Belastung und Belästigung durch Gerüche. Evaluation von Geruchssanierungsmaßnahmen aus Umweltpsychologischer Sicht


Tesis, 2000

193 Páginas, Calificación: 1


Extracto


BELASTUNG UND BELÄSTIGUNG DURCH GERÜCHE.

EVALUATION VON

GERUCHSSANIERUNGSMAßNAHMEN

AUS UMWELTPSYCHOLOGISCHER SICHT.

Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades der Naturwissenschaften Mag.rer.nat. an der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien

Ernst Neudorfer

DANKSAGUNG

Frau Ass. Prof. Dr. Renate Cervinka danke ich für die gute fachliche Betreuung während der gesamten Zeit. Ebenso möchte ich mich bei meiner Kollegin Karin Ewers bedanken, die viel Vorarbeit für das Zustandekommen dieser Arbeit geleistet hat.

Frau Sieglinde Dumfart sowie Herrn Dietmar Nestlang und Herrn Mathias Steinmayr danke ich für die organisatorische und technische Unterstützung. Nicht zuletzt möchte ich mich bei Frau Judith Wieser für das gewissenhafte Korrekturlesen meiner Arbeit 1

1. EINLEITUNG

Laut Mikrozensus vom Dezember 1998 (Statistik Österreich, 1998) fühlen sich 19,1% aller befragten Personen in Österreich durch Geruch belästigt, davon 9,1% stark bis sehr stark. Die Hauptursache für die Geruchsbelästigung ist der Verkehr mit 46,1%, gefolgt von Betrieben mit 28,7%. Die Stadt Wien liegt mit einem Anteil von 12,9% an stark bis sehr stark geruchsbelästigten Personen deutlich über dem österreichweiten Durchschnitt von 9,1%. Auch bei der Geruchsbelästigung durch Verkehr hat die Stadt Wien mit 56,3% einen der höchsten Anteile. Über Geruchsbelästigungen aus Kanal und Abwasserentsorgung werden keine Angaben gemacht.

Ziel der Untersuchung ist die Erhebung der Geruchsbelästigung in zwei geruchsbelasteten Gebieten sowie die Evaluation der im Versuchsgebiet stattgefundenen Geruchssanierungsmaßnahmen aus umweltpsychologischer Sicht. Die Auswirkung von Geruchsbelästigung auf Wohlbefinden und Gesundheit sowie mögliche Reaktionsmuster (Coping) werden nur kurz angeführt und sind bei Ewers (in Druck) ausführlicher nachzulesen.

2. UMWELTPSYCHOLOGIE IM ÜBERBLICK

Der großen Anwendungsvielfalt der Umweltpsychologie entspricht auch ein umfangreiches Methodeninventar. Dennoch hat sich die Umweltpsychologie bisher auf einige wenige Methoden konzentriert (Bullinger & Meis, 1996): zum einen laborexperimentelle Untersuchungen zur Wahrnehmung einzelner Umweltfaktoren, zum anderen Umfragen in größeren Bevölkerungsstudien zur Belästigungswirkung von Umweltbedingungen.

In den letzten Jahren sind einige Trends zu beobachten. In der umweltpsychologischen Forschung dominieren zunehmend Feldstudien, während die Anzahl der Laborexperimente zurückgeht. Außerdem wird die Forschung interdisziplinärer. Nur etwa die Hälfte der umweltpsychologischen Forschung wurde in traditionellen Psychologie-Instituten gemacht (Sundstrom et al., 1996).

3. GERUCH UND GERUCHSWAHRNEHMUNG

3.1. Der Geruchssinn

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Abbildung 1: Lage des menschlichen Riechephitels. Aus: Birbaumer & Schmidt, 1999, S.444).

Unter Riechschärfe versteht man die Sensibilität für Duftstoffe (Burdach, 1987). Die Messung der Riechschärfe ist seit jeher mit großen Schwierigkeiten verbunden, da sowohl ein großer apparativer Aufwand (Olfaktometrie) erforderlich ist, als auch solche Riechtests mit großen intraindividuellen Schwankungen verbunden sind. Als wirksame intraindividuelle Faktoren führt Burdach (1987) an: den Hormonstatus, speziell der Spiegel der Sexualhormone; Drogenkonsum (z.B. Alkohol); das Alter sowie der Gesundheitsstatus. Darüber hinaus gibt es auch eine beträchtliche interindividuelle Variation der olfaktorischen Sensibilität, über deren Ursachen wenig bekannt ist (Burdach, 1987).

Neben der Bewertung der Intensität (stark oder schwach) können Gerüche auch bezüglich ihrer hedonischen Wirkung (angenehm oder unangenehm) bewertet werden. Im Vergleich zur Geruchsintensität weisen Aussagen zur hedonischen Wirkung von bestimmten Gerüchen häufig starke Unterschiede auf. Schön und Hübner (1996) führen dies auf die unterschiedliche Entwicklung der Personen hinsichtlich Erziehung, Geruchserfahrung, Kulturkreis und Lebensumfeld zurück. Dennoch scheint die Annehmlichkeit oder Angenehmheit die vermutlich einzige überindividuell vorhandene Dimension in der Geruchswahrnehmung zu sein. Sie stellt auf jeden Fall einen wesentlichen Beurteilungs-und Klassifikationsgesichtspunkt dar (Klutky, 1990).

3.3.1. Adaption

Im Gegensatz zu früher, wo Adaption als sensorische Ermüdung angesehen wurde, ist man heute der Auffassung, daß Riechadaption eine nützliche, wenn nicht sogar lebensnotwendige Funktion der Informationsverarbeitung ist. Duftstoffe, die längere Zeit als konstant wahrgenommen werden, sind grundsätzlich weniger bedeutsam, als solche, die neu oder in veränderter Intensität hinzukommen und möglicherweise rasche Verhaltensänderungen erfordern. (Burdach, 1987).

Im Gegensatz zur Adaption, die bereits bei einmaliger andauernder Stimulierung entsteht, ist Habituation („Gewöhnung“) das Ergebnis einer Vielzahl von Konfrontationen mit einem bestimmten Duftreiz. Lernprozesse bewirken, dass ein solchermaßen vertrauter Duftreiz weniger Beachtung findet als ein unerwarteter Geruch (Burdach, 1987).

