Möglichkeiten des Stressabbaus mittels asiatischer Bewegungskünste (Tai Chi Chuan, Yoga, Qi Gong)


Trabajo, 2002

23 Páginas, Calificación: 1,5


Extracto


INHALTSVERZEICHNIS

1. Problemstellung

2. Asiatische Philosophie – Grundlage für sportliche Bewegungspraktik
2.1. „Kulturgut Bewegungskunst“
2.2. Konfuzianismus und Taoismus
2.3. Buddhismus

3. Drei asiatische Bewegungskünste – Entwicklung und Charakterisierung
3.1. Tai Chi Chuan
3.2. Qi Gong
3.3. Yoga

4. Mögliche Wirkungsweisen des Stressabbaus mittels asiatischer Bewegungspraktiken
4.1. Ein empirischer Beleg für die gesundheitsfördernde Wirkung von Tai Chi Chuan
4.2. Allgemeines zur Stressproblematik
4.3. Indirekt-präventive und direkt-situative Wirkungsmechanismen

5. Schlussbetrachtung
5.1. Kritische Charakterisierung der drei Übungssysteme
5.2. Zusammenfassung
5.3. Ausblick

LITERATURVERZEICHNIS

1. Problemstellung

Während des oben aufgeführten Hauptseminars wurden im Rahmen der Auseinandersetzung mit psychischen Belastungen und Beanspruchungen in unterschiedlichen Sportarten exemplarisch einzelne Kampfsportarten analysiert. Dabei standen trainings- und insbesondere wettkampfspezifische Aspekte im Mittelpunkt. Am Beispiel des Boxens konnte gezeigt werden, dass dem Stress in den Kampfsportarten durch den Einfluss einiger typischer Stressoren eine ganz eigene Qualität zukommt. Zu solchen in der Welt des Sports sonst eher seltenen Stressoren zählen verschiedene physikalische Einwirkungen, insbesondere Schlag-, Stoß- oder Wurfwirkungen, dadurch hervorgerufene Traumata sowie ungewöhnliche Körperzustände in Wettkampfsituationen („Gewicht machen“)[1]. Im Einklang mit weiteren Untersuchungen zum Stress – auch in anderen Sportarten – wurde der erhöhte Bedarf an effektiven Methoden zur Stressbewältigung für den Sport deutlich. Demnach sollten sich die darauf folgenden Seminarsitzungen mit Möglichkeiten des Umgangs mit psychischen Beanspruchungen im Sport befassen. Vorab bot es sich an, im Kontext der Kampfsportarten ein Thema zu referieren, welches sich übergangsartig zwar dem Thema Kampfsport im weitesten Sinne zuordnen lässt, aber an sich bereits eine Möglichkeit des Stressabbaus darstellt. Im asiatischen Kulturraum und mittlerweile auch in unseren Breiten lassen sich nämlich neben vielen Kampfsportarten bzw. Kampfkünsten auch traditionsreiche Bewegungspraktiken finden, die ganz bewusst auf die Beeinflussung des menschlichen Wohlbefindens ausgerichtet sind. Wachsender Beliebtheit erfreuen sich Techniken wie Yoga, Qi Gong und besonders das direkt aus der Tradition der chinesischen Kampfkünste stammende Tai Chi Chuan. Letzteres wird noch heute alltäglich von Millionen von Chinesen praktiziert und stellt ein interessantes Untersuchungsobjekt dar, mit dem sich der Bogen von der schwer zugänglichen asiatischen Philosophie zur Sportwissenschaft schlagen lässt.

