Kulturgut Wein. Die Inwertsetzung österreichischer Weinkultur auf Basis des Kulturerbeverständnis der UNESCO


Thesis (M.A.), 2011

156 Pages, Grade: 1


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Relevanz des Kulturerbe Wein und seiner Inwertsetzung
1.2. Forschungsfrage und Methodik
1.3. Forschungsstand
1.4. Begriffserklärung
1.5. Aufbau der Arbeit
1.6. Der Versuch einer Eingrenzung Österreichs

2. Zur Ausgangslage des österreichischen Weines
2.1. Das Verhältnis von Rotwein zu Weißwein
2.2. Das Verhältnis von Import zu Export
2.3. Die verschärfte Konkurrenzsituation auf dem globalen Weinmarkt
2.4. Ausdifferenzierung der Weintrinker und Rückkehr zum heimischen Wein
2.5. Der Bedeutungsgewinn des Lebensmittelhandels
2.6. Weinmarketing und Weinwerbung
2.6.1. Weinmarketingtrends
2.6.2. Die Vermittlung von Werten und Imageprofilierung
2.6.3. Identitätsstiftender Konsum durch mit Werten aufgeladener Güter
2.6.3.1. Der Wert ‚Natürlichkeit‘
2.6.3.2. Der Wert Qualität und dessen einsetzender Bedeutungsverlust

3. Kultur als Gegenstand von Erbe, Tourismus und Nahrung
3.1. Die Kulturerbepolitik der UNESCO
3.1.1. Von der Tradition zum Kulturerbe
3.2. Kulturerbe und seine Bedeutung im Tourismus
3.3. Die Eingliederung von food heritage in das Verständnis von Kulturerbe
3.3.1. Der Bedeutungszuwachs der Region im Bereich des kulinarischen Erbes
3.4. Eine neue Wertschätzung der Kulturlandschaft
3.5. Der Weintourismus als Teilgebiet des Kulturtourismus
3.5.1. Neue Potenziale für die Weinregionen
3.5.2. Synergieeffekte mit dem Kulturtourismus

4. Die Inwertsetzung des Erbes und der Vergangenheit
4.1. Vom Verkäufer- zum Käufermarkt
4.2. Zwischen History und Heritage Marketing
4.2.1. Vergangenheitssehnsucht in einer zunehmend unübersichtlichen Welt
4.2.2. Vorläufer einer angewandten Geschichte
4.2.3. Argumente für Vergangenheit und Kulturerbe bei einer Inwertsetzung
4.3. Food heritage Marketing
4.3.1. Gefahren einer allzu umfassenden Profilierung über das Erbe
4.4. Storytelling als Methode einer gezielten Inwertsetzung

5. Eine Reise in die Vergangenheit des Weines
5.1. Ursprünge der Weingeschichte
5.2. Wein, Kult und Religion
5.2.1. Die katholische Kirche als Bewahrer der Weinkultur
5.3. Der Aufstieg des Weines als wichtiges Handelsgut und seine Rolle im mittelalterlichen Stadtleben
5.3.1. Die kulturelle Bedeutung im Gesellschaftsleben
5.3.2. Städtische und staatliche Weinbaupolitik
5.4. Die Praxis der Weinverfälschens
5.5. Der Bedeutungsverlust von Weinbau und Weinkonsum
5.5.1. Religion und Staat beeinflussen den gesellschaftlichen Alkoholkonsum
5.5.2. Rückgang des Weinbaus durch die Wirren des Krieges
5.5.3. Die Zuwendung zu anderen Nutzpflanzen durch die Landwirtschaft
5.5.4. Neue alkoholische Getränke erobern den Markt
5.5.5. Verschärfte Konkurrenz durch neue Genussmittel
5.6. Die Reduktion des Weinkonsums
5.7. Der Beginn eines neuen Weinzeitalter
5.8. Buschenschank, Leutgeb und Heuriger
5.9. Weinwirtschaft im langen 20. Jahrhundert
5.9.1. Der Glykolskandal
5.9.2. Quality Turn in der Weinproduktion
5.9.3. Vom germanischen zum römischen Weinrecht

6. Österreichisches (Wein-)Kulturerbe
6.1. Potenziale der österreichischen Weingeschichte
6.2. Die Schwierigkeit einer Inwertsetzung von weingeschichtlichen Aspekten
6.3. Die Erzählung der Weinlandschaft
6.4. Handwerk, Bäuerlichkeit und traditionelles Wissen als immaterielles Kulturerbe
6.4.1. Der schlechte Ruf des heimischen Weinbaus durch Wissensrückstände und Wertkonservativismus
6.4.2. Erste Bestrebungen zum Qualitätsweinbau durch die Institutionalisierung von Wissen und neuen Methoden
6.4.3. Der Wandel zu einer Wissensgesellschaft im Weinbau
6.4.4. Die Erzählung vom Handwerk und Wissen zwischen Tradition und Fortschritt
6.5. Traditionelle europäische Heilkunde und Weinkultur
6.5.1. Die antike Diätetik als Basis des Weines als Naturheilmittel
6.5.2. Erfahrungsheilkunde, Wein und die Weltreligionen
6.5.3. Kontinuität des Zusammenhanges von Wein und Medizin im Mittelalter
6.5.4. Weintherapie im Krankenhaus und Kurbetrieb
6.5.5. Die Verdammung der Weintherapie durch die Naturwissenschaften
6.5.6. Der Wandel durch das ‚Französische Paradoxon‘
6.5.7. Moderneste Erkenntnisse über den Wein
6.5.8. Der problematische Zusammenhang von Wein und Heilkunde
6.5.9. Anti-Aging und Vorsorgemedizin

7. Kulturerbe und Weintourismus
7.1. Ursprünge des Reisens in die Weinregionen
7.2. Die österreichischen Weinstraßen erzählen ihre regionsspezifische core story
7.3. Inwertsetzung von Kulturerbe im Weintourismus

8. Fazit

9. Literaturverzeichnis
9.1. Befragungen

Vorwort

Ich widme diese Arbeit meiner Familie, insbesondere meinem Vater, der die Fertigstellung der Arbeit nicht mehr miterleben konnte, da er im Dezember vergangenen Jahres verstarb. Er ermöglichte nicht nur meinen Bildungsweg, sondern trug wesentlich zur Auswahl des Themas bei. Mein Dank gilt ebenso meiner Mutter, die mir in den letzten Jahren ein verlässlicher Halt war und mich mit allen Kräften unterstützt hat.

Besonders bedanke ich mich bei Ao. Univ.Prof. Dr. Kurt Luger für die Betreuung meiner Magisterarbeit und seine Impulse für meine Arbeit.

Danken möchte ich auch meiner Studienkollegin, Elke Smid, für ihre Unterstützung und konstruktive Kritik.

Abschließend danke ich meinen beiden Interviewpartnern, Dr. Klaus Postmann und Leonhard Zauner, MLS, die mit ihren Ideen zum Abschluss meiner Arbeit beigetragen haben.

Trotz einer grundsätzlich geschlechtsneutralen Auffassung, wurde für ein leichteres Verständnis und eine flüssige Lesbarkeit in der vorliegenden wissenschaftlichen Abschlussarbeit darauf verzichtet, explizit beide grammatikalische Geschlechtsformen anzuführen.

Kurzfassung

Autor: Stefan Rothschedl

Titel: Kulturgut Wein - Die Inwertsetzung österreichischer Weinkultur auf Basis des Kulturerbeverständnisses der UNESCO

Mit der Anerkennung von kulinarischen Traditionen, beispielsweise der französischen Speisenfolge, als Teil des immateriellen Kulturerbes der Menschheit, schuf die UNESCO einen neuen, kulturellen Blick auf den Bereich des Essens und Trinkens. Für viele immaterielle Kulturgüter bedeutet die Aufnahme in das Kulturerbeverständnis Möglichkeiten einer gezielten Inwertsetzung. Mit der Sicht auf den österreichischen Wein, unter der Folie des immateriellen Kulturerbes, können Geschichte(n), Traditionen und Herkunft für die heimische Weinwirtschaft einen Wettbewerbsvorteil bieten. Durch die Konkurrenzsituation auf dem globalen Weinmarkt kann das eigene Kulturerbe wesentlich zum Profil des heimischen Weines beisteuern und seine Position bei den heimischen Konsumenten festigen sowie ausbauen. Besonders der Tourismus bietet dem immateriellen Kulturerbe eine Bühne, sich darzustellen und aus dem Weinreisenden einen loyalen Konsumenten zu machen.

Abstract

Author: Stefan Rothschedl

Title: Cultural Asset Wine - Commodification of Austrian wine culture

The acceptance of culinary traditions, for example the gastronomic meal of the French, as part of the Intangible Cultural Heritage, the UNESCO created a new, cultural view on food and drinks. For many cultural assets, the inscription on the representative list of intangible Cultural Heritage of Humanity, allowed a targeted commodification. Based on the understanding of wine as cultural heritage, history, tradition and provenance are able to create create a decisive competitive edge for the Austrian wine industry. Cultural heritage can add value to the image of the Austrian wine in the continuous global market and strengthen its position for the domestic customer. Tourism contributes to expose intangible cultural heritage and to create loyal customers out of wine tourists.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Übersicht ͣImmaterielles Kulturerbe“

Abbildung 2: Dimensionen des Kulturtourismus

Abbildung 3: Werberichtlinie des Mostviertels

1. Einleitung

Der Kampf gegen den Durst - und damit ums Überleben - gehörte zu den zentralen Lebensmotiven des Menschen in seiner Frühgeschichte. In der Nähe von Gewässern entstanden die ersten Ansiedlungen der Nomaden. Das Wasser der Flüsse, Brunnen, Bäche und Seen ermöglichte es dem Menschen eines seiner primären Grundbedürfnisse zu befriedigen. Die physische Notwendigkeit des Trinkens hat sich bis heute nicht verändert. Ohne Flüssigkeitszufuhr kann der Mensch nur wenige Tage überleben, ohne Nahrung jedoch ein paar Wochen. Einzig die Luft zum Atmen spielt für ihn eine noch größere Rolle (vgl. Standage 2006: 9). Das Wasser, als einfachste und natürlichste aller Flüssigkeiten, hätte genügt, um den Durst der Menschen der frühen Hochkulturen zu stillen. Doch die Kultivierung des Bodens vor rund zehn tausend Jahren sorgte für das Entstehen von neuen Getränken, deren Konsum über das Ziel der Befriedigung des Durstes hinausging. Wein und Bier erquickten den Menschen nicht nur psychisch, sondern stärkten ihn auch physisch mehr als das pure Wasser (vgl. Schultze 1867: III).1 In der Kulturgeschichte der Menschheit erlangten nur drei Getränke eine herausragende kulturelle Bedeutung, und das trotz coca- colonization und anderer globaler Trinkmoden: Wein, Bier und Wasser (vgl. Köhnlechner 1999: 118).

Wein und Bier dienten bis zum 18. Jahrhundert nicht nur als Alternative zum oft verunreinigten und mit Krankheitserregern verseuchten Wasser. Ihre Bedeutung überstieg den bloßen Zweck des Durststillens. Ob als Zahlungsmittel, als Statussymbol, zur künstlerischen oder philosophischen Inspiration sowie in religiösen Zeremonien, sie nahmen einen zentralen Platz im jeweiligen Gesellschaftsleben ein (vgl. Standage 2006: 9f.). Wie viele andere Nationen entwickelte Österreich ein besonderes Verhältnis zum Wein. Schon zu Zeiten der Habsburger zählte der Wein zu den wichtigsten Handelsgütern, durch deren Einnahmen das Herrscherhaus zahlreiche Kriege finanzierte. Seine Rolle als Kulturgut erfüllte der Wein zu allen Zeiten. Nach dem Zweiten Weltkrieg trug er wesentlich zum österreichischen Gründungsmythos bei. Bei den Staatsvertragsverhandlungen soll reichlich Wein geflossen sein. Die Einigung mit der Sowjetunion setzte angeblich die Trinkfestigkeit der beiden österreichischen Politiker Julius Raab und Leopold Figl voraus. Auch wenn sich der berühmte Ausspruch Leopold Figls: ‚und jetzt Raab, jetzt noch d‟Reblaus, dann san‟s waach„ und die weinselige Runde bei den Verhandlungen wohl eher in den Bereich der Legenden einordnen lässt, bestimmte das Klischee von der österreichischen Weinseligkeit über weite Strecken das Fremd- sowie das Selbstbild (vgl. Breuss/Liebhart/Pribersky 1995: 357).

Die Bedeutung der heimischen Weingeschichte für die österreichische Kultur lässt sich nur schwer messen. Zumindest die Volkswirtschaft belegt, dass der Wein im österreichischen Wirtschaftsleben eine nicht zu unterschätzende Stellung einnimmt. Durch die Verbindung der Weinwirtschaft mit anderen Wirtschaftszweigen, wie zum Beispiel dem Fremdenverkehr, der Gastronomie, dem Lebensmitteleinzelhandel oder auch der Glasindustrie, leben rund 300.000 Beschäftigte direkt oder indirekt vom Wein (vgl. Muck 1994: 7). Weinbau und Weinhandel begründeten den Wohlstand unzähliger Gemeinden und durch die wichtige Rolle des Weines im Wirtschaftsleben manifestierte er sich als zentraler Bestandteil der Lebenskultur in den klassischen Weinbauregionen. Wo der Wein wächst, findet sich auch materielle Kultur etwa in Form von alten kunsthistorischen Gebäuden und Maschinen, oder lebendige Kultur in Form von traditionellen Festen und Bräuchen rund um den Wein. Dieses Kulturverständnis vom Wein lässt sich mit der UNESCO und ihrer Welt- und Kulturerbepolitik verbinden.

