorientierte SCM, das den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringt. Folgerichtig konkurrieren ganze Supply Chains anstelle einzelner Unternehmen um die Gunst des Kunden. [26]

Supply Chain Management hat die Aufgabe, den Materialfluss netzwerkübergreifend so zu gestalten, dass eine fehlerfreie, schnelle und kostengünstige Versorgung des Endkunden gewährleistet ist. Dies ist primär die Aufgabe der Logistik. Beim SCM handelt es sich jedoch vielmehr um ein Managementkonzept, an welchem sich das Denken und Handeln der Beteiligten orientieren soll, als um konkrete Werkzeuge oder Instrumente. [27]

Ein wichtiger Bestandteil dieses Managementkonzeptes ist die konsequente Eliminierung von unternehmensinternen und –externen Schnittstellen. [28] In Anbetracht der vielen Kooperationen innerhalb eines gesamten Netzwerks, wie in Abbildung 3 dargestellt, ist dies eine große Herausforderung. Eine prozessorientierte Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Unternehmen sowie unternehmensintern zwischen einzelnen Abteilungen ist eine bedeutungsvolle Voraussetzung für zügige Material-, Informations- und Wertflüsse.

SCM ist das ganzheitliche Denken entlang der Wertschöpfungskette, sodass sich Unternehmen nicht auf die Suche nach Lösungsansätzen machen sollten, die ausschließlich für sie als Mitglied der Supply Chain optimal sind, sondern für alle Mitglieder innerhalb der Supply Chain. Dazu zählt z.B. die Generierung von Win-Win-Situationen durch den Aufbau von profunden Kooperationen, anstelle der Abwälzung und Verlagerung von Kosten und Aufgaben. Ein gut abgestimmtes Zusammenspiel der Partner ermöglicht eine produktivere Beschaffungs-, Fertigungs- und Auftragsabwicklung. [29]

Die amerikanische Softwaregruppe JDA Inc., die führend im Bereich innovativer Supply Chain Lösungen ist, versteht die Schaffung von Transparenz als Erfolgsfaktor: „Visibility is a critical foundational component of effective supply chain management. This means having a global view of demand and supply across an adequate number of months necessary for strategic, tactical, and operational decision-making.” [30] Gerade im Zuge des Unternehmenswachstums, das eine erhöhte Komplexität auslöst, z.B. durch die Aufnahme neuer Lieferanten oder die Schaffung neuer Prozesse, ist es unerlässlich, den Überblick über Strukturen und Prozesse aufrecht zu erhalten und sinnvolle, zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen. Es werden Materialflussanalysen durchgeführt, die die Materialflüsse des logistischen Netzwerks modellhaft abbilden. Mit ihrer Hilfe soll die Wirtschaftlichkeit gesteigert werden und Ausfällen, wie z.B. Stock-Outs, vorgebeugt werden. [31]

3.3 Strategien des Supply Chain Managements

Eine wichtige Voraussetzung für das Verständnis von SCM-Strategien ist ihre Einordnung zwischen allen anderen Strategien, die ein Unternehmen verfolgt. Die Unternehmensstrategie steht dabei an erster Stelle und definiert, in welchen Geschäftsfeldern das Unternehmen tätig ist. Die Geschäftsstrategie definiert den Umfang der einzelnen Geschäftsbereiche und stellt eine Verbindung zur Unternehmensstrategie her. Darüber hinaus bildet sie die Basis für die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen, sprich für die Wettbewerbsstrategie. Entsprechend einzelner Funktionen, wie z.B. der Distribution oder dem Vertrieb, bilden sich funktionale Strategien, welche im Vergleich zu den zuvor genannten Strategien wesentlich spezifischer sind. [32]

Die SCM-Strategie hingegen ist ein komplexes Konstrukt, das nach seiner Implementierung, wie in der nachfolgenden Abbildung ersichtlich, unternehmensübergreifende Auswirkungen hat.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: SCM-Strategie

Eigene Darstellung in Anlehnung an: Winkler (2005), S.274.

Die SCM-Strategie steht also über der Unternehmensstrategie und damit über allen anderen differenzierten Strategien innerhalb eines Unternehmens. Sie stellt den Rahmen für alle Unternehmen, die der Supply Chain angehören und beansprucht eine top-down-Anpassung. Dies bedeutet, dass alle Unternehmen des Netzwerks ihre Unternehmens-, Wettbewerbs- und Funktionalstrategien der SCM-Strategie anzupassen haben. [33] Gleichzeitig erfüllt sie eine Querschnittsfunktion, weil sie durch ihre Prozessorientierung und die damit einhergehende Schnittstellenreduktion einzelne Abteilungen tiefgründiger ineinander verzahnen lässt. Die SCM-Strategie definiert, wie die eingesetzten Ressourcen und Prozesse zur Wettbewerbsfähigkeit bzw. zum Unternehmenserfolg beitragen. Darüber hinaus liefert sie wichtige Beiträge zur unternehmensinternen und -übergreifenden Zielausrichtung. [34]

In den folgenden Kapiteln werden einige Charakteristika der SCM-Strategie näher erläutert.