Geruch ist eine subjektive Wahrnehmung. Dadurch gibt es bei der qualitativen Bewertung von Geruchsereignissen individuelle Unterschiede. Diese persönlichsubjektive Bewertung kann sich aber mit der Zeit auch ändern. Ein als „aromatisch“ empfundener Geruch kann nach einer gewissen Zeit, in der er ständig wahrgenommen wird, zur Belästigung werden. Auch die psychische Verfassung der Person hat einen Einfluss auf die Geruchswahrnehmung und - bewertung (Schön & Hübner, 1996). Bezogen auf die Geruchseinwirkung können Belästigungsreaktionen durch Intensität und Art des Geruchs sowie durch Dauer und Häufigkeit seines Auftretens hervorgerufen werden (VDI, 1997).

Schwellenwert-Studien zeigen, dass Personen ab dem 55. Lebensjahr mit verringerten olfaktometrischen Fähigkeiten rechnen müssen. Personen über 70 besitzen bereits eine 2-10mal höhere Wahrnehmungsschwelle als 20 Jährige. Die Höhe der Schwelle steigt mit zunehmendem Alter, Krankheit und Medikamentengebrauch (Schiffman, 1992).

4. GERUCH ALS UMWELTSTRESSOR

4.2. Umweltstress

Umweltstressoren können nach Evans und Cohen (1987) anhand von acht Dimensionen beschrieben werden: Wahrnehmbarkeit; Art der Einstellung zum Stressor; Wertigkeit von Ereignissen; Grad der Kontrollierbarkeit; Vorhersagbarkeit des Stressors; Wichtigkeit des Stressauslösers; Dauer und Frequenz des Stressors. Darüber hinaus unterscheiden sie vier Arten von Umweltstressoren: plötzliche oder gewaltsame Ereignisse (cataclysmic events), kritische Lebensereignisse (stressful life events), Alltagsprobleme (daily hassles) und Umgebungsstressoren (ambient stressors).

Campell (1983) versteht unter „ambient stressors“ solche Wirkgrößen, die chronisch einwirken, negativ bewertet werden und die unbeeinflußbar, akut ungefährlich und wahrnehmbar sind. Im Unterschied zu Alltagsproblemen sind

4.2.2. Umweltstressor Geruch

Gerade bei Gerüchen gibt es eine große interindividuelle Bandbreite der Wirkungen. Auf gleiche Belastungen reagieren die Menschen mit unterschiedlichen Belästigungsreaktionen, wobei die Belästigungsreaktion drei Aspekte umfasst (Clark, 1984; zitiert nach: Winneke & Liu, 1995): eine emotionale Komponente, eine Interferenzkomponente und eine somatische Komponente. Hinweise auf somatische Wirkungen von Geruchsbelastung konnten Steinheider et. al (Steinheider, Winneke & Schlipköter, 1993) nachweisen. Sie fanden in ihrer Untersuchung Hinweise auf hormonelle Stresswirkungen von Umweltgerüchen.

Die Forschung von Umwelteinwirkungen auf den Menschen konzentrierte sich bislang vorrangig auf somatische Indikatoren, wie etwa Morbidität, Mortalität oder physiologischen Funktionsstörungen (Bullinger, 1992). Hier sind vor allem die Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem mittels EEG-Analysen zu nennen (Lorig, 1989). Da der Geruchsnerv Verbindungen zum Hypothalamus hat, ist eine

Vom Begriff der Befindlichkeit ist der Begriff der Belästigung abzugrenzen. Die

Belästigung ist - im Gegensatz zur Befindlichkeit - immer an einen Reiz gekoppelt

5. MESSEN VON GERUCHSBELASTUNG UND GERUCHSBELÄSTIGUNG

Den Schadstoffausstoß, gemessen an der Quelle, bezeichnet man als Emission (Hellbrück &Fischer, 1999).

Unter Immission versteht man die Einwirkung von Belastungsfaktoren am Wirkort bzw. beim Empfänger, die dort zu einer bestimmten Zeit bzw. innerhalb eines bestimmten Zeitraumes gemessen werden.

Im Gegensatz etwa zur Lärmmessung, die weitgehend messtechnisch erfasst werden kann, gelingt die valide Beschreibung geruchsgeprägter Situationen mit Hilfe technischer Methoden nur unzureichend. Neben technischen Ansätzen werden daher vor allem Begehungs- und Befragungsinstrumente eingesetzt.

Geruch lässt sich nur schwer messen. Zum einen, weil Gerüche meist eine Mischung mehrerer verschiedener Stoffe sind, und zum anderen, weil die Konzentrationen der Einzelstoffe meist in zu geringen Konzentrationen vorhanden sind, als dass sie messtechnisch genau zu erfassen wären.

5.2.1. Begehung

Die Aufgabe der Probanden ist es, in vorher genau festgelegten Zeitabständen (z.B. alle 10 Sekunden) Riechproben zu nehmen und diese in ein Protokoll einzutragen. Dabei kann sowohl die Geruchqualität als auch die Geruchsintensität bewertet werden. Die genaue Vorgehensweise ist in der VDI-Richtlinie 3940 (VDI, 1993a) beschrieben. Als Maß für die Belastung gilt der Geruchszeitanteil;

Eine Möglichkeit, die Geruchsbelastung zu objektivieren, ist die Methode der Ausbreitungsrechnung. Dabei wird anhand olfaktometrisch ermittelter Emissionswerte der Abluft und dem Emissionsmassenstrom der Geruchsstoffstrom in Geruchseinheiten pro Stunde (GE/h) errechnet. Unter Berücksichtigung weiterer Emissionsdaten sowie der Beachtung der am Emissionsort herrschenden geographischen und meteorologischen Bedingungen werden die Geruchshäufigkeiten bzw. mittleren Geruchsstoffkonzentrationen errechnet und das Gebiet anschließend in Zonen unterschiedlicher Geruchsbelastung eingeteilt. Voraussetzung dabei ist die Kenntnis aller Emittenten und die olfaktometrische Erfassbarkeit aller Emissionen (Steinheider, 1997).