Einzelne Weinbauregionen, wie auch die heimische Wachau, fanden bereits Einzug auf die Liste des schützenswerten Erbes der Menschheit vor allem wegen ihrer Naturlandschaft. Wein ist aber nicht nur Naturerbe, sondern Weinbau und -kultur zählen vor allem zu den lebendigen Kulturgütern, die sich schwer greifen lassen. Neben den materiellen Gütern gewannen die immateriellen Güter immer mehr an Bedeutung. Die Anerkennung des immateriellen Erbes als schützenswertes Gut durch die UNESCO bewirkte eine Nationalisierung und Regionalisierung von Kulturerbe. Durch die Nationalagenturen entstand eine Aufwertung von lebendiger und regionaler Kultur in all ihren Facetten. Österreich ratifizierte 2009 das ‚hbereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes„ und nahm bis heute mehr als vierzig Anträge in das nationale Verzeichnis auf. Die Bestimmungsmacht und Interpretation von Kulturerbe liegt bei den Nationalstaaten und den communities - die Vorgaben der UNESCO sind nur richtungsweisend. Deshalb verzichtet immaterielles Kulturgut wohl bewusst auf die Bezeichnung Weltkulturerbe.

Grundsätzlich bedarf es keiner Kür durch eine Aufnahme in eine nationale Liste des Kulturerbes, um sich als heimisches Kulturerbe zu verstehen. Viele der allgemeinen Aufnahmekriterien wie konkrete Praktiken, Ausdrucksformen, Wissen, Fertigkeiten, die Weitergabe von Generation zu Generation, der Beitrag zur Identitätsbildung und die Kontinuität erfüllt der österreichische Wein. Die vielen kleinstrukturierten Weinbaugebiete Österreichs verweisen auf ihren sehr individuellen, durch die Geschichte geprägten, Charakter. Zwar ist der heimische Wein nicht vom Verschwinden bedroht, selbst wenn in Österreich im Vergleich zum 14. Jahrhundert heute keine monoalkoholische Weinkultur mehr vorherrscht, aber der Wein hat deutlich gegenüber anderen alkoholischen Getränken an Bedeutung verloren. Das UNESCO-Verständnis von Erbe bietet der heimischen Weinwirtschaft neue Möglichkeiten zur Imageprofilierung - etwa im Tourismus, der Erbe global zugänglich macht und eine führende Vermittlerrolle übernimmt (vgl. Luger/Wöhler 2008: 15). Neben dem materiellen Gut Wein spielen in den Weinbauregionen auch immaterielle Güter wie die Heurigenatmosphäre oder das Interesse der Weintouristen an der Weinherstellung eine wichtige Rolle. Wein und die dazugehörige Kultur wertet die Regionen auf, die sich durch den Kontakt mit den Reisenden über ihre eigene kulturelle Identität bewusst werden können. Eine gezielte Inwertsetzung kann wesentlich zur Identitätsbildung beitragen.

Das kulturelle Weinerbe bedeutet, wie eben erwähnt, gezielte Möglichkeiten zur Imageprofilierung für den österreichischen Weinmarkt. Weinimporte, allen voran aus Ungarn, setzten schon im Mittelalter den heimischen Weinbauern zu. Durch das Aufkommen der Weinbauregionen in der Neuen Welt wuchs die Konkurrenz am globalen Weinmarkt und immer mehr Weine aus Übersee fanden Einzug in die Regale der Diskonter und großen Handelsketten. Vergleiche zwischen dem Weinmarkt aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts und dem 21. Jahrhundert beweisen, dass beim Wein kein Stein mehr auf dem anderen geblieben ist. Die Weinrevolution des 20. Jahrhunderts erhob den Wein in den Status eines modernen, natürlichen und qualitätsorientierten Wirtschaftsgutes. Besonders die Neuerfindung der Weinwirtschaft nach dem großen Weinskandal Mitte der 1980er Jahre ermöglichte es dem österreichischen Wein sich mit den großen Klassikern der Weinwelt2 zu messen. Das positive Image durch die Qualität der heimischen Produkte löste die ehemals damit verbundene Weinseligkeit und Gemütlichkeit ab (vgl. Foulkes/Broadbent 2000: 5).

Nicht nur die Qualität, auch der Zeitgeist spricht für den Wein. Regionale Produkte gewannen an Bedeutung durch Lebensmittelskandale und einem diffusen globalisierten Weltmarkt, dem die Konsumenten ihr Vertrauen entzogen haben. Viele Verbraucher wollen diese Entwicklung nicht mittragen und wenden sich bewusst regionalen Produkten von verhältnismäßig kleinen Produzenten zu, denen sie mehr Vertrauen entgegenbringen. Trotz Weinskandal sieht die Mehrheit der Weintrinker den Wein als Natur- und Kulturprodukt und in der Person des Winzers einen Kulturbewahrer und Landschaftspfleger (vgl. Postmann 2011). Besonders in der Natur liegt für uns ein hoher Wert, da wir uns nicht mehr sicher sein können, ob wir beim Essen und Trinken überhaupt noch reine Natur zu uns nehmen. Außerdem besitzt die Natur für uns nahezu sakrale Qualitäten, die umso mehr an Bedeutung gewinnen, je weiter wir die Natur zurückdrängen (vgl. Karmasin 1999: 231)

Diese Außensicht auf den Wein unterscheidet ihn wesentlich von ahistorischen und apersonalen Markenartikeln, bei denen der Konsument den Erzeuger und/oder die Produktionsbedingungen weitgehend ausklammert. Beim Wein geht der Konsument mittlerweile von einer bestimmten abgegrenzten Region aus, in der Menschen mit bestimmten Lebensarten und Wertesystemen wirken, die Leben in ihr Endprodukt einhauchen und mit einer persönlichen Note versehen. Winzer in derselben Lage produzieren unterschiedliche Weine, die für eine gewisse Einzigartigkeit des Erzeugers stehen. Weinreisende und Weintrinker idealisieren die Weinbauregion als einen natürlichen Raum, in dem sich die Mitglieder kennen und in denen das Gemeinwohl eine bedeutende Rolle spielt fern ab von materieller Gesinnung und Egoismen. Mit der Einführung der Marke Ja! Natürlich und der Kennzeichnung des Produktes mit dem Namen und Hof des Biobauers bot die Handelskette Billa bei unterschiedlichen landwirtschaftlichen Produkten dem Konsument die Möglichkeit, den Produzent vor Ort aufzusuchen. Durch den Imagegewinn zogen andere big player nach und entwickelten herkunftsbetonte Produkte mit einer Ästhetik des Natürlichen, Einfachen und Nachvollziehbaren (vgl. Karmasin 1999: 256).

Darüber, wie viele Konsumenten tatsächlich davon Gebrauch machen, den Produzenten eines Viertels Butter aufzusuchen, lässt sich nur spekulieren. Wohl nur die wenigsten Käufer verfolgen ihren Lebensmittelkauf bis zum Erzeuger. Beim Wein gestaltet sich das Verhältnis Käufer - Verkäufer traditionell anders. Im ausgehenden 20. Jahrhundert gewann der Direktkauf beim Winzer an Bedeutung zu Lasten des Weinhandels und der Gastronomie.3 Hier kann der Konsument den Wein in seiner authentischen Umgebung verkosten und ihn dann mit nach Hause nehmen (vgl. Kölbel 1995: 135). Die eigentliche Bestimmung des Weines als Getränk und Genussmittel erweiterte sich zunehmend. Auch die Weinwirtschaft erkannte, dass sich im Umfeld des Weines neue Geschäftsideen realisieren ließen (vgl. Winkler 2010: 90). Von der Bereitstellung einer touristischen Infrastruktur profitieren viele Weinbauregionen, die auf die Wünsche der Weinkonsumenten reagieren, und zwar mehr über Weinbau, Weingeschichte und Weinkultur zu erfahren und sich nicht nur mit dem materiellen Produkt auseinander zu setzen.

So schließt sich der Kreis mit dem Kulturerbe im Verständnis der UNESCO, dass die generelle Hinwendung zum Erbe der Menschheit mit ihrer Welterbepolitik vorantrieb. Der Weinbau in Wien verfügt über eine Tradition, die mindestens so alt ist wie die Stadt selbst und deren Entwicklung sie entscheidend mitbestimmte (vgl. Perger 1996: 207).4 Die Kontinuität und identitätsbildende Funktion berechtigen den Weinbau in Wien und in anderen Regionen sich als Kulturerbe zu verstehen und sich darüber zu definieren. Wie sich dieses Weinerbe auf Basis des Kulturerbeverständnis der UNESCO inwertsetzen lässt, soll Gegenstand meiner Arbeit sein.

1.1. Relevanz des Kulturerbes Wein und seiner Inwertsetzung

Den Anstoß für meine Arbeit innerhalb meines Studiums der Kommunikationswissenschaft kam von der grundlegenden Frage aus meinem Zweitfach Geschichte, welche Relevanz Geschichte außerhalb des fachwissenschaftlichen und didaktischen Umfeldes haben kann. Von meiner Ausgangsfragestellung, wie sich eine Kulturgeschichte des österreichischen Weines durch Marketingmethoden kommunizieren lässt, rückte ich größtenteils ab. Durch Studium der Literatur, insbesondere der Magisterarbeit von Diana Oberreiter über ‚Das immaterielle Kulturerbe und seine touristische Inwertsetzung„,5 den Input meines Betreuers Professor Dr. Kurt Luger, den Medienberichten über das nationale immaterielle Kulturerbe sowie die ‚Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit„ lenkte sich meine Aufmerksamkeit vor allem auf das Kulturerbeverständnis der UNESCO und wie sich dieses mit dem Wein und auch seiner Geschichte in Verbindung bringen lässt.

Zumindest die Weinrebe ist älter als die Menschheit. Die Kulturtechnik des Weinbaus dürfte zehn tausend Jahre zurückreichen. Welche Rolle der Wein im Geistesleben der Menschheit spielte, zeigt allein die Fülle an Literatur von der homerschen Ilias als frühestes Epos der Weltliteratur über die Bibel bis hin zu Goethes Werken, in denen der Wein eine zentrale Rolle spielt. Diese Ausschnitte verweisen auf eine knapp drei-tausend Jahre alte Literaturgeschichte, die zeigt, dass der Wein nicht irgendeines unter den vielen alkoholischen Getränken war und ist (vgl. Koch 1998: 10). Kunst und Architektur geben weitere Zeugnisse für die Allgegenwart des Weines in vergangenen Epochen ab. Ornamente von Weinlaub und Trauben finden sich auf antiken Tempeln, Gräbern, Statuen und Münzen. Szenerien aus dem Weinbau und Trinkzeremonien zierten Vasen, Schalen und Trinkgefäße. Das religiöse Mittelalter bildete das Wunder zu Kana und das letzte Abendmahl ab, die Renaissance griff die antike Tradition erneut auf und entdeckte den Bacchuskult für sich während Romantik und Biedermeier genrehafte Szenen aus Weinberg, Keller und Weingeselligkeit bevorzugten. Selbst heute gehen Wein und Kunst erneut eine Symbiose ein (vgl. Bergner 1993: 32) etwa durch die jährliche Veranstaltung ‚Kunst & Wein„ in Haugsdorf mit Ausstellungen, Lesungen und Konzerten.

Wein prägte nicht nur die Hochkultur, sondern formte auch wenig greifbare Güter wie Natur und Gesellschaft. Die Kulturlandschaft in den Weinbauregionen erzählt ihre eigene Geschichte vom Wein ebenso wie die Dörfer, die über Jahrhunderte hinweg vom Wein gut lebten und die Weinproduzenten mit ihren Bräuchen und Traditionen. Das alte Europa sieht im Wein nach wie vor ein Kulturgut und nicht das Industrieprodukt, trotz der Massenproduktion auf dem internationalen Weinmarkt. Durch den Vergleich der lebendigen Weinkultur mit dem immateriellen Erbe möchte ich auch auf eine neue Tendenz der Welterbepolitik der UNESCO verweisen. In den letzten beiden Jahren erkannte die UNESCO drei Formen des immateriellen Erbes aus dem Bereich des food heritage an und hob sie in den Status der Meisterwerke. Durch das Verständnis von gastronomischem Erbe als Teil des Kulturerbes der Menschheit ergeben sich für Speisen, Getränke, Nahrungsmittel oder Ernährungstraditionen Potenziale für eine gezielte Inwertsetzung. Bislang wertete die UNESCO diesen Bereich nur als Teil des Naturerbes und stellte weniger materielle Güter und immaterielles Wissen um die Herstellung in den Vordergrund, sondern einzig die dazugehörige Landschaft.

1.2. Forschungsfrage und Methodik

Die Untersuchung von Kulturerbe schließt verschiedene Fachwissenschaften mit ein. Meine Arbeit ist deshalb interdisziplinär angelegt und umfasst nicht nur kulturwissenschaftliche Werke aus Ethnologie, Anthropologie, Geschichtswissenschaft, Soziologie und Kommunikationswissenschaft, sondern auch Beiträge aus der Wirtschaftswissenschaft. Daraus ergaben sich zwei zentrale Fragestellungen:

- Wie lässt sich das österreichische Weinerbe mit dem Verständnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO in Einklang bringen?
- Wie kann dieses Erbe inwertgesetzt werden und welche Potenziale zur Stärkung des österreichischen Weinimages ergeben sich daraus?

Da für das Kulturerbe sowie für dessen Aufbereitung immer auch der Tourismus eine wichtige Rolle spielt ergab sich eine untergeordnete Fragestellung:

- Welche Rolle kann die Symbiose von immateriellem Kulturerbe und Weinerbe im Tourismus spielen?

Selbst wenn durch die Änderung meines Forschungsinteresses der (wein-)geschichtliche Hintergrund an Bedeutung verlor, bleiben zentrale Passagen der heimischen Weingeschichte Gegenstand meiner Arbeit, da das Kulturerbe auf der Vergangenheit aufbaut, um sich in der Gegenwart in die Lebenspraxis einzugliedern. Historische Werke bilden ebenso wie Zeitschriften und populärwissenschaftliche Schriften den medialen Boden meiner Arbeit. Dabei fließen unterschiedliche Quellen ein, die eine möglichst breite Perspektivenvielfalt gewährleisten sollen. Besonders bei populärwissenschaftlichen Arbeiten mangelt es an einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Diese teils sehr einseitige Darstellung lässt die Weinnation Österreich oft unreflektiert hochleben. Soziologische, geschichtswissenschaftliche und ethnographische Studien sorgen für die nötige Heterogenität der Quellen.

