Kommunikationsstörungen in Paarbeziehungen unter besonderer Berücksichtigung des unterschiedlichen Gesprächsverhaltens von Frauen und Männern


Diploma Thesis, 2000

71 Pages, Grade: 3


Excerpt

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

3 Weibliche und männliche Sozialisation und die Auswirkungen

4 Weibliche und männliche Sozialisation in bezug auf Sprache

5 Konflikte in Paarbeziehungen

6 Wege zur Konfliktlösung zwischen Frauen und Männern

7 Sozialpädagogische Relevanz

8 Benutzte Literatur


1      Einleitung

 

Inhalt dieser Arbeit ist die Auseinandersetzung  mit den  Verständnis-schwierigkeiten zwischen  Frauen und Männern. Frauen und Männer fassen dieselbe Unterhaltung häufig ganz anders auf und reagieren unterschiedlich darauf, auch wenn es auf den ersten Blick betrachtet gar nicht zu Missverständnissen gekommen ist.

 

Das ist vor allem in Paarbeziehungen der Fall, da Emotionen die Menschen sensibel machen für die Entscheidungen, Reaktionen und Launen des anderen. Wenn jemand zu einer anderen Person Zuneigung entwickelt, wird die daraus resultierende Beziehung wenig bis gar nicht übertragbar auf andere Personen. Je weniger übertragbar eine Beziehung ist, desto verletzlicher ist sie.

 

Wenn sich eine Partnerschaft auflöst, wird in der Regel der Grund angegeben: „Wir verstehen uns nicht mehr“ oder „Wir haben uns auseinandergelebt“.

 

Demnach scheint  die Umsetzung der Begriffe „Verstehen“ und „Miteinanderleben“ ausschlaggebend für den Zusammenhalt eines Paares zu sein.

 

Daß die Scheidungsraten  jährlich zunehmen, liegt  nicht daran, dass die Kommunikation  weniger gut funktioniert als früher, sondern u.a. daran, dass Frauen heutzutage eher wissen, wohin sie wollen, wer sie sind und was für Erwartungen sie an sich selbst,  an andere und an ihren Partner haben. Die Kritik an der mangelhaften Verständigung geht in der Regel von der Frau aus.

 

Es existieren zahlreiche Untersuchungen und Theorien, die den Geschlechtsunterschied und das Verhalten, das Frauen und Männern zugeschrieben wird, zu erklären versuchen.

 

Die Untersuchungen sind in ihren Ergebnissen teilweise nicht ganz eindeutig.

 

Fakt ist, dass  durch die geschlechtsspezifische Erziehung und die Erfahrungen, die damit einhergehen, geschlechtsspezifische Unterschiede im Gesprächsverhalten vorhanden sind.

 

Zu dem unterschiedlichen Sprachverhalten und dem oftmals gegensätzlichen Empfinden kommen die Unterschiede zwischen Frauen und Männern im biologischen Bereich, die sich ebenfalls auf die Persönlichkeit auswirken. (Was nicht heißen soll, dass Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern biologisch zu begründen sind. Die Verschiedenheit ist durch gesellschaftliche Strukturen festgelegt.)

 

Im biologischen Bereich wurde z.B. festgestellt, dass im weiblichen Körper weniger Serotonin (=Stoff, der die Stimmung aufhellt) produziert wird und somit eine höhere Anfälligkeit für Depressionen besteht als bei Männern. (Wobei diese Begründung mit Sicherheit nicht die einzige Ursache weiblicher Depressionen ist.)

 

Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Man verhält sich immer irgendwie -auch nichtverbal- und jedes Verhalten löst ein Gegenverhalten aus.

 

Nach Heider reagiert eine Person auf das, wovon sie glaubt, das andere Personen wahrnehmen, denken und fühlen.

 

Viele Unterschiede/ Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern (auf die ich im weiteren Verlauf zu sprechen komme) basieren auf Vorurteilen. Einige dieser Vorurteile haben Einfluß auf  das, was Menschen über sich selbst denken, also auch darauf, wie sie sich verhalten.

 

Zwischen Frauen und Männern sind lediglich die Bestandteile an sich, die zum Kommunikationsprozeß gehören, gleich: Jeder bringt seinen Körper mit, seine Worte, seine Stimme, seine Sinnesorgane, sein Gehirn, seine Erfahrungen und Werte.

 

Es geht  mir in meiner Arbeit nicht darum, den einen oder anderen Kommunikationsstil zu  pauschalisieren. Die unterschiedlichen weiblichen und männlichen Charaktere - u.a. bedingt durch unterschiedliche Erfahrungen - wirken sich auf das gesamte Verhalten eines Menschen positiv oder negativ aus. Nach Hagemann-White ist die Variation innerhalb eines Geschlechts  in der Regel größer als die Differenz zwischen den Geschlechtern.

 

Trotzdem ist zwischen Frauen und Männern ein sehr unterschiedliches (Sprach-)Verhalten vorhanden. Dies basiert u.a. auf der unterschiedlichen Sozialisation von Mädchen und Jungen, auf die ich ab Kap.3  ausführlicher eingehen werde.

 

Es lässt sich zusammenfassen, dass  Frauen tendenziell dazu  neigen, eine „Bindungs- und Intimitätssprache“ zu sprechen, Männer dagegen eine „Status- und Unabhängigkeitssprache“.

 

Frauen sind auf dem „Beziehungsohr“ besonders sensibel, ihr Gesprächsstil ist ausgesprochen kooperativ. Männer dagegen haben gelernt, sich verbal zu behaupten und durchzusetzen. Sie sprechen häufiger und ungestörter  über ihre Themen.

 

In Gesprächen zwischen  Frau und Mann besteht eine Arbeitsteilung, die in der Regel folgendermaßen aussieht: Die Frau leistet die interaktionelle  Arbeit (d.h., dass sie u.a. dafür sorgt, dass ein Gespräch bestehen bleibt, bzw. überhaupt zustande kommt) und der Mann übt  Kontrolle auf das Gespräch aus.       

 

Das bezieht sich sowohl auf Paarbeziehungen als auch auf jede andere Form von zwischenmenschlichen Beziehungen.

 

Daß  unterschiedliche Kommunikationsstile zwischen Frauen und Männern vorhanden sind, muß  beidseitig erkannt, akzeptiert und  berücksichtigt werden. Ist dies nicht der Fall, sind Kommunikationsstörungen  vorprogrammiert.

 

Ziel dieser Arbeit ist, herauszufinden, welche Ursachen für die Schwierigkeit, miteinander zu reden, (die in den meisten Paarbeziehungen auftaucht), vorhanden sind  und welche Möglichkeiten zum besseren Verständnis zwischen Frauen und Männern beitragen können.

 

6

3     Weibliche und männliche Sozialisation und  die  Auswirkungen

 

In den Kommunikationstheorien von Watzlawick und Schulz von Thun werden Gründe angegeben, warum Botschaften verfälscht ankommen können. Es stellt sich nun die Frage, wie sich die Theorien unter Berücksichtigung des jeweiligen Geschlechts auswirken.

 

Jedoch besteht nicht nur eine (angenommene) Verbindung zwischen Geschlechtszugehörigkeit und   Kommunikationsstörungen , sondern auch die Kultur, aus der die Familien stammen, spielt eine Rolle (allein schon deshalb, weil es in jeder Kultur ein anderes Empfinden gibt, was ein angemessenes Gesprächsverhalten ist). Hinzu kommen die sozialen Schichten, in denen Worte und Redewendungen an sich oft eine unterschiedliche Bedeutung haben. Durch Bernsteins Untersuchungen sozialer Schichtungskategorien wurde „ein `Beweis` für den angenommenen Bedingungszusammenhang von Sprache und sozialer Herkunft erbracht.“  (Mühlfeld 1975, S.9)

 

Wie sich nun das Geschlecht auf das Sozialverhalten und somit auch auf das Sprachverhalten auswirkt, werde ich in den folgenden Unterpunkten bearbeiten.

