Konzeption und Realisierung eines standardisierten Erfassungs- und Auswertungssystems zur Chargenrückverfolgung in der Serienproduktion


Diploma Thesis, 2001

117 Pages, Grade: 3


Excerpt


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1 Einleitung 1.1 Aufgabenstellung

1 Einleitung

1.1 Aufgabenstellung

Aufgrund der gestiegenen Anforderungen an ein hochwertiges Produkt und die begründete Forderung der Kunden, von Anfang an ein zuverlässiges Erzeugnis zu bekommen, ist es unumgänglich, effiziente Methoden im Bereich der Qualitätssicherung einzusetzen. Wichtig dabei ist, daß gerade wegen der hohen Verantwortung der Mitarbeiter in diesem Bereich, entsprechende Hilfsmittel zur Verfügung stehen, die den involvierten Personen eine schnelle und akkurate Entscheidungsfindung ermöglichen. Basis für diese Vorgänge ist ein umfangreiches Wissen über den Herstellungsprozeß, die Umgebungsbedingungen und das Produkt mit seinen Eigenschaften. Neben diesen grundsätzlichen Anforderungen müssen auch Informationen über die einzelnen Produktionseinheiten wie Chargen, Partien oder Lose bestehen, um Schwankungen der Qualität entdecken, positive Effekte zu verstärken und negativen entgegenwirken zu können.

Eines dieser unterstützenden Hilfsmittel ist ein Rückverfolgungssystem, welches das Endprodukt kennzeichnet und auf Wunsch oder bei Bedarf Auskunft über Bestandteile, Vorkommnisse, Produktionsparameter und Produkteigenschaften liefern kann. Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit der Konzeption eines solchen Rückverfolgungssystems, allerdings mit der Besonderheit, daß es generell in der Serienproduktion eingesetzt werden kann. Der Unterschied zu anderen Produkten ist, daß diese Arbeit kein maßgeschneidertes System für eine bestimmte Firma oder für einen konkreten Anwendungsfall ist, sondern daß es sich hierbei um ein standardisiertes System handelt, das bei allen in Serienproduktion fertigenden Unternehmen und deren Abteilungen (unterschiedliche Anwendungsfälle) implementiert werden kann. Die aus der Standardisierung resultierenden Vorteile liegen auf der Hand:

o Universelle Einsatzmöglichkeiten

o Standardisierte Schnittstellen

o Übersichtliche Wartung

o Problemlose Skalierbarkeit

Eben genannte Vorteile waren gleichzeitig die Vorgaben für die Konzeption des Rückverfolgungssystems.

Erweiterte Forderungen an das Rückverfolgungssystem waren außerdem die Beachtung der von der Gesetzgebung vorgegebenen Richtlinien, die vom Kunden geforderte nachweisliche Beherrschung des eigenen Produktionsprozesses und ein dokumentierter Produktionshergang. Letzteres diente vor allem dem Zweck, Grundlage für statistische Auswertungen zur Verbesserung des Prozesses hinsichtlich Robustheit und Beherrschung zu sein.

Aufgrund der unterschiedlichen Produktionsformen, der unterschiedlichen Arten an Rohmaterialien, der variierenden Anzahl an Produktionsschritten und vor allem der divergierenden Palette an Eigenschaften der unterschiedlichen Produkte aller in Serienproduktion fertigenden Unternehmen, ist es unumgänglich mit allgemeiner Sichtweise an die Lösung dieser Aufgabe zu gehen. Diese umfassende Betrachtung der Materie ist Hauptaugenmerk im Studiengang AAPT (Automatisierte Anlagen- und Prozeßtechnik) an der Fachhochschule Wels gewesen. Aus diesem Grund eignet sich das Thema besonders für eine Diplomarbeit an dieser Ausbildungsstätte.