Zu diesem Zweck sollen in der vorliegenden Arbeit einige asiatische Bewegungskünste – mit besonderem Fokus auf dem Tai Chi Chuan – hinsichtlich ihrer stressreduzierenden Wirkung charakterisiert und evaluiert werden. Beim Studium der zahlreichen Veröffentlichungen zu den einzelnen Übungssystemen und den asiatischen Zweikampfstilen fallen besonders die Aspekte der asiatischen Philosophie auf, welche diese Themen stets begleiten. Angesichts unseres abendländischen kulturellen Hintergrundes besteht die Gefahr, derartige Erklärungsansätze mit Esoterik zu verwechseln. Es soll daher anfangs versucht werden, den Zugang zu diesem „Mysterium“ zu erleichtern. Ihm wird ein direkter Bezug sowohl zur Entstehung und zum Zweck der Übungen als auch zu deren Praxis nachgewiesen, was letztlich auch für eine eventuelle stressreduzierende Wirkung von Bedeutung ist. Das erscheint umso wichtiger, da die Sportpsychologie als Fachgebiet der Sportwissenschaft im Kontext von Erziehung und Gesellschaft von den Teildisziplinen Sportgeschichte und Sportsoziologie begleitet wird. Im Anschluss daran werden die Übungsformen Tai Chi Chuan, Qi Gong und Yoga beschrieben und in den Kontext der Kampfsportarten gebracht. Am Beispiel des Tai Chi soll dann anhand einer chinesischen Studie die positive Wirkung solcher Übungen zunächst auf die allgemeine Gesundheit belegt werden. Daraufhin wird ein System möglicher Wirkungsmechanismen des Stressabbaus mittels asiatischer Bewegungskünste vorgestellt. Eine kritische Nachbetrachtung mit Argumenten für und gegen die Verwendung der einzelnen Übungssysteme soll den Abschluss dieser Arbeit darstellen.

Das wissenschaftliche Interesse widmet sich also zuerst philosophisch-kulturellen und danach physiologischen Aspekten. Bleibt zu bemerken, dass es n i c h t das Ziel dieser Arbeit ist, genaue Anleitungen zur Praxis einzelner Bewegungskünste zu geben oder diese gar als Allheilmittel darzustellen. Auch kann sicher nicht die Gesamtheit aller möglichen Wirkungsweisen für eine Reduzierung psychischer Belastungen und Beanspruchungen durch asiatische Bewegungskünste dargelegt werden, dies würde sowohl den zeitlichen als auch den inhaltlichen Rahmen dieser Arbeit sprengen. Gleiches gilt für die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ursachen und Wirkungen von Stress, auch auf sportspezifische Aspekte des Stresses soll nicht weiter eingegangen werden. Ich möchte im Einzelnen lediglich versuchen, eine Unterteilung in direkte und indirekte möglichen Wirkungsmechanismen asiatischer Bewegungskünste vorzunehmen. Dies kann eine Grundlage für ausführlichere Untersuchungen sein.

2. Asiatische Philosophie – Grundlage für sportliche Bewegungspraktik

2.1. „Kulturgut Bewegungskunst“

„Morgens zwischen 6:00 und 7:00 Uhr kann man in den chinesischen Parks zahlreiche Menschen sehen, die regelmäßig ihr Tai Chi praktizieren. Dort sieht man Männer und Frauen, Junge und Alte, vertieft in Ihre Bewegungen. Alle möglichen Formen und Stile sind zu sehen. Mit und ohne Schwert, kurze und längere Formen, Chen-, Wu- und Yang-Stil werden nebeneinander toleriert. Es herrscht eine Stimmung gegenseitiger Akzeptanz. Nebenan ziehen Jogger ihre Bahnen, an anderer Stelle wird Federball gespielt.“ (Moegling & Moegling 1997)

Ein solches Szenario trägt zweifelsohne zu dem Bild bei, welches wir von der asiatischen Kultur – insbesondere von der chinesischen – haben. Zwar erscheint uns dieses Bild in Zeiten eines „Fitnesswahns“ und des Booms des Laufsports lange nicht mehr so exotisch und ungewöhnlich. Der hohe Stellenwert des Sports in unserer Gesellschaft und auch die Bewunderung derer, die asketisch und voller Hingabe große sportliche Leistungen vollbringen, tragen sicher dazu bei. Dennoch können wir einen Unterschied zu den Motiven der Chinesen und unseren, „Sport“ zu treiben, buchstäblich erahnen. Ich möchte daher zunächst mit einem kurzen Einblick in die Grundlagen der asiatischen Philosophie das fest verwurzelte Verständnis der Asiaten für Körper und Geist erklären, um so den Zugang zu den Bewegungskünsten zu erleichtern.

2.2. Konfuzianismus und Taoismus

Die chinesische Philosophiegeschichte umfasst bis heute einen Zeitraum von etwa 2500 Jahren. Mit den auf vorphilosophischen Weisheiten basierenden wichtigsten Lehren, Konfuzianismus und Taoismus, manifestiert sich bereits im 6. Jahrhundert vor Christus die Quintessenz der chinesischen Philosophie (vgl. Gan 1997). Den greifbarsten Bestand der vorphilosophischen Weisheit in China bildet das sehr alte kanonische Buch „I Ging“. Die darin zum Ausdruck gebrachten Prinzipien der „Einheit von Himmel und Mensch“, sowie der „Einheit aller Gegensätze und deren Kreislauf als Grundlage der gesamten Wirklichkeit“ findet sich in ähnlichen Ansätzen auch in den nachfolgenden Philosophien wieder.