 

Vorab noch etwas zu dem Begriff „Sozialisation“:

 

Nach Meulenbelt wird darunter der gesamte Prozeß, bei dem gelernt wird, ein Teil der Gesellschaft zu werden, verstanden. Dabei machen wir uns Normen und Sitten unserer Gesellschaft zu eigen, bis sie ein Bestandteil unserer Persönlichkeit geworden sind. Ein Großteil des Sozialisationsprozesses ist die Sozialisation zu Frau oder Mann.

 

Die Geschlechtsidentität wird festgelegt in Verbindung mit dem Gefühl, ein Mädchen/ eine Frau oder ein Junge/ ein Mann zu sein. Damit ist die Sozialisation aber noch nicht beendet, da immer neue, andere Erwartungen an älter werdende Menschen gestellt werden. (Wenn Kinder z.B. zur Schule gehen, wird von ihnen dort etwas anderes erwartet als zu Hause. Eine ganz neue Phase beginnt beim Einstieg ins Berufsleben, usw.) Im Sozialisationsprozeß kann es Brüche und Übergänge geben, die mit Konflikten einhergehen können.

 

Diese Brüche entstehen in der Regel bei Mädchen/ Frauen und Jungen/ Männern nicht gleichzeitig, da deren Sozialisation unterschiedlich verläuft (worauf ich in weiteren Kapiteln zu sprechen komme).

 

Sozialisation ist ein breiterer Begriff als Erziehung, denn nicht nur die bewussten und unbewussten Einflüsse durch Eltern, LehrerInnen, etc., die versuchen, Kindern „Manieren“ beizubringen, spielen in der Sozialisation eine Rolle. Es kommen die gesellschaftlichen Einflüsse hinzu (z.B. Machtverhältnisse, Medien, sprachliche Inhalte), die nicht speziell zur persönlichen Erziehung gedacht sind.         (vgl. Meulenbelt 1985, S.83f)

 

3.1     Zur Erforschung von Geschlechtsunterschieden

 

Erklärungsversuche geschlechtsspezifischer Unterschiede in Persönlichkeits-strukturen und sozialen Stellungen basieren auf individual-psychologischen, sozialpsychologischen, soziologischen, kulturanthropologischen, genetischen und historischen Theorien.

 

Soziologische Theorien fragen nach Art und Funktion eines spezifischen Geschlechtsklassifikationssystem. Sozialisationstheorien suchen nach der Genese individueller Persönlichkeitsmerkmale und Orientierungen. Psychologische Theorien über geschlechtsspezifische Sozialisation führen unterschiedliches Denken und Verhalten von Frauen und Männern auf soziale Einflussfaktoren zurück.

 

(vgl. Nunner-Winkler in Deutsche Forschungsgemeinschaft 1994, S.61)

 

Aus den Anfängen der Psychologie existieren zwei Vorurteile:

 

              -Die Frau ist durch ihre Fortpflanzungsfunktion als Person geprägt/ 

 

festgelegt.

 

              -Verhalten, Leistungen und Fähigkeiten der Menschen unterscheiden sich nach dem Geschlecht. (Wobei Unterschiede als Überlegenheit des Mannes gedeutet werden.)

 

Um diese Vorurteile aufrecht zu erhalten bzw. zu beweisen, wurden Zitate von Untersuchungsergebnissen verfälscht, statistische Überprüfungen quantitativer Daten vernachlässigt, etc. – vor allem dann, wenn der erwartete Unterschied sich nicht in den Daten abgezeichnet hat. (Dieses wird belegt durch Haraway 1978, Sherif 1977, Sherman 1978, Unger 1979 u.a. in Hagemann-White 1984, S.11)

 

In den frühen 70er Jahren gab es eine „Tendenzwende“ innerhalb der Sozialwissenschaften bezüglich ihrer Aussagen über geschlechtsspezifische Unterschiede.

 

Insgesamt liefert die empirische Forschung keine Belege für klar ausgeprägte und eindeutige Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die These, dass „gerade geschlechtstypisches Verhalten in hohem Maß situationsspezifisch ist, so dass widersprüchliche und unklare Forschungsergebnisse zu erwarten sind“, wurde von Weitzmann schon 1975 vertreten.     (vgl. Hagemann-White „1984, S.42)

 

In der Psychologie kam es erst in den 80er Jahren zu Fragestellungen und Forschungsentwürfen zur Untersuchung vom Verhältnis Einflussfaktor Geschlecht und Verhalten.   (vgl. Hagemann-White 1984, S.11)

 

Der erste Psychologe, der Erklärungsversuche über die Entstehung von Weiblichkeit und Männlichkeit gab, war Freud. (Frauen wie Mitchell oder Hagemann-White kritisierten Freuds psychoanalytische Theorie teilweise aufgrund von sexistischen Gedankengängen.)

 

Die allgemeine psychologische Sichtweise besagt u.a., dass das Erlernen von Verhaltensweisen durch Beobachtung und Imitation stattfindet.

 

       „Grund für den Imitationswunsch ist die Assoziation der elterlichen  

 

       Fürsorge mit Triebreduktion (...wie Hunger und Durst...oder emotionale 

 

       Abhängigkeit...), der Neid auf die soziale Macht(...)oder der Wunsch, 

 

       Kontrolle über das eigene Schicksal zu gewinnen... 

 

       Geschlechtsrollenidentifikation ist...das Ergebnis einer durch Strafen und 

 

       Belohnungen (Skinner 1974) beobachtetes Lernen und Identifikation

 

       erlernten Konformität mit kulturellen Rollenmustern.“ 

 

     (Nunner-Winkler in Deutsche Forschungsgemeinschaft 1994, S.69)     

 

In der Psychoanalyse wird also die Identifikation von Mädchen und Jungen mit dem Elterteil gleichen Geschlechts betont.

 

Kinder werden in der Regel für Anpassung belohnt und für Abweichung bestraft, so dass sie die ihnen zugedachte „Rolle“ schnell verinnerlichen. Hiervon wird in der Lerntheorie ausgegangen.

 

Mischel (1966) bestätigt, dass Kinder Geschlechtsunterschiede, wie auch eine Reihe anderer Verhaltensweisen, erlernen können. Und zwar durch Bestrafen des „falschen“ Verhaltens und Belohnen des „richtigen“ Verhaltens

 

und durch Beobachten und Imitieren der sie umgebenden (in zwei Geschlechter aufgeteilten) Welt.

 

Dieser Theorie widerspricht u.a. Bem (1974). Denn wenn weibliches und männliches Rollenverhalten so leicht zu erlernen ist wie auch andere Verhaltensweisen, müsste es auch möglich sein, dieses Rollenverhalten ebenso leicht wieder zu verlernen/ abzulegen. Und das ist es eindeutig nicht...  

 

(vgl. Meulenbelt 1985, S.99)  Also kann nicht allein die Lerntheorie ausschlaggebend sein.

 

Eine einheitliche Sozialisationstheorie existiert auch heute nicht. Hierbei würde sich auch die Frage stellen, welches die „richtige“ ist, da sämtliche Untersuchungsergebnisse zum geschlechtsspezifischen Verhalten nicht ganz eindeutig sind und sich teilweise widersprechen. (Siehe hierzu auch die im Vorfeld zitierte These von Weitzmann, die besagt, dass geschlechtypisches Verhalten situationsspezifisch ist.)