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1 Einleitung 1.2 Begründung für den Bedarf

1.2 Begründung für den Bedarf

Der berechtigte Anspruch der Kunden auf ein hochwertiges oder zumindest zuverlässiges Produkt zwingt die Firmen steigenden Qualitätsstandards zu entsprechen. Das jedoch nicht nur, um den Kunden nicht zu verlieren oder sich ständig zu verbessern, auch die Rechtslage zwingt ein Unternehmen, Aufzeichnungen über deren Produktion und allgemeine Prozesse innerhalb der Firma zu tätigen. Vor allem in Bereichen, in denen sich Menschen in Gefahr begeben oder wo die Gesundheit sehr stark von der Zuverlässigkeit der verwendeten Hilfsmittel abhängt, muß ein Unternehmen darauf bedacht sein, nur absolut funktionstüchtige Produkte an seine Kunden weiterzugeben. Dies trifft im speziellen auf die Medizin zu, wie ein aktuelles Beispiel zeigt: Braun Melsungen ruft aus Belgien und Deutschland Ampullen mit

Glukoselösung zurück

Melsungen, 16. Januar (AFP) - Die Firma B. Braun Melsungen AG hat am

Samstag abend klargestellt, daß das Produkt, das von den belgischen

Behörden für den Tod zweier Neugeborener verantwortlich gemacht wird, bei

Patienten direkt injiziert wird. Die Zehn-Milliliter-Ampullen der

Glukoselösung seien speziell für die Behandlung von Kindern gedacht, sagte

ein Firmensprecher. Er habe "keinerlei Anlaß anzunehmen", daß die

Todesfälle auf Fehlverhalten des medizinischen Personals am

Universitätskrankenhaus Löwen zurückzuführen seien. Die Frage, wie das

Kalium-Chlorid in die Ampullen in Löwen gekommen sei, könne er nicht

beantworten. Die Untersuchung sei noch im Gange. Eine Fehletikettierung

könne nicht ausgeschlossen werden, weil es Produkte mit Kalium-Chlorid

gebe, die aber nicht für Kinder gedacht seien.

Die Rückrufaktion der Firma Braun beziehe sich auf Deutschland und

Belgien, sagte der Sprecher. Das Rückverfolgungssystem der Firma habe

gezeigt, daß Ampullen aus der im September ausgelieferten Charge "nicht in

anderen Ländern" verkauft worden seien. Es gebe "keine Erkenntnisse", daß

die Ampullen weiter exportiert worden sein könnten. [DÜS, 2001] Gerade in solchen Bereichen, aber auch in herkömmlichen Fertigungssparten ist ein Rückverfolgungssystem das Um und Auf einer lückenlosen Dokumentation. Dieses Faktum erkennt der Kunde auch und folglich erhält die Firma, die sich entschieden hat ein solches System zu betreiben einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Konkurrenten. Tatsache ist, daß der Bedarf für ein Rückverfolgungssystem heutzutage mehr denn je vorhanden ist. Die Frage stellt sich natürlich, in welcher Qualität, mit welchen Funktionen, mit welcher Genauigkeit es betrieben werden soll. Zuviel ist dabei genauso schlecht, wie zu wenig. Den richtigen Pfad bei der Konzeption und Implementierung eines Rückverfolgungssystems zu finden, dabei soll die vorliegende Diplomarbeit helfen.

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1 Einleitung 1.3 Anleitung zum Lesen der Diplomarbeit

1.3 Anleitung zum Lesen der Diplomarbeit

Diese Diplomarbeit dient als Erläuterung wie ein standardisiertes Rückverfolgungssystem entworfen und implementiert werden kann. Sie teilt sich in fünf Abschnitte: 1. Einleitung

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2. Grundlagenteil

In diesem Abschnitt werden die Grundlagen erläutert, die zum Verständnis des Praxisteils benötigt werden.

3. Spezielles Tracing-System, Bezug zum Berufspraktikum Dieser Teil trennt den Grundlagenteil vom Praxisteil ab und stellt den Bezug image 08d09091ca6e8b0d308bff144c6c1c40

4. Standardisiertes Rückverfolgungssystem, Praxisteil

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5. Schlußfolgerungen

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Es empfiehlt sich, die gesamte Arbeit von Beginn bis Ende durchzulesen, da der Aufbau möglichst linear und mir wenig Querverweisen gestaltet wurde. Selbstverständlich können Kapitel, bei denen der Leser bereits über ausreichende Kenntnisse verfügt übersprungen werden.