Für den Bereich des immateriellen Kulturerbes und die Aufbereitung von food heritage dienten vor allem zwei Magisterarbeiten als Vorbild. Zum einen die bereits erwähnte Arbeit von Diana Oberreiter, zum anderen die von Daniel Brandstetter über ‚Die Inwertsetzung der Mostkultur im niederösterreichischen Mostviertel durch die Initiative Moststraße„. Die Ergebnisse der Arbeit basierten auf einer Literaturanalyse, ergänzt durch zwei Experteninterviews. Bei den beiden nicht-standardisierten und nicht-strukturierten Interviews wurde ein offenes Konzept zur Klärung von Zusammenhängen verfolgt (vgl. Atteslander 2003: 155). Die Gespräche fanden mit Dr. Klaus Postmann, ein Experte auf dem Forschungsgebiet der Weingeschichte und des Weinmarketings, und Leonhard Zauner, MLS zur Klärung von einigen Fragen bezogen auf das Weinrecht, statt. Beide Interviewpartner trugen in erster Linie zur Ergänzung und Durchsicht einiger wesentlicher Punkte bei.

Bei der Aufbereitung von Weingeschichte und Weinerbe halfen zwar viele historische Unterlagen, doch soll die Arbeit auch seine kommunikationswissenschaftliche Berechtigung aufweisen. In einem sehr weiten Kommunikationsverständnis lässt sich ein einfacher Vorgang wie der des Weintrinkens in den Bereich der Kommunikation einordnen:

Kulinarisch Gebildete wissen, dass der individuelle menschliche Geschmack, abgesehen von der physiologischen Interdependenz der Sinne, eine kollektive Dimension besitzt und das Essen [sowie das Trinken, S.R.], vor allem das gemeinsame, ein Code der Kommunikation ist, der durch keinen anderen ersetzt werden kann. (Wierlacher 2008: 76)

Werbung und Marketing gehören ebenso zum Portfolio des kommunikationswissenschaftlichen Studiums wie der Tourismus. Kommunikation und Reisen hängen über weite Strecken der Geschichte eng zusammen. Das Tempo der Reise bestimmte das Tempo der Kommunikation. Die Aufzeichnungen der Reisenden vor Beginn des industriellen Zeitalters ermöglichen Einblicke in fremde Länder und Sitten. Bis zum 21. Jahrhundert änderte sich jedoch das Verhältnis von Tourismus und Kommunikation. Kommunikationsleistungen steuern heute das System des globalen Tourismus in ihren medialen und non-medialen Vermittlungsformen. Sehnsuchtsbilder werden kommuniziert, die Images und Erwartungen bei den Reisenden produzieren und bei der Rückkehr wiederum kommunikativ über Fotos, Souvenirs oder Gegenstände aus der Fremde vermittelt werden (vgl. Luger 2005: 85). Zudem spielen Medien und Kulturindustrie eine wichtige Rolle für das Verständnis von Kulturerbe, da sie dazu beitragen, was unter Kultur zu verstehen ist (vgl. Luger 2008: 144f.).

1.3. Forschungsstand

Mit dem Versuch, den österreichischen Wein in Einklang mit dem immateriellen Kulturerbe zu bringen, begebe ich mich zumindest teilweise auf wissenschaftliches Neuland. Mit food heritage im Allgemeinen setzten sich schon verschiedene Forscher auseinander wie die Ethnologin Karin Salomonsson mit ihrem Beitrag zum kulinarischen Erbe im Europa der Regionen oder der Ethnograph Bernhard Tschofen, der sich mit Kulinaristik und Regionalkultur auseinandersetzte. Zwei Herausgeberwerke in den letzten Jahren von Kurt Luger und Karlheinz Wöhler sowie Markus Tauschek, Dorothee Hemme und Regina Bendix im deutschen Raum behandelten das Kulturerbe in all seinen Facetten, ebenso wie den Tourismus und die Wertschöpfung aus dem Kulturerbe. Auch wirtschaftswissenschaftliche Literatur macht sich in jüngster Vergangenheit das Inwertsetzen von Geschichte und Erbe zum Thema, auch wenn das Kulturerbe im Sinne der UNESCO dabei bestenfalls angerissen wird.

Zu meinem Erstaunen fand ich heraus, dass es zum Thema Weingeschichte nur wenig fundierte Publikationen gibt. Einzig in der medizinisch-psychiatrischen Wissenschaft findet sich eine gewisse Kontinuität mit dem Thema Wein.6 Zwar bringen viele Weinkenner heute ein enormes Fachwissen über Weinsorten und Jahrgänge mit, doch wissenschaftliches Wissen über die Geschichte des österreichischen Weines blieben mit Ausnahme meines Interviewpartners Klaus Postmann Mangelware. Kulturhistorische Behandlungen existieren kaum, einzig der Bereich des historischen Weinbaus gilt heute als sehr gut erforscht (vgl. Broidl 1996: 85). Dabei klammert Wein in einer historischen Retrospektive als bloßes Nahrungs- und Genussmittel vieles aus. Weingeschichte bietet umfangreiche kultur- und wirtschaftsgeschichtliche, wirtschaftsgeographische sowie auch diätetisch- ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse (vgl. Schwertner 1994: 19).7

Der Vernachlässigung des Weines als Kulturthema in der Wissenschaft steht die hohe Bedeutung des Alkohols in der Alltagskultur gegenüber. Alkoholische Getränke konsumiert der Großteil der Gesellschaft mit einer großen Selbstverständlichkeit. Diese Selbstverständlichkeit spiegelt auch die Weinliteratur wider. Heute finden sich zum Thema Wein vor allem populärwissenschaftliche Werke in den Bücherregalen. Weinatlanten, Reiseführer, Ratgeber zu Essen und Wein, Weingeschichten und verschiedene Zeitschriften zeugen vom Stellenwert der Weinratgeber- und Unterhaltungsliteratur am Büchermarkt (vgl. Kölbel 1995: 125).

1.4. Begriffserklärung

Trotz des anything goes im Bereich der Weinliteratur gibt es in Österreich bei der Bezeichnung der Weinproduzenten gewisse Grenzen. Je nach Region und Zeit variieren Ausdrücke rund um den Wein sowie dessen Erzeuger. Eine sprachwissenschaftliche Studie im Bereich der mündlich überlieferten Traditionen und Ausdrucksformen könnte diese Vielfalt selbst mit dem immateriellen Erbe in Verbindung bringen. Im neuzeitlichen Burgenland finden sich Bezeichnungen wie weingartherr, bawheer oder paur für den Besitzer der Weingärten. Die Arbeit im Weinberg führten der hawer, die inwohner, der weinzierl, oder etwas allgemeiner formuliert, die Arbeiter durch. Die Traditionsbezeichnung Hauer lebt in Niederösterreich fort, spielt im Burgenland hingegen keine Rolle. Unter Weinzierl versteht der burgenländische Volksmund einen Weinbautreibenden, der zwar nur einen kleinen Besitz bewirtschaftet, aber dafür ausschließlich vom Weinbau lebt (vgl. Bauer 1954: 160).

Die Weinerzeuger zählten immer schon zum kleinbäuerlichen Klientel, das die katholische Kirche vor der Konkurrenz von Bier und Schnaps in Schutz nahm. Bierproduzenten und Schnapsbrennereien assoziiert die Gesellschaft schon seit vielen Jahren mit Großbetrieben (vgl. Postmann 2011). In der Person, des von Helmut Qualtinger gespielten Großbauers Allinger mit seiner Schnapsbrennerei, in Dieter Berners sechsteiligem Fernsehdrama ‚Alpensaga„, die um das Jahr 1900 beginnt, wird diese Konstellation besonders deutlich. Den Weinbauer nahm die Gesellschaft hingegen als agrarischen Klein- und Mittelbetrieb wahr. Durch den Bedeutungswandel des Weinbauers als Erzeuger von international anerkannter Qualitätsware, vollzog sich auch eine Loslösung vom Bereich des Bäuerlichen und der Begriff Winzer ersetzt vielerorts den Weinbauer. Nur wenige Qualitätswinzer bezeichnen sich heute selbst noch als Weinbauer, selbst wenn das bäuerliche Element viele Weinreisende und Weintrinker anspricht. Darum verwende ich im historischen Teil meiner Arbeit ausdrücklich die Begriffe Weinbauer oder Hauer, während dem Winzer das 21. Jahrhundert gehört.

1.5. Aufbau der Arbeit

Am Beginn steht die Analyse des österreichischen Weines im Spannungsfeld der Konkurrenz mit dem Wein aus der Neuen Welt, der Gesamtsituation des heimischen Weinmarktes, den Modeerscheinungen, der Bedeutungszunahme des Lebensmitteleinzelhandels sowie des Weinmarketings und der Weinwerbung mit der Ausrichtung der Kommunikation nach außen auf die Werte Natürlichkeit und Qualität. Durch die Endlichkeit und die Allgegenwärtigkeit dieser Werte versuche ich eine Brücke zu schlagen zu einer Sichtweise des österreichischen Weines als lebendige Kultur in Anlehnung an die Idee des immateriellen Kulturerbes der UNESCO. Der von der UNESCO verwendete Kulturbegriff bildet nicht nur die Basis für die eigene Kultur- und Welterbepolitik, sondern auch für die Inwertsetzung des kulturellen Erbes inner- und außerhalb der Liste der ‚Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit„ und seinen nationalen Ausprägungen. Eine solche Inwertsetzung betrifft vor allem das breite Feld des Kulturtourismus, zu dem sich auch der Weintourismus zuordnen lässt. Lebendige Weinkultur fällt in den Bereich des food heritage, das meist an eine bestimmte Region und Kulturlandschaft gebunden ist. Heritage und History Marketing sorgen für eine gezielte Aufwertung des kulinarischen Erbes. Trotz vieler Gemeinsamkeiten unterscheiden sich die beiden Begriffe, da Heritage Marketing eher aus dem Bereich der Kulturwissenschaften entstammt und auch für die Untersuchung des immateriellen Kulturerbes eine bedeutende Rolle spielt. Beide Ansätze entstanden in einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem Vergangenheit und Erbe, aber auch ihre Relevanz für die Gegenwart enorm an Bedeutung gewannen und die sich mittels Plot-Strukturen gezielt inwertsetzen lassen.

Im zweiten Teil meiner Arbeit versuche ich den österreichischen Wein mit dem immateriellen Kulturerbeverständnis der UNESCO in Einklang zu bringen. Aufbauend auf einer umfassenden Geschichte des österreichischen Weines möchte ich die Anschlussfähigkeit des Weinerbes an das Kulturerbe aufzeigen. Diese Geschichte zeichnet sich durch Kontinuität aus von vorrömischer Zeit bis zum 21. Jahrhundert. Erbe impliziert immer auch eine Unterscheidung von Gegenwart und Vergangenheit, darum ist nicht nur die Geschichte wichtig, sondern auch die Gegenwart. Zwei wesentliche Punkte, neben dem universalen Argument der durch den Weinbau geprägten Kulturlandschaft, ergeben sich aus der Weingeschichte, die auch für den Weinkonsumenten von großer Bedeutung sind: Das traditionelle Handwerk in Verbindung mit Wissen und Praktiken im Umgang mit Natur und Universum bezogen auf den Weinbau sowie der Zusammenhang von Wein und Erfahrungsheilkunde, der sich ebenso dem Bereich des Wissens im Umgang mit der Natur unterordnet. Mit beiden Teilen lässt sich das Image des österreichischen Weines gezielt aufladen, besonders auch in Verbindung mit dem Tourismus. Das abschließende Fazit versucht die Überschneidungsmenge von Wein- und immateriellem Kulturerbe nochmals zusammenzufassen und aufzuzeigen, dass darin auch ein Potenzial für die Stärkung des Ansehens des heimischen Weines steckt.

1.6. Der Versuch einer Eingrenzung Österreichs

Die Grenzen des heutigen Österreichs existieren erst seit 90 Jahren, doch die Weingeschichte reicht zumindest bis in die vorrömische Zeit zurück. Wie also den Raum Österreich definieren? Probleme ergeben sich schon allein durch die unzureichende Quellensituation, die bestimmte Regionen betreffen können. Wissenschaftliche Auseinandersetzungen zu einer rein österreichischen Weingeschichte existieren nicht, doch lassen sich für Spätantike und Mittelalter gewisse Gemeinsamkeiten vorrausetzen. Bestimmte Kulturerscheinungen betrachtet die Wissenschaft in Europa als normativ. Die europäische Kultur steht auf einem bestimmten Fundament, das - in ihrer Abgrenzung gegen den Orient, gegen Asien und gegen die Perser - bis zur griechischen Idee zurückreicht. Erst das Christentum löste die Bedeutung der griechischen Kultur8 für den europäischen Raum ab. Die Ernennung des Christentums zur Staatsreligion im Römischen Reich 380 nach Christus durch Kaiser Konstantin prägte Europa mehr als 1600 Jahre und verlor erst durch die Abkehr von der christlichen Religion bzw. durch die Zuwanderung anderer Religionen im 20. und 21. Jahrhundert allmählich an Bedeutung. Ihren Ausgang nahm die Erlösungsreligion im Nahen Osten und durch die Erhebung in den Status der Staatsreligion durch Konstantin entwickelte sich die lateinische Christenheit zur entscheidenden Einflussgröße im europäischen Raum, der bis auf wenige Ausnahmen rasch alle Völker erfasste und von langer Dauer bleiben sollte (vgl. Maurer 2008: 270f.). Mit dem Aufstieg der Kirche auch als Bewahrer der antiken Weinkultur entstand eine das Mittelalter überdauernde relative Einheit von Anbau9, Handel und Brauchtum rund um den Wein, auch wenn sich regionale Traditionen etablieren konnten und verschiedene Gebiete von Klima und Boden begünstigt waren. Durch diesen Zusammenhang unterschied sich die Weinkultur in Niederösterreich wohl kaum von den Weinbaugebieten im Süden Europas sowie im Norden. Dieser Kulturzusammenhang betrifft auch andere Bereiche von Wirtschaft bis Gesellschaft und findet erst mit der Neuzeit sein Ende durch das Entstehen der Nationalkulturen. Auf den christlichen Kultus, in dem der Wein eine zentrale Rolle einnahm, bauten das europäischen Erbe und die europäische Identität grundlegend auf. Das Ende des lateinischen Bildungsideals und der Einheit der Kirche brachte unterschiedliche nationalkulturelle Entwicklungen im europäischen Raum hervor. Auch änderte sich das Wissen durch den Aufstieg der Universitäten und die zunehmende Alphabetisierung der Gesellschaft. Die nachmittelalterlichen Jahrhunderte zeichneten sich durch rivalisierende Monarchien aus, durch das Auftreten von Bürokratie und Institutionen, deren Einfluss auch Bereiche wie den Weinbau prägte (vgl. Maurer 2008: 284). Mein Verständnis von Österreich beruft sich ungefähr auf die Grenzen des heutigen Österreichs. Ungefähr deshalb, weil sich die Grenzen des in der Habsburgermonarchie nach 1867 verwendete Begriff Cisleithaniens nach 1918 noch änderte (vgl. Sandgruber 1982: 19). Die österreichische Reichshälfte musste sich 1867 mit der ungarischen gemeinsam das Habsburger Reich teilen. Diese übernationale Einheit entstand nach dem endgültigen Zerfall des Heiligen Römischen Reiches 1804 durch Zusammenschlüsse mit Ländern unter der Stefanskrone und anderen Gebieten (vgl. Pelinka 1995: 7).