 

Maccoby und Jacklin untersuchten eine große Anzahl wissenschaftlicher Arbeiten zum Beweis von vorhandenen Geschlechtsunterschieden daraufhin, ob auch tatsächlich Geschlechtsunterschiede nachgewiesen wurden. (Hier muß erwähnt werden, dass sich alle vorhandenen Untersuchungen auf Unterschiede beziehen, nicht auf Übereinstimmungen!) Die Untersuchungsmethoden wurden durchleuchtet. Dabei wurde offensichtlich, dass ein Großteil der angeblichen Beweise von Geschlechtsunterschieden keine wirklichen Beweise sind.

 

Nach etlichen Auswertungen blieben lediglich drei nachweisbare Eigenschaften übrig:

 

       -Mädchen haben eine höher entwickelte verbale Fähigkeit als Jungen.

 

       -Jungen haben ein größeres räumliches Sehvermögen als Mädchen.

 

       -Jungen verhalten sich im Durchschnitt aggressiver als Mädchen. 

 

Hierbei könnten biologische Unterschiede eine Rolle spielen. Es ist jedoch auch möglich, dass es sich um anerzogene Fähigkeiten/ Eigenschaften handelt und Lernprozesse eine Rolle spielen.  (vgl. Meulenbelt 1985, S.47)

 

(Auf das zuletzt genannte werde ich in Kap. 3.3 näher eingehen.)

 

Interessant  ist auch die soziologische Sichtweise, die besagt, dass wir „mit Haut und Haar“ zu Frau oder Mann werden und demzufolge Grenzüberschreitungen in unserer Gesellschaft tabuisiert werden.

 

(vgl. Nunner-Winkler in Deutsche Forschungsgemeinschaft 1994, S.76)

 

Der erste Schritt für die Geschlechtsrollensozialisation ist die Zuordnung weiblich/ männlich bei der Geburt eines Kindes. Durch diese Zuordnung wird unterstellt, dass Geschlechtszugehörigkeit ausschließlich ein biologisches Faktum ist. Doch wo sind demnach Transsexualität oder die Tatsache, dass nicht jedes Kind nach seiner Geburt eine eindeutige Geschlechtsidentität besitzt einzuordnen?

 

Das Fehlen der Geschlechtsidentität ist ein gesellschaftlicher Makel. Aus Kindern werden Mädchen oder Jungen, wenn die Eltern glauben (wollen), dass es ein Mädchen oder Junge ist; ganz gleich, ob der Hormonhaushalt des Kindes damit übereinstimmt oder nicht. Dieses geht aus allen darauf bezogenen Untersuchungen hervor.  (vgl. Meulenbelt 1985, S.46)

 

Kinder unter drei Jahren halten die Geschlechtszuordnung für veränderbar und kategorisieren ihre Erfahrungen noch nicht in Geschlechtsbegriffen. (vgl. Nunner-Winkler in Deutsche Forschungs-gemeinschaft 1994, S.61f)  Erst danach erfolgt die Selbst- und Fremdklassifizierung als Mädchen oder Junge und in höherem Alter die geschlechtsspezifische Zuordnung bestimmter Verhaltensweisen.

 

Dieser Punkt widerspricht Erklärungsversuchen, die besagen, dass weibliches und männliches Verhalten angeboren sei.

 

Was weiterhin dagegen spricht, ist die Tatsache, dass Kulturkreise mit umgekehrter Rollenverteilung existieren, wo sich auch das Verhalten, das Frauen und Männern zugeschrieben wird, umkehrt.

 

 (Hierzu gibt es Untersuchungen über einen Indianerstamm, wo sich die Männer schmücken und den Haushalt versorgen und die Frauen jagen gehen.)

 

Die Beweisführung für biologische Ursachen geht davon aus, dass biologisch verursachte Unterschiede unveränderbar sind und dass es sich um ein biologisch verursachtes Merkmal handelt, das in allen uns bekannten Kulturen erscheint.

 

Jedoch beweist die Universalität von Verhaltensweisen in uns bekannten Kulturkreisen nichts über die Biologie. Es gibt laut Hagemann-White keine biologisch angelegte Verhaltenstendenz -einschließlich des Selbsterhaltungstriebs- die nicht aus kulturellen Gründen zu überwinden ist (z.B.Hungerstreik).  (vgl. Hagemann-White 1984, S.41)

 

Anatomie ist nicht wirklich Schicksal, Schicksal entsteht dadurch, wie Menschen Anatomie auffassen.“   (Stoller in Meulenbelt 1985, S.29)

 

Fest steht, dass die Geschlechtsdifferenzierung durch die Gesellschaft aufrecht erhalten wird. Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen werden von Männern bestimmt. Frauen werden andere Qualitäten zugeschrieben – diese sind jedoch für die Öffentlichkeit kaum vorhanden. Das den Frauen Zugewiesene wird als zweitrangig und gesellschaftlich weniger mächtig bewertet.

 

Durch u.a. diese Situation, und nicht durch die natürliche Verschiedenheit, wird die für Frauen negative Geschlechtsdifferenzierung aufrechtgehalten. (vgl. Stiegler in Arbeits-und Sozialforschung 1999, S.6)

 

3.1.2   Differenztheorie

 

Die Differenztheorie besagt, dass es zwei Geschlechter gibt, wovon beide

 

       a)   in der Natur des Menschen festgelegt sind.

b) durch Normen, die die Geschlechterbilder beeinflussen und prägen, kulturell und gesellschaftlich bestimmt sind.

 

Letzteres wird als Gender bezeichnet.    

 

(vgl. Stiegler in Arbeits- und Sozialforschung 1999, S.6)

 

Es wird gesagt, dass Frauen und Männer „statt verschiedener Dialekte verschiedene Genderlekte (geschlechtsspezifische Sprachen) sprechen.“ 

 

(Tannen 1991, S.40)

 

Wenn der Lebensraum von Frauen und Männern verglichen wird, könnte von zwei verschiedenen Bevölkerungsgruppen mit einer jeweils eigenen Kultur gesprochen werden, da die Unterschiede größtenteils gravierend sind. Wählt man den (für Männer) einfachsten Erklärungsversuch und geht davon aus, dass die Ungleichheit von Frauen und Männern durch die Natur festgelegt wird (in bezug darauf, was Frauen und Männer beschäftigt, was für Eigenschaften und Interessen vorhanden sind, usw.),  bedarf es keiner Erklärung, warum die Lebenswelten von Frauen und Männern so weit auseinanderliegen (und auch keiner Veränderung).

 

Die Ungleichheit ist jedoch nicht einfach nur ungleich, sondern beinhaltet auch eine große Ungerechtigkeit. Durch die bestehende Rollenverteilung werden Männern viele Vorteile verschafft, die Frauen nicht haben. (vgl. Meulenbelt 1985, S.10)   (Beispiele hierfür sind im folgenden Kapitel zu finden.)

 

Die Ungleichheit/ Differenzierung zwischen Frauen und Männern ist festgelegt durch gesellschaftliche Strukturen  und nicht durch die Natur! 

 

Neben der Differenztheorie existieren noch andere (z.B. die Dekonstruktionstheorie), worauf ich im Rahmen meiner Arbeit jedoch nicht näher eingehen werde.

 

3.1.3   Gesellschaftliche Strukturen und traditionelles Verhalten

 

Um auf das entstandene Rollenbild durch den Einfluß unserer Gesellschaft (Politik, Religion, Wirtschaft, Fernsehen, Zeitungen, Werbung, etc.) zu sprechen zukommen, beziehe ich mich zuerst auf Redewendungen, die für „jedermann“ normal sind.

