TV-Duelle - Entertainment statt Inhalte?


Seminararbeit, 2009

22 Seiten

Pola Sarah (Autor:in)


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Entstehung und Geschichte der TV-Duelle
2.1 Vereinigte Staaten von Amerika
2.2 Bundesrepublik Deutschland
2.3 Personalisierung

3. Beispiel: TV-Duelle im Bundestagswahlkampf 2002
3.1 Aufbau und Regeln
3.2 TV-Duelle als Schauspiel?

4. Unterhaltung versus Inhalte
4.1 Vorteile von TV-Duellen
4.2 Nachteile von TV-Duellen

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

TV-Duelle sind im deutschen Bundestagswahlkampf eine verhältnismäßig neue Erscheinung.[1] Auch in diesem Wahljahr werden die beiden Spitzenkandidaten Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Angela Merkel (Union) gegeneinander antreten. Am 13. September 2009 werden sich Angela Merkel (CDU) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) zur Diskussion gegenüberstehen.[2] Die Idee der TV-Duelle stammt aus den USA. 1956 wurde die erste Diskussion im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt. Die Vereinigten Staaten sind eine präsidiale Republik. In den einzelnen Bundesstaaten werden mittelbar Wahlmänner und –frauen gewählt, die dann für ihren Präsidentschaftskandidaten oder –kandidatin stimmen. Außerdem haben die USA ein Zwei-Parteien-System, es wird von der Demokratischen und der Republikanischen Partei bestimmt.[3] Die Bundesrepublik Deutschland hat eine geteilte Exekutive und ein Mehrparteiensystem. In Deutschland gibt es seit dem Bundestagswahlkampf 2002 TV-Duelle. Doch immer wieder werden Stimmen laut, die eine Veränderung oder gar Abschaffung des vorhandenen Formats der TV-Duelle fordern.[4]

In meiner Arbeit will ich zunächst die Geschichte der TV-Duelle darstellen, dann am Beispiel der ersten deutschen Diskussion dieser Art auf Bundesebene die Regeln und den Aufbau erläutern. Schließlich stelle ich die Vor- und Nachteile von TV- Duellen vor und gelange so zu meinem Fazit.

2. Entstehung und Geschichte der TV-Duelle

Durch den Einsatz von Massenmedien wurden die Wahlkämpfe in den letzten Jahren deutlich moderner geführt als noch in den 1970er oder 80er Jahren. Die damit einhergehenden Neuerungen werden in der Fachliteratur entweder als „Amerikanisierung“ bezeichnet, da die Vereinigten Staaten häufig als Vorbild dienen. „Wer den Begriff Amerikanisierung nicht akzeptiert“, spricht „statt dessen bei der Betrachtung der Entwicklung von Wahlkämpfen von Modernisierung oder Professionalisierung“[5], da deutsche Politiker lediglich einige Teile des amerikanischen Wahlkampfes adaptieren. So wurden auch die politischen Diskussionen von den USA übernommen. Unter TV-Duelle versteht man Wahlkampfdiskussionen im Fernsehen, also Streitgespräche, in denen ein oder mehrere Moderatoren die KandidatInnen zweier Parteien zu den Themen des Wahlkampfs befragen.

