(...) bezugnehmend auf Piaget und Dewey konzeptualisiert Kohlberg Moralerziehung als Prozess, festgehalten in der Formel ‚Entwicklung als Ziel der Erziehung’ (Kohlberg/Mayer, 1972). Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, diese Formel zu explizieren: So ist zunächst nach dem Gegenstandbereich zu fragen, danach, was sich überhaupt entwickeln soll, in einem zweiten Schritt, wie sich Entwicklung als solche erklären lässt, drittens, inwiefern diese als wünschenswert und zu fördernd ausgewiesen werden kann, und viertens, auf das Verhalten bezogen, von welcher Art entsprechende Lernarrangements sein müssen. Anschließend wird Kohlbergs pädagogischer ‚Just-Community’-Ansatz vorgestellt, der nach im ersten Teil der Arbeit dargestellten entwicklungspsycholog. Annahmen und deren soziologische und moralphilosophischen Grundannahmen rekonstruiert werden soll, um so schließlich die Möglichkeiten und Grenzen des Kohlbergschen Ansatzes hinsichtlich seiner sozialisatorischen Relevanz auszuweisen. In den Schlussbetrachtungen werden die Ergebnisse zusammengeführt und mit Blick auf die heutige Schulkultur reflektiert.
Entsprechend seines Ansatzes des ‚bootstrapping’, findet also zwischen philosoph. Annahmen, psycholog. Theorien und pädagog. Bemühungen ein wechselseitiger Austausch statt. Dies gilt vor allen Dingen für das Moralprinzip der Universalisierung, das Kohlberg in Anlehnung an Piagets Konzept der Dezentrierung mit der Fähigkeit des Heranwachsenden verbindet, bestimmte soziomoral. Perspektiven einzunehmen, die er wiederum in seiner pädagog. Methode wirksam werden lässt. (...) Rekurrierend auf Dewey und Piaget ist Kohlberg moral. Urteilsfähigkeit ein Schlüsselthema für . Entwicklung nicht durch die bloße Übernahme von moral. Begriffen und Haltungen gefördert werden kann, sondern durch die diskursive Verarbeitung von Problemen, die bei der Verwirklichung moral. Prinzipien im Alltag entstehen. Demokratische Teilhabe am Prozess der Erziehung ist nach ihm daher zugleich Ziel und Bedingung für dessen Gelingen, was ihn zum Konzept der ‚Just Community’ bringt.
Das Kohlbergsche Modell hat von vielen Seiten unterschiedliche Kritik erfahren, auf welche in dieser Arbeit ebenso eingegangen werden soll. Insbesondere aber haben seine Schüler, wie z.B. Gertrud Nunner-Winkler, dazu beigetragen, vorhandene Einseitigkeiten und Widersprüche aufzuheben, indem sie sein Modell differenziert rekonzeptualisiert haben im Sinne einer das Modell stärkenden Weiterentwicklung(...)
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Kohlbergs Theorie der Entwicklung moralischer Urteilsfähigkeit
- Stufen der Moralentwicklung
- Weitere definitorische Merkmale
- Moralische Orientierungen innerhalb der Stufen
- Zur Angemessenheit des Stufenmodells
- Entwicklungsstimulierende Faktoren
- Moralisches Urteilen und Handeln
- Unterscheidung von deontischem Urteil und Verantwortungsurteil
- Vorhersage moralischen Verhaltens
- Moralisches Wissen und moralische Motivation
- Weiterentwicklung und Rekonzeptualisierung
- Moralisches Urteilen und Handeln
- Soziomoralische Wissenssysteme und Selbst
- Moralphilosophische und soziologische Grundannahmen
- Kohlbergs strikter Universalismus
- Weiterentwicklung: Der eingeschränkte Universalismus
- Kohlbergs moralpädagogischer 'Just-Community'-Ansatz
- Der progressive und diskursive Ansatz der Moralerziehung
- Die Just-Community-Schule
- Grundgedanken und Ziele
- Die Struktur einer Just-Community-Schule
- Demokratieform und Gerechte Schulgemeinschaft
- Sozialisatorische Relevanz
- Möglichkeiten und Grenzen des Ansatzes
- Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
- Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Kohlbergs Theorie der moralischen Entwicklung und ihre pädagogischen Implikationen, insbesondere seinen "Just-Community"-Ansatz. Sie untersucht die Entwicklung moralischer Urteilsfähigkeit, den Zusammenhang zwischen moralischem Urteilen und Handeln, sowie die Rolle von moralischem Wissen und Motivation.