 

Der Mann wird zuerst genannt (Adam und Eva; Herr Prof. Schulz und Frau). Bei einer Briefanrede wird die „Dame“ zuerst genannt. Hier geht es vermutlich um Höflichkeit, beim ersten Beispiel um Wichtigkeit?

 

Die gesellschaftlich angesehenen Berufe stehen in der männlichen Form; diese sind in der Regel auch durch Männer besetzt.

 

Es gibt deutliche Unterschiede in „Rollenerwartungen“ und „sozialen Stellungen“: Die Spitzenpositionen sind (noch immer) fast ausschließlich von Männern besetzt, Frauen übernehmen überwiegend Kinderversorgung und Hausarbeit. (vgl. Nunner-Winkler in Deutsche Forschungsgemeinschaft 1994, S.64)   Hinzu kommt, dass die sogenannten Frauenberufe (die in der Regel in der weiblichen Form bekannt sind,

 

z.B.: Putzfrau weil Putzen „Frauensache“ ist?? Oder Krankenschwester weil Männern die Begriffe „Geduld, Fürsorge und Aufopferung“ nicht zugeschrieben werden?) ausgesprochen schlecht bezahlt werden.

 

 „Hausfrau“ wird nicht einmal als Beruf anerkannt.

 

Ein Arzt, der eine große soziale Verantwortung hat, wird sehr gut bezahlt. Eine Erzieherin, die ebenfalls eine große soziale Verantwortung hat, wird schlecht bezahlt. Hierbei spielt die Differenztheorie mal wieder eine Rolle und die Tatsache, dass die weiblichen „Werte“ gesellschaftlich nicht anerkannt sind. Die Arbeit einer Frau wird als weniger wertvoll eingestuft als die eines Mannes.

 

Der Begriff „Herrlein“ war und ist für junge Männer undenkbar. (Brantenberg 1987, S.14u.a.) Wobei auch im Jahr 2000 eine junge oder nichtverheiratete Frau teilweise noch als „Fräulein“ bezeichnet wird.

 

Begriffe, und Bezeichnungen, die in der männlichen Form stehen, sind für Frauen absolut gängig. Andersherum wäre dies nicht möglich.

 

Im Rahmen meiner Ausbildung zur Erzieherin habe ich Kinderbücher auf rollenspezifisches Verhalten untersucht und dabei festgestellt, dass es verhältnismäßig wenig „gute“ Kinderliteratur gibt. In der Regel gehen die Väter arbeiten und die Mütter putzen und kochen. Die Mädchen weinen und sind „zickig“ und die Jungen erleben wilde Abenteuer. So werden die Kinder meiner Meinung nach durch Literatur (wie auch durch andere Bereiche) unterschwellig geschlechtsspezifisch erzogen.

 

Sogar Heldenfiguren, die (auf den ersten Blick) weiblich sind, müssen in bezug auf geschlechtsspezifische Klischees hinterfragt werden – z.B. „Pippi Langstrumpf“. Sie ist ein Mädchen, jedoch so abstrakt, dass sich Mädchen und Jungen eher mit den Kindern „Annika und Thomas“ identifizieren. Hierzu sei gesagt, dass Annika eine ausgesprochen vorsichtige, ängstliche und vernünftige Rolle zukommt.

 

Frauen sind in Politik und Wirtschaft in der absoluten Minderheit. Diese  werden in der Regel kritischer hinterfragt und anders bewertet als Männer und müssen sich vorab erst mal „beweisen“. Frauen werden oft grundlos herabgemindert.

 

      „Wir werden durch Sprache, durch Bilder, in den Medien, in unserer        

      ganzen Alltagskultur überflutet von negativen Bewertungen von Frauen

      Das Bild der Frau in unserer Gesellschaft, wenn wir es rekonstruieren aus 

      den Witzen und der Werbung, den Lehrbüchern und der Literatur unserer 

      Zeit ist so ungünstig, drückt so viel Missachtung und Verachtung aus und

      ist zur gleichen Zeit so etabliert, so durchgängig, dass wir es kaum

      durchbrechen können.“   (Trömel-Plötz in Kotthoff 1988, S.11)

 

Herrschende Vorurteile, dass eine Frau weniger klug, durchdacht, rational und logisch spricht als ein Mann; dass das, was sie sagt, nicht wichtig und relevant ist, führen bei Frauen zu bestimmten Verhaltensweisen: Sie sprechen mit weniger Autorität, Sicherheit und Selbstbehauptung.

 

(Lauper/ Lotz in Trömel-Plötz 1984, S.248)

 

Es stellt sich die Frage, warum Frauen aus diesen traditionellen Verhaltensweisen und den für sie zugedachten Rollen nicht ausbrechen. Die Voraussetzung dafür ist meines Erachtens, sich der eigenen - unter gesellschaftlichem Blickpunkt normalen - Lage bewusst und damit unzufrieden zu sein. Das könnte schon die erste Schwierigkeit sein. Hinzu kommt wohl die Angst, sich selbst wichtig zu nehmen oder aus den Regeln und Normen „auszubrechen“ und somit evtl. gesellschaftlich geächtet zu sein.

 

Um auf das Wort „geschlechtsspezifisch“ zu sprechen zu kommen:

 

Es ist bemerkenswert, dass

 

       „überwiegend von der Sozialisation und der Diskriminierung der Frau die 

       Rede ist, wie überhaupt  das Wort `geschlechtsspezifisch` regelmäßig

       anzeigt, dass Frauenprobleme zur Sprache kommen sollen. Über weite 

       Strecken der Literatur, selbst im Bereich Sozialisation und Erziehung, 

       müsste man beim Lesen glauben, dass Männer Menschen schlechthin sind; 

       Frauen dagegen weichen ab,  müssen gesondert unter die Lupe genommen

       werden, sind `spezifisch`.“

       (Hagemann-White/ Wolff 1975, S.199)

 

Eine Grundvoraussetzung und der erste Schritt für eine generelle Verständigung zwischen Frau und Mann ist meines Erachtens die gegenseitige Akzeptanz des vorhandenen „Andersseins“ - ohne Bewertung. 

 

Meulenbelt ist der Meinung, dass, auch wenn es auf dem Arbeitsmarkt keine Diskriminierung mehr geben würde, die Tendenz bei Frauen bestehen bliebe, sich in traditioneller Weise in Frauen- und Männerberufe einzuordnen. (vgl. Meulenbelt 1985, S.209) Das heißt, dass sich nicht nur gesellschaftliche Strukturen, sondern auch das geschlechtsspezifische Bewusstsein der einzelnen Menschen verändern muß.

 

3.2 Komponenten der Geschlechtsidentität

 

Das Konzept der Geschlechtsidentität beinhaltet drei Komponenten:

 

Die Kern-Geschlechtsidentität, die Geschlechtsrolle und die Geschlechtspartner-Orientierung (auf die ich in folgenden Unterpunkten näher eingehen werde).

 

Das Konzept der Geschlechtsidentität umfasst „bewusste Vorstellungen und unbewusste Phantasien  einer individuellen Kombination von Männlichkeit und Weiblichkeit, wie sie aufgrund biologischer, psychologischer, sozialer und kultureller Faktoren zustande gekommen sind.“  (Mertens 1994, S.23)

 

Zur Entstehung der Komponenten werden folgende Sozialisationseinflüsse aufgeführt:

 

       -Körperempfindungen und psychosexuelle Erfahrungen

       -Interaktion mit Mutter und Vater

       -Identifikation mit Mutter und Vater

       -Lernen der Geschlechtsrolle

       -Selbstkategorisierungsprozesse

        (Mertens 1994, S.29)

 

Der Begriff „Kern-Geschlechtsidentität“ wurde ursprünglich von Stoller (1968) eingeführt.