2.1 Vereinigte Staaten von Amerika

Die erste politische Kandidaten-Diskussion in den USA fand 1858 zwischen Abraham Lincoln und Stephen Douglas statt – und das gleich sieben Mal über ein Thema: die Sklaverei. 1960 trat der republikanische Vize-Präsident Richard Nixon gegen seinen demokratischen Herausforderer John F. Kennedy an. Nixon war der klare Favorit im Wahlkampf, doch er sah blass und krank aus und war unrasiert. Kennedy dagegen war deutlich jünger, charismatischer und sonnengebräunt, er blickte in die Kamera und sprach – im Gegensatz zu Nixon – die Zuschauer direkt an. Kennedy gewann das Duell und die Wahl.[6] Daraufhin entstand der Mythos, ein TV-Duell könne die Wahl entscheiden. Doch erst 1976 wurden TV-Duelle zu einer Institution, Gerald Ford und Jimmy Carter diskutierten. In den Wahlkämpfen davor hatte sich immer einer der Kandidaten geweigert, an einer solchen Debatte teilzunehmen.[7] In diesem Jahr -1976- wurden die Kandidaten außerdem zu ersten Mal direkt nach der Debatte durch die Kommentatoren und Berater analysiert. Seitdem haben die Kandidaten außerdem sogenannte spin-doctors[8] (Kandidaten Berater), die mit ihnen Gesten und Formulierungen trainieren und Themen vorgeben, mit denen die Kandidaten beim Zuschauer gut ankommen könnten.

2.2 Bundesrepublik Deutschland

In Deutschland sind TV-Duelle eine vergleichsweise neue Erscheinung. Wie in den USA treten in Deutschland nur die Kandidaten der beiden großen Parteien in den TV-Duellen gegeneinander an. Regeln und Aufbau der deutschen TV-Duelle werden im Kapitel 3.1 „Aufbau und Regeln“ erläutert.

In Deutschland gab es erstmals im Bundestagswahlkampf 2002 TV-Duelle. Sie galten als weiterer Schritt in Richtung Amerikanisierung/Modernisierung. Es gab die Idee der TV-Duelle allerdings schon vor dem ersten großen Duell Schröder gegen Stoiber 2002. Schon 1969 hatte SPD-Kandidat Willy Brandt versucht, Kanzler Kurt Georg Kiesinger zu einem TV-Duell herauszufordern, doch sein Kontrahent lehnte ab. Daraufhin entstand die sogenannte „Elefantenrunde“, die zwischen 1969 und 1987 jeweils kurz vor der Wahl im Fernsehen lief. Es nahmen alle Spitzenpolitiker teil, die Elefantenrunde dauerte jeweils mehrere Stunden. Nach der letzten Sendung 1987 wurde die Elefantenrunde wegen zu schlechter Einschaltquoten eingestellt.

2002 duellierten sich Schröder und Stoiber, die erste Diskussion wurde von RTL und Sat1, die zweite von ARD und ZDF übertragen. Die Mehrzahl der Zuschauer war allerdings der Meinung, dass keine neuen politischen Informationen eingebracht wurden:

„Für den gut informierten politischen Beobachter brachte das erste ‚Duell‘ nur wenig neue Argumente. […] Inhaltlich gab es auch im zweiten ‚Duell‘ wenig Neues zu erfahren.“[9]

Die politischen Diskussionen aus dem Jahr 2002 werden in Kapitel 3 „Beispiel: TV-Duelle im Bundestagswahlkampf 2002“ genauer erläutert.

2005 diskutierten Schröder und Merkel. Es gab allerdings nur ein Duell, da Merkel keine Zeit für ein zweites hatte. Das Duell dauerte eineinhalb Stunden und wurde von ARD, ZDF, Sat1, RTL und einigen Radiosendern übertragen. Als Ersatz für das zweite Duell fand kurze Zeit später ein Gespräch mit Joschka Fischer (Grüne), Guido Westerwelle (FDP) und Oskar Lafontaine (WASG) statt. Dieses Streitgespräch wurde vom ZDF ausgestrahlt.

2.3 Personalisierung

Ein Faktor der Medienwirkung und –entwicklung, der an den TV-Duellen gut zu erkennen ist, ist die Personalisierung, „die Zuspitzung von Wahlkämpfen auf das politische Führungspersonal“.[10] Unter Personalisierung in der Politik versteht man, dass Inhalte in den Hintergrund treten und stattdessen Personen im Vordergrund stehen. Die Personalisierung des Wahlkampfes zeigt sich also vor allem im Bedeutungsgewinn der Spitzenkandidaten gegenüber ihrer Parteien. Die Persönlichkeit der Kandidaten wird stärker herausgestellt, das politische Programm tritt in den Hintergrund. Auch die Vorbereitung auf die TV-Duelle wurden mit der Zeit immer mehr professionalisiert. Image Spezialisten und Spin Doctors wenden viel Zeit und Mühe auf, um ihre KandidatInnen auf das Duell vorzubereiten - „Insgesamt entstand der Eindruck, dass beide Politiker möglichst keine Fehler machen wollten.“[11] Nach dem TV-Duell sind die Spin Doctors darauf bedacht, den eigenen Kandidaten oder Kandidatin in der Nachberichterstattung als SiegerIn darzustellen.[12]

Schon mit Konrad Adenauer begann der Trend der Personalisierung in der Bundesrepublik.[13] In den 1990er Jahren konzentrierten sich die beiden großen Volksparteien stark auf ihre jeweiligen Kanzlerkandidaten. Im Wahljahr 2002, in dem Gerhard Schröder (SPD) gegen Edmund Stoiber (Union) antrat, nahm die Personalisierung in den Medien nochmal drastisch zu. Schröder galt während des Wahlkampfes und auch nach seiner Wahl als „Medienkanzler“. Er agierte sehr gewandt und souverän, wohingegen sein Gegner Stoiber mit seiner Ausstrahlung bei den Zuschauern und Journalisten kaum positiven Eindruck hinterließ.[14] Da das Fernsehen auf Gesichter und Körpersprache angewiesen ist, fördert es die Personalisierung in der Politik:[15]

„Die Körpersprache wird bis zur Darstellung der Schweißperle auf der Stirn eines Diskutanten ‚erbarmungslos‘ festgehalten. […] Neben den verbalen Ausdrucksformen spielt auch in politischen Talkshows der Wirkungsgrad von Mimik und Gestik der an der Debatte beteiligten Gäste eine entscheidende Rolle für die Wirkungsdimension bei den Rezipienten.“[16]

3. Beispiel: TV-Duelle im Bundestagswahlkampf 2002

Die beiden Duelle im Bundestagswahlkampf 2002 fanden am 25. August und am 8. September 2002 statt. Peter Klöppel und Peter Limbourg moderierten für RTL und SAT1, Sabine Christiansen und Maybritt Illner für ARD und ZDF. Bei beiden TV-Duellen schauten jeweils etwa 15 Millionen ZuschauerInnen zu.

3.1 Aufbau und Regeln

Der Aufbau und die Regeln der Duelle werden nach der Zusage der Spitzenkandidaten der beiden Volksparteien SDP und CDU im Vorhinein abgesprochen. Das Studio, in dem die beiden TV-Duelle 2002 stattfanden, war in dezenten Farben gehalten. Die Kandidaten standen hinter Pulten mit verschlossener Vorderfront. Hauptsächlich aus Sicherheitsgründen befand sich kein Publikum im Studio.[17]

[...]


[1] Zeitschrift für Parlamentsfragen: „Journalisten fragen, Politiker antworten? Formate, Inhalte und Strategien der TV-Debatten im Bundestagswahlkampf 2002“ (Römmele, Andrea; Hoffmann, Anja; Jucknat, Kim; Wackershauser, Jochen) Heft 2/2004, Seite 219

[2] http://www.faz.net/s/Rub4D6E6242947140018FC1DA8D5E0008C5/Doc~E1F472A79ACEB4CEF82F2ED38ED360C5F~ATpl~Ecommon~Scontent.html, letzter Zugriff: 23. August 2009

[3] Duden „Politik und Gesellschaft: Ein Lexikon zum politischen und gesellschaftlichen Grundwissen“, Mannheim, 2005, Seite 422f.