5.2.3. Tagebuchbefragung

Dieses Verfahren wird in der Psychologie im Vergleich zu anderen Befragungsmethoden eher selten angewendet. Vorteile dieser Methode sind die große Datenmenge und die damit verbundenen Möglichkeiten der Auswertung, ebenso die unmittelbare Aufzeichnung nach Ereignissen, womit Verzerrungen durch Verarbeitungs- und Gedächtniseffekte wegfallen. Allerdings müssen

Hangartner (Hangartner & Wuest, 1994) verwendet in seinen Studien elektronische Tagebücher. Dabei protokollieren ortsansässige Personen zu bestimmten Zeiten (es ertönt jeweils ein Piepston) ihre Geruchswahrnehmungen auf einem technischen Gerät. Protokolliert wird fünfmal am Tag über eine Dauer von ca. zwei Monaten.

Da in die Belästigung eine Reihe nicht-olfaktorischer Parameter einfließen, wie etwa die vermuteten und erlebten Beeinträchtigungen des Alltagslebens oder die Gesundheit, ist eine Belästigungsmessung nur unter Feldbedingungen durchführbar (Hangartner & Kastka, 1986).

In der VDI-Richtlinie 3883/Blatt 1 (1997) werden Befragungsverfahren zur Bestimmung der vorhandenen oder möglichen Belästigung durch geruchsintensive Stoffe beschrieben. Diese Richtlinie beinhaltet auch einen Musterfragebogen zur Erhebung der Geruchsbelästigung. Dieser besteht aus 10 Fragen zu Umweltbelastungen und Belästigungsreaktionen sowie aus soziodemographischen Fragen. Zentraler Bestandteil dieses Musterfragebogens ist das Belästigungsthermometer. Dies ist eine Elf-Punkte-Skala zur Angabe der individuellen Geruchsbelästigung (siehe Kapitel 6.1.).

5.3.3. Wiederholte Kurzbefragung (systematische Mehrfachbefragung)

Prinzipiell wird in der VDI-Richtlinie 3883/Blatt 2 (VDI, 1993b) unterschieden zwischen Kurz- und Langzeituntersuchungen. Kurzzeituntersuchungen erstrecken sich - mit mindestens einer Erhebung am Tag - über zwei bis drei Monate. Langzeituntersuchungen dauern 12 bis 14 Monate. Dabei erfolgt die Befragung mindestens einmal pro Woche zur selben Zeit und am selben Wochentag. Für die Befragung werden Postkarten verwendet, auf denen sowohl die Belastung (Ja/Nein) als auch die Belästigung (5-stufige Skala) anzukreuzen ist.

5.4. Einsatz der VDI-Richtlinien in Österreich - ausgewählte Beispiele

6. GRUNDLAGEN DER BELÄSTIGUNGSMESSUNG

Obwohl die meisten Belästigungsdefinitionen von mehrdimensionalen Konzepten ausgehen (siehe Kapitel 8.5.), wird die Belästigung zumeist mit eindimensionalen Ratingskalen erhoben, mit denen der Grad der subjektiven Belästigung bzw. Gestörtheit erfragt wird (Steinheider, 1998). Zur Messung der Belästigung finden verbale und grafische Skalen Verwendung. Die am häufigsten eingesetzte grafische Skala ist das Belästigungsthermometer.

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Die mit dem Thermometer erfassten Daten sind als ordinal skaliert aufzufassen. Es wird allerdings angenommen, dass die Abweichungen der Belästigungsdaten vom Intervallskalen-Niveau praktisch vernachlässigbar sind, so dass man mit Verfahren der parametrischen Teststatistik zu vertretbar wirklichkeitsnahen Ergebnissen kommt (VDI, 1997, S. 9). Die statistischen Kennwerte Reliabilität, Messgenauigkeit und Validität sind in der VDI-Richtlinie 3883/Blatt 1 (1997) beschrieben.

Bei einer Belästigungserhebung in Düsseldorf wurde die 11-stufige Thermometerskala mit einer 7-stufigen Verbalskala korreliert. Hierbei ergab sich ein Wert von r = 0,85 (VDI, 1997). Zu ähnlichen Ergebnissen (r = 0,86) kam Kastner (1998), der die Belästigungsskala mit einer 5-stufigen Verbalskala verglich.

6.2. Die Problematik der Grenzwerte

Vielfach untersucht wurden Dosis-Wirkungsbeziehungen. Das Fehlen von „Sprungstellen“ in derartigen Zusammenhangsanalysen macht die Identifikation von Grenzwerten unter dem Aspekt von „Erheblichkeit“ zu einem nicht-trivialen Entscheidungsproblem (Rohrmann, 1988, Winneke & Steinheider, 1998).

6.3. Überlegungen zu einer Vereinheitlichung der Belästigungsmessung

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Abbildung 3: Antwortformat für die numerische Skala. Aus: Felscher-Suhr, Guski & Schuemer, 2000.

Es handelt sich dabei um eine grafische Skala mit verbaler Markierung der Endpunkte, die Anordnung der Skala ist horizontal. Sowohl die numerische als auch die verbale Belästigungsskala wurden von der International Commission on the Biological Effects of Noise (ICBEN) als international verbindlich verabschiedet (Felscher-Suhr, Guski & Schuemer, 2000).

7. BELÄSTIGUNGSFORSCHUNG

7.1. Anfänge der Belästigungsforschung

7.2. Bedeutung von Belästigung

In der Lärmforschung stand seit jeher die Lautheit im Mittelpunkt der Betrachtung für die Bewertung der Störung durch Schall. Das Kriterium der Lautheit erwies sich jedoch oftmals als nicht hinreichend, weil es viele störende Geräusche gibt, die

7.3. Nachteile des Belästigungsbegriffs

a) Belästigung kann nicht direkt, sondern nur indirekt über Selbsteinschätzungsskalen, mit all den damit verbundenen Problemen, erhoben werden. b) Die Einengung auf Belästigung kann zu einem Verlust von anderen wichtigen Informationen führen, die ein vollständigeres Bild von Belastungswirkungen ergeben könnten. c) Ob Maßnahmen getroffen werden oder nicht, hängt vom Belästigungsgrad der Bevölkerung (bzw. von festgesetzten Grenzwerten) ab. In Gebieten mit einer „akzeptablen“ Belästigung gibt es aber immer auch Personen, die sich dennoch inakzeptabel hoch belästigt fühlen. Diese Personen werden nicht berücksichtigt.