 

Die Unterscheidung zwischen „sex“ und „gender“ wurde erstmalig von Money (1955) mit dem Begriff „Geschlechtsrolle“ eingeführt. 1965 revidierte er diesen und versuchte ihn von der „Geschlechtsidentität“ zu differenzieren. (vgl. Mertens 1994, S.24f)   1972 stellten Money und Erhardt die Unterscheidung der beiden Begriffen heraus (siehe unten).

 

Geschlechtsidentität und Geschlechtsrolle werden zur gleichen Zeit erlernt.

 

Die Geschlechtsidentität ist „die Privaterfahrung der Geschlechtsrolle und die Geschlechtsrolle die äußere Manifestation, die öffentliche Äußerung der Geschlechtsidentität.“  (Meulenbelt 1985, S.85)

 

3.2.1    Kern-Geschlechtsidentität („core gender identity“)

 

Diese Komponente stellt das bewusste und unbewusste Erleben, ein Mädchen oder Junge bezüglich des biologischen Geschlechts zu sein, dar. Heute wird (im Gegensatz zu früher) angenommen, dass die Sozialisation des Kindes von Anfang an geschlechtsspezifisch ist. Vermutlich haben die geschlechts-rollenkonformen Erwartungen und entsprechenden Verhaltensweisen der Eltern in den ersten beiden Lebensjahren des Kindes die größte Durchschlagkraft/ Bedeutung. (vgl. Mertens 1994, S.24)

 

Die Geschlechtsidentität ist also das Bewusstsein, ein Mädchen/ eine Frau oder ein Junge/ ein Mann zu sein.

 

3.1.4   Geschlechtsrolle („gender role“) bzw. die Geschlechtsrollenidentität

                                                                                  („role gender identity“)

 

Hier handelt es sich um die Fortsetzung der Kern-Geschlechtsidentität, jedoch auf höherem symbolisch-sprachlichen Niveau (d.h. Erwartungen an das eigene Verhalten und an das des Interaktionspartners bezüglich des Geschlechts).

 

Beispiel: “Ich selbst definiere mich als männlich, deswegen erwarte ich von 

 

       dir, dass du mich auch als männlich einschätzt und Erwartungen an mich 

       hast, die man einem Mann gegenüber hat, Bedürfnisse und Wünsche an

       mich richtest, die von einem Mann befriedigt werden können und Ängste 

       und Vorbehalte mir gegenüber hast, die man normalerweise Männern

       gegenüber hat.“ (Mertens 1994, S.24f)

 

Die Geschlechtsrolle umfasst also weibliche und männliche Verhaltensweisen, die ein Mensch zeigt.

 

Das Rollenlernen eines Kindes verursacht u.a. die Selbstattribuierung, einem bestimmten Geschlecht anzugehören und demnach bevorzugt gleichgeschlechtliche Rollenmodelle aufzusuchen zwecks Identifizierung.

 

3.1.5   Geschlechtspartner Orientierung („sexual partner orientation“)

 

Die Orientierung bezieht sich auf das bevorzugte Geschlecht als LiebespartnerIn. Diese Komponente gehört zu den am wenigsten erforschten.

 

Kinder nehmen diese zunächst bisexuell wahr. Die ursprünglich bisexuelle Partnerorientierung (bzw. die Wahrnehmung dessen) wird im Verlauf der Sozialisation zur heterosexuellen Orientierung. Inzwischen wird von manchen Psychoanalytikern (z.B. Friedmann 1988) die Meinung vertreten, dass angesichts der Vielfalt des menschlichen lesbische oder homosexuelle Partnerorientierungen als „normale Varianten der Geschlechtsbeziehung“ gelten. Vorher wurde diese Form der Partnerorientierung als abweichendes/ unnormales Verhalten eingestuft. (Wobei meiner Meinung nach die Gesellschaft dem gegenüber auch heutzutage noch nicht besonders aufgeschlossen ist.) 

 

Sexuelle Phantasien spielen in den Bereich „Geschlechtspartner-Orientierung“ mit hinein, die eng mit dem Erleben der eigenen Geschlechtsidentität verbunden sein können.

 

(vgl. Mertens 1994, S.26f)

 

3.2 Sozialisation und unterschiedliche Verhaltensweisen

         von Mädchen/ Frauen und Jungen/ Männern

 

Erfahrungen, die ein Kind in seiner Familie macht, sind Basiserfahrungen.

 

      „Das Kind erfährt hier von klein auf und immer wieder, wie Menschen tagtäglich  

       miteinander umgehen, wie mit ihm selbst umgegangen wird, wie Bedürfnisse 

      befriedigt oder auch unterdrückt werden und welche Beziehungen und 

      Verhaltensformen die hier lebenden Individuen miteinander ausbilden.“

       (Hagemann-White/ Wolff 1975, S.272)

 

Mädchen und Jungen werden nicht als solche geboren, sondern dazu gemacht. D.h., dass Kinder von Geburt an systematisch in eine Geschlechterrolle gedrängt werden, die wir weiblich oder männlich nennen. Vielfältige Untersuchungsergebnisse haben gezeigt, dass Mütter und Väter mit ihren weiblichen und männlichen Babys jeweils unterschiedlich umgehen.

 

Laut Bilden  (1980) lassen sich diese Unterschiede wie folgt zusammenfassen:

 

-Neugeborene Jungen werden etwas häufiger gefüttert als Mädchen, evtl. weil sie mehr schreien.

 

-Eltern nehmen Mädchen und Jungen schon in den ersten 24 Stunden unterschiedlich wahr, was deren physische und psychische Eigenschaften betrifft.

 

-Mütter, die mit fremden 6 Monate alten Babys zusammengebracht wurden, regten angebliche Jungen mehr zu grobmotorischen Bewegungen an als Mädchen.

 

-Nahezu  alle Mütter wollen ihre Söhne stillen, jedoch nur zwei Drittel ihre Töchter. Mädchen werden

 

auch früher wieder entwöhnt und müssen sich eher den Essvorschriften ihrer Mütter unterwerfen.

 

-Jungen im Alter von drei Wochen werden mehr optisch-visuell stimuliert, Mädchen mehr akustisch.

 

-Ab dem dritten Lebensmonat wird Mädchen mehr zärtlicher Körperkontakt gegeben und bei Jungen mehr die Muskelaktivität und ein selbständiges, loslösendes Verhalten gefördert.

 

-Mädchen unterliegen bezüglich der Sauberkeitserziehung einem stärkeren „Drill“ als Jungen.

 

(vgl. Mertens 1994, S.63)

 

Ein Säugling wird in eine schon fertige Welt hineingeboren und wird wesentlich stärker von ihr geprägt als andersherum. Ein gewisser Ausschnitt aus dem gesamten vorherrschenden Kulturmuster wird ihm sein Leben lang anhängen. Welcher Teil ihm vermittelt wird, hängt zum Großteil davon ab, welche Positionen seine Eltern in dieser Kultur einnehmen.    (vgl. Mc.Call/ Simmons 1974, S.59)

 

Allerdings lassen sich Unterschiede im Erziehungsverhalten von Müttern und Vätern nach neueren Untersuchungen nur noch schwer belegen. Hagemann-White kritisiert diesbezüglich die empirische Forschung, die zwar Vorurteile durch statistische Fakten ausräumt, jedoch die menschliche Subjektivität auf einige messbare Merkmale reduziert.