- Kohlbergs Stufenmodell der moralischen Entwicklung
- Der Zusammenhang zwischen moralischem Urteil und Handeln
- Der Einfluss soziomoralische Wissenssysteme auf die moralische Entwicklung
- Der "Just-Community"-Ansatz als pädagogisches Konzept
- Möglichkeiten und Grenzen des Kohlbergschen Ansatzes in der Schule
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der moralischen Entwicklung und Kohlbergs Ansatz ein, der Entwicklung als Ziel der Erziehung sieht. Sie skizziert den Aufbau der Arbeit und betont den wechselseitigen Austausch zwischen philosophischen Annahmen, psychologischen Theorien und pädagogischen Bemühungen im Kontext von Kohlbergs "bootstrapping"-Ansatz. Die Einleitung hebt die Bedeutung moralischer Urteilsfähigkeit für Erziehung und Demokratie hervor und kündigt die kritische Auseinandersetzung mit dem Modell an.
Kohlbergs Theorie der Entwicklung moralischer Urteilsfähigkeit: Dieses Kapitel beschreibt detailliert Kohlbergs Stufenmodell der moralischen Entwicklung, einschließlich der drei Niveaus (präkonventionell, konventionell, postkonventionell) und der jeweiligen Stufen. Es analysiert die Voraussetzungen moralischen Urteilens, definitorische Merkmale und moralische Orientierungen innerhalb der Stufen. Das Kapitel diskutiert die Angemessenheit des Stufenmodells und identifiziert entwicklungsstimulierende Faktoren. Der Fokus liegt auf der qualitativen Veränderung des moralischen Denkens im Laufe der Entwicklung.
Moralisches Urteilen und Handeln: Dieses Kapitel untersucht den Zusammenhang zwischen moralischem Urteilen und Handeln. Es differenziert zwischen deontischem Urteil (Pflichtgefühl) und Verantwortungsurteil und diskutiert die Vorhersagbarkeit moralischen Verhaltens basierend auf dem moralischen Urteil. Der Schwerpunkt liegt auf der Frage, inwieweit das moralische Urteil das tatsächliche Handeln beeinflusst und welche Faktoren diese Beziehung beeinflussen.
Weiterentwicklung und Rekonzeptualisierung: Dieses Kapitel befasst sich mit Weiterentwicklungen und Rekonzeptualisierungen von Kohlbergs Theorie. Es analysiert kritische Punkte und zeigt, wie Schüler Kohlbergs das Modell weiterentwickelt und differenziert haben, insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung soziomoralische Wissenssysteme. Der Fokus liegt auf der Überwindung von Einseitigkeiten und Widersprüchen im ursprünglichen Modell.
Der progressive und diskursive Ansatz der Moralerziehung: Dieses Kapitel beschreibt Kohlbergs Ansatz der Moralerziehung, der auf progressiven und diskursiven Methoden basiert. Es wird erläutert, wie moralische Entwicklung durch die diskursive Auseinandersetzung mit moralischen Dilemmata gefördert werden kann. Der Fokus liegt auf der aktiven Teilhabe der Lernenden und der Bedeutung von Dialog und Reflexion für moralische Entwicklung.
Die Just-Community-Schule: Dieses Kapitel stellt Kohlbergs "Just-Community"-Ansatz als pädagogisches Konzept vor. Es beschreibt die Grundgedanken und Ziele, die Struktur einer solchen Schule, einschließlich der Minimalbedingungen, und diskutiert die Rolle von Dilemmadiskussionen im Lernprozess. Es werden die sozialisatorische Relevanz des Ansatzes und dessen Möglichkeiten und Grenzen analysiert, unter Berücksichtigung der demokratischen Schulgemeinschaft und der Förderung von Gerechtigkeit.
Schlüsselwörter
Kohlberg, Moralentwicklung, moralische Urteilsfähigkeit, Just-Community, Moralerziehung, deontisches Urteil, Verantwortungsurteil, Stufenmodell, soziomoralische Perspektiven, Universalisierung, Demokratie, Erziehung, Entwicklungspsychologie, Moralphilosophie, Soziologie.
Häufig gestellte Fragen zu Kohlbergs Theorie der moralischen Entwicklung und dem Just-Community-Ansatz
Was ist der Inhalt dieses Dokuments?
Dieses Dokument bietet einen umfassenden Überblick über Kohlbergs Theorie der moralischen Entwicklung und ihren pädagogischen Implikationen, insbesondere den "Just-Community"-Ansatz. Es beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, die Zielsetzung und Themenschwerpunkte, Kapitelzusammenfassungen, und Schlüsselwörter. Der Fokus liegt auf der Analyse von Kohlbergs Stufenmodell, dem Zusammenhang zwischen moralischem Urteilen und Handeln, sowie der Bedeutung des soziomoralischen Wissenssystems. Das Dokument untersucht kritisch Kohlbergs Ansatz und dessen Anwendung in der Schule.
Was ist Kohlbergs Theorie der moralischen Entwicklung?
Kohlbergs Theorie beschreibt die Entwicklung moralischer Urteilsfähigkeit in Stufen, die von präkonventionellen (selbstbezogen) über konventionelle (gruppenorientiert) zu postkonventionellen (universalistischen) Niveaus reichen. Jedes Niveau umfasst mehrere Stufen mit jeweils spezifischen moralischen Orientierungen. Das Modell betont die qualitative Veränderung des moralischen Denkens im Laufe der Entwicklung.
Wie ist der Zusammenhang zwischen moralischem Urteilen und Handeln laut Kohlberg?
Das Dokument differenziert zwischen deontischem Urteil (Pflichtgefühl) und Verantwortungsurteil. Es untersucht, inwieweit das moralische Urteil das tatsächliche Handeln vorhersagt und welche Faktoren diese Beziehung beeinflussen. Ein zentraler Punkt ist, dass moralische Urteilsfähigkeit nicht automatisch zu moralischem Handeln führt.
Was sind die wichtigsten Kritikpunkte an Kohlbergs Theorie?
Das Dokument thematisiert kritische Auseinandersetzungen mit Kohlbergs Theorie, insbesondere seinen strikten Universalismus. Es beschreibt Weiterentwicklungen und Rekonzeptualisierungen, die die Berücksichtigung soziomoralische Wissenssysteme und die Überwindung von Einseitigkeiten im ursprünglichen Modell betonen.
Was ist der "Just-Community"-Ansatz?
Der "Just-Community"-Ansatz ist ein pädagogisches Konzept, das auf Kohlbergs Theorie basiert. Es zielt auf die Schaffung einer gerechten Schulgemeinschaft ab, in der Schüler*innen aktiv an der Gestaltung der Regeln und Prozesse beteiligt sind. Dilemmadiskussionen und die Förderung von demokratischen Strukturen spielen dabei eine zentrale Rolle.
Welche Ziele verfolgt der "Just-Community"-Ansatz in der Schule?
Der Ansatz zielt auf die Förderung von moralischem Denken und Handeln, die Entwicklung von Verantwortungsbewusstsein und die Stärkung demokratischer Kompetenzen. Die Schule soll ein Ort sein, an dem Gerechtigkeit und Partizipation gelebt werden.
Welche Möglichkeiten und Grenzen hat der "Just-Community"-Ansatz?
Das Dokument analysiert sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen des "Just-Community"-Ansatzes. Es diskutiert die Umsetzbarkeit in der Praxis und mögliche Limitationen bei der Anwendung in unterschiedlichen Schulkontexten.
Welche Schlüsselbegriffe sind für das Verständnis der Theorie zentral?
Zentrale Begriffe sind: Kohlberg, Moralentwicklung, moralische Urteilsfähigkeit, Just-Community, Moralerziehung, deontisches Urteil, Verantwortungsurteil, Stufenmodell, soziomoralische Perspektiven, Universalisierung, Demokratie, Erziehung, Entwicklungspsychologie, Moralphilosophie, Soziologie.
- Citar trabajo
- Marie-Luise Leise (Autor), 2011, Kohlbergs Theorie der moralischen Entwicklung und ihre pädagogischen Implikationen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/184781