3.3.1 Kooperationsstrategie

Wie bereits in Kapitel 3.2 erläutert, gehört die Bildung von Kooperationen mit dem Ziel der Nutzenstiftung zu den Schlüsselaufgaben des SCM. Meist findet eine vertikale Kooperation, d.h. entlang der Wertschöpfungskette zwischen Kunden und Lieferanten, statt. Innerhalb der Partnerschaft ergeben sich für beide Parteien Vorteile, wie z.B. die Konzentration auf die Kernkompetenzen oder die Umsetzung von Just-in-Time-Konzepten. [35]

Eine andere Alternative ist die horizontale Kooperation, in welcher Unternehmen zusammenarbeiten, die sich auf derselben Wertschöpfungsebene befinden und dadurch ggfs. miteinander konkurrieren. Sie treten als Joint Ventures, virtuelle Unternehmen oder strategische Allianzen auf und verzichten auf eine Fusion. Dadurch können sie ihre rechtliche Eigenständigkeit behalten und müssen so nicht die Nachteile einer Fusion, wie z.B. umfangreiche Integrationsprobleme, in Kauf nehmen. [36]

Kennzeichnend für das SCM ist insbesondere die Implementierung von vertikalen Kooperationen, da Unternehmen durch Ihren Einsatz noch enger zusammenrücken. Der Grundgedanke der Verzahnung von Unternehmen, die innerhalb der Supply Chain agieren, wird in vertikalen Kooperationen wesentlich intensiver umgesetzt.

[...]


[1] Vgl. Vahs (2007), S. 274.

[2] WELT ONLINE (2011), Stand 12.08.2011.

[3] Vgl. ZEIT ONLINE (2011), Stand 12.08.2011.

[4] Vgl. WELT ONLINE (2011), Stand 12.08.2011.

[5] Vgl. verlag moderne industrie (2011), Stand 12.08.2011.

[6] Vgl. Vahs (2007), S. 275.

[7] Vgl. Lauer (2010), S. 3 f.

[8] Vgl. Lauer (2010), S. 41.

[9] Vgl. Stadler (2011), S. 10 ff.

[10] Vgl. Jones; Womack (2004), S. 9.

[11] Vgl. Donges; Freytag (2004), S. 1.

[12] Vgl. Arndt (2008), S. 8f.

[13] Vgl. Behrens; Küntzel (2009), S. 292f.

[14] Vgl. Göpfert; Grünert (2009), S. 130f.

[15] Vgl. Krog; Statkevich (2008), S. 187ff.

[16] Vgl. Fischer (2001), S. 1.

[17] Vgl. Fischer (2001), S. 9ff.

[18] Vgl. Göpfert; Grünert (2009), S. 131.

[19] Vgl. Arndt (2008), S. 28.

[20] Vgl. Patzak; Wagner (2007), S. 58ff.

[21] Vgl. Binner (2002), S. 159ff.

[22] Vgl. Hinz (2007), S. 277.

[23] Vgl. MM-Logistik (2011), Stand 14.11.2011.

[24] Vgl. Arndt (2008), S. 47f.

[25] Arndt (2008), S. 47.

[26] Vgl. Arndt (2008), S. 47f.

[27] Vgl. Melzer-Ridinger (2007), S. 9.

[28] Vgl. Werner (2010), S. 5.

[29] Vgl. Melzer-Ridinger (2007), S. 9ff.

[30] Market Watch (2011), Stand 20.12.2011.

[31] Vgl. Werner (2010), S. 50.

[32] Vgl. Schnetzler; Sennheiser (2008), S. 288f.

[33] Vgl. Winkler (2005), S. 267f.

[34] Vgl. Schnetzler; Sennheiser (2008), S. 289f.

[35] Vgl. Arndt (2008), S. 183.

[36] Vgl. Arndt (2008), S. 183.

Ende der Leseprobe aus 58 Seiten

Details

Titel
SCM und Change Management durch den Einsatz von Lean Management
Hochschule
FOM Essen, Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Hochschulleitung Essen früher Fachhochschule
Veranstaltung
BWL, Business Administration, Logistik
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
58
Katalognummer
V184665
ISBN (eBook)
9783656142652
ISBN (Buch)
9783656142706
Dateigröße
2207 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Change Management, SCM, Supply Chain Management, Implementierung, Unternehmenswandel, Kundenorientierung, Herausforderungen, Logistik, Trends, Produktlebenszyklus, Strategien, Globalisierung, Wandel, Funktionsorientierung, Prozessorientierung, Sourcing, Erfolgsfaktoren, Kaizen, Total Productive Maintenance, Total Quality Management, integrativer Ansatz
Arbeit zitieren
Dennis Stadler (Autor:in), 2012, SCM und Change Management durch den Einsatz von Lean Management, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/184665

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