Nahezu gleichzeitig entstanden die zwei großen Strömungen der chinesischen Philosophie. Der Konfuzianismus auf der einen Seite betont die Verehrung von Humanität, Gerechtigkeit, Höflichkeit, Weisheit, Zuverlässigkeit und Disziplin (vgl. Roetz 1995), der Taoismus auf der anderen Seite begründet sich auf dem Grundsatz, dass alle Dinge aus einer Kombination von Gegensätzen bestehen. Diese Lehre entspricht dem bekannten Prinzip des Yin & Yang (das Passive, Schwache, Weiche im Wesen der Menschen und der Natur, und deren aktive, starke und harte Gegenseite). Sie bevorzugt weiterhin die Einfachheit, Zurückgezogenheit und Natürlichkeit für das menschliche Handeln, Denken und Sein. Es ist schwierig die Gegensätze dieser Strömungen herauszustellen, aber im Wesentlichen wird im Taoismus der konfuzianistische Grundsatz der Menschlichkeit als „Verschleierung“ der eigentlichen menschlichen Natur angesehen.

Trotz aller Gegensätzlichkeit konnten die Gedanken aus beiden Lehren im alltäglichen Leben der Menschen Fuß fassen. Dies stellt im Unterschied zu unserer abendländischen Philosophie eine Besonderheit dar, da diese hauptsächlich von naturwissenschaftlichen Gedanken getragen wurde und so nur selten dem einfachen Volk zugänglich war. Erst mit der Ausbreitung der heutigen großen Weltreligionen, insbesondere des Christentums, wird auch das Alltagsleben der Menschen, sowie Moral und Ethik thematisiert. Bei der chinesischen Philosophie stand eh und je die richtige praktische Lebensgestaltung der Menschen im Mittelpunkt. Träger von metaphysischen Gedanken ist ausschließlich der Taoismus, dessen Grundsätze aber auch direkt auf den menschlichen Alltag übertragen werden. Daher bezeichnet man die Philosophie des chinesischen Volkes auch als „praktische Philosophie“ (Gan 1997). Im Allgemeinen betonen die alten chinesischen Philosophen, die bis heute wie Heilige verehrt werden, die Tugenden, die Moral, die Beseitigung der Begierde und das sanfte Wesen.

Ein weiterer Grund für die Integration philosophischer Lehren in das tägliche Leben der Menschen liegt im Zeitgeschehen begründet. Während der zwei Jahrhunderte vor der Entstehung der großen Strömungen (Zhon-Dynastie) zerfiel das chinesische Reich in viele kleine Fürstentümer, eine Zeit der Kriege und des Chaos sowie der Ignoranz alter moralischer Werte begann. Viele Fürsten holten sich damals Philosophen als Berater an den Hof, und so erfuhr die Bevölkerung über die Politik den direkten moralischen Einfluss der Philosophien. Shaoping Gan weiß in seinem Buch „Die Chinesische Philosophie: die wichtigsten Philosophen, Werke, Schulen und Begriffe“ sogar davon zu berichten, dass Kriege durch den Einfluss der Philosophen verhindert werden konnten. Derartige positive Konsequenzen für das tägliche Leben der Bevölkerung bewegten die Menschen dazu, einzelne Gedanken der jeweiligen Philosophie aufzunehmen und danach zu handeln. Auch wurden die verschiedenen Philosophien über die Dynastien hinweg einmal mehr oder minder geschätzt, man schwankte zwischen öffentlicher Ächtung der Anhänger einer bestimmten Strömung und der Erhebung einer anderen Strömung zur Staatsdoktrin. Das Resultat war eine Vermischung von konfuzianistischem und toaistischem Gedankengut, was zu einer problemlosen Koexistenz der beiden Strömungen führte, schließlich waren unsittliche oder gar fanatische Aspekte diesen Lehren fremd.