8. BELÄSTIGUNGSMODELLE

8.1. Belastung

8.2. Belästigung

Belästigung ist ... ein subjektiver Zustand des Unbehagens, der durch Stoffe oder Umstände hervorgerufen wird, von denen nach Ansicht der Betroffenen oder Wirkungsempfänger negative Auswirkungen auf das Individuum oder Gruppen ausgehen. 3

Zwischen der Reizbelastung und der resultierenden Belästigungsreaktion ist im Allgemeinen keine monokausale Beziehung vorstellbar. Mehrere Determinanten wirken bei der multikausalen Entstehung von Belästigung verstärkend oder abschwächend auf die Belästigungsreaktion des Individuums. Die VDI - Richtlinie 3883/Blatt 1 (VDI, 1997) führt als Einflüsse situative (Wohnen, Freizeitaktivitäten, Schlafen, Erholen, Arbeiten), umweltbedingte (Geruchspegel der Vorbelastung, sozioökonomische Struktur des Wohnumfeldes, Architektur u.ä.) sowie nichtolfaktorische Eigenschaften der Quelle (Lärm, Erschütterungen, Staub, potentielle Toxität) an.

8.4. Moderatorvariablen für den Zusammenhang zwischen Belastung und Belästigung

Die Erforschung von Belästigungsreaktionen wird dadurch erschwert, dass bislang keine umfassende Theorie der Belästigung vorliegt (Koelega, 1987; Steinheider, 1997).

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Ausgangspunkt von Belästigungsreaktionen ist die Wahrnehmung von Gerüchen. Diese selbst ist noch nicht schädlich. Die Grundlage von Belästigung ist die Wahrnehmung von unerwünschten Gerüchen, ähnlich dem Stressmodell, bei dem die Wahrnehmung einer Bedrohung die Voraussetzung für die Entstehung von Stress ist. Auf der Basis der (Geruchs-) Wahrnehmung entsteht dann die Reaktion (Hangartner & Kastka, 1986) (Abbildung 4).

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Abbildung 5: Multikausale Entstehung von Belästigung. Aus: VDI (1997).

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Abbildung 6: Modell für Wirkungszusammenhänge zwischen Exposition, Belästigung und Symptome und Beschwerden. Nach Winneke & Steinheider (1998).

9. KOMBINIERTE UMWELTBELASTUNG

Umweltbelastungen treten allerdings selten isoliert auf. Zumeist sind Personen mehreren Belastungen gleichzeitig ausgesetzt. Gerade in Ballungsgebieten sind die Menschen nicht nur von einer Umweltbelastung betroffen, sondern müssen zumeist Kombinationsbelastungen (z.B. Lärm und Geruch) ertragen (Cervinka, Kundi, Gruber & Kastner, 1998a,b). Trotz dieses Umstandes sind empirische Arbeiten dazu sehr selten (Guski, 1992).

Bei der Erhebung der Geruchsbelästigung, wie sie die VDI-Richtlinie 3883/Blatt 1 vorschlägt (VDI, 1997), ist vorgesehen, sowohl die Geruchs- als auch die Lärmbelästigung gleichzeitig zu erfragen. Grund dafür ist allerdings nicht die Ermittlung der Wirkung von kombinierter Belastung, sondern lediglich die Problematik, dass Interviews zu einem möglicherweise nicht vorhandenen Gegenstand (z.B. in nicht geruchsbelasteten Gebieten) durchgeführt werden. Durch die Mitführung der Lärmfragen soll einerseits der allgemeine Kontext der Befragten erfasst und andererseits das Interesse der Befragten am Befragungsgegenstand in nichtbelasteten Gebieten erhalten werden.

10. EVALUATION

Es scheint sinnvoll, zunächst einmal die Begriffe „Evaluation“ und „Evaluationsforschung“ zu unterscheiden. Evaluation ist dabei der weitergefasste Begriff. Ganz allgemein versteht man darunter die Bewertung von Maßnahmen oder Interventionen (Bortz & Döring, 1995). Prinzipiell kann alles evaluiert werden. Hager et al. (Hager, Patry & Brezing, 2000) nennen als mögliche Evaluationsobjekte Personen, Produkte, Techniken, Methoden, Zielvorgaben, Projekte, Programme, Systeme, Strukturen, Forschungsarbeiten und Umweltfaktoren.

Evaluationsforschung ist gegenüber dem Begriff Evaluation etwas enger gefasst und setzt üblicherweise die systematische Anwendung wissenschaftlicher Forschungsmethoden voraus. Die Evaluationsforschung ist in den USA seit den 30er Jahren ein wesentlicher Bestandteil vor allem der Sozialpolitik, aber auch im deutschsprachigen Raum konnte die Evaluationsforschung in den letzten Jahrzehnten in etlichen Gebieten Erfolge vorweisen (Bortz & Döring, 1995).

Rohrmann (1992) unterscheidet zwischen Effekt-Evaluation (hier geht es um die schlussendlich eingetretenen Wirkungen) und Prozess-Evaluation (die Entwicklung der Wirkungen im Verlauf der Intervention). Durch Prozess-Evaluation kann die Hypothese überprüft werden, dass eine Maßnahme wirksam ist bzw. genauso wirkt, wie man es theoretisch erwartet hat. Hierzu gehört auch der Nachweis, dass die registrierten Veränderungen, Effekte oder Wirkungen ohne Einsatz der Maßnahme ausbleiben. Nur so ist sichergestellt, dass tatsächlich die Maßnahme und keine andere Einflussgröße das Ergebnis verursacht hat.