Trotz dieser Eingrenzung bleiben Schwierigkeiten bei der Untersuchung eines geographisch und kulturell so heterogenen Raumes wie Österreich bestehen. Besonders wenn sich der Weinbau in so unterschiedliche Teilräume aufsplittern lässt, bei der die Weinkultur entweder überhaupt keine Spuren hinterließ oder die Kulturlandschaft und Gemeinschaft entscheidend mitbestimmte. Wenn vom österreichischen Wein die Rede ist, dann muss klar differenziert werden zwischen der Zeit des Spätmittelalters, das nahezu das Gebiet des gesamten Österreichs mit seinen heutigen Grenzen umfasste und die Zeit seit dem Bedeutungsrückgangs des Weines ab dem 16. Jahrhundert, der den Weinbau auf die klimatisch begünstigten Kernregionen reduzierte.

2. Zur Ausgangslage des österreichischen Weines

In der österreichischen Geschichte finden sich viele Spuren des Weines als Bestandteil der Kultur. Auch wenn über die Jahrhunderte hinweg diverse Veränderungen Weinkonsum und Weinbau prägten, blieb die Entwicklung bis vor den beiden Weltkriegen relativ konstant. Die Dynamik des 20. Jahrhunderts bedeutete einen tiefen Einschnitt in die Kontinuität der heimischen Weinkultur. Kein anderer Zeitraum griff mit solcher Intensität in das Erbe des Weinbaus ein. Österreich entwickelte sich vom wenig beachteten Produzenten von Massenweinen zum international anerkannten Anbieter von Qualitätsweinen. Obwohl der österreichische Wein zwar auf eine lange Geschichte verweisen kann, überstieg seine Bekanntheit kaum den nationalen Rahmen. Dazu fehlte dem heimischen Wein eine Anerkennung auf dem international beachteten Hochsegment. In den heimischen Weinbaugebieten mangelte es an landestypischen prominenten Weinen, die durch den Tourismus ein Stammpublikum erlangen konnten wie der Chianti in Italien oder der Tokajer in Ungarn (vgl. Muck 1994: 7). Seit dem Weinskandal versucht die heimische Weinwirtschaft diesen Rückstand aufzuholen. Viele Weinbauregionen und deren Winzer haben sich dem Qualitätsanbau verschrieben. Heute umfasst der Qualitätswein etwa zwei Drittel der Gesamtproduktion (vgl. Mitmasser 2005: 129f.).

Im internationalen Vergleich zählt Österreich zu den verhältnismäßig kleinen Weinbauländern. Der Großteil der rund 45.900 Hektar ausgepflanzten Rebfläche erstreckt sich über die östlichen und südöstlichen Landesteile. Mehr als die Hälfte der Weinfläche findet sich in Niederösterreich mit 27.128 Hektar, gefolgt vom Burgenland mit 13.840 Hektar, der Steiermark mit 4.240 Hektar, dem Weinbaugebiet Wien mit 612 Hektar und sonstigen kleinen Flächen außerhalb der traditionellen Weinregionen. Aus Marketinggründen teilt sich die Weinfläche in sechszehn spezifische Weinbaugebiete auf, die für ein möglichst klares, gebietstypisches Weinprofil stehen sollen. Winzer, die die hohen Qualitätsanforderungen erfüllen, können ihren Wein mit dem Zusatz DAC (Districtus Austriae Controllatus) vermarkten. Bisher erreichten sieben der sechzehn spezifischen Weinbaugebiete den Status eines DAC-Gebietes. Alle anderen Weine lassen sich der Ebene der generischen Weinbaugebiete zuordnen mit den vier Weinbundesländern Niederösterreich, Burgenland, Steiermark und Wien, die dem Winzer bezüglich Sorten und Weinstile viel Freiheit lassen (vgl. ÖWM 2010: 3ff.).

Die gesamtösterreichische Weinbaufläche bearbeiten 20.200 Betriebe, deren Struktur sich in den letzten 20 Jahren massiv geändert hat. Rückgänge bei den Kleinstbetrieben mit weniger als einem Hektar Rebfläche lassen sich ebenso feststellen wie eine gleichzeitige Zunahme der Größe der verbleibenden Weinbaubetriebe. Diese Verschiebung in Richtung Betriebe mit einer Größe von mehr als fünf Hektar spricht auch für den Bedeutungszuwachs der Vollerwerbsbetriebe, die den Hobbyweinbau weitgehend verdrängen. Auch trägt dieser Professionalismus wesentlich zur Qualitätssteigerung bei (vgl. ÖWM 20010: 7f.).

2.1. Das Verhältnis von Rotwein zu Weißwein

Erst die Hinwendung zum Qualitätsanbau führte zur Bevorzugung der weißen Sorten in den nördlichen Weinbaugebieten. Die Konkurrenz mit den Rotweinen aus dem Süden konnten viele Winzer nicht aufnehmen. Rotweine dominierten über weite Strecken den europäischen Weinbau von der Römerzeit bis ins Mittelalter, wobei diese Dominanz auch Ausnahmen mit sich bringen konnte. Erst das 19. Jahrhundert brachte den Weißwein zunehmend ins Rampenlicht. Qualitative und anbautechnische Gründe sprachen für den Anbau der weißen Sorten. Heute dominiert der Weißwein in Österreich. Mit dem Wegfall der großen Rotweingebiete Dalmatien, Istrien und Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg hatte der Weißwein auf dem Weinmarkt lange eine dominierende Stellung inne. Erst ab den 1980er Jahren stieg die Anzahl der Rotweinflächen wieder leicht an (vgl. Postmann 2003: 14). Der Rotweinanteil legte bedeutend zu von 16 Prozent des Jahres 1984 bis zu 34 Prozent im Jahr 2010. Besonders das Mittelburgenland mit seiner Fokussierung auf den heimischen Blaufränkischen steht für den Anteilszuwachs des Rotweines. Im österreichischen Rebsortenverzeichnis sind neben 22 Weißweinsorten 13 Rotweinsorten eingetragen (vgl. Winkler 2010: 22).

2.2. Das Verhältnis von Import zu Export

Der Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft 1995 veränderte strukturell die heimische Weinwirtschaft. Mit dem Wegfall sämtlicher Beschränkungen durch Einfuhrkontingente spielten Importe eine bedeutende Rolle in den 1990er Jahren. Von 1993 bis 1998 stieg der ausländische Wein mengenmäßig um 350 Prozent an, selbst wenn der heimische Wein bei den Marktanteilen noch knapp über 50 Prozent erreichen konnte (vgl. Postmann 2003: 133f.). Italien befindet traditionsgemäß an der Spitze der Weinimportländer, gefolgt von Frankreich, Spanien, Ungarn und Griechenland. Weinimporte stehen schon seit dem Mittelalter in Konkurrenz zum heimischen Weinbau, trotz der Transportkosten, die sich auf den Preis auswirkten. Neue Weinbauregionen aus Übersee bedeuten in den letzten Jahren einen wachsenden Konkurrenzdruck für den heimischen Wein, vor allem im Supermarkt. Dabei gehört das letzte Wort stets dem Markt. Der traditionelle europäische Qualitätsweinbau hat viel zu verlieren, wenn der Weinfreund nicht mehr bereit ist, für traditionell hergestellte Weine einen höheren Preis zu bezahlen. Auf Tradition alleine können sich die Weinproduzenten dabei nicht mehr verlassen (vgl. März 2006: 48).

Aufgrund der verschärften Konkurrenzsituation versucht die Europäische Union die nationalen Weinwirtschaften zu schützen. Einen wichtigen Grundstein in diesem Prozess legte der am 1. August 2009 in Kraft getretene lebensmittelrechtliche Teil der gemeinsamen Marktordnung für Wein, der die Herkunftsregionen in den Mittelpunkt rückt. Dieser Schutz bedeutet zugleich verschärfte Kontrollmaßnahmen in der Weinherstellung (vgl. Wachter 2010: 110). Der heimische Wein konnte sich in den letzten Jahren konsolidieren und sogar seine Exporte ausweiten. Bis auf einige wenige Jahre überstiegen die Importe in der Regel die Exporte. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts änderte sich diese Praxis, denn in guten Weinjahren wird mehr heimischer Wein exportiert, als ausländischer Wein importiert.10 Der Hauptabnehmer von österreichischem Wein ist Deutschland mit 501.083 Hektoliter bei einer Gesamtmenge von 638.197 Hektolitern beispielweise im Jahr 2009. An Bedeutung gewann der osteuropäische Raum. Polen, die tschechische Republik, die Slowakei und Slowenien zählen durch die EU-Osterweiterung neben den Vereinigten Staaten und der Schweiz zu den wichtigsten Abnehmern (vgl. ÖWM 2010b: 10).

2.3. Die verschärfte Konkurrenzsituation auf dem globalen Weinmarkt

Die wachsende Konkurrenz aus der Neuen Welt forderte die traditionelle europäische Weinwirtschaft. Im Zeitalter der Globalisierung bringen amerikanische, australische und afrikanische Länder die ‚alten„ Weinbauregionen immer mehr unter Druck. Produzierten 1905 noch 95 Prozent des ‚Weltweines„ die Länder Europas, so reduzierte sich der Anteil im Jahr 2009 auf 57,9 Prozent. Die Größe der Weinbauflächen verringerte sich in den letzten Jahren in Spanien, Frankreich, Portugal und Italien, den traditionellen Bastionen des europäischen Weinbaus, während der Anteil in außereuropäischen Regionen leicht stieg (vgl. ÖWM 2010b: 29). Ab den 1990er Jahren begann der Wein aus Übersee massiv an der Vormachtstellung der europäischen Weine in den Supermarktregalen zu rütteln. Durch die GATT- und WTO- Abkommen fallen viele ehemalige Schranken weg, was den weltweiten Weinhandel fördert. Schon in den 1960er Jahren verlor der Wein seinen Ruf als ein Äesoterisches Relikt aus alten Zeiten“ (Johnson 2005: 238). In den 1970er und 1980er Jahren schossen hunderte kleine Weinbaubetriebe in den Vereinigten Staaten, Australien und anderen ehemaligen Kolonien aus dem Boden. Importe aus Kalifornien, Chile, Argentinien, Südafrika, Australien und Neuseeland sprachen ein überwiegend junges Publikum an. Die Ausrichtung auf einen Massenmarkt, auf gewürzte und gesüßte ‚Popweine„ spielte im Weingewerbe lange eine dominante Rolle (vgl. Johnson 2005: 240).

Für die Jugend zählen heute andere Geschmacksnormen als für die ältere Generation. Aromen müssen deutlich intensiver sein. Vielfach kommen die Weine aus Übersee diesem Bedürfnis nach, auch wenn sie dabei auf zwar legale, jedoch oft fragwürdige Methoden zurückgreifen, wie zum Beispiel die Aromatisierung der Weine mit getoasteten Eichenspänen. Die Verkaufserfolge sprachen lange für die Überseeregionen. Um wieder an Boden zu gewinnen, kopierten viele europäische Weinproduzenten die Weine aus den exotischen Regionen mit mäßigem Erfolg. Für viele Winzer bedeutete diese Ausrichtung den Verlust ihrer Tradition und den Bruch mit ihrem Erbe. ÄOb man nach Süden, Westen, Osten oder auch nur um die nächste Ecke blickt, ein großer, ständig wachsender Anteil der europäischen Weinindustrie verabschiedet sich voller Überzeugung von seiner eigenen Identität.“ (Pigott 2005: 19)

Für die konservativen Weintrinker aus Europa bedeutete diese, vorzugsweise im Supermarkt angebotene Ware, ein absolutes No-Go. Die liberale Gesetzgebung der Weinherstellung sorgte in den neuen Weinregionen für einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil. Verschiedene Beschränkungen, wie die künstliche Bewässerung der Reben, fielen weg und sorgten für eine Reduktion der Produktionskosten. Vor allem Australien profitierte vom Liberalismus der heimischen Weingesetzgebung und konnte die Preise im Supermarkt drücken (vgl. Johnson 2005: 242). In der Neuen Welt war der Weinbau nie ein Gefangener seiner Geschichte, der sich in ein immer rigideres Regelwerk zu verstricken drohte. Zwar bevölkerte die Wildrebe schon vor den großen Entdeckungsfahrten Nordamerika, aber die amerikanischen Reben eigneten sich nur bedingt für den Weinbau. Die Trauben wiesen zu viel oder zu wenig Säure auf oder es mangelte an Hefe, die für die Transformation des Alkohols in Zucker sorgt. Auch lässt sich nicht ausschließen, dass die indigene Bevölkerung den Wein womöglich kannte, er ihnen aber nicht zusagte (vgl. Priewe 1997: 16).

2.4. Ausdifferenzierung der Weintrinker und Rückkehr zum heimischen Wein

Durch die Omnipräsenz des Weines verlor er seinen Status als Getränk mit lokalem Charakter. Bis auf wenige in sich geschlossene Weinbaugebiete änderte sich das Selbstverständnis von Wein. Aufsteigende Weinmärkte in der Neuen Welt bedeuteten nicht nur eine Konkurrenz für heimische Produkte in den Supermarktregalen, sondern öffneten dem heimischen Weinbau auch neue Exportmöglichkeiten. Durch die neuen Absatzwege boomte der Weinmarkt auf regionaler, nationaler und auch internationaler Ebene und führte durch die breite Angebotspalette zu einer Ausdifferenzierung der Weinkonsumenten. Weintrinker lassen sich nicht mehr eindeutig einem bestimmten Lebensstil zuordnen. Sie verloren ihre Identität als relativ homogene Gruppe über die Jahrhunderte hinweg. Heute unterscheiden sich Weinkenner von, Weinliebhabern, Mengen- oder Prestigetrinkern, Genussmenschen, Liebhabern der Ess- und Trinkkultur oder von Weinpionieren auf der Suche nach Neuem. Diese Konsumentenvielfalt mit ihren unterschiedlichsten Wünschen und Bedürfnissen kann ein einzelner Winzer nicht ansprechen. Im Unterschied zu den Nachkriegsjahren konzentrieren sich die Weintrinker auch nicht mehr nur auf einen Winzer aus einer bestimmten Region. Die Konsumenten bringen heute teilweise viel Fachwissen über den Wein mit, da für bestimmte gesellschaftliche Gruppierungen das Weinwissen zur Allgemeinbildung gehört. Um bei bestimmten Runden mitreden zu können, muss sich der statusorientierte Weintrinker ständig fortbilden. Er liest viel Fachliteratur, sucht Verkostungen auf und geht auf Entdeckungsreisen (vgl. Gosch 2002: 32). Kein anderes alkoholisches Getränk ist so wissensintensiv wie der Wein.

Dieser Wandel setzt ein geändertes Konsumverhalten sowie einen anderen Umgang der Gesellschaft mit Alkohol voraus. Vom Alltags- und Volksgetränk stieg der Wein auf zu einem Getränk für besondere Anlässe. Sein Image als Rauschmittel verlor der Wein an andere alkoholische Getränke während sein Renommee als Genussmittel anstieg. Der Weinkonsum verlagerte sich vom Saufen zum Verkosten. Die neuen Ansprüche der Verbraucher wirkten auf den Qualitätsweinbau zurück (vgl. Weber 1980: 46). In diesem Umfeld wandelte sich die Weinerzeugung von Quantität und Angebotsorientierung hin zu einer Nachfrageorientierung. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts lässt sich eine positive Grundeinstellung des Österreichers zum heimischen Wein feststellen. Der Konsument bringt den österreichischen Wein vor allem mit der guten Qualität in Verbindung, für die er auch bereit ist, mehr als die üblichen zwei bis drei Euro zu bezahlen, unabhängig davon, wo er seinen Wein kauft. Dieses positive Image muss sich nicht zwangsläufig auf den gesamten Weinverbrauch auswirken. Leicht rückläufig entwickelte sich der Weinkonsum in den Jahren 2000 bis 2004. Die Weintrinker wandten sich den höheren Weinqualitäten zu und konsumierten diese Weine in geringeren Mengen.11 Seit 2004 steigt der Pro-Kopf Verbrauch allerdings wieder etwas an (vgl. Winkler 2010: 16f.). Der Inlandskonsum pendelte sich in den letzten Jahren auf ungefähr 250 Millionen Liter pro Jahr ein. Davon entfallen rund 54 Prozent des Verbrauches auf die Gastronomie, 41 Prozent auf den Heimkonsum und fünf Prozent auf den Kauf durch Touristen oder Gastarbeiter (vgl. ÖWM 2010: 47).

2.5. Der Bedeutungsgewinn des Lebensmittelhandels

Qualität lässt sich seit neuestem auch im Lebensmittelhandel erwerben, der in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewann. Lebensmittelgeschäfte entstanden durch Rationalisierungsmaßnahmen der Landwirtschaft, Verstädterung und den daraus resultierenden Bedeutungsverlust der Subsistenzwirtschaft. ‚Moderne„ Nahrungsmittel mussten nicht mehr vor der Haustür wachsen (vgl. Tanner 2003: 33). Hatte Julius Meinl als Handelskette noch vor dem Zweiten Weltkrieg ein Monopol, so weichte dies Karl Wlaschek anfangs mit seiner WKW (Warenhandel Karl Wlaschek) ab den 1960er Jahren auf. Billa, Spar, Merkur sowie die verschiedenen Diskonter erweiterten die Angebotspalette, auch wenn durch Zusammenschlüsse die Konzentration im österreichischen Lebensmittelhandel europaweit einzigartig bleibt. In den Supermärkten und Diskontern entstand ein vielfältiges Warenangebot und sie übernahmen die Bedeutung des Kleinhandels speziell für den Weinverkauf. Dieser Trend begann in den 1970er Jahren. Der Wein stieg zum Bedarfsartikel auf als Getränk der abendlichen Familienrunde und dem geselligen Beisammensein. Durch den Zusammenhang von Wein als Teil eines modernen Lebensstils und der wachsenden Nachfrage erweiterte sich das Angebot in den Lebensmittelregalen (vgl. Postmann 2003: 156-159).

Erst der Weinskandal bremste diese Entwicklung und der Weinkauf im Supermarkt bekam ein negatives Image. Nach dieser kurzen Unterbrechung nahm der Verkauf im Lebensmittelhandel wieder deutlich zu, allerdings unter anderen Vorzeichen. Einkauf im Lebensmitteleinzelhandel stellt für den Weintrinker heute keine peinliche Schandtat mehr dar, auch wenn der gehobene Weintrinker den Direktkauf beim Winzer oder zumindest im Fachgeschäft vorzieht. Auch der Weinkauf bei den Diskontern zählt nicht mehr zu den Tabus. Das Preisniveau löste sich von der Qualität des Weines und seinem Ansehen. Mit ihrem Angebot an Weinen schneiden die Diskonter bei den Testverfahren der Experten gut bis sehr gut ab (vgl. Winkler 2010: 6f.). Selbst für die großen Handelsketten Rewe und die Spargruppe dient der heimische Wein als Imageträger, von dem sie sich erwarten, ein kaufkräftiges Publikum anzusprechen. In den größeren Geschäften zählen Sommeliers zum Inventar der Handelsketten. Das Verhältnis österreichischer und ausländischer Weine in den Regalen verbesserte sich zugunsten der heimischen Weine deutlich seit dem Jahr 2000. Neueste Umfragen lassen einen anhaltenden Trend zum heimischen Wein feststellen. Einzig am Billigsektor können die Weine aus Übersee Erfolge einfahren (vgl. Moser 2010: 46). Heute finden wir eine Preisschere vor zwischen den teuren heimischen Weinen und den billigen Importweinen. Der Wert inländischen Weines stieg von 203 Millionen Euro im Jahr 2006 an auf 233 Millionen während der ausländische Wein von 82 Millionen auf 77 Millionen fiel. Diese Tendenz zeigt, dass das hohe Marktpotenzial der Weinwirtschaft im Lebensmittelhandel noch nicht ausgeschöpft ist (vgl. ÖWM 2010: 53).

Wenn Weintrinker öfters als früher ins Supermarktregal greifen, dann geschieht das zum Leidwesen der Gastronomie. Zu den Verlierern dieser Entwicklung zählen die Gastwirte, die neben den Weinhändlern weite Teile des Weinkaufs des 20. Jahrhunderts dominierten. Dennoch konsumieren mehr als die Hälfte der heimischen Weintrinker den Wein nach wie vor in der Gastronomie, auch wenn der Bereich des Heimkonsums weiter zunimmt (vgl. Winkler 2010: 16).

2.6. Weinmarketing und Weinwerbung

Für den Weinbauer spielte über weite Strecken des 20. Jahrhunderts eine Auseinandersetzung mit den Bereichen Marketing und Werbung keine Rolle. Gastwirte, Weinhändler sowie später politische gesteuerte Weinfonds sicherten die Abnahme der Weinerzeugnisse (vgl. Postmann 2003: 160). Heute zählen Marketing, PR und Werbung, neben der Arbeit im Keller und in den Weingärten, zu den zentralen Arbeitsbereichen. Konkurrenzdruck und Überangebot zwingt die Weinproduzenten sich zu profilieren (vgl. Broidl 1996: 78). Die Anfänge der Weinwerbung reichten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurück und beinhalten wenig anspruchsvolle Auflistungen von Daten und Fakten in Fachpublikationen (vgl. Postmann 2003: 162). Für den Fremdenverkehr spielten ab 1900 die Weinwerbekarten eine bedeutende Rolle. Kleine Weinbauorte warben mit rebenumrankten Weinfässern und gastfreundlichen Weingrüßen. Die Winzer entdeckten in einem sich wandelnden Weinmarkt zunehmend die Potenziale der Weinwerbung, vor allem als sich Markenbewusstsein und Firmenstile herausbildeten. (vgl. Postmann 2008b: 32). Sekt verfügte über eine Vorreiterrolle beim Markenbewusstsein. Für den Wein setzte diese Entwicklung erst mit einer gewissen Verzögerung ein. Erste umfassendere Werbeaktivitäten gehen auf den ‚Hauptverband der Weinbautreibenden Österreichs„ zurück, der eine Imagekampagne unter dem Motto ‚Kauft österreichischen Wein„ in der Zwischenkriegszeit startete. Eine Kooperation mit der Werbeabteilung der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer unter der Fachsektion ‚Ö.W.O.K (Österreichischer Wein- und Obstbaukalender) Werbedienst„ schlug den Weinbauern verschiedene Werbemaßnahmen vor: Ansichtskarten, vornehme, ansprechende Flaschenetiketten, sauberer Keller und Ausschankraum sowie freundliche Bedienung sollten den österreichischen Weinen Wertschätzung bei den Kunden bringen (vgl. Postmann 2003: 167). Auf den Verein für österreichische Weinwerbung folgte 1968 das ÖWI, das Österreichische Weininstitut. Neben der Herstellung von Werbemitteln verantwortete das ÖWI das österreichische Weingütesiegel als Qualitätsmerkmal, das sich bis zum Weinskandal hielt. Zusätzlich kreierte das ÖWI die Wort-Bild-Marke ‚Wein aus Österreich„ zur Kennzeichnung originär österreichischer Weine. Zu den weiteren Institutionen zählte der Österreichische Weinwirtschaftsfond mit seiner Primäraufgabe, die Stabilisierung des österreichischen Weinmarktes (vgl. Postmann 2003: 168ff.)

Der Weinskandal führte zu einer weitreichenden Revolution der österreichischen Weinwirtschaft. Als Zeichen des Neubeginns trat an die Stelle des Weinwirtschaftsfonds die ‚Österreichische Weinmarketing Service Ges.m.b.H.„, unter Federführung des Landwirtschaftsministeriums. Die Vermarktung österreichischen Qualitätsweins zählte zum Hauptaufgabengebiet des Wiederaufbaus nach 1985. Ins Blickfeld rückte der Konsument, der durch Information und Verständnis über das Produkt Wein langfristig am Wein interessiert werden sollte (vgl. Postmann 2003: 177). Der ganzjährige ‚Salon Österreichischer Wein„ löste die österreichische Bundesweinmesse ab und die Weinakademie in Krems bot Weinseminare, Kurse, Tagungen und Kulturprogramme an (vgl. Muck 1994: 31). Die Weinakademie in Rust richtet sich nicht nur an Winzer, sondern auch an die immer größer werdende Gruppe von Weininteressierten. Weitere Schritte in diese Richtung erfolgten durch die Installierung des Bakkalaureatsstudiums ‚Internationales Weinmanagement„ an der Fachhochschule Eisenstadt und das Masterstudium mit der Bezeichnung ‚Internationales Weinmarketing„. An der Universität für Bodenkultur in Wien lässt sich seit 2004 ‚Weinbau, Önologie und Weinwirtschaft„ studieren (vgl. Winkler 2010: 41).Verschiedene Organisationen trugen zur positiven Bewertung des Weines in der Öffentlichkeit bei, allen voran die ÖWM, die das Ansehen des heimischen Weines entscheidend mitbestimmte. Für ein alkoholisches Getränk erlebt der Wein eine einzigartige, bejahende gesellschaftliche Entwicklung, die das Ergebnis zahlreicher Kampagnen ist (vgl. Winkler 2010:7).

Trotz dieses überwiegend positiven Images zählen die österreichischen Weinproduzenten und Dachorganisationen größtenteils zu kleinen Unternehmen mit weit zurückreichenden Traditionen, aber relativ geringen Marketing-Budgets. Ohne eine entsprechende Vermarktung ihrer Weine können die Winzer auf dem globalen Verdrängungsmarkt kaum bestehen. Österreichische Weinproduzenten benötigen ein ausgezeichnetes Ansehen und eine Unverwechselbarkeit, um sich gegen die ausländische Konkurrenz durchzusetzen. Die geringen finanziellen Möglichkeiten erschweren den Kampf gegen Weinexportnationen wie Südafrika oder Australien, die über andere Kapazitäten verfügen. In Südafrika kümmert sich ein einziges Unternehmen um die Distribution von 80 Prozent der Weine. In Australien teilt sich der Anteil auf vier große Unternehmen auf. Frankreichs Weinexporte hatten massiv mit der Konkurrenz aus Übersee zu kämpfen, da sie dem Wunsch der Konsumenten nach Weinen in der Preisklasse zwischen fünf und zehn Euro nicht nachkamen. Die französischen Weinbauern blieben ihrer Tradition nach Einzelkämpfer und verloren gegenüber den neuen Weinnationen an Boden auf einem globalen Weltmarkt (vgl. Misiura 2006: 202ff.).