 

     „Die Unterschiede sind in ihren wichtigsten Aspekten nicht quantifizierbar, auch 

      nicht durch eine verfeinerte Empirie. Eine Mutter lächelt ihren Sohn weder mehr 

      noch weniger an als ihre Tochter, sondern anders: Ihr Lächeln trägt einen anderen 

      Sinn und andere Gefühle. Der Sinn und die Gefühle erwachsen aus der

      gesellschaftlichen Bedeutung, die es hat ein zukünftiger Mann oder eine 

      zukünftige Frau zu sein.“     (Hagemann-White 1984, S.74)

 

Trotz dieser berechtigten Kritik sind Unterschiede im Interaktionsverhalten der Eltern vorhanden.

 

Lichtenberg (1989) weist darauf hin, dass mit der Geschlechtszugehörigkeit des Neugeborenen vermutlich bewusste und unbewusste Erwartungen aktualisiert werden. Die unbewußten Phantasien enthalten das konflikthafte Erleben der eigenen Geschlechtsidentität und den mehr oder weniger gut gelernten Umgang damit.  (vgl. Mertens 1994, S.65)

 

Mädchen und Jungen werden durch ihre familiäre Situation , ihr soziales Umfeld, Schule, Freunde, Gesellschaft bewusst und unbewusst geschlechtsspezifisch geprägt. Dabei besteht eine Wechselbeziehung zwischen Individuum und sozialer Umwelt.

 

Im Verlauf der Sozialisation wird die Fähigkeit zur Interaktion mit anderen Personen erworben. Interaktives Verhalten im engeren Sinne wird ab etwa drei Jahren trainiert.

 

Es erfolgen erste Beziehungsstrukturierungen, in denen versucht wird, Überlegenheit zu erlangen oder positiven und negativen Gefühlen dem anderen gegenüber Ausdruck zu verleihen. Es schließt sich die Entwicklung zum kooperativen Verhalten an.   (vgl. Piontkowski 1976, S.9f)

 

Durch die unterschiedliche Sozialisation von Mädchen und Jungen sind auch die Verhaltensweisen unterschiedlich ausgeprägt. Das zeigt sich wie folgt...

 

Das Spielverhalten von Mädchen ist geprägt durch kooperative Aktivitäten, bei denen Konkurrenzverhalten keine große Rolle einnimmt. Sie spielen gerne im Haus – mit Freundinnen, die sorgfältig ausgesucht werden. Mädchen spielen bevorzugt in kleineren Gruppen (zu zweit oder zu dritt).

 

Freundschaft wird erlebt als Gleichheit, Intimität und Füreinanderdasein.

 

In den bevorzugten Spielen kommen kaum „Gewinnerinnen/ Verliererinnen“ vor. Mädchen ist es nicht so wichtig, im Mittelpunkt zu stehen. Vorlieben werden durch Vorschläge ausgedrückt, welche von den anderen Mädchen häufig aufgegriffen werden.

 

(vgl. van Alphen in Kotthoff 1988, S.202; Tannen 1991, S.40ff)

 

Jungen spielen meist in größeren Gruppen, in denen die Altersunterschiede weit auseinandergehen können. Die Gruppen sind hierarchisch organisiert. Nicht-dominante Jungen können dabei bleiben, werden jedoch deutlich auf ihre untere Gruppenstellung hingewiesen. Die hierarchischen Strukturen verändern sich ständig, da Jungen früh lernen, ihren Gruppenstatus zu manipulieren. Neue Jungen werden in die Gruppe aufgenommen, sie müssen sich jedoch erst beweisen/ behaupten. Es wird viel geprahlt mit Fähigkeiten oder darüber gestritten, wer der Beste ist.

 

Jungen spielen bevorzugt im Freien bzw. auf der Straße.

 

(vgl. van Alphen in Kotthoff 1988, S.203; Tannen 1991, S.41)

 

Bei einjährigen Mädchen und Jungen ist an der Art, wie sie spielen, kaum ein Unterschied feststellbar.

 

Das Spiel- und Sozialverhalten ist also sozialisationsgeprägt. Darauf lässt sich jedoch nichts schließen auf den Bereich der Fähigkeiten und der kognitiven Entwicklung. (Einige Forscher behaupten, dass sich Mädchen und Jungen im Bereich ihrer Fähigkeiten unterscheiden würden.) Die wenig existierenden Untersuchen diesbezüglich müssen mit Einschränkungen betrachtet werden, denn

 

      „unterschiedliche Fähigkeiten müssen ebenso bezweifelt werden wie 

       unterschiedliche Antriebe zur Aktivität nach Geschlecht. Denn die nach

       Geschlecht unterschiedlichen Aktivitätsangebote bieten Gelegenheit zur Übung,

       deren Wirkung im Alter von sechs Jahren und darüber hinaus ohnehin erkennbar

       ist, wenn verschiedene Familien oder verschiede soziale Schichten verglichen

       werden.“  (Hagemann-White 1984, S.16)

 

Bei den versuchten Nachweisen der unterschiedlichen Fähigkeiten/ Eigenschaften müssen die Untersuchungsergebnisse bezüglich ihrer Methoden durchleuchtet werden (vgl. Kap. 3.1). Es lässt sich schlussfolgern, dass bei bestimmten Fähigkeiten und Eigenschaften Lernprozesse eine Rolle spielen können.

 

Das Verhalten von Mädchen und Jungen bezüglich Aggression, Gehorsam und Angst wird beeinflusst durch Machtmissbrauch in der sie umgebenden Gesellschaft.

 

       „Wahrscheinlich sind weder empirische Messungen von der Häufigkeit von 

       Verhaltensweisen noch Nachforschungen über unterschiedliche

      Erziehungsmaßnahmen besonders aufschlussreich, wir werden   vielmehr als

       Erwachsene entscheiden müssen, ob wir in einer Gesellschaft leben wollen, die 

      ein solch hohes Maß männlicher Aggressivität toleriert.“

       (Hagemann-White 1984, S.45f)

 

Jede Gesellschaft gibt Aggressionsformen vor und bestimmt den Personenkreis, gegen den aggressives Verhalten zugelassen wird.

 

Aus unterschiedlichen Mittelwerten für aggressives Verhalten folgt noch nicht, dass Jungen einen höheren Aggressionspegel haben als Mädchen. Die Frage ist eher, unter welchen Bedingungen Menschen besonders passiv, ängstlich oder aggressiv werden.

 

Es werden (mind. ein Mal täglich) doppelt so viele Jungen wie Mädchen geschlagen. Ein Teil der Jungen übernimmt diese gewalttätige Durchsetzungsart und wendet sie gegen andere Kinder an. Ein Teil der Mädchen wird rückwirkend eingeschüchtert.  (vgl. Hagemann-White 1984, S.56f) Wie der andere Teil der Jungen auf die ihm vorgelebte Gewalt reagiert/ wie er sie umsetzt, ging aus den Untersuchungen nicht hervor.

 

Mädchen ist es viel länger gestattet als Jungen, sich durch körperliche Nähe Trost und Schutz zu holen.

 

Weinerlich sein und „sich an die Eltern klammern“ passt nicht zu den vorbildlichen männlichen Werten. Diese negativ bewerteten Beschreibungen stehen jedoch für Ängste, Angewiesensein und Schmerz

 

und für die Nähe, die sowohl Mädchen als auch Jungen brauchen.

 

Das Mädchen (und ihr Verhältnis zum eigenen Körper) wirkt am Ende der Kleinkindphase oftmals ausgeglichener als dies bei Jungen im gleichen Alter der Fall ist.