Besonders der Taoismus mit seiner Lehre, sich dem Gleichgewicht der Dinge durch Zurückgezogenheit und Stille sowie durch Meditation zu nähern, befürwortet das Praktizieren von Gymnastik, da man erkannte, dass man nur dann ausreichend Energie zur Konzentration auf die Meditation aufbringen kann, wenn man gesundheitlich in einer guten Verfassung ist. Da es auch in China stets unumgängliche kriegerische Auseinandersetzungen gab, und Systeme zur Kriegführung und des Zweikampfes mit und ohne Waffen bereits spätestens seit Sun Tzu`s weltbekannten Buch „Die Kunst des Krieges“[2] bekannt waren, wurde dem Training der Kampfkünste eine große philosophische Bedeutung zuteil. Nicht zuletzt aus den militärischen Kampfübungen heraus erkannte man die positive Wirkung von körperlicher Ertüchtigung auf die allgemeine Gesundheit. So entstanden im Einklang mit den philosophischen Praktiken der Taoisten und Gruppen erste Gymnastik- und Atemübungen, auch ohne Kampfkunstcharakter. Eine stark religiös ausgerichtete Strömung des Taoismus strebte mittels solcher Übungsformen sogar nach dem Erlangen des ewigen Lebens. An dieser Stelle wird bereits deutlich, warum die Kampfkünste und modernen Kampfsportarten stets von philosophischen Aspekten begleitet werden. Sämtliche Atem- und Gymnastikkomponenten und auch einzelne Technik- und Bewegungsprinzipien basieren direkt auf der alltäglichen, philosophisch motivierten Bewegungspraxis der Chinesen und später auch der Japaner und Koreaner. Nicht zuletzt das hingebungsvolle und disziplinierte Üben von Kampfkunst oder allgemeinen Leibesübungen entspricht den konfuzianistischen und taoistischen Lehren.

Auch werden in der Literatur immer wieder esoterische und metaphysische Ansätze in der chinesischen Philosophie betont und mit den Kampfkünsten in Verbindung gebracht (vgl. Dolin 1988, Moegling 1998, Oster 1997). Dies geschieht häufig durch die Auseinandersetzung mit der traditionellen chinesischen Medizin[3] oder den Lehren der fünf Elemente[4], deren reelle Bedeutung für die asiatischen Kampf- und Bewegungskünste jedoch nur schwer greifbar ist. Diesen zweifelsohne wichtigen Lehren in der chinesischen Philosophie kann man am ehesten eine hervorgehobene Rolle bei der Verinnerlichung einer gesunden Einstellung zum menschlichen Körper nachsagen.

[...]


[1] „Gewicht machen“ bedeutet im Boxsport das drastische Verringern des Kampfgewichtes vor dem Wiegen, um in einer günstigeren Gewichtsklasse bei noch möglichst guter körperlicher Konstitution kämpfen zu können. Erreicht wird dies vorrangig durch Dehydrierung.

[2] Sun Tzu`s „Die Kunst des Krieges“ wurde vor ca. 2500 Jahren verfasst und gilt als die älteste militärische Abhandlung der Welt. Heute ist es immer noch in bearbeiteter Form erhältlich.

[3] Die traditionelle chinesische Medizin beschreibt u.a. die Lebensenergie „Chi“, welche durch fünf Meridiane (Energiebahnen) durch den Körper fließt. Sie hat sich ebenso wie Konfuzianismus und Taoismus in die chinesische Kultur integriert.

[4] Die „Wu Hsing“ entsprechen einem komplizierten System aufeinander bezogener Systeme, bei dem die fünf Elemente (Wasser, Feuer, Holz, Metall und Erde) mit den Jahreszeiten, Himmelsrichtungen, Farben, Geschmäckern, Zahlen, inneren Organen und anderen Kategorien in Verbindung gebracht werden (vgl. Oster 1997).

Final del extracto de 23 páginas

Detalles

Título
Möglichkeiten des Stressabbaus mittels asiatischer Bewegungskünste (Tai Chi Chuan, Yoga, Qi Gong)
Universidad
Otto-von-Guericke-University Magdeburg  (Institut für Sportwissenschaft)
Curso
Hauptseminar: Psychische Belastungen und Beanspruchungen im Sport
Calificación
1,5
Autor
Año
2002
Páginas
23
No. de catálogo
V18500
ISBN (Ebook)
9783638228343
ISBN (Libro)
9783638645409
Tamaño de fichero
497 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Möglichkeiten, Streßabbaus, Bewegungskünste, Chuan, Yoga, Gong), Hauptseminar, Psychische, Belastungen, Beanspruchungen, Sport
Citar trabajo
Christian Kuhn (Autor), 2002, Möglichkeiten des Stressabbaus mittels asiatischer Bewegungskünste (Tai Chi Chuan, Yoga, Qi Gong), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18500

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