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2 Grundlagen 2.1 Rückverfolgungssysteme

2 Grundlagen

2.1 Rückverfolgungssysteme

2.1.1 Zielsetzungen und Kriterien von Rückverfolgungssystemen

Die Absicht oder Zielsetzung eines Rückverfolgungssystems ist primär die Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung. Durch diese Aufzeichnung der wichtigsten Daten können

o Ursachen für Fehler gefunden werden,

o dadurch die eigenen Prozesse verbessert werden,

o nötigenfalls den Lieferanten Rückmeldungen über deren Waren gegeben

o und im Reklamationsfall schnell auf den Kunden reagiert werden. In zweiter Linie gibt es bei der Neueinführung eines Systems das Bestreben, daß dieses bei den Mitarbeitern akzeptiert wird. Ein System, welches von seinen Bedienern nicht angenommen wird, kann seine Funktion nicht korrekt erfüllen, da die Voraussetzungen, wie die korrekte Bedienung, fehlen.

Die Akzeptanz wird durch Vermittlung der Notwendigkeit des Systems, kurze Einschulungszeiten und eine intuitiv verständliche Oberfläche erreicht. Die Kriterien an ein Rückverfolgungssystem sind:

o Lückenlose Aufzeichnung

o Hohe/permanente Verfügbarkeit

o Ansprechende Oberflächengestaltung

o Aussagekräftiges Berichtswesen

o Leicht administrierbar

o Kurze Antwortzeiten

o Geringer Speicherbedarf

Mit der Festlegung von Zielsetzungen und Kriterien eines Rückverfolgungssystems kann mit dessen Strukturierung und Aufbau begonnen werden.

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2 Grundlagen 2.1 Rückverfolgungssysteme

2.1.2 Aufbau eines image adbaf696b964861e1d9888c6db1f63e2
Rohmaterial- Rückverfolgungs- kennzeichnung systems Die Struktur eines Rückver- Rohmaterial- empfang

folgungssystems für Rohmaterial- chargen ist in einfache Phasen strukturierbar, die teils unumgänglich, teils aber durchaus vernachlässigbar

sind. Die Entscheidung, welchen der Phasen Beachtung geschenkt wird und welche bei der Einführung

ignoriert

Unternehmen selbst entscheiden. Das Profil des Rückverfolgungssystems mit seinen Vor- und Nachteilen wird

sich hauptsächlich in den nachstehenden Faktoren äußern:

o Integration von

unternehmensfremden Betrieben (Lieferant und Kunde)

o Detaillierungsgrad der

Rückverfolgung

o Implementierungsaufwand

o Wartungsaufwand o Einschulungsbedarf

o Dokumentationsaufwand

o Ressourcenaufwand

o Kapitalbedarf für Investition und Betrieb

o Effektivität

o Bedienerfreundlichkeit

Vor der Einführung eines Rückverfolgungssystems muß sich das Unternehmen über das Ausmaß, in

dem diese Faktoren erfüllt werden im

Klaren sein. Der nachfolgende Text soll nun den

Ablauf

verfolgungssystems von Lieferantzu eigenem Unternehmen - zum Kunden in einzelne Abschnitte

strukturieren und die einzelnen Phasen respektive Prozesse näher beschreiben.

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2 Grundlagen 2.2 Grundlagen zur Qualitätssicherung

2.2 Grundlagen zur Qualitätssicherung:

Der Umfang dieses Kapitels reicht von der Begründung für eine Dokumentation benötigter Daten, über eine Definition verschiedener Qualitätsbegriffe bis zu den Mitteln, mit denen ein Unternehmen herausfinden kann welche Daten es dokumentieren soll beziehungsweise welche Daten dokumentiert werden müssen.

Der Hintergrund für eine effektive Dokumentation von Daten ist neben der Aufzeichnung der Werte von Eingangsstichprobenprüfungen um Forderungen dem Lieferanten gegenüber aufrechterhalten zu können, auch die Absicht, eine Grundlage für die Optimierung des eigenen Prozesses zu schaffen, sowie der Selbstschutz im Reklamationsfall. Ein Problem bei diesem Vorhaben ist der Umfang, in dem dokumentiert werden soll. Das Ziel muß sein, daß alle für die Rückverfolgung notwendigen Daten aufgezeichnet werden, und nebensächliche Informationen zu vernachlässigen sind. Anderenfalls wären erhöhter Speicherbedarf bei elektronischer Speicherung (vgl. [HIN, 1994]), ein durch die Aufzeichnungsprozeduren verlangsamter Produktionsvorgang und möglicherweise demotivierte Mitarbeiter, die nur wenig Verständnis für den erhöhten Arbeitsaufwand haben die Folge.

2.2.1 Charge/Partie/Los - die Unterschiede

Bevor detaillierter vorgegangen wird, sollen gewisse gebräuchliche Begriffe genannt werden. In der Fertigung sind vor allem die Begriffe Charge, Los und Partie bekannt. Obwohl sie umgangssprachlich oft als Synonyme verwendet werden, haben sie im engeren Sinn gemäß ihrer Definition sehr unterschiedliche Bedeutungen. Charge:

„Charge 1) Betriebswirtschaft und Technik: eine im Fassungsvermögen der

Produktionseinrichtung begründete Losgröße, z.B. bei technischen Anlagen

die Beschickungsmenge und das Material, aus dem die Füllung (in

metallurgischen Öfen, Betonmischern, Brennöfen, Färbebädern u.a.) besteht,

in der pharmazeutischen Technik die Arzneimittelmenge, die während eines

Arbeitsabschnitts und mit den gleichen Rohstoffen (industriell) gefertigt,

abgepackt und mit einer Chargennummer gekennzeichnet wird. Zwischen

einzelnen Chargen bestehen oft (geringfügige) Unterschiede in Qualität und

Ausführung der Erzeugnisse. Diese sind durch das Produktionsverfahren

(Chargenfertigung) in Verbindung mit dem begrenzten Fassungsvermögen

des Betriebsmittels und nicht - wie bei der Partie - durch die mengenmäßig

begrenzte Homogenität der Einsatzgüter bedingt.“ [BRO1, 1997] Partie:

„Partie […] 2) Betriebswirtschaftslehre: bestimmte, qualitativ homogene

Menge an Werkstoffen. In dem entsprechenden Fertigungsverfahren

(Partiefertigung) wird wie bei der Chargenfertigung eine bestimmte

homogene Menge an Endprodukten erzeugt. Im Unterschied zur Charge hängt

dies nicht mit der Produktionstechnik zusammen, sondern mit der

mengenmäßig begrenzten Homogenität der Werkstoffe.“ [BRO2, 1998] Los:

„Los. Menge eines Produkts, die unter Bedingungen entstanden ist, die als

einheitlich angesehen werden.“ [DIN, 1985]

Kurz gefaßt bedeutet das folgendes: Eine Charge bezieht sich auf das Fassungsvermögen der Produktionseinrichtung. Eine Partie hingegen auf die Gleichartigkeit des verwendeten Rohmaterials. Hier sollte angemerkt werden, daß die pharmazeutische Definition einer Charge eher in den Definitionsbereich der Partie paßt, da es auch da um die gleichen Rohstoffe geht. Im pharmazeutischen Feld können die Begriffe „Charge“ und „Partie“ also tatsächlich als Synonyme verwendet werden.

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2 Grundlagen 2.2 Grundlagen zur Qualitätssicherung

Die Festlegung eines Loses fixiert sich nun auf die gleichen Bedingungen, unter denen eine Gruppe von Produkten entstanden ist; also gleiche Maschineneinstellungen, gleiche Umgebungsverhältnisse aber auch die selben Bediener und andere Faktoren. Die Essenz ist daher, daß die drei Begriffe tatsächlich im weiten Sinn als Synonyme verwendet werden können, sie aber im engeren Sinn definieren, in welcher Art die vorliegende Produktmenge gleichartig ist:

o Charge: Gleiche Befüllung der Produktionseinrichtung

o Partie: Gleichartigkeit der Rohmaterialien

o Los: Gleichartigkeit der Produktionsbedingungen

Der Grund für die Platzierung der Definitionen an dieser Stelle ist um klarzustellen, daß es nicht immer nötig ist, bis auf den einzelnen Teil oder die einzelne Verkaufseinheit den Produktionsgang zurückzuverfolgen. Vielmehr gibt es unter den Verkaufseinheiten in einem gewissen Rahmen Ähnlichkeiten, welche im Schadensfall die Annahme zulassen, daß sofern ein Produkt mangelhaft ist, auch der Großteil der anderen Einheiten den gleichen Fehler aufweisen wird. Diese Gruppierung der Einheiten ist durchaus von Vorteil. Der Aufwand der Dateneingabe, auch der der Datenablage sinkt bei richtiger Vorgehensweise, da eine Mehrzahl an Einheiten zu einer Gruppe mit etwa den gleichen Eigenschaften zusammengefaßt wird.