Im Vergleich dazu zählt zu den Charakteristika der österreichischen Weinlandschaft der Zusammenschluss der Winzer zu Markengemeinschaften, mit dem Ziel sich besser vermarkten zu können. Die Herkunftsbezeichnung DAC, mit eigens auferlegten Qualitätsvorgaben, die über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen, stellt das Gemeinsame einer Region in den Vordergrund (vgl. Winkler 2010: 91). Eine solche Dachmarke und die dazugehörige Gemeinschaftswerbung verfolgen keine Einzelinteressen, sondern repräsentieren eine ganze Region und ihren Wirtschaftszweig (vgl. FoullonMatzenauer 1966: 121). Überbetriebliches Marketing muss sich als ein Ganzes von den Marketingmaßnahmen der einzelnen Weingüter abheben. Besonders hoch entwickelte Werbung und Einzelinteressen können sich hinderlich auf die Gesamtheit einer Region und Dachmarke auswirken (vgl. Foullon-Matzenauer 1966: 75).

2.6.1. Weinmarketingtrends

Trotz des Bedeutungszuwachses der Vermarktung von Nahrungsmitteln nimmt der Wein in diesem Spektrum eine Sonderstellung ein. Die Weinwirtschaft konzentriert sich heute noch stark auf das Produkt und dessen Erzeugung und orientiert sich weniger an den Kundenwünschen. Im Unterschied zu industriell hergestellten Gütern, wie dem Bier, gelten für landwirtschaftliche Erzeugnisse, wie dem Wein, andere Spielregeln. Produktionsmengen lassen sich nur bedingt auf einen Käufermarkt ausrichten. Trends und Modeerscheinungen spielen für die Weinproduktion nur eine untergeordnete Rolle. Der Wein stellt besondere Anforderungen an das Marketing und zeigt einer allzu kundenorientierten Ausrichtung gewisse Grenzen auf (vgl. Jaretzky 2007: 9). Da aber die Politik die Weinerzeuger nicht mehr in einem Ausmaß, wie zur Zeit der Weinfonds, subventioniert, gewinnt sowohl Gemeinschafts-, als auch Einzelmarketing zunehmend an Bedeutung. Franz Gosch (2002: 27) geht von sieben Trends im Weinmarketing aus, zu denen neben Authentizität, Individualität, Spaß/Fun, Wine-Surfing (Nutzung des Internets), dem Motto weniger ist mehr (Klarheit, Einfachheit), auch der Gesundheits- und Wellnesstrend sowie die Retro-Idee zählen. Retro in Verbindung mit Authentizität kann für ein Mehr an Treue und Image beim Kunden sorgen. Zum Retroportfolio zählen die Wiederbelebung alter Weinsorten, Familien-, Region- und Weintraditionen, das Bewahren und Retten von Ähistorischer ‚Altheit„“ (Gosch 2002: 27), die Bausubstanzen ebenso wie Vulgonamen betrifft.

2.6.2. Die Vermittlung von Werten und Imageprofilierung

Traditionssymbole üben eine bestimmte Signalfunktion aus, um bestimmte Werte zu vermitteln. Besonders vor dem Hintergrund der zunehmenden Unschärfe in modernen Gesellschaften und Märkten braucht es eindeutige Signale, die damit zum Chiffre für Bekanntheit und Vertrautheit avancieren (vgl. Buß 2006: 199). Auch wenn der Kunde den Wein, zumindest theoretisch durch Direktkauf beim Winzer verkosten kann, zählt er doch überwiegend zu den Erfahrungsgütern. Qualität und Nutzen lassen sich für viele Kunden erst durch Gebrauch und Erfahrung ex post beurteilen (vgl. Kiefer 2005:142f.). Weine desselben Winzers aus zwei nachfolgenden Jahren können sehr unterschiedlich ausfallen und führen zu einer Qualitätsunsicherheit auf Nachfrageseite. Diese Produktunkenntnis sorgt für eines der größten Hindernisse beim Weinkauf, da hier die Wahl besonders schwer fällt. Gelegentliche Weintrinker greifen oft zu alkoholischen Getränken mit weniger Kenner- Anspruch wie dem Bier. Das Bierangebot im Supermarkt ist überschaubarer als das Weinangebot, das sich aus Weinen der verschiedenen Weinregionen aus verschiedenen Bundesländern sowie europäischen und Weinen aus Übersee zusammensetzt.12 Durch diese Unübersichtlichkeit sehnt sich der Konsument nach einer Orientierungshilfe (vgl. Postmann 2011).

Anstatt rationaler Argumente für oder gegen ein Produkt, Design oder technischen Finessen, die allesamt kopiert werden können, spielt die Vermittlung von Werten in der Kommunikation nach außen eine gewichtige Rolle (vgl. Fog/Budtz/Yakaboylu 2005: 20). Für das Image stehen neben den Produkteigenschaften sowie sachlichen Information vor allem Gefühle, die mit dem Produkt in Verbindung gebracht werden sollen, im Mittelpunkt. Der Begriff des Images tauchte erstmals in den 1950er Jahren in der amerikanischen Absatzforschung auf:

ÄDas Image ist nicht eine Sammlung rationaler Urteile, sondern ein vorwiegend irrationales Abbild von Vorstellungen, Empfindungen, Wertungen, Assoziationen im weitesten Sinn, das wie eine Aura alle Gegenstände des Bewußtseins umgibt und offenbar einen starken subjektiven Wirklichkeitsgehalt besitzt.“ (Noelle 1963: 284)

Im Image des Weines steckt ein wesentlicher Beeinflussungsfaktor für das Kaufverhalten. Dabei geht es nicht allein um die objektive Beschaffenheit einer Ware, sondern um das Bild, das sich der Käufer vom jeweiligen Produkt macht (vgl. Foullon-Matzenauer 1966: 55f.). Weinimage unterliegt einer räumlichen Fixierung, da Weinen aus bestimmten Gebieten immer ein gewisser Ruf vorauseilt. Weine aus der Neuen Welt fallen in ihrer Wahrnehmung in die Kategorie ‚Popweine„. Da ein solches Image sich durch hohes Prägnanzniveau, zeitliche Stabilität und eine Veränderbarkeit nur unter bestimmten Bedingungen auszeichnet (vgl. Breuss/Liebhart/Pribersky 1995: 35), kommen Weinnationen nur schwer von ihrem Image los. Nach dem Weinskandal 1985 brauchte es viele Jahre und viele Kampagnen, um Österreich als Erzeuger von Qualitätsweinen zu positionieren.

2.6.3. Identitätsstiftender Konsum durch mit Werten aufgeladener Güter

Nach dem Weinskandal setzte eine flächendeckende Erweiterung der Kenntnisse über den Wein bei Produzenten sowie Konsumenten ein. Durch den Wissenszuwachs entstand ab den 1990er Jahren eine Weinszene und ein common sense über den Wein in Verbindung mit einer sich ausbreitenden Kommerzialisierung. Designergläser, architektonisch neu gestaltete Produktionsstätten sowie weitere Nebenprodukte der Weinwirtschaft mit ästhetischen Werten aufgeladen spielen eine Rolle bei der Gewinnung neuer Kunden und Märkte. Gerade am Beispiel der Weinnebenprodukte und deren Entwicklung zeigt sich, dass die Grenzen nach oben weiter offen stehen (vgl. Winkler 2010: 101). Trotz dieser, alles umgreifenden, Modernität reagierte der Weinmarkt auf allgemeine Konsumtrends, die sich der Tradition, dem Erbe und der Vergangenheit zuwandten. In diesem Kontext kristallisierten sich neue Bewertungsmaßstäbe für die Reputation von Produkten heraus: regionale Herkunft, der Stellenwert von historischen Bezügen, die Grenzverschiebungen von Loyalitäten, die Haltung zu transnationalen Prozessen und Strukturveränderungen sowie - allen voran - Ädie damit verbundene Suche nach Sicherheit und vertrauten, historisch gewachsenen Orientierungssymbolen“ (Buß 2006: 199f.). Einfachheit, Bäuerlichkeit, Handwerk und Natur erleben im 21. Jahrhundert eine Renaissance. Der von Oscarpreisträger und Regisseur Stefan Ruzowitzky inszenierte Werbespot für Billa, der das Bild eines Bauern mit seinem Schweinderl in einer natürlichen Umgebung zeichnet, versteht sich als typischer Gegenpol zur globalisierten Lebensmittelindustrie (vgl. Postmann 2011). Konsumenten setzen mit ihren Kauf- oder auch Urlaubsentscheidungen immer auch kulturelle Zeichen auf der Basis von Werten, Prinzipien und des Zeitgeist. Durch die Bewusstmachung dieser Prinzipien grenzen sie sich von anderen Prinzipien und Auffassungen, somit auch von Produkten, ab. Mary Douglas spricht in diesem Fall von einem shopping against (vgl. Douglas 1997: 9). Jede Wahl beinhaltet auch eine kulturelle Komponente und steht für ein Votum für eine bestimmte Art bzw. für eine Ablehnung eines anderen Typus. In den Produkten, mit ihrer Fähigkeit als Signale zu agieren, spiegeln sich symbolische Aspekte wider (vgl. Karmasin/Karmasin 1997: 15). Auf den Weinmarkt bezogen, steht der heimische Wein etwa für Region, Tradition, Handarbeit und Natürlichkeit, während Neue-Welt-Weine etwa für Globalisierung, Moderne, Massenproduktion und fragwürdige Erzeugungsmethoden durch die ‚sanften„ Vorgaben von staatlicher Seite stehen können. Diese Darstellung ist sehr verkürzt und überzogen, doch etliche Kunden treffen ihre Kaufentscheidung gegen nicht-österreichischen Wein aus genannten Gründen.

Konsumenten wählen ihre Produkte nicht nur nach strikt ökonomischen Überlegungen aus. Konsumgüter tragen wesentlich dazu bei, uns eine Identität zu geben und unsere soziale und weltanschauliche Position zu unterstreichen. Sie dienen zur Einbeziehung von Menschen in die Gemeinschaft, aber sie können auch andere von dieser Gemeinschaft ausschließen. Mittels Produkten erfolgt die Sichtbarmachung von kulturellen Idealen wie Heimat, Tradition, Zukunft, etc. Sie stehen für Zeichen und Botschaften, die mittels Inwertsetzung etwa durch Werbung verstärkt werden (vgl. Karmasin 1999: 14f.). So entsteht aus einfachen Gebrauchsgegenständen13 ein emotional aufgeladenes Objekt. Auch der Konsument stattet ein materielles Objekt mit Bedeutung aus, das auch dazu beiträgt, Identitäten auszubilden und Botschaften auszusenden (vgl. Karmasin 1999: 218). Wir navigieren durch unsere Welt mittels Symbolen und visuellen Ausdrucksformen, die unsere Person und unsere Werte repräsentieren. Konsum ist eine wichtige Möglichkeit uns auszudrücken und uns von anderen abzugrenzen. So verlor der Verbraucher seine Rolle als bloßer Käufer von Produkten und ersetzte diese durch seine Rolle als Äbereitwilliger Abnehmer konstruierter Konsum- und Lebensstilmythen“ (Sack/Schug 2009: 368). Werbung schafft Lifestyle im Umfeld von Produkten vergleichbar mit klassischen Mythen einer Gesellschaft.

2.6.3.1. Der Wert ‚Natürlichkeit‘

Zu einem dieser Mythen zählt die Natur, die für den Wein eine besondere Rolle spielt. Die Werbung kennt drei Argumentationsformen, um Natürlichkeit einzusetzen: Etwas ist wertvoll, weil es sich aus natürlichen Bestandteilen zusammensetzt, ein Produkt stammt aus einem besonderen natürlichen Raum oder ein Lebensmittel entsteht ohne technisierte Herstellungsverfahren (vgl. Karmasin 1999: 235). Der Wein lässt in die ersten beiden Argumentationsformen problemlos einordnen. Auch technische Hilfsmittel spielen für den Wein nur eine untergeordnete Rolle, da das Endprodukt überwiegend von den Entscheidungen und handwerklichen Fähigkeiten des Winzers abhängt. Weinbau sowie Teile der Spirituosenproduktion zählen traditionell zum agrarischen Sektor, während Bier und andere Teile der Branntweinerzeugung dem industriellen Sektor angehören (vgl. Eisenbach- Stangl 1991: 16).

Durch diese Zuteilung bringt der Konsument den Wein eher als andere Alkoholika in Verbindung mit Natur und Natürlichkeit. Gerade seine Natürlichkeit bereitete dem Wein noch bis in die 1970er Jahre große Sorgen. Er stand in Konkurrenz mit industriell erzeugten Getränken, die über eine konstante, gleichbleibende Qualität verfügten. Dieses Verhältnis wandelte sich mit dem Zeitgeist. Heute steht die Bierwirtschaft in Misskredit durch die Monopolisierung des globalen Biermarktes und einer Nivellierung des Geschmackes. Durch die vielen Klein- und Mittelbetriebe profitierte das Image der Weinproduzenten, die der Konsument weder mit Massenprodukten noch industrieller Herstellung in Verbindung bringt. Besondere Synergieeffekte traten zum Vorschein, wie die vom Verbraucher verlangte Natürlichkeit und die Individualität der Winzer und ihrer Produkte, die sich mit der Individualisierung des Konsumenten abstimmen lassen (vgl. Postmann 2011).

2.6.3.2. Der Wert Qualität und dessen einsetzender Bedeutungsverlust

Trotz dieses Imagegewinns leidet auch die Weinwirtschaft durch den zunehmenden Verdrängungswettbewerb, der nicht nur die klassischen Konsumgüter betrifft, sondern auch den Bereich der Dienstleistungen und Investitionsgüter. Auf allen Ebenen gelten Märkte heute weitgehend als gesättigt. Dies trifft ganz allgemein auch für den Weinmarkt zu, selbst wenn in einzelnen Rekordjahren der Weinkonsum deutlich ansteigen konnte. Für viele Wirtschaftsbereiche ergibt sich daher nur eine Möglichkeit seine eigene Position zu verbessern, nämlich die Marktanteile seiner Konkurrenten abzuschwächen. Durch die Austauschbarkeit vieler Produkte auf Basis einer ähnlichen hohen Qualität, bleiben die entscheidenden Unterscheidungskriterien Image und Kommunikation über, die für eine Optimierung der Wahrnehmungsqualität sorgen können (vgl. Herbst 2008: 73f.). Am Weinmarkt eignet sich Qualität nur bedingt für die Kommunikation nach außen, da diese der Konsument erwartet. Der Imagefaktor Qualität ist endlich, da Qualität heute auf breiter Front passiert durch den technischen Fortschritt und die Professionalisierung, die für eine immer bessere Grundqualität von Weinen verschiedenster Herkunft sorgt. Wie die Testergebnisse der Diskonter zeigen, hängt Qualität auch nicht mehr zwangsläufig mit dem Preis zusammen. Der Wettbewerb zwischen der Neuen und der Alten Welt ließ das Qualitätsniveau erheblich steigen bei gleichzeitig attraktiven Preisen für den Konsumenten (vgl. ÖWM 2010b: 50).