 

      „Zahlreiche Beobachtungen weisen darauf hin, dass Jungen unausgeglichener, in 

       ihrer Geschlechtsidentität unsicherer sind als Mädchen; selbst ihr

      Körperwachstum verläuft in Sprüngen und Schüben,  und sie können mit ihren 

      Aggressionen, aber auch mit ihrer Motorik schlechter umgehen haben sich   

       weniger `im Griff`. Hunt (1980) entwickelt die These, dass diese relativen 

       Nachteile unter anderem  deswegen zu späterer Dominanz gewandelt werden,

       weil sie die Basis für einen überzogenen Antrieb zur Konkurrenz, zur Leistung 

       und zur aggressiven Selbstbehauptung bilden.“

       (Hagemann-White 1984, S.93f)

 

Durch die traditionell weibliche Erziehung fehlt Mädchen die Vorstellung zur Bildung von Aggressionsphantasien. Vermutlich fällt es ihnen deshalb insgesamt schwer, sich aggressiv zu verhalten, bzw. werden ihre Aggressionen in anderer Form geäußert.  (vgl. Hagemann-White 1984, S.95)

 

Im Bereich des „Gehorsams“ gegenüber Erwachsenen sind Mädchen im Alter von zwei bis fünf am ehesten bereit, Anweisungen zu befolgen. Bei Mädchen und Jungen unter zwei Jahren und bei älteren Kindern wurde kein Unterschied festgestellt.

 

Der Bereich „Furcht und Angst“ zeigt unterschiedliche Ausprägungen – je nach Anlaß und Situation. Bei Mädchen ab acht Jahren ist die Ausprägung stärker vorhanden. Diese Untersuchungen begründen sich ausschließlich auf Selbsteinschätzungen in Form von Fragebögen.

 

Die Verleugnung von Angst ist jedoch gerade bei Kindern eine wichtige Bewältigungsstrategie. Die Bereitschaft, sich als ängstlich zu beschreiben, lässt keine Schlüsse darauf zu, dass Mädchen tatsächlich ängstlicher sind als Jungen.        (vgl. Hagemann-White 1984, S.17)

 

Sofern Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Leistungen feststellbar sind,

 

      „ist die Größenordnung dieser Unterschiede sehr viel geringer, als in der

      interpretierenden Literatur meist zur Kenntnis genommen wird. Die meisten 

      Theorien zur Erklärung dieser Unterschiede, vor allem die biologischen Theorien,

      haben zu wenig beachtet, wie klein die Differenzen sind. Verallgemeinernd kann

      festgestellt werden, dass die Anlagen und die Bereitschaft zu Leistungen und

      Verhaltensweisen nicht im strengen Sinne geschlechtstypisch verteilt sind. Das

      Geschlecht hat kaum Bedeutung gegenüber individuellen Faktoren.“    

      (Hagemann-White 1984, S.44)

 

Je weniger die „natürlichen Unterschiede“ als Rechtfertigung genommen werden, Mädchen auszuschließen, desto geringer sind die Unterschiede in den feststellbaren Fähigkeiten.

 

Die unterschiedliche Erwartungshaltung lässt Fähigkeiten unterschiedlich wirken. Hinzu kommt die Ermutigung Jungen gegenüber und die Entmutigung gegenüber den Mädchen.

 

Jungen und Männer neigen dazu, Erfolge eigenen Fähigkeiten und Misserfolge den ungünstigen Umständen zuzuschreiben. Mädchen und Frauen führen Erfolge eher auf die Leichtigkeit der Aufgabe oder auf Glück zurück und Misserfolge auf das Versagen eigener Fähigkeiten.

 

Oftmals führt die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten zu höheren Erfolgschancen und eine realitätsgerechte bis niedrige Selbsteinschätzung zu geringeren Erfolgschancen.

 

(vgl. Heckhausen 1980; Wetterer 1992 in Deutsche Forschungsgemeinschaft 1994, S.63f)

 

Die unterschiedliche Selbsteinschätzung von Mädchen und Jungen können als Schritte im Erlernen unserer Kulturnormen verstanden werden.

 

„Zu diesen Ergebnissen passt, dass mit dem Einsetzen der Pubertät das Selbstvertrauen der Jungen ansteigt, das der Mädchen hingegen sinkt.“                                                                                            (Tobin-Richards 1983 in Deutsche Forschungsgemeinschaft 1994, S. 64)

 

Unterschiedliches Erziehungsverhalten innerhalb der Familie lässt sich in drei als empirisch belegte Aussagen zusammenfassen:

 

    -Väter neigen in ihrem Verhalten vielfach dazu, ihr Kind auf Anpassung an 

     die Geschlechterstereotypen zu drängen, was bei Müttern kaum

     nachweisbar ist. Es ist jedoch nicht klar, ob Väter, die sich überdurch-

     schnittlich an der Beziehung beteiligen, anders denken.

     -Mädchen werden von ihren Eltern weit stärker unter Aufsicht gehalten als

      Jungen, hauptsächlich aus Angst um ihre körperliche und sexuelle

      Unversehrtheit. Dies scheint zur Folge zu haben, dass sie den Normen

      intensiver ausgesetzt sind und eine Gefährlichkeit der „Welt draußen“ 

      vermittelt bekommen (verbal), was sich hemmend auf ihre Entdeckungslust

      auswirken kann.  

     -Hohe Aggressivität scheint bei Kindern im Zusammenhang mit

      spezifischen Interaktionsformen zu stehen (zögerndes Angebot von

      Körperkontakt, Schläge, Strafe betrifft häufiger Jungen als Mädchen).

      Hier könnte ein Zusammenhang mit dem 1.Ergebnis bestehen, worin Väter

     „weichere“ Umgangsweisen unterbinden. Ein „Mädchenverhalten“ wird bei 

      Jungen stärker missbilligt als ein „Jungenverhalten“ bei Mädchen, da die

      Angst, die Söhne könnten homosexuell werden, tief verwurzelt ist.

      (vgl. Hagemann-White 1984, S.59)

 

Jungen werden also häufiger bestraft/ geschlagen als Mädchen und verhalten sich daraufhin aggressiver.

 

Das könnte auch daran liegen, dass Väter ihre Söhne eher dazu ermutigen, sich zu wehren und ihre Töchter zum „lieb sein“ gedrängt werden.

 

Zwei Annahmen, die sich in der Sozialisationstheorie begründen, lauten:

 

        -Die männliche Dominanz ist durch eine Besserstellung von Geburt an 

          entstanden, da Überlegenheit nur aus Vorteilen wachsen kann.

        -Die Mutter bestimmt das Schicksal des Kindes.

         (vgl. Hagemann-White 1984, S.86)

 

Diese Annahmen erschweren Verständnis zwischen den Geschlechtern und sind zudem unzutreffend.

 

Die erste These wurde bereits im Vorfeld widerlegt. Die Auswirkung auf die Besserstellung von Jungen empfinde ich auch unter dem Aspekt, dass Jungen häufiger geschlagen werden und weniger Körperkontakt bekommen als Mädchen, fraglich.