10.4. Umweltevaluation

10.4.2. Evaluation von Planungsalternativen

Planungsalternativen können nicht nur hinsichtlich ihrer Durchführbarkeit oder Zweckmäßigkeit, sondern auch hinsichtlich der möglichen und zu erwartenden sozialen Auswirkungen

In diesem Bereich sind die meisten umweltpsychologischen Evaluationsstudien anzusiedeln. Ganz allgemein handelt es sich dabei um Untersuchungen, die die Wirkungen von Gestaltungen erheben und unter dem Begriff post occupancy evaluation (POE) zusammengefasst werden. POE ist eine Art der Evaluation, die für viele Zwecke eingesetzt werden kann, aber hauptsächlich im Wohnbereich angewandt wird. Derartige Evaluationsstudien vergleichen systematisch den Istmit dem Soll-Zustand. Der Begriff post occupancy evaluation leitet sich angeblich vom Wort Wohnerlaubnis („occupancy permit“) ab, welche dann eintritt, wenn ein Gebäude fertiggestellt, inspiziert und mit allen Sicherheitsauflagen versehen ist (Bechtel, 1996).

„ POE is an appraisal of the degree to which a designed setting satisfies and supports explicit and implicit human needs and values.“ (Friedman et al., 1978; zitiert nach Preiser et al., 1988)

POE verwendet viele verschiedene Methoden, wie Umfragen, Interviews, Fragebögen und sogar Archiv-Analysen; meist werden drei oder vier Methoden gleichzeitig verwendet. Im Gegensatz zu psychologischen oder soziologischen Forschungen, deren Schwerpunkte vor allem soziale Prozesse sind, beschränken sich POE-Programme meist auf eine bestimmte Umwelt wie etwa Hochhäuser, öffentliche Plätze oder akademische Gebäude (Preiser, 1989, Carr, Francis, Rivlin und Stone, 1992).

POE ist ein Sammelbegriff für eine große Bandbreite von Untersuchungen. Einige Autoren (Friedman, Zimring & Zube, 1978) lehnen den Begriff allerdings ab, da er zu sehr die Evaluation von Gebäuden impliziert und bevorzugen den weiter gefassten Begriff environmental evaluation oder environmental design evaluation. Hierbei werden experimentelle oder quasi-experimentelle Interventionen in natürlichen Settings verwendet, um Umweltbedingungen zu verbessern bzw. Hypothesen zu testen.

Bei der Evaluation von Umweltgestaltungen wird in der Regel eine Pre-Post- mit mehreren Erhebungen notwendig sein (Lalli & Hormuth, 1996). Für die Kontrolle von Störvariablen sollten auch Kontrollgruppen eingesetzt werden. Zumeist ist eine Zufallszuweisung der UntersuchungsteilnehmerInnen zu den experimentellen Bedingungen nicht möglich. Dies verlangt den Einsatz quasiexperimenteller Versuchspläne. Die Schwierigkeit, aus einzelnen Untersuchungen eindeutige Schlüsse ziehen zu können, muss zu einer Kombination verschiedener Erhebungen führen, die zwar vergleichbare Untersuchungsziele hat, aber unterschiedliche theoretische und methodische Zugänge nützt (Hormuth, 1994; Lalli & Hormuth, 1996). Eine ausführliche Übersicht über die Planung und Durchführung von Evaluationsstudien geben Wottawa & Thierau (1998).

Umweltpsychologische Evaluation gewinnt nach Lalli und Hormuth (1996) zunehmend an Bedeutung. Zwar stehen einer häufigeren Anwendung noch Kostengründe und der Mangel an entsprechend qualifizierten Fachkräften entgegen, mittelfristig sehen Lalli und Hormuth (1996) hier aber ein interessantes Praxisfeld für PsychologInnen.

11. FRAGESTELLUNG

Grundlage der Untersuchung sind die umfangreichen Forschungsarbeiten der deutschen Geruchswirkungsforschung (Steinheider, 1997; Steinheider & Winneke, 1993; Winneke & Steinheider, 1998) sowie die Belästigungsmodelle von Lindvall & Radford (1973), Cavalini (1992) und Winneke & Steinheider (1998).

11.2. Zielsetzung der Untersuchung

Laut VDI (1993b) ist es dadurch möglich, die zeitliche und räumliche Verteilung der Belästigung in einem -

Befragungsgebiet zu ermitteln,

Unterschiede in der Belästigung im Belastungs- und in einem Kontrollgebiet -

aufzuzeigen, um eine Aussage über die Sanierungsbedürftigkeit eines komplexen Geruchsbelastungsgebietes zu machen, die Wirksamkeit von Minderungs- oder Sanierungsmaßnahmen zu beurteilen, -

Aus den oben genannten Überlegungen ergeben sich für die Untersuchung folgende Zielsetzungen:

1) Erhebung der Geruchsbelästigung in den Befragungsgebieten, 2) Identifizierung von belästigungsrelevanten Emissionsquellen, 3) Ermittlung der Dosis-Wirkungsbeziehung, 4) Ermittlung von Moderatorvariablen der Dosis-Wirkungsbeziehung, 5) Beurteilung der Wirksamkeit von Geruchssanierungsmaßnahmen aus umweltpsychologischer Sicht.

Die beidseitige Bebauung der Markomannenstraße besteht aus ein- bis zweigeschossigen Ein- oder Mehrfamilienhäusern mit Garten. (siehe Abbildung 8). Die Markomannenstraße ist eine verkehrsberuhigte Wohnstraße, die Verkehrsbelastung ist gering. Unter der Straße verläuft der für die Geruchsbelästigung hauptverantwortliche Sammelkanal.

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In der zur Markomannenstraße parallel verlaufenden Obachgasse sind einige

In der Industriestraße verläuft ebenso wie in der Markomannenstraße der Sammelkanal, der Grund für häufige Geruchsbelästigungen ist. Wie der Name schon sagt, sind in der Straße einige Industriebetriebe angesiedelt (eine große Bäckerei sowie ein internationaler Pharmakonzern). Darüber hinaus ist die Industriestraße eine stark befahrene Straße. Das Straßenbild ist gekennzeichnet von vielen Kleingarten- und Siedlervereinen, im Großen und Ganzen wirkt die Industriestraße sehr grün (siehe Abbildung 9). Die Gegend um die Industriestraße ist als Erholungsgebiet gekennzeichnet, da in unmittelbarer Nähe der Naherholungsraum „Alte Donau“ ist.

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Die Industriestraße wurde aufgrund der Empfehlung der für die Kanalisation zuständigen Magistratsabteilung der Stadt Wien (MA 30) als Kontrollgebiet ausgewählt.