Im internationalen Vergleich fielen österreichische Weine bezüglich ihrer Qualität bis auf die jüngste Vergangenheit kaum auf. Über eine herausragende Qualität des heimischen Weines geben die historischen Quellen keine Auskunft. Neben dem Tokajer beeindruckten im Habsburgerreich nur der Ruster und der grenznahe Ödenburger Wein als herausragende Produkte, die allerdings damals noch zu Ungarn gehörten.14 Erst spät, als eines der letzten europäischen Weinbauländer, vollzog Österreich den Schritt zum Qualitätsweinbau. Das Krisenjahr 1985 sorgte für einen Zusammenbruch des Weinhandels. Der Glykolskandal lehrte der heimischen Weinwirtschaft, dass ihre Zukunftschancen im qualitativen und nicht im quantitativen Weinbau bestehen. Die Winzer griffen auf ihr organisch-biologisches know-how zurück, das heute als wichtige Voraussetzung jeder qualitätsorientierten Vinifikation gilt (vgl. Muck 1994: 22).

Als Sieger gingen die Winzer hervor, die sich der Qualität verschrieben hatten (vgl. Priewe 1997: 172).15 Meist brachte das Wendejahr einen Generationenwechsel mit sich, gefolgt von qualitätssteigenden Neuerungen: Weinbau unter Berücksichtigung des integrierten Boden- und Pflanzenschutzes und der Anbautechnik, Abkehr von Massenproduktion, Intensivierung der Weingartenarbeit, Gründüngung, bewusster und schonender Einsatz von Spritzmitteln, ertragsreduzierender Rebschnitt sowie Verbesserungen in der Kellertechnologie durch Barriqueausbau, gekühlte Gärung und Säureabbau (vgl. Dähnhard 1995: 29). Nach einigen dürren Jahren der Identitätsneufindung erlebte die Weinwirtschaft einen bedeutenden Aufschwung. Nachdem der Großteil der Winzer sich in den Folgejahren der Qualität verschrieben hatte, blieb ein Weg zurück versperrt durch die gestiegenen Erwartungen der Konsumenten:

Wenn sich jemand oder eine Gesellschaft als Ganzes daran gewöhnt hat, dass Bedürfnisse auf einem bestimmten Niveau befriedigt werden, ist es nahezu unmöglich, wieder zu früheren, weniger perfekten Befriedigungsniveaus zurückzukehren - man ist verwöhnt und tut sich schwer, Bedürfnisse oder die Ansprüche auf bestimmte Niveaus der Bedürfnisbefriedigung wieder zurückzuschrauben. (Karmasin 2007: 41)

Nach Erreichung eines international anerkannten Niveaus und der Anpassung an globale Qualitätsstandards verlor das langjährige Verkaufsargument Qualität an Bedeutung, auch weil Qualität ohnehin in Werbe- und Alltagssprache fast schon eine inflationäre Verwendung erlebt (vgl. Herbst 2008: 136). Die Aufladung des Weines mit anderen Werten beginnt allmählich das Qualitäts- und Perfektionsargument zu ersetzen. Trotz der besten Vermarktung kann der Winzer dennoch keinen Erfolg haben, wenn die Qualität seines Produktes nicht stimmt. Doch neben der Qualität ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, ein Erzeugnis wie den Wein mit Bedeutung für den Konsumenten sowie für die Weinregion aufzuladen. Das immaterielle Kulturerbe im Verständnis der UNESCO, bietet ein solches Potenzial, um auf eine kulturelle Kontinuität zu verweisen, bei der auch die Gegenwart eine wichtige Rolle spielt und mit der sich außerdem Schlüsselwerte wie Qualität, Herkunft, Tradition und Geschichte besser kommunizieren lassen.

3. Kultur als Gegenstand von Erbe, Tourismus und Nahrung

Da zentrale Begriffe wie Kulturerbe, Kulturlandschaft oder Kulturtourismus zu den Eckpfeilern der Arbeit gehören, bedarf es einer Erläuterung des verwendeten Kulturbegriffes. Kultur lässt sich nicht auf Basis von Kriterien und Standards wie (Wein-)Qualität messen und definieren. Generell ist Kultur ein weites Feld, das je nach Epochen und Diskurs-Orten vielfältige Zuschreibungen erhalten hat. Über diese Vieldeutigkeit des Kulturbegriffes schrieb der Wissenschaftler und Autor Raymond Williams, der mehr als hundert moderne Verwendungsweisen von Kultur aufführte. Er unterteilte grob in Künste und religiöse, politische und soziale Überzeugungen, die Menschen miteinander teilen (vgl. Sennett 2008: 17). Raymond Williams bezeichnete Kultur als Referenzsystem gesellschaftlicher Analyse. Diesem Verständnis von Kultur als ‚a whole way of life‘, ähnlich dem semiotisch- anthropologischen Kulturbegriff von Geertz, folgte eine weitere Ausweitung des Kulturbegriffes. Kultur bedeutet nicht mehr nur die gelebte Tradition der Praktiken einer Gruppe und Klasse, die sich im Verhalten der Menschen verkörpert und sie in ihrem Umfeld vernünftig agieren lässt. Neue Begriffsbestimmungen reichen über dieses semiotische Kulturverständnis hinaus, die soziale Dynamiken und kulturelle Wandlungsprozesse besser greifbar machen:

Die Analyse von Kultur und ihren Metamorphosen konzentriert sich auf die Totalität des sozialen Erbes und der sozialen Institutionen, der Künste des kollektiven Wissens und der Zeremonienhandlungen, die in eine höhere Ordnung religiöser oder säkularer Formen eingebunden sind. Die speziellen Ausprägungen von Ethnizität und die geschaffenen Techniken bzw. Produktionsformen bestimmten eine Kultur ebenso wie die materiellen Güter, die eine Gesellschaft hervorbringt. (Herdin/Luger 2008: 144)

Dieses Kulturverständnis beinhaltet sowohl Werte einer Gemeinschaft, Normen und auch die materiellen Güter, die durch eine Gruppe entstehen. Diese kulturelle Matrix (vgl. Baumann 1999) ist nicht statisch, sondern verändert sich ständig.16 Darauf baut auch das Kulturverständnis der UNESCO mit ihrer Welt- und Kulturerbepolitik auf, die 1982 bei der Weltkonferenz über Kulturpolitik in Mexico City den Grundstein für die Verwendung eines weiten Kultbegriff legte, der vorgibt, dass die Kultur in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden kann, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen. (Deutsche UNESCO-Kommission 1982: o.S.)

Damit begann eine Loslösung von der bisherigen Ansicht von Kultur als Hochkultur, die sich dem engen Kulturbegriff zuordnen lässt. Dazu zählen im Wesentlichen Angebote aus dem Bereich der Kunst-, Musik- und Literaturgeschichte. Der weite Kulturbegriff umfasst regionale Sitten, Bräuche, Lebens- und Wirtschaftsweisen, traditionelles Handwerk und Produktionsformen, regionale Küche, Sprache, Musik, moderne Architektur, Industriedenkmäler und vieles mehr (vgl. Brandstetter 2003: 29). Er bildet die Grundlage für die Politik der Inwertsetzung kulturellen Erbes, zu der die UNESCO mit ihren Listen der schützenswerten Kulturgüter wesentlich beitrug.

3.1. Die Kulturerbepolitik der UNESCO

In der Agenda der UNESCO nimmt die Welterbepolitik nur einen verhältnismäßig geringen Anteil ein. Primär verfolgt die 1945 gegründete Organisation das Ziel, mit Bildung die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben zu bewerkstelligen. Die Idee, das Erbe der Menschheit zu schützen, resultierte aus den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges.17 Vorläufer fanden sich bereits in der Tradition der europäischen Denkmalpolitik mit ihrem Ausgang im 19. Jahrhundert. In vielen Bereichen der Erde bedrohen heute nicht mehr ‚nur„ Kriege die kulturellen Güter, sondern der rasante Fortschritt der sozioökonomischen Lebensbedingungen. Das Welterbeabkommen aus dem Jahre 1972 reagierte auf die potenzielle Verarmung kultureller Diversität. Über die Prädikatisierung sollte sich ein Bewusstsein für den Wert des Natur- und Kulturerbes entwickeln und der Zugang für nachfolgende Generationen sichergestellt werden. Sichtbares Zeichen nach außen stellt die Welterbeliste dar, die mit Stand August 2010 911 Denkmäler aus 151 Ländern umfasst (vgl. Tauschek 2010: 54ff.). Der Umfang der Liste bleibt nach oben hin offen, da sich durch das immaterielle Kulturerbe die Liste beliebig erweitern lässt.

Kulturerbe schließt im 21. Jahrhundert nicht nur die physisch greifbaren Dinge (tangible) ein, sondern auch die geistigen, immateriellen Elemente (intangible). Schon vor der Erweiterung der Welterbeliste durch das immaterielle Erbe, beschrieb Krzysztof Pomian die immateriellen Kulturgüter in seiner Betrachtung über das Sammeln als Semiophoren, als ÄGegenstände ohne Nützlichkeit im eben präzisierten Sinn (materielle Dinge, S.R.) […], die das Unsichtbare repräsentieren, das heißt die mit einer Bedeutung versehen sind“ (Pomian 1988: 50). Gegenstände, ob materiell oder immateriell erhalten dann einen Wert, wenn sie geschützt, aufbewahrt oder reproduziert werden. Damit eine Gruppe oder ein Individuum einem Gut einen Wert zuschreibt, muss dieser entweder nützlich oder mit einer bestimmten Bedeutung versehen sein (vgl. Pomian 1988: 50).

Diese mit Wert versehenen Kulturgüter inkludieren den way of life einer Gesellschaft, ihre Lieder, Sprachen, zeremonielle und rituelle Weisheiten, ihre Ess- und Trinkgewohnheiten und auch die Beziehungen der Menschen zu ihrem Land. Was in den frühen 1990er Jahren noch unter den Begriff Folklore fiel, erlebte im 21. Jahrhundert durch die Bezeichnung immaterielles Kulturerbe eine Aufwertung (vgl. Oberreiter 2009: 30). Als sich die UNESCO in der Konvention von 2003 dem abstrakten Begriff des immateriellen Kulturerbes zuwandte, reagierte sie auf die durch die globalen Standardisierungsprozesse bedrohte kulturelle Vielfalt und erklärte den Schutz dieser Vielfalt als eines der wichtigsten Ziele der internationalen Kulturpolitik (vgl. Meyer-Rath 2007: 149). Schutz bezog sich bis dahin vor allem auf Kultur- und Naturlandschaften sowie Kulturdenkmäler. Immaterielles Erbe bedingte einen neuen Schutzbegriff, der sich von einer Musealisierung löste und lebendige

Weitergabe und Möglichkeiten zur Entwicklung von kulturellen Praktiken voraussetzte (vgl. Walch 2006: 2f.). Gemäß Definition der UNESCO findet sich immaterielles Kulturerbe in fünf Domänen wider:

(i) Oral traditions and expressions, including language as a vehicle of the intangible cultural heritage;

(ii) Performing arts;

(iii) Social practices, rituals and festive events;

(iv) Knowledge and practices concerning nature and the universe;

(v) Traditional craftsmanship

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Übersicht ͣImmaterielles Kulturerbe“ (Walch 2006: 2)

Trotz dieser scheinbar klaren Definition des immateriellen Kulturerbes durch die UNESCO bleibt die Begriffsfestlegung nur richtungsweisend. Über die Interpretation des kulturellen Erbes bestimmen andere Gruppen. Österreich schuf die Basis für die Ratifizierung des ‚Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes„ mit der Schaffung der Nationalagentur für das Immaterielle Kulturerbe im Jahr 2006. Seit Jänner 2010 verwaltet die Nationalagentur eine eigene Liste des nationalen immateriellen Erbes mit mehr als vierzig Kulturgütern. Trotz der transnationalen Vorgaben für den Schutz des kulturellen Erbes bekommen Nationalstaaten zwangsläufig mehr Macht über die Regulation der kulturellen Produktion (vgl. Welz 2007: 326). Neben der UNESCO tragen unterschiedliche Organisationen, ökonomische Interessen sowie die nationale Politik wesentlich zu einer Musealisierung von Stadtteilen, Kulturlandschaften oder Regionen bei. Über das eigenständige kulturelle Erbe kehren ganze Regionen ihre Einzigartigkeit in der globalen Welt hervor. Historische und/oder kulturelle Ressourcen bilden die Basis, um sich mittels kulturellen Symbolen und Identitäten neu zu definieren (vgl. Ploner 2006: 15). Kulturerbe im Verständnis der UNESCO schließt explizit den Begriff der Authentizität nicht ein. Authentisch beinhaltet bis zu einem gewissen Grad etwas Unveränderbares und widerspricht so dem Kulturbegriff der UNESCO mit seiner Anpassung auf die jeweiligen Lebensumstände. Kulturelle Praktiken können einzig durch Wiederholung und Weitergabe erhalten bleiben mit allen kleinen oder größeren, intendierten oder nicht intendierten, Abweichungen. Es kann keine historisch korrekte Originalversion für ein Erbe geben. Auch lässt sich der Grad der Abweichung von der ursprünglichen Version für die Gegenwart nicht bestimmen (vgl. Meyer- Rath 2007: 164).

Das Konzeptes des kulturellen Erbes verweist auf Parallelen zu Theoriegebäuden18 aus der Geschichtswissenschaft, wie dem kulturellen Gedächtnis von Jan und Aleida Assmann, Pierre Noras lieux de mémoire oder auch der invention of tradition von Eric Hobsbawm (vgl. Bendix/Hemme/Tauschek 2007: 9). Mit allen Ansätzen lässt sich die diskursive und repräsentative Verwendungsweise von Vergangenheit in gegenwärtiger Absicht rekonstruieren. Allerdings verweisen diese Ansätze auf eine spezielle Rekonstruktion von Geschichte durch die Infragestellung des Nationenbegriffs. Parallelen ergeben sich mit dem Kulturerbe allerdings bei der Verwendung der Vergangenheit zur Stärkung kollektiver Identitäten (vgl. Sachse/Wolfrum 2008: 17).

3.1.1. Von der Tradition zum Kulturerbe

Das Welterbe der UNESCO bildete den Katalysator für die Idee des Kulturerbes auf verschiedenen Ebenen. Zum weiten Begriff des kulturellen Erbes zählen eine Vielzahl konkreter kultureller Praktiken, denen die UNESCO nicht den Status ‚der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit„ verlieh und die sich auch nicht auf den nationalen Listen finden. Viele solcher Praktiken beschreiben sich auch nicht in ihrer Selbstdefinition als Kulturerbe. Andere intangibles, die nicht den Vorgaben der UNESCO entsprechen, werben explizit mit ihrem Erbe wie etwa im Tourismus (vgl. Tauschek 2010: 28). Vor allem im deutschsprachigen Raum ist die Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe ein relativ neues Phänomen. In der deutschen Sprache fehlt schon lange ein Überbegriff, während sich im Englischen und Französischen mit heritage und patrimoine dieser bereits vor langer Zeit etabliert hat. Die deutsche Literatur führt prinzipiell den Begriff der Tradition, den das kulturelle Erbe im 21. Jahrhundert weitgehend ablöste. ÄWas der Moderne die Tradition, scheint der späten Moderne das Welterbe (Kulturerbe, S. R.) zu sein.“ (Tschofen 2007: 23)

Zwischen Tradition und dem kulturellen Erbe lässt sich nicht trennscharf unterscheiden. Andere Begriffe wie Kulturgüter, Denkmäler oder Museumsbestände beschreiben Teilbereiche, doch umfassen sie das Kulturerbe nicht in seiner Ganzheit. Im 21. Jahrhundert scheint sich der Begriff Kulturerbe oder kulturelles Erbe durchzusetzen, auch wenn das Erbe ohne ein beschreibendes Adjektiv im Sprachgebrauch kaum existiert. Erst das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts sorgte für eine zunehmende Verwendung von heritage, patrimoine oder Kulturerbe im jeweiligen Sprach- oder Kulturraum (vgl. Swenson 2007: 55ff.). Im 18. Jahrhundert gab es zumindest schon in der Theorie die Vorstellung, dass jedes Artefakt ein Monument sein könnte. Die Bewahrung dieser Monumente reduzierte sich allein auf den Erhalt bedeutender Bauten und sonstiger (Hoch-)Kulturgüter aus dem Mittelalter. Doch Urbanisierung und Industrialisierung erweiterten den Denkmalbegriff und schlossen zunehmend volkstümliche Elemente mit ein (vgl. Swenson 2007: 64).

Im heutigen Verständnis muss Kulturerbe sich nicht zwangsläufig auf materielle Hinterlassenschaften beziehen. Der Begriff steht vor allem auch für das doing culture mit seinem breiten Spektrum von der Weitergabe der kulturellen Praktiken und Wissensbestände. Ältere Generationen übernahmen dieses Erbe, passten es an ihre jeweiligen Lebensumstände an und gaben es an die jüngere Generation weiter (vgl. Meyer- Rath 2007: 151). Selbst die Wissenschaft sieht in der Bewahrung des Fassbaren ebenso wie des Nicht-Fassbaren eine Bedeutung für die jeweilige Gesellschaft. Wenn ein altes Musikinstrument zwar erhalten ist, aber die orale und textuale Information darüber verloren ging, erscheint es für den kulturellen Kontext kaum brauchbar (vgl. Weigelt 2007: 139).

3.2. Kulturerbe und seine Bedeutung im Tourismus

Dieser kulturelle Kontext spricht vor allem Touristen an, die sich für Erbe in all seinen Formen interessieren. Geschichte ließ sich in Tourismusregionen immer schon erleben und nicht erst mit dem Aufkommen der Erlebnisgesellschaft. Kulturelles Erbe wirkte auf den Tourismus schon bevor der Begriff allgegenwärtig wurde und der Kulturtourismus zur Wachstumsbranche avancierte. Heritage Industry, ein Begriff geprägt von Robert Hewison, bezeichnet eher negativ die nahezu unbegrenzte Reproduzierbarkeit von kulturellem Erbe in der Tourismuswirtschaft (vgl. Ploner 2006: 73f.). Im Kontext des Aufstieges des Kulturtourismus erlebte heritage einen enormen Bedeutungszuwachs.

[...]


1 Aufgrund der wichtigen Funktion als Kalorienspender sehen viele Gruppen und Kulturen im Wein und Bier selbst heute noch ein Lebensmittel (vgl. Priewe 1997: 244).

2 Trotz des nahezu unüberschaubaren Angebotes finden sich auch vereinzelt österreichische Erzeugnisse wie der Grüne Veltliner in den Weinkarten der amerikanischen Spitzengastronomie (vgl. Winkler 2010: 16).

3 Auch der Weinkauf im Supermarkt legte in den letzten Jahren deutlich zu und verließ dabei das Billigsegment.

4 Aufgrund des ausgiebigen Weinbaus, Weinhandels und Konsums blieb die Geschichte der Stadt Wien eng mit dem Wein verbunden. Davon zeugen heute noch riesige mehrstöckige Weinkeller wie auch der berühmte k. u. k. Hofkeller unter der Hofburg. Dort lagerten über einen langen Zeitraum die besten Weine Europas. Vorzeigeobjekt war der Vorrat an Tokajerweinen, den selbst Napoleon während der Besetzung Wiens nicht finden konnte, da die Hofkellerei sie vorsorglich versteckte. Der Bestand wurde nach dem Ende der Monarchie versteigert und ein großer Teil der Erlöse floss in den Kriegsinvalidenfond (vgl. Dähnhard 1995: 222). Auch zum Bau eines der wohl wichtigsten Aushängeschilder der Stadt trug der Wein seinen Teil bei. Der saure Wein aus dem Jahr 1456 sollte ursprünglich weggeschüttet werden. Doch auf Anordnung Friedrichs III., der den Wein als Geschenk Gottes nicht verschwenden wollte, nahmen ihn die Wiener zum Anrühren von Mörtel für den Stephansdom (vgl. Dähnhard 1995: 222)

5 Meine Arbeit erhebt keinen Anspruch auf die Gesamtheit des immateriellen Erbes, sondern bezieht sich nur auf die beiden für das Weinerbe bedeutenden Bereiche traditionelle Handwerkstechnik sowie Wissen und Praktiken im Umgang mit Natur und Universum, auf die sich auch Oberreiter bezieht. Deshalb vernachlässige ich eine Auseinandersetzung mit den ersten drei Bereichen des immateriellen Kulturerbes, die Oberreiter (2010: 39-41) ausführlich behandelt.

6 Ernährungswissenschaftler und Mediziner betrachten den Wein unter anderen Gesichtspunkten als Sozial- und Kulturwissenschaftler. Für sie liegt der Schwerpunkt auf die Zusammensetzung des Weines sowie die Auswirkungen auf den Organismus (vgl. Barlösius 1999: 41).

7 Historische Weinliteratur erschien meist in einem anderen Kontext. Mittelalterliche und frühneuzeitliche Literatur über den Wein fiel in den Bereich der Hausväterliteratur. Diese frühe Ratgeberliteratur umfasste neben Kinderziehung, Kochrezepten, Haushaltsführung auch Fragen rund um die Landwirtschaft, die den rechten Anbau der Rebe miteinschloss. In abgeänderter Form erhielt sich diese Art der Literatur bis heute. Vor allem der aufkommende Qualitätsgedanke des 18. Jahrhunderts und die Entwicklungssprünge der Keller- und Anbautechnik des 19. Jahrhunderts sorgten für einen Bedeutungszuwachs. Zum Weinbau als Thema der Literatur gesellten sich im Laufe der Zeit historische, topographische, volks- und betriebswirtschaftliche Werke (vgl. Weber 1980: 11).

8 Und in Folge auch die Ausbreitung durch die Römer, die die griechische Kultur in ihrem Weltreich verbreiteten: von Britannien bis Syrien sowie von Marokko bis zum Schwarzen Meer (vgl. Maurer 2008: 270)

9 Die Mönche griffen überwiegend auf antike Schriften zurück, um den Weinbau zu fördern, die sich über die Klöster verbreiteten und auch Einfluss auf Adel und das Weinbau treibende Bürgertum ausübten.

10 Schon die österreichisch-ungarische Monarchie exportierte ihren Wein nur in geringer Menge ins Ausland. Auch heute konzentrieren sich die Produzenten vor allem auf den heimischen Markt. Für sie gilt heute noch die Feststellung Schlumbergers aus der Monarchie: ÄDie geringe Anzahl der jetzt bestehenden Wein-Exporteure in Österreich vermag bei aller Anstrengung nur einen kleinen Teil des möglichen Geschäftes nach dem Auslande zu vermitteln. Sie sind nicht im Stande, alle vorzüglichen Weingattungen des Kaiserstaates in solchen Quantitäten auf dem Lager zu halten, um größere, vom Ausland eingehende Aufträge jederzeit prompt ausführen zu können.“ (Schlumberger 1937: 127)

11 Soziale Schichtung gab es beim Weinkonsum schon immer. Weltlicher und geistiger Adel tranken qualitativ besseren Wein als Offiziere und Bürger, deren Wein sich wiederum von dem der Dienstboten und sonstigen, sozial niedrig gestellten, Schichten unterschied (vgl. Ligthart 2008: 30).

12 Die Ausdifferenzierung der Nahrungsmittel in Verbindung mit der Aufwertung des Kochens steht für eine neue Connaiseur-Kultur. Viele Konsumenten unterliegen dem Zwang, möglichst viel Wissen über Nahrungsmittel, ihre Herkunft und verschiedene Zubereitungsweisen mitzubringen, um dadurch auch soziale Anerkennung zu erlangen (vgl. Postmann 2003: 266).

13 Den Großteil seiner Geschichte sah der Konsument im Wein ein solch simples Gebrauchsgut und Grundnahrungsmittel. Es diente sowohl als Durstlöscher, als auch als zusätzliche Geschmackskomponente im eintönigen Nahrungsangebot früherer Zeiten. Wein blieb meist in der Kultur einzelner Regionen verhaftet, bedeutete zugleich aber eine wichtige Nebenerwerbsquelle vieler Weinbauer. Im 20. Jahrhundert erlebte der Wein einen Aufstieg von einem Grundnahrungs- zu einem Genussmittel, der seinen Platz in der elitären Kulinarik fand (vgl. Postmann 273f.).

14 Rust erhielt auch durch seinen Edelweinbau die Erhebung zur Freistadt. Der ‚Ruster Ausbruch„ machte den burgenländischen Ort schon in der Neuzeit in ganz Europa berühmt. In den vornehmen Wiener und Budapester Restaurants durfte vor dem Ersten Weltkrieg die edle Sorte auf keiner Getränkekarte fehlen (vgl. Holecek/Svec 1994: 224).

15 Der Weinskandal von 1985 lässt sich nicht alleinig als historischer Schnitt und Beginn des Qualitätsweinbaus sehen. Bereits früher gab es zahlreiche Bestrebungen von institutioneller Seite, den Weinbau zu verbessern. Es gab immer schon namhafte Weingüter, die es vermieden, große Hektarerträge zu ernten und auf die Qualität ihres Produktes achteten. Sie unterschieden sich vom Gros der Winzer, die für die breite Masse produzierten, aber nicht über Wissenstand und die dazu nötigen Ressourcen für den Qualitätsanbau verfügten. Kultivierte Weine resultierten aus den gegebenen technischen und klimatischen Möglichkeiten, der bewussten Handhabe des Lesegutes und auch dem Wissen der Winzer (vgl. Winkler 2010: 99f.).

16 Höheres Bildungsniveau und technische Errungenschaften können Gesellschaften und ihre kulturellen Ordnungen ändern. Wirtschaft und Politik üben ebenfalls Einfluss auf diese Ordnungen aus (vgl. Luger 2010: 19).

17 Der Blick der Gesellschaft blieb mit den beiden Weltkriegen im Rücken in den Nachkriegsjahren nach vorne gerichtet. Fortschritt, Innovationen und Modernität ersetzten die Traditionen, die mit Beginn der 1980er Jahre wieder salonfähig wurde (vgl. Luger 2008: 20).

18 Das ausgehende 20. Jahrhundert sorgte für eine tiefgreifende Veränderung im Bewusstsein der eigenen Geschichte von Regionen oder Nationen. Ausgehend von Frankreich entwickelte sich eine vom Staat initiierte breit angelegte Gedächtnis- und Erinnerungskulturforschung. Der französische Soziologe Pierre Nora beschreibt diesen Versuch einer Rückgewinnung der Vergangenheit als Resultat vor der Angst des Verschwindens. Dabei werden die Begriffe Identität und Gedächtnis heute weitgehend synonym verwendet, um ihre Wiederherstellung zu gewährleisten (vgl. Ploner 2006: 37).

Excerpt out of 156 pages

Details

Title
Kulturgut Wein. Die Inwertsetzung österreichischer Weinkultur auf Basis des Kulturerbeverständnis der UNESCO
College
University of Salzburg  (Fachbereich Transkulturelle Kommunikation)
Grade
1
Author
Year
2011
Pages
156
Catalog Number
V184954
ISBN (eBook)
9783668000018
ISBN (Book)
9783668000025
File size
1980 KB
Language
German
Keywords
kulturgut, wein, inwertsetzung, weinkultur, basis, kulturerbeverständnis, unesco
Quote paper
Stefan Rothschedl (Author), 2011, Kulturgut Wein. Die Inwertsetzung österreichischer Weinkultur auf Basis des Kulturerbeverständnis der UNESCO, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/184954

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