Nachdem um die Mitte des 6. Jahrhunderts die Völkerwanderung zu Ende gegangen war, mußten sich neue Formen des Zusammenlebens zwischen den wieder seßhaft werdenden Stämmen und Völkern herausbilden. Das Fehlen jeder zwischenstaatlichen Diplomatie sowie die mangelnde innere Geschlossenheit der Gemeinschaften, und zwar auch der größeren, "Reiche" genannten, brachte es mit sich, daß ihre nach außen gerichtete Verhaltensweise oft willkürlich und kurzsichtig erscheint. So wechseln kriegerische Einfälle, bei denen nicht erkennbar ist , ob sie dem Landgewinn oder dem Beutemachen dienten, oder vielleicht aus schlichter Abenteuerlust geboren waren, mit feierlichen Friedens- und Freundschaftsbekundungen ab. Diese wurden, obgleich mit Treuegelöbnissen und Eiden besiegelt, immer dann wieder mißachtet, wenn man glaubte, für eine solche Mißachtung stark genug zu sein. Das Ende der großen Wanderungsbewegungen war damit keineswegs gleichbedeutend mit einem Ende der Instabilität in Europa. Dennoch hatte sich ein größerer Staat herausbilden können, der sich dann - als das aus dem Merowingerreich hervorgegangene Reich der Karolinger - zu einem Imperium vergrößerte, das an Fläche jeden heutigen mitteleuropäischen Staat übertroffen hätte. Die innere Ordnung dieses Staates jedoch und die Regeln, nach denen die Herrschaftsnachfolge gehandhabt wurde, wurzelten in archaischen Stammesverhältnissen, deren Voraussetzungen nicht mehr vorlagen. Hatte der Übergang zum Nachfolger im überschaubaren Stammesrahmen noch reibungslos nach den überkommenen Sitten vonstatten gehen können, so konnte das zur Großmacht angewachsene karolingische Reich diese Bewährungsprobe nicht bestehen. Es zerbrach bei militärischer Begleitmusik gleich in drei Teile, die in der Folge noch unzählige Waffengänge miteinander austrugen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Awaren
Westslawen
Obodriten
Böhmen
Heveller
Mission nach 800 im Osten
Sachsen
Schlußbetrachtung
Abkürzungen
Quellen u.Literatur
Einleitung
Nachdem um die Mitte des 6. Jahrhunderts die Völkerwanderung zu Ende gegangen war, mußten sich neue Formen des Zusammenlebens zwischen den wieder seßhaft werdenden Stämmen und Völkern herausbilden. Das Fehlen jeder zwischenstaatlichen Diplomatie sowie die mangelnde innere Geschlossenheit der Gemeinschaften, und zwar auch der größeren, „Reiche“ genannten, brachte es mit sich, daß ihre nach außen gerichtete Verhaltensweise oft willkürlich und kurzsichtig erscheint. So wechseln kriegerische Einfälle, bei denen nicht erkennbar ist , ob sie dem Landgewinn oder dem Beutemachen dienten, oder vielleicht aus schlichter Abenteuerlust geboren waren, mit feierlichen Friedens- und Freundschaftsbekundungen ab. Diese wurden, obgleich mit Treuegelöbnissen und Eiden besiegelt, immer dann wieder mißachtet, wenn man glaubte, für eine solche Mißachtung stark genug zu sein. Das Ende der großen Wanderungsbewegungen war damit keineswegs gleichbedeutend mit einem Ende der Instabilität in Europa. Dennoch hatte sich ein größerer Staat herausbilden können, der sich dann – als das aus dem Merowingerreich hervorgegangene Reich der Karolinger - zu einem Imperium vergrößerte, das an Fläche jeden heutigen mitteleuropäischen Staat übertroffen hätte. Die innere Ordnung dieses Staates jedoch und die Regeln, nach denen die Herrschaftsnachfolge gehandhabt wurde, wurzelten in archaischen Stammesverhältnissen, deren Voraussetzungen nicht mehr vorlagen. Hatte der Übergang zum Nachfolger im überschaubaren Stammesrahmen noch reibungslos nach den überkommenen Sitten vonstatten gehen können, so konnte das zur Großmacht angewachsene karolingische Reich diese Bewährungsprobe nicht bestehen. Es zerbrach bei militärischer Begleitmusik gleich in drei Teile, die in der Folge noch unzählige Waffengänge miteinander austrugen. Der östliche und der westliche Teil blieben in ihrer geographischen Ausformung weitgehend bis heute erhalten, während das Mittelreich bis auf seine südlichen Gebiete, die eigene Wege gingen, unter die beiden anderen aufgeteilt wurde. Der übrige Teil Mittel- und Osteuropas war von Stämmen besiedelt, die meist den Slawen zuzurechnen waren und zu indoeuropäischen Völkerfamilie zählten. Hinzu kamen die Awaren, ein aus mittelasiatischen Steppen eingewandertes Reitervolk, sowie sehr viel später im 9. Jahrhundert die Ungarn, denen sich die Restbestände zerschlagener Stämme zugesellt hatten und die ebenfalls ihre Urheimat im mittleren Asien hatten. Im Brennpunkt des Spannungsfeldes von Slawen und Franken lag der Stamm der Sachsen. Welche Wechselbeziehungen sich zwischen diesen drei Hauptbeteiligten, aber auch den östlichen Steppenvölkern, ergaben, wird in der Folge gezeigt werden. Da sich sowohl Sachsen als auch Slawen noch im schriftlosen Stadium der Frühgeschichte befanden, gibt es lediglich karolingische Quellen. Diese unterschieden meist nicht einmal nach einzelnen Stämmen und berichteten, dem christlichen Egozentrismus folgend, recht einseitig. Da ähnliche Ereignisse sich auf wechselnden Schauplätzen zutrugen, soll die thematische Vorgehensweise der chronologischen vorgezogen werden.