2.2.2 Produkthaftung

Zunächst steht fest, daß dokumentationspflichtige Information aufgezeichnet werden muß. Diese Pflicht wird weniger vom Gesetzgeber vorgegeben, als vielmehr mit jedem Kunden einzeln vereinbart, da die Legislative nur schwer die Parameter jedes Prozesses kennen, geschweige denn bei dieser Vielfalt jedem Unternehmen aufzeichnungspflichtige Daten vorschreiben kann. Dieser Umstand wird durch die Produkthaftungsgesetze umgangen, die dafür sorgen sollen, daß der Hersteller sichere Produkte erzeugt. Auf den Hersteller wird es im Fall eines Mangels immer zurückkommen, da selbst, wenn das Gesetz lediglich den zur Verantwortung zieht, der das Produkt in Umlauf gebracht hat, dieser wiederum probieren wird, sich am Erzeuger schadlos zu halten. Für den Erzeuger ist die Dokumentation von Daten also unter anderem eine wichtige Maßnahme zum Selbstschutz. Diese Meinung wird auch im folgenden Zitat zum Ausdruck gebracht: „[…] Die Dokumentationspflicht liegt im originären Eigeninteresse des Teileherstellers/Zulieferers, weil sie ihm - wenn denn überhaupt - die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen einer Haftung gemäß §823 Abs.1 BGB den Nachweis zu erbringen, daß der Produktfehler von ihm nicht verschuldet wurde […]“ [WES, 1996]

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2 Grundlagen 2.2 Grundlagen zur Qualitätssicherung

2.2.3 FMEA [vgl. TÜV, 1996]

FMEA bedeutet Failure Mode and Effects Analysis, oder auf Deutsch Fehlermöglichkeits-und -einflußanalyse.

Welche Merkmale vom Rückverfolgungssystem erfaßt werden sollen, kann mittels einer FMEA festgestellt werden. Sie ist prinzipiell ein Werkzeug der Qualitätssicherung, das dabei hilft, Fehler, ihre Ursachen und Auswirkungen zu ermitteln und zu bewerten. In diesem Kapitel sollen die Konstruktions- und die Prozeß-FMEA beschrieben werden, da beide zur Bestimmung der für den Rückverfolgungsprozeß notwendigen Daten hilfreich sind.

Einleitend zu diesem Thema soll hier eine Möglichkeit gezeigt werden, wie Daten klassiert werden können.

Die Daten können in drei Grobkriterien eingeteilt werden. Das wären die prozeßbeeinflussenden Parameter, die identifizierenden Parameter und die, zwar für den Rückverfolgungsprozeß weniger wichtigen aber dennoch für die Produktion nützlichen, organisatorischen Parameter. Unter prozeßbeeinflussend ist hier zu verstehen, daß ein oder mehrere Eigenschaften eines Materials die Qualität des Endprodukts beeinträchtigen oder gar die Sicherheit des Endanwenders durch ein mangelhaftes Produkt gefährden. Die identifizierenden Parameter dienen dazu, die Teile eindeutig allen Stoffen oder Teilen herausfinden zu können. Ein solcher Wert wäre beispielsweise die Chargennummer. Organisatorische Daten sind zwar nicht direkt für die Chargenrückverfolgung verwertbar, sie stellen aber manchmal nützliche Informationen für Produktion oder Beschaffungswesen dar; vor allem, wenn es um die Anzahl verfügbaren Rohmaterials einer bestimmten Sorte oder um die Adresse von Lieferanten geht. Diese Informationen stellen den harmlosen Teil der Dateneingabe dar, da es sich entweder um Einmaleingaben handelt, oder um gelegentliche Aktualisierungen der bestehenden Datenbestände. Zu beachten wären außerdem die Forderungen an Lieferanten, die früher einmal ausgemacht wurden. Diese Bedingungen, wahrscheinlich hauptsächlich die Eigenschaften des gelieferten Materials betreffend, müssen zumindest zeitweise, wenn nicht periodisch, geprüft werden. Schon alleine aufgrund dessen, daß im Falle einer Reklamation an den Lieferanten, diesem ein Beweismittel ausreichender Art das die Mängel seiner Lieferung dokumentiert, gezeigt werden kann.