 

Zu der zweiten These ist zu sagen, dass nicht nur die Mutter mit dem Kind zusammen und nicht ausschließlich für die Erziehung verantwortlich ist (wie bereits im Vorfeld erwähnt). Hierbei sollte zwar der Gesichtspunkt berücksichtigt werden, dass die Mutter das gleiche Geschlecht wie die Tochter und ein anderes als der Sohn hat, also verschiedene Umgangsweisen und Anforderungen bestehen und demzufolge unterschiedliche Persönlichkeitsentwicklungen entstehen können (vgl. Hagemann-White), d.h., dass Mütter ihre Töchter als „artgleich“ und ihre Söhne als „andersartig“ erleben könnten und daraufhin dazu neigen, eigene Gefühle auf ihre Töchter zu projizieren. Jungen erleben sich demzufolge früher als eigenständige Personen.  (vgl. Meulenbelt 1985, S.187)

 

Aber trotzdem gilt, dass auch andere Menschen neben der Mutter Einfluß auf die Tochter/ den Sohn haben: Der Vater, öffentliche Einrichtungen (Kindergarten, Schule), soziales Umfeld, etc. sind einflussreich. Erziehung wird hier u.a. geprägt durch geschlechtsspezifische Spielsachen bzw. Spielsachen, die nach Geschlecht verteilt werden; Ausschluß der Mädchen bei bestimmten Sportarten und „typischen Jungenspielen“; Inhalte der Schulbücher und nicht zuletzt durch die Persönlichkeit der ErzieherInnen und LehrerInnen selbst. Die Mutter hat also einen nicht unerheblichen Einfluß auf das Schicksal ihres Kindes, bestimmt es jedoch nicht ausschließlich.  

 

Der Bereich der Sozialisationsgeschichte ist natürlich weitaus umfangreicher als hier aufgeführt. Bezüglich der Sozialisation  habe ich einen Teil der Auswirkungen auf Mädchen und Jungen festgehalten, um nun auf Verhaltensformen von Frauen und Männern zu sprechen zu kommen:

 

Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Sozialisation neigen Frauen dazu, im kognitiven Bereich eher emotional zu urteilen – Männer dagegen objektiv, analytisch, differenziert und effektiv.

 

Frauen haben mehr Interessen für Kinder (demnach auch eine größere Sensibilität im Bereich der kindlichen Bedürfnisse) und ein ausgeprägteres soziales Interesse. Sie investieren mehr Zeit und Geschick in die „Beziehungsarbeit“.(vgl.Nunner-Winkler in Deutsche Forschungsgemeinschaft 1994, S.62f)   Durch unterschiedliche Interessen (und dadurch auch unterschiedliche Fähigkeiten) entstehen unterschiedliche geschlechtsspezifische Persönlichkeitsmerkmale.

 

Begriffe wie fürsorglich, beziehungsorientiert und ängstlich werden Frauen zugeschrieben. Männer gelten als konkurrenzorientiert, dominant, aktiv und aggressiv.   (vgl. Seward 1980 in Deutsche Forschungs-gemeinschaft 1994, S.63)  Diese Zuschreibungen haben sich heutzutage sicherlich ein Stück weit relativiert, sind jedoch keineswegs gänzlich verschwunden.

 

Weiterhin werden Frauen Begriffe wie liebenswürdig, fröhlich, freundlich, gehorsam und zutraulich zugeschrieben – also geschlechtsspezifische Vorurteile. Diese Vorurteile existieren auch bei der Zuschreibung von männlichen Eigenschaften: Männer werden als beharrlich, ehrgeizig, vorausplanerisch, verantwortungsbewusst und originell bezeichnet.  (vgl. Hagemann-White/ Wolff 1975, S.207) 

 

Beim Umgang mit Aggressionen/ Abwehrmechanismen hat sich in einer Vielzahl von Studien gezeigt, dass Frauen durch Frustration ausgelöste Aggressionen eher nach innen (gegen sich selbst)  und Männer eher nach außen (gegen die anderen)  richten. Eine dritte Möglichkeit besteht, in der die Frustration geleugnet wird (z.B. durch Verkehrung ins Gegenteil); wobei hier die Ergebnisse auf die Reaktionen von Frauen und Männern nicht ganz eindeutig waren.  (vgl. Cramer 1988, Ihilevich/ Gleser 1991 in Deutsche Forschungsgemeinschaft 1994, S.63)

 

Diese Eigenschaften sind immer das Produkt einer Interaktion in der angeeigneten Kultur und der individuellen Lebensgeschichte.

 

Eine Bedürfnis in der „Frauensprache“ (auch in den weiblichen Denkstrukturen vorhanden) ist das Erzeugen von Harmonie, Übereinstimmung und Vertrautheit. Indirekte (Bedürfnis-)Äußerungen bieten Rückzugsmöglichkeiten und verhindern unvermittelten Kontakt. Abgeschwächte Aussagen schützen vor den Folgen selbstsicheren Auftretens. Eine Frau verhält sich dann nicht herrisch, dominant, aggressiv und zieht nicht den (männlichen) Zorn auf sich.

 

Das Resultat dieses „harmonisierenden Schutzschildes“, das voll von ignorierten Gefühlen und Gedanken ist, wirkt frustrierend, denn unausgesprochene, evtl. sogar ungedachte oder nicht in Handlung umgesetzte Gefühlsregungen frustrieren. Diese Regungen blockieren Körperfunktionen, können zu Wahrnehmungsverzerrungen und zu somatischen Erscheinungen führen.      (vgl. Degner in Europäische Hochschulschriften 1990, S.141f)

 

Durch die Sensibilität gegenüber den Bedürfnissen anderer und durch die Bereitschaft zur Verantwortung für andere sind Frauen auch bereit, auf andere Stimmen/ Meinungen zu hören und andere Standpunkte in ihr Urteil mit einfließen zu lassen. Die Entwicklungspsychologin Gilligan stellte fest, dass sich Frauen und Männer in ihrem moralischen Urteil unterscheiden. Frauen urteilen eher fürsorglichkeitsorientiert und Männer nach abstrakten Gerechtigkeitsprinzipien. 

 

(vgl. Gilligan 1984 in Deutsche Forschungsgemeinschaft 1994,S.64)

 

„Das zentrale moralische Problem für Frauen stellt...der Konflikt zwischen dem Selbst und den anderen dar, ein Konflikt zwischen Autonomie und Mitgefühl.“     (Degner in Europäische Hochschulschriften 1990, S.142)    

 

Ein Zögern, Urteile zu fällen, könnte als Indiz für Rücksichtnahme und Fürsorge stehen. Symptome der negativen Selbstwahrnehmung könnten als Reaktion infolge dauerhafter Nichtakzeptanz der eigenen Moral und persönlicher Ansichten/ Standpunkte gesehen werden.

 

Für Gilligan führt Dominanz männlicher Deutungen zu weiblicher Wahrnehmungsverunsicherung und Selbstzweifeln, die die weibliche Fähigkeit, aufgrund der eigenen Wahrnehmung zu handeln, beeinträchtigen. (vgl. Degner in Europäische Hochschulschriften 1990, S.143)  Diese These trifft sicherlich auf viele Frauen zu, lässt sich jedoch nicht verallgemeinern, da sich nicht jede Frau grundsätzlich von männlicher Dominanz verunsichern lässt.

 

Es lässt sich schlussfolgern, dass unsere Sozialisation Verhaltensweisen von Frauen und Männern beeinflusst. Eine weitere Auswirkung ist die Prägung des Sprachstils.

 

Excerpt out of 71 pages

Details

Title
Kommunikationsstörungen in Paarbeziehungen unter besonderer Berücksichtigung des unterschiedlichen Gesprächsverhaltens von Frauen und Männern
College
University of Applied Sciences Braunschweig / Wolfenbüttel
Grade
3
Author
Year
2000
Pages
71
Catalog Number
V185597
ISBN (eBook)
9783656980766
ISBN (Book)
9783867464956
File size
875 KB
Language
German
Keywords
kommunikationsstörungen, paarbeziehungen, berücksichtigung, gesprächsverhaltens, frauen, männern
Quote paper
Bettina Kursatzky (Author), 2000, Kommunikationsstörungen in Paarbeziehungen unter besonderer Berücksichtigung des unterschiedlichen Gesprächsverhaltens von Frauen und Männern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185597

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