Awaren
Die von einem Khan-Khan , Bajan oder Großkönig beherrschten Nomaden waren als Reitervolk reine Viehzüchter, nahmen von den unterworfenen Völkerschaften außer Agrarerzeugnissen aber auch Produkte des Handwerks als Tributleistung an. Nachdem Byzanz versucht hatte, die Awaren für sich einzuspannen, machten diese 561-562 und 566 Einfälle ins Frankenreich. Nach erstem Frieden 562 gelang später ein vorläufiger Sieg über dieselben. Bereits 531 hatte das sich langsam ausdehnende Frankenreich das Thüringerreich erobert und war zum Nachbarn der Langobarden und des späteren Böhmen geworden. Von Eingliederungsversuchen nahmen die Franken jedoch Abstand; zu unterschiedlich war wohl die innere Struktur des Steppenvolkes. Ähnlich wie zu Völkerwanderungszeiten gerieten slawische Stämme im unteren Donaugebiet in Abhängigkeit zu den Awaren und wurden zur Waffengefolgschaft gezwungen, soweit sie es nicht vorzogen, sich von ihnen nach Westen vertreiben zu lassen. An der mittleren Donau wurden Gepiden und Langobarden überrannt, wobei dies für die Langobarden wohl besonders ärgerlich gewesen sein mag, denn sie hatten aus altem Haß zunächst mit den Awaren gegen die Gepiden gemeinsame Sache gemacht; nach getaner Arbeit wurden sie jedoch ihrerseits von den Awaren nach Norditalien verdrängt, zeitgleich mit einem Awarensieg über Frankenkönig Sigibert. Die neu in awarische Hand gekommenen Gebiete wurden zum kleineren Teil selbst bewohnt, zum größeren aber unterworfenen Slawen überlassen. So kam es zum langsamen Einsickern slawischer Bevölkerung nach Westen. Auch in die Ostalpen wurden Slawen vertrieben; da die Reiterscharen ins Gebirge nicht vordringen konnten, bewahrten die Alpenbewohner ihre Selbständigkeit (Welt 36f). Da die archäologisch faßbare Hinterlassenschaft der Awaren nicht sehr umfangreich ist – Schmelzöfen erst gegen Ende des 8. Jahrhunderts, Töpferei nur am Rand des byzantinischen Reiches durch die Tradition der Antike – treten sie erst durch militärische Auseinandersetzungen in Erscheinung. Nach dem Machtantritt der Karolinger gaben die Awaren den Franken Anlaß oder Vorwand, sich nach Osten auszudehnen. Der Versuch, die awarischen Neuerwerbungen durch Verträge abzusichern, scheiterte 782, da die Franken mit einem Feldzug gegen Bayern antworteten. In den letzten Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts ging Karl der Große sehr entschlossen gegen die Sachsen vor, und trotzdem erfüllte sich die wohl gehegte awarische Hoffnung nicht, daß die Franken nämlich so sehr von sächsischer Unbotmäßigkeit in Anspruch genommen wären, daß ihnen für die Bewältigung anderer Schwierigkeiten keine Kräfte blieben (Welt 154). Sogar das Angebot, die eigene Religion zur Verhandlungsmasse zu machen, und durch Übertritt zum Christentum die Selbständigkeit zu retten, war untauglich. 796 besetzten die Franken den Herrschaftssitz der durch innere Unruhen Geschwächten und 803 wurden die Awaren Vasallen. Aus der europäischen Geschichte verschwinden die Awaren damit, wenn man von den Resten absieht, die sich den Ungarn anschlossen und mit diesen 926 sogar das Frankenreich vorübergehend tributpflichtig machten.
Westslawen
Seit römischer Zeit hatten die entwickelten Gebiete eine Anziehungskraft auf die germanische Bevölkerung zwischen Oder und Elbe ausgeübt, so daß Ende des 6. Jahrhunderts die slawischen Einwanderer nur auf suebische Reste trafen. Seitdem 631 der fränkische König Theuderich das Thüringerreich dem eigenen einverleibt hatte, bildete die Elbe die Grenze des Frankenreiches. Da gleichzeitig das sächsische Interessengebiet bis zur Oder reichte, mußten die Slawen in die Auseinandersetzungen zwischen Sachsen und Franken hineingezogen werden. (Welt 254). Bei der in dieser Zeit fortschreitenden Einwanderung handelte es sich um eine friedliche Überlappung der Siedlungsgebiete, die sich unabhängig von den politischen Verhältnissen vollzog.
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- Arbeit zitieren
- Magister Joachim Pahl (Autor:in), 1999, Sachsen und Slawen im 9. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18516
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