Wie in Abbildung 3 gezeigt wird, kann Material so aufgeschlüsselt werden, daß ein brauchbarer Überblick über die möglichen Daten entsteht. Zunächst wird die Ware in prinzipielle Charakteristika sortiert:

o Stückgut: Diode, Motor, Uhrband, Antenne,…

o Schüttgut: Kunststoffgranulat, Zucker, Altpapier,…

o Meterware: Stoff, Gewebe, Blech,…

o Literware: Latex, Öl, Alkohol,…

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2 Grundlagen 2.2 Grundlagen zur Qualitätssicherung

2.2.4 Bewertung von Merkmalen

Im letzten Schritt der Ist-Standaufnahme werden Fehlerfolge (Bedeutung), Fehlerursache (Auftreten) und die Verhütungs- oder Prüfmaßnahmen (Entdeckung) nach in Tabellen festgelegten Regeln bewertet. Durch Multiplikation der drei Einzelzahlen erhält man die Risikoprioritätszahl. Sie stellt eine Gewichtung des potentiellen Risikos des Einzelpunktes der FMEA dar. Anhand der Risikoprioritätszahl kann die Reihenfolge der Fehlerabarbeitung festgelegt werden. Sollte in einer der Spalten (A, B, E) eine oder mehrere kritische Zahlen eingetragen werden, so ist dieser Fehler vorrangig zu behandeln und entsprechend den Firmenvorgaben dokumentationspflichtig. Da die Bewertungen nachvollziehbar sein müssen, zieht man am besten Bewertungstabellen heran. Beispiele sind unten angegeben: [VDA, 1986] Konstruktions-FMEA: Auftreten

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Tabelle 2: Konstruktions-FMEA, Bereich Auftreten.

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2 Grundlagen 2.3 Elektronisch lesbare Kennzeichnung von Teilen

2.3 Elektronisch lesbare Kennzeichnung von Teilen

2.3.1 Überblick

Dieses Kapitel wird sich mit der Identifikation von Rohmaterialien, Teil- und Endprodukten beschäftigen. Um später den Produktionshergang bis auf die Zutaten zurückverfolgen zu können, müssen sowohl die Ausgangskomponenten, als auch die Teil-und Endprodukte eindeutig gekennzeichnet werden. Mit den Methoden, die für die Kennzeichnung verwendet werden können, werden sich die folgenden Kapitel beschäftigen.

Die Informationen, die für die Rückverfolgung wichtig sind und die zusätzlichen Daten müssen dem eigenen System zuverlässig und, je nach Prozeß, mehr oder weniger schnell bekanntgegeben werden. Die Ausgangssituation die sich bietet ist, daß einerseits die Information vom Lieferanten kommt (Lieferscheine, Produktetiketten, elektronische Formulare,…) oder daß die Information vom eigenen Unternehmen selbst herausgefunden wird (Prüfungen im QS-Labor, Zählungen,…).

Abbildung 4 stellt die Möglichkeiten der Informationseingabe grafisch dar:

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LAN / Direktverb indung

Abbildung 4: Informationseingabe bei ermittelten und empfangenen Informationen. Sowohl wenn die Information von außen kommt, als auch wenn sie im eigenen Unternehmen entstanden ist, kann sie manuell oder automatisiert eingegeben werden. Der Unterschied liegt in der Art der automatisierten Eingabe. Wenn die Information von anderen Firmen kommt, können DFÜ-Methoden, wie XML, zur Anwendung kommen. Intern wird sich die automatisierte Datenaufnahme stärker auf die Bereiche automatisiertes Einlesen von Informationen und Transfer von Maschinenparametern konzentrieren. Da Menschen auch mit dem System kommunizieren, also Dateneingaben tätigen, fallen einige Kriterien an, die bei der Auswahl des Kennzeichnungssystems berücksichtigt werden müssen. Es haben bei der Dateneingabe die Fehlermöglichkeiten reduziert wenn nicht sogar ausgeschaltet zu werden, die Prozedur der Eingabe darf den Arbeitsfluß nicht wesentlich stören und die Bedienung hat einfach zu sein, damit Operatoren nicht lange eingeschult werden müssen beziehungsweise wegen der komplexen Handhabungsmöglichkeiten Fehler begehen.

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2 Grundlagen 2.3 Elektronisch lesbare Kennzeichnung von Teilen

Bei der Auswahl des Kennzeichnungssystems sollte auch der Kompatibilität des eigenen Systems mit anderen Systemen Beachtung geschenkt werden. Der Grund dafür ist, daß Kennzeichnungen von Lieferanten möglicherweise für das eigene System verwendet werden können, oder daß Kunden die eigenen Kennzeichnungen übernehmen nutzen werden. Es empfiehlt sich folglich, sich für ein gängiges System zu entscheiden, da es dadurch wahrscheinlich wird, es vom Lieferanten beginnend, durchgängig durch die gesamte Produktion und Lagerhaltung bis zum Kunden verwenden zu können. Die Möglichkeiten der für die Produktion verwendbaren Kennzeichnung sind nicht so vielfältig wie man glauben möchte. Das Hauptproblem stellen hierbei wohl die Anbringung des Informationsträgers am Rohmaterial und daß der Arbeitsfluß durch die Dateneingabe nicht stark gebremst werden darf dar. Die Kennzeichnung selbst sollte resistent gegen Verschmutzung und andere Umwelteinflüsse wie Magnetfelder und diverse Strahlungen sein und eine lange Lebensdauer haben. Der Grund für diese hohen Anforderungen sind die Umgebungsbedingungen im Produktionsbereich und die möglicherweise länger andauernde Lagerung im eigenen Lager, aber auch beim Lieferanten und beim Kunden, wo die Ware vielleicht nicht unbeträchtliche Zeit verbracht hat. Schließlich darf nicht vergessen werden, daß die Kennzeichnung unter Umständen den gesamten Produktionsablauf bestehen bleibt und deshalb besonders widerstandsfähig sein muß. Die in Frage kommenden Kennzeichnungsmöglichkeiten sind:

o Smart Cards

o Transponder

o Barcodes

Die Methoden, mit denen die gespeicherten oder zu speichernden Daten mit dem Rohmaterial, Teil- oder Endprodukt in Verbindung gebracht werden, sind im Folgenden beschrieben.

2.3.2 Smart Card

Smart Cards mit kontaktbedingtem Datenaustausch weisen mit mehr als 20kB einen vergleichsweise hohen Speicherplatz auf und dieser Wert vervielfacht sich mit jeder neuen Chipgeneration. Eine solche Speicherkarte ist nach der Norm ISO 7810 mit 85,6mm x 54mm dimensioniert.

Die Datenübertragung zwischen Smart Card und Terminal erfolgt seriell über eine Leitung, die als Kontaktfeld auf der Karte ausgeführt ist. Da nur diese einzige Leitung zur Verfügung steht, können Terminal und Karte nur wechselseitig senden, der jeweils andere Teilnehmer muß zu diesem Zeitpunkt empfangen (Halbduplex-Verfahren). Mit der damit verbundenen Datentransferrate von 9600bps ist die Übertragung zwar sehr robust gegenüber Störungen, doch benötigt der Austausch von Daten viel Zeit. Da die meisten Chipkarten-Mikrocontroller jedoch zwei I/O-Ports haben, und zwei der acht Kontaktfelder für zukünftige Anwendungen reserviert sind, wäre eine Vollduplex-Verbindung in Zukunft technisch durchaus möglich.

Nachdem eine Chipkarte in das Terminal gesteckt wurde, werden als erstes die Kontakte der Karte mit denen des Terminals verbunden. Danach werden die fünf belegten Kontakte in der richtigen Reihenfolge elektrisch aktiviert. Die Chipkarte führt daraufhin automatisch einen Power-On-Reset Vorgang aus und sendet eine Answer to Reset (ATR) Meldung zum

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2 Grundlagen 2.3 Elektronisch lesbare Kennzeichnung von Teilen

Terminal. Dieses wertet die ATR, die auch diverse Kartenparameter enthält aus und schickt danach einen ersten Befehl. Die Smart Card bearbeitet den Befehl und erzeugt eine Antwort, die sie zum Terminal zurücksendet. Dieser Vorgang wiederholt sich bis zum Deaktivieren der Chipkarte.

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Details

Title
Konzeption und Realisierung eines standardisierten Erfassungs- und Auswertungssystems zur Chargenrückverfolgung in der Serienproduktion
College
HTL Wels
Grade
3
Author
Year
2001
Pages
117
Catalog Number
V185682
ISBN (eBook)
9783656990833
ISBN (Book)
9783867465601
File size
5382 KB
Language
German
Keywords
konzeption, realisierung, erfassungs-, auswertungssystems, chargenrückverfolgung, serienproduktion
Quote paper
Ulrich Track (Author), 2001, Konzeption und Realisierung eines standardisierten Erfassungs- und Auswertungssystems zur Chargenrückverfolgung in der Serienproduktion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185682

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