[4] Vergleiche hierzu Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Das Kanzlerduell ist eine Posse, eine Frace, Guido Westerwelle im Gespräch“, 8. Mai. 2009

[5] Zeitschrift für Parlamentsfragen (ZParl): „Negative Campaigning: in Deutschland negativ aufgenommen“ (Christine Holtz-Bacha), Heft 3/2001, Seite 669-677, hier: Seite 674,vergleiche hierzu: Brettschneider, Frank; von Deth, Jan; Roller, Edeltraud (Hrgs.): „Die Bundestagswahl 2002, Analysen der Wahlergebnisse und des Wahlkampfes“, 2004, VS-Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden, Seite 51

[6] Schicha, Christian: „Zur Authentizität der politischen Kommunikation beim ‚Duell der Giganten‘, Anmerkungen zu den Fernsehdebatten der Kanzlerkandidaten im Bundestagswahlkampf 2002“, in: Zeitschrift für Kommunikationsökologie, 2/2002, Seite 6-14, hier: Seite 7-8

[7] Die Neue Gesellschaft, Frankfurter Hefte: „Das große Zittern, Vor den Fernsehduellen Schröder-Stoiber“ (Gerhard Hofmann), Heft 7/8 2002, Seite 429-430

[8] Vergleiche hierzu Tenscher, Jens: „Mythos Spin Doctors‘“ in : Sarcinelli, Ulrich/Tenscher Jens (Hrsg.): „Machtdarstellung und Darstellungsmacht“, Nomos Verlag, Baden-Baden, 2003, Seite 69-83

[9] Schicha, 2002, Seite 12-13

[10] Wolfgang Donsbach: „Sechs Gründe gegen Fernsehduelle, Zur politischen Bewertung einer medialen Inszenierung“, in: Die politische Meinung, 396/November 2002, Seite 19- 25, hier: Seite 20

[11] Schicha, 2002, Seite 11

[12] http://www.news.at/articles/0235/15/40356_s2/unterschiedliche-reaktionen-fernsehduell, letzter Zugriff: 23. August 2009

[13] Vergleiche hierzu ein Wahlplakat Konrad Adenauers aus dem Jahr 1957 mit dem Slogan „Keine Experimente -Konrad Adenauer“ und einem das Plakat ausfüllenden Bild seines Gesichtes: http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/BiographieAdenauerKonrad_plakatAdenauerKeineExperimente/index.jpg, letzter Zugriff 14. August 2009

[14] Zeitschrift für Parlamentsfragen: „Bundestagswahl 2002: eine zweite Chance für Rot-Grün“, Richard Hilmer, Heft 1/2003, Seite 199, vergleiche auch: Manfred Güllner, Hermann Dülmer, Markus Klein, Dieter Ohr, Markus Quandt, Ulrich Rosar, Hans-Dieter Klingemann: „Die Bundestagswahl 2002, Eine Untersuchung im Zeichen hoher politischer Dynamik“, 2005, VS-Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, Seite 146

[15] Vergleiche hierzu Zeitschrift für Parlamentsfragen: „Journalisten fragen, Politiker antworten? Formate, Inhalte und Strategien der TV-Debatten im Bundestagswahlkampf 2002“ (Römmele, Andrea; Hoffmann, Anja; Jucknat, Kim; Wackershauser, Jochen) Heft 2/2004, Seite 221

[16] Schicha, 2002, Seite 6

[17] Vergleiche hierzu ein Foto der beiden Kandidaten während der Diskussion im Studio: http://www.spiegel.de/img/0,1020,206044,00.jpg, letzter Zugriff: 23. August 2009

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
TV-Duelle - Entertainment statt Inhalte?
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Veranstaltung
Bundestagswahl 2009 – Parteien, Programme, Politiker
Autor
Jahr
2009
Seiten
22
Katalognummer
V184680
ISBN (eBook)
9783656096351
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
TV-Duell, Personalisierung, Bundestagswahl, 2002, Vorteil, Nachteil
Arbeit zitieren
Pola Sarah (Autor:in), 2009, TV-Duelle - Entertainment statt Inhalte?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/184680

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