12.3. Der Sammelkanal

Aufgrund des geringen Gefälles des Sammelkanals und der damit verbundenen geringen Fließgeschwindigkeit sowie aufgrund gewisser äußerer Bedingungen (hohe Abwassertemperaturen, geringer Sauerstoffgehalt) entwickelt das Abwasser Gerüche mit zum Teil sehr großer Intensität. Außerdem weist der Sammelkanal ungünstige Verhältnisse in Bezug auf die Be- und Entlüftung auf. Der Kanal wird hauptsächlich über die Kanalgitter entlüftet, was zwangsläufig zu Geruchsproblemen führt (siehe Abbildung 10) (Trugina, 1998a).

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Abbildung 10: Entlüftung des Kanals über Kanaldeckel.

13. UNTERSUCHUNGSPLAN

Der für die Geruchsbelästigung hauptverantwortliche Sammelkanal verläuft sowohl in der Markomannen- als auch in der Industriestraße direkt unter der Straße. Betroffen von der Geruchsbelästigung sind daher vor allem diejenigen AnrainerInnen, die direkt an der Straße wohnen. Aus diesem Grund wurden auch nur jene Personen in die Befragung mit einbezogen, deren Häuser direkt an der Straße liegen.

13.2. abhängige und unabhängige Variable

Die abhängige Variable war das Ausmaß der subjektiven Geruchsbelästigung, welche mittels Fragebögen bzw. Postkarten erhoben wurde.

13.3. mögliche Störvariablen

13.4. Hypothesen

H0 1 : Es besteht kein Unterschied in der Einschätzung der Umweltqualität zwischen Versuchs- und Kontrollgebiet. H1 1 : Es besteht ein Unterschied in der Einschätzung der Umweltqualität zwischen Versuchs- und Kontrollgebiet. (Auswertung: Mittelwertsvergleich: t-Test bzw. U-Test)

H0 3 : Es besteht kein Unterschied bezüglich der Geruchsbelästigung zwischen Versuchs- und Kontrollgebiet. H1 3 : Es besteht ein Unterschied bezüglich der Geruchsbelästigung zwischen Versuchs- und Kontrollgebiet. (Auswertung: Mittelwertsvergleich: t-Test bzw. U-Test)

H0 5 : Das Alter der Personen hat keinen Einfluss auf das Ausmaß der Geruchsbelästigung. H1 5 : Das Alter der Personen hat einen Einfluss auf das Ausmaß der Geruchsbelästigung. (Auswertung: Korrelation)

H0 7 : Das Rauchverhalten der Personen hat keinen Einfluss auf das Ausmaß der Geruchsbelästigung. H1 7 : Das Rauchverhalten der Personen hat einen Einfluss auf das Ausmaß der Geruchsbelästigung. (Auswertung: Korrelation)

H0 9 : Äußere klimatische Bedingungen (Lufttemperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Niederschlagsmenge) haben keinen Einfluss auf das Ausmaß der Geruchsbelästigung.

H0 10 : Es besteht kein Unterschied bezüglich der Geruchsbelästigung zwischen Versuchs- und Kontrollgebiet während der Zeit der 1. Sanierungsmaßnahme. H1 10 : Es besteht ein Unterschied bezüglich der Geruchsbelästigung zwischen Versuchs- und Kontrollgebiet während der Zeit der 1. Sanierungsmaßnahme. (Auswertung: Mittelwertsvergleich: t-Test bzw. U-Test)

14. UNTERSUCHUNGSMATERIALIEN

14.1. Sommerfragebogen

14.2. Postkarten

Um eine Vergleichbarkeit zwischen Fragebogen und Postkarten zu ermöglichen, wurde bei den Postkarten die verbale Belästigungsskala, wie sie die VDI-Richtlinie vorsieht, durch eine grafische Belästigungsskala ersetzt. Zusätzlich wurde noch jeweils die Frage nach der hedonischen Bewertung der Gerüche aufgenommen (siehe Abbildung 11). Alle Postkarten wurden einheitlich auf orangem 160g-Papier gedruckt.

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. - angenehm unangenehm

Abbildung 11: Die Postkarte, mit der einmal wöchentlich die Geruchsbelästigung abgefragt wurde.

Der Herbstfragebogen (siehe Anhang) beinhaltet im Großen und Ganzen die selben Fragen wie der Sommerfragebogen. Im Versuchsgebiet wurden zusätzliche Fragen zu den Sanierungsmaßnahmen gestellt, im Kontrollgebiet Fragen zur Befragungsserie. Damit sich der Herbstfragebogen auch optisch vom Sommerfragebogen unterscheiden ließ, wurde er auf grauem Papier (Umweltschutzpapier) gedruckt.

15. UNTERSUCHUNGSDURCHFÜHRUNG

Nach der Auftragserteilung zu umweltpsychologischen Begleituntersuchungen einer Geruchssanierungsmaßnahme wurde im Mai 1999 mit den Voruntersuchungen begonnen. Sowohl im Versuchs- als auch im Kontrollgebiet wurden anhand eines Interviewleitfadens (Ewers, in Druck) mehrere Personen über die Umweltqualität und Umweltbelastungen in ihrer Straße befragt. Insgesamt wurden ca. 20 Personen interviewt. Ziel der Voruntersuchung war die Prüfung auf Eignung im Hinblick auf Vergleichbarkeit der örtlichen Gegebenheiten (Bebauungsart und -dichte, Umweltbelastung). Die Ergebnisse der Voruntersuchung wurden auch für die Konstruktion des Sommerfragebogens herangezogen.

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Tabelle 1: zeitlicher Ablauf der Untersuchung.

Nach einem Ausschreibungs- und Auswahlprozess durch die MA30-Wien Kanal erfolgte die Festlegung des Designs des technischen Großversuchs. Zwei Firmen wurden beauftragt, im Sommer 1999 Geruchssanierungsmaßnahmen in der Markomannenstraße durchzuführen. Den Firmen standen jeweils vier Wochen Zeit für Vorbereitung, Aufbau und Maßnahme zur Verfügung (siehe auch Tabelle 1):

19. Juli 1999 - 1. August 1999: 1. Firma, Vorbereitungsphase 2. August 1999 - 15. August 1999: 1. Firma, Sanierungsmaßnahme 16. August 1999 - 22. August 1999: Umbauphase für die nächste Firma 23. August 1999 - 5. September 1999: 2. Firma, Vorbereitungsphase 6. September 1999 - 19. September 1999: 2. Firma, Sanierungsmaßnahme

15.2.2. Zeitlicher Ablauf der Befragung

Knapp eine Woche später, am 16. Juni 1999, wurde dann an alle Haushalte im Versuchs- und Kontrollgebiet der erste Fragebogen („Sommer-Fragebogen“) ausgeteilt. Dabei erhielt jeder Haushalt ein Kuvert mit 3 Fragebögen. Die BefragungsteilnehmerInnen wurden gebeten, die Fragebögen bis Ende Juni an das Institut zurück zu schicken. Ende Juni wurden sie dann noch einmal daran erinnert, den Fragebogen (falls noch nicht getan) auszufüllen und zurückzuschicken (anläuten und nachfragen). Mit Beginn 1. Juli 1999 wurden dann allwöchentlich an alle Haushalte 3 Postkarten ausgeteilt. Die Postkarten wurden jeweils am Donnerstag Nachmittag in die Postkästen geworfen. Eine Woche nach der letzten Postkartenabfrage wurde der zweite Fragebogen („Herbst-Fragebogen“) verteilt. Nach Vorliegen der Ergebnisse wurde die Bevölkerungmittels Postwurfsendung über die Ergebnisse der Befragung informiert.

Zur Verminderung der Geruchsbelästigung kamen das Nutriox®-Verfahren und das Anaerite-Verfahren zur Anwendung. Die Verfahren basieren auf der Dosierung von Calciumnitrat (Nutriox®) bzw. Eisennitratsulfat (Anaerite) in das Abwasser. Die Dosier-, Steuer- und Tankeinrichtungen wurden jeweils ein bis zwei Kilometer kanalaufwärts aufgestellt.

Das Anaerite-Verfahren basiert auf der Dosierung von Eisennitratsulfat in das Abwasser. Das enthaltende Eisen bindet chemisch Sulfid im Abwasser, wodurch kein Schwefelwasserstoff mehr entstehen kann. Das Nitrat wirkt als Sauerstoffspender und verhindert die weitere Bildung von Sulfid bzw. anaeroben Abbauprodukten (Trugina, 1999).

Die Versuchsbegleitung umfasste:

1) chemisch-physikalische Untersuchungen des Abwassers und der Kanalluft anhand von regelmäßigen Probennahmen (Stichproben) durch die MA30 2) chemisch-physikalische online - Messungen des Abwassers und der Kanalluft durch die MA30 3) Geruchsmessungen durch eine private Firma

4) Begleitende BewohnerInnenbefragung durch das Institut für Umwelthygiene der Universität Wien (das ist die hier vorliegende Diplomarbeit) 5) Wetter- und Klimabeobachtung durch die MA22 6) Pumpwerke und Durchflussmessung durch die MA30 7) Koordination und Auswertung durch ein Zivilingenieurbüro.

16. AUSWERTUNG

Zur Überprüfung der Normalverteilung wurde der Kolmogorov-Smirnov-Test angewendet. Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, wurde für Mittelwertsvergleiche der t-Test für unabhängige Stichproben verwendet, ansonsten wurde der U-Test von Mann und Whitney angewendet. Für nominalskalierte Variablen wurde der Chi-Quadrat-Test nach Pearson verwendet.

16.2.1. Belästigungsthermometer

16.2.1.1. Graphische Darstellung des Belästigungsthermometers Die Unklarheiten beginnen bei der graphischen Darstellung. In der VDI-Richtlinie 3883/Blatt 1 (VDI, 1997) sind die Zahlen beim Belästigungsthermometer neben den Skalenstrichen angebracht. Ebenso bei Hangartner (1988), der darüber hinaus noch den unteren Teil des Belästigungsthermometers schraffiert darstellt. Bei Steinheider (1997) stehen die Zahlen zwischen den Skalenstrichen. Andere Darstellungen findet man noch bei Brauchle (1996), der die Zahlen 1 bis 11 neben das Thermometer schreibt.

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Abb. 13: Abb. 12: Abb. 14:

Bei Steinheider (1997) stehen die Bei VDI (1997) stehen die Bei Hangartner (1988) ist der

Zahlen zwischen den Strichen. Zahlen neben den Strichen. untere Bereich schraffiert.

Die in Abbildung 15 dargestellten Beispiele sind eindeutig kodierbar, es wird jeweils der Wert 4 kodiert.

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Unterschiedliche Auslegungen gibt es vor allem dann, wenn zwischen den Strichen angekreuzt wird. Wird die Belästigung, wie sie in der unten stehenden Abbildung 16 durch Ankreuzen angegeben wird, nun mit 3 kodiert (weil noch unterhalb von vier angekreuzt wurde), oder schon mit 4 (weil das Kreuz schon oberhalb von drei gemacht wurde)? Wird also, so zu sagen, abgerundet oder aufgerundet?

Abbildung 16.: Das Ankreuzen zwischen den Strichen führt aufgrund fehlender Richtlinien zu Unklarheiten bei der Kodierung.

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Abbildung 17 zeigt, wie das Belästigungsthermometer in dieser Untersuchung ausgewertet wurde.

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16.2.1.3. Auswirkungen unterschiedlicher Kodierung

Gleiche Kodierung der Belästigungswerte ist Voraussetzung für Vergleiche mit anderen Untersuchungen. Darüber hinaus ist die richtige Kodierung aber auch entscheidend bei der Frage, in welchem Ausmaß sich die Versuchspersonen

Welche Auswirkungen unterschiedliche Kodierungen auf statistische Werte haben, wird im folgenden an einem Beispiel (Werte aus dem Sommer-Fragebogen) aufgezeigt (siehe Tabelle 2):

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Art der Kodierung Strich und Bereich darunter, Strich und Bereich darüber,

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Tabelle 2.: Auswirkungen unterschiedlicher Kodierung des Belästigungsthermometers auf statistische Kennzahlen.

16.2.2. Postkarten

Einige Personen (n=11) haben Postkarten doppelt zurück geschickt. Es wurde jeweils der Mittelwert der beiden Postkarten gebildet.

6 Postkarten kamen gänzlich unausgefüllt zurück. Bei einigen Postkarten (3) wurde nur die persönliche Kennzahl ausgefüllt. Diese 3 Karten wurden zwar bei der Rücklaufquote berücksichtigt, konnten aber logischerweise nicht zur Auswertung herangezogen werden.

2 Postkarten kamen ohne persönlicher Kennzahl zurück. Ihnen wurde eine Kennzahl zugeordnet.

Ein Haushalt schickte alle Postkarten (13 x 3 = 39 Stück) erst am Ende der Befragung ein. Überdies waren alle Antworten sehr ähnlich. Es lag die Vermutung nahe, dass die Karten erst am Ende der Befragung gemeinsam ausgefüllt und gesammelt zurück geschickt wurden. Daher wurden die Karten nicht zur Auswertung herangezogen.

17. UNTERSUCHUNGSTEILNEHMERiNNEN

Aus Datenschutzgründen konnte im Rahmen der gewählten Untersuchungsanalyse die exakte EinwohnerInnenzahl nicht geklärt werden. Da die durchschnittliche Haushaltsgröße in Österreich im Jahr 1999 bei 2,45 lag 4 , wurden an alle Haushalte jeweils 3 Fragebögen bzw. Postkarten verteilt. Im Versuchsgebiet waren dies 122 Haushalte, im Kontrollgebiet waren es 185 Haushalte.

Mitte Juni 1999 wurden an alle Haushalte in Versuchs- und Kontrollgebiet jeweils 3 Sommer-Fragebögen ausgeteilt.

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Abbildung 18: Rücklauf des Sommerfragebogens.

Die Postkarten wurden ebenfalls an alle an die Straße angrenzenden Haushalte ausgeteilt. Die Postkartenbefragung erstreckte sich von 4. Juli bis 3. Oktober 1999, also über 14 Wochen, d.h. jeder Haushalt erhielt 14 Wochen lang jeweils 3 Postkarten.

In Abbildung 20 sieht man das Antwortverhalten der Personen, aufgeschlüsselt auf Versuchs- und Kontrollgebiet. Etwa 15% nahmen an allen 14 Wochen teil, 50% der Befragten schickten immerhin noch an 7 Wochen die Postkarten zurück. Das Gebiet hat keinen Einfluss auf das Antwortverhalten.

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Abbildung 19: Rücklauf der Postkarten während der 14 Wochen dauernden Befragung, aufgeschlüsselt auf Versuchs- und Kontrollgebiet.

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Abbildung 20: Relative Anzahl von Personen, die einen bestimmten Prozentsatz an Postkarten zurückgeschickt haben. Wie die Grafik zeigt, hat das Gebiet keinen Einfluss auf das Antwortverhalten.

Mitte Oktober 1999 wurden an alle Haushalte des Versuchs- und Kontrollgebietes jeweils 3 Herbst-Fragebögen ausgeteilt.

Im Kontrollgebiet wurden Fragebögen an 185 Haushalte ausgeteilt. 59 Haushalte schickten Fragebögen zurück, was einer Rücklaufquote von 32% entspricht. Insgesamt kamen im Kontrollgebiet 97 Fragebögen zurück.

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Abbildung 21: Rücklauf des Herbstfragebogens.

In Summe kamen 138 Herbst-Fragebögen zurück (siehe Abbildung 21), wobei 135 Fragebögen für die Auswertung herangezogen werden konnten. Zwei Fragebögen konnten wegen Unvollständigkeit nicht für die Auswertung herangezogen werden. Ein weiterer Fragebogen musste ausgeschieden werden, da dieser von jemandem ausgefüllt wurde, der außerhalb des Befragungsgebietes wohnt.

In Summe nahmen an der Befragung 350 Personen teil (siehe Tabelle 3). Der etwas geringere Rücklauf im Versuchsgebiet ist wahrscheinlich auf die in den vergangenen Jahren bereits oftmalig durchgeführten Befragungen in dieser Straße zurückzuführen.

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Sommerfragebogen Herbstfragebogen Postkarten Sommer- oder Herbst-FB Sommer-FB, Herbst-FB oder Postkarten

Tabelle 3: Teilnahme an der Befragung: Die Teilnahme setzt sich jeweils zusammen aus ca. 1/3 BewohnerInnen aus dem Versuchsgebiet und 2/3 BewohnerInnen aus dem Kontrollgebiet.

Abbildung 22 und Tabelle 4 zeigen den Rücklauf von Sommerfragebogen, Herbstfragebogen und Postkarten.

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Sommerfragebogen Postkarten, Woche 26 Postkarten, Woche 27 Postkarten, Woche 28 Postkarten, Woche 29 Postkarten, Woche 30 Postkarten, Woche 31 Postkarten, Woche 32 Postkarten, Woche 33 Postkarten, Woche 34 Postkarten, Woche 35 Postkarten, Woche 36 Postkarten, Woche 37 Postkarten, Woche 38 Postkarten, Woche 39 Herbstfragebogen

Tabelle 4: Rücklauf von Sommerfragebogen, Postkarten und Herbstfragebogen. Zahlen sind absolute Häufigkeiten.

17.2.1. Geschlecht

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weiblich männlich

Tabelle 5: Bevölkerungsanteil in Wien (aus: http://www.wien.gv.at/ma66/aktuell/) und Teilnahme an der Befragung. VG=Versuchsgebiet, KG=Kontrollgebiet.

Final del extracto de 193 páginas

Detalles

Título
Belastung und Belästigung durch Gerüche. Evaluation von Geruchssanierungsmaßnahmen aus Umweltpsychologischer Sicht
Universidad
University of Vienna
Calificación
1
Autor
Año
2000
Páginas
193
No. de catálogo
V185683
ISBN (Ebook)
9783656982548
ISBN (Libro)
9783867465618
Tamaño de fichero
2393 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
belastung, belästigung, gerüche, evaluation, geruchssanierungsmaßnahmen, umweltpsychologischer, sicht
Citar trabajo
Mag. Ernst Neudorfer (Autor), 2000, Belastung und Belästigung durch Gerüche. Evaluation von Geruchssanierungsmaßnahmen aus Umweltpsychologischer Sicht, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185683

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