Kommunale Wirtschaftsförderung am Beispiel der Stadt Brandenburg an der Havel


Diplomarbeit, 2002

125 Seiten, Note: 2


Leseprobe


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„Kommunale Wirtschaftsförderung am Beispiel der Stadt Brandenburg a.d. Havel“

1. Einleitung

In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, aus welchen Elementen kommunale Wirtschaftsförderung besteht, welche Aufgaben Wirtschaftsförderer haben und welche Instrumente ihnen zur Lösung dieser Aufgaben zur Verfügung stehen. Im zweiten Teil wird die Qualität der Wirtschaftsförderung in der Stadt Brandenburg an der Havel untersucht. Wie ist die kommunale Wirtschaft strukturiert? Wie sind die Standort-faktoren ausgeprägt? Wie effektiv ist die Arbeit des städtischen Amtes für Wirtschaftsförderung? Daran schließt sich der Entwurf einer optimalen Struktur der Wirtschaftsförderung an.

Diese Arbeit könnte daher für Lokalpolitiker und Verwaltungsangestellte nützlich sein, die neue Anregungen suchen oder ihr Wirken auf eine wissenschaftlich fundierte Grundlage stellen wollen, ohne selbst die umfangreiche Fachliteratur zu lesen.

Jede Stadt oder Gemeinde braucht vor Ort ansässige Unternehmen. Sie zahlen Steuern, schaffen Arbeitsplätze und sichern so das örtliche Wohlstandsniveau. Die Zahl der Betriebe, die einen Standort suchen, ist deutlich geringer als die Zahl der Kommunen, die sich um Neuansiedlungen bemühen. Die einzelnen Städte und Gemeinden stehen also im Wettbewerb um diese Betriebe. Die sogenannten mobilen Betriebe sind in der komfortablen Lage, Bedingungen stellen und sich den für sie besten Standort aussuchen zu können. Die kommunale Wirtschaftsförderung versucht, bestehenden, entstehenden und ansiedlungsinteressierten Unternehmen zu einer erfolgreichen Entwicklung zu verhelfen. So können ausreichend Arbeitsplätze geschaffen und das regionale Wohlstandsniveau gehalten bzw. verbessert werden (siehe Kapitel 1). Die wichtigste Größe in diesem Zusammenhang sind die Standortfaktoren. Unter ihnen versteht man die Summe der an einem Ort anzutreffenden Gegebenhei-

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2. Grundlagen

Bevor die Aufgaben und Instrumente der kommunalen Wirtschaftsförderung diskutiert werden können, sollten zunächst die Grundbegriffe erläutert werden. Zu den Grundlagen gehören die Definition des Begriffes kommunale Wirtschaftsförderung, die Ziele desselben und die Standort-faktoren.

2.1 Definition der kommunalen Wirtschaftsförderung

Wirtschaftsförderung zielt laut Definition darauf ab, vorhandenen, entstehenden und an einer Ansiedlung interessierten Unternehmen zu einer erfolgreichen Entwicklung zu verhelfen, damit Arbeitsplätze in genügender Zahl und Qualität geschaffen werden und das regionale Wohlstandsniveau gehalten bzw. verbessert werden kann“ (Hahne 1995, S.14).

2.2 Ziele der kommunalen Wirtschaftsförderung

Das Primärziel kommunaler Wirtschaftsförderung ist „die Sicherung und Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung“ (Icks/Richter 1999, S.3) in der betreffenden Stadt bzw. Gemeinde. Da sich dieses Oberziel in der praktischen Anwendung aber als zu komplex erweist, wird es in folgende drei Unterziele zerlegt (vgl. Icks/Richter 1999, S.3): Sicherung bzw. Verbesserung des regionalen Arbeitsplatzangebotes, Erhöhung der Finanzkraft der Kommune,

Stärkung der Krisenfestigkeit der ansässigen Wirtschaft durch Diversifikation.

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Das Ziel der „Sicherung und Verbesserung des regionalen Arbeitsplatzangebotes“ dominiert in der Praxis. Der Grund dafür ist die zunehmende Einbeziehung der Kommunen an der Finanzierung der Langzeitarbeitslosigkeit. Aus diesem Grund sehen viele Wirtschaftsförderer die Ansiedlung und den Erhalt arbeitsintensiver Betriebe als besonders wichtig an.

2.3 Standortfaktoren

Die wichtigste Größe, die die kommunale Wirtschaftsförderung beeinflussen will, sind die Standortfaktoren. Unter ihnen versteht man „die an einem Ort anzutreffenden Gegebenheiten und Gestaltungskräfte mit positiver/negativer Wirkung auf die unternehmerische Tätigkeit“ (Schierenbeck 1998, S.48). Anhand der Ausprägung der Standortfaktoren entscheiden sich die Unternehmen für oder gegen eine Ansiedlung. In der Regel wird der Standort gewählt, an dem die Standortfaktoren am ehesten den Wünschen des Unternehmens entsprechen. Die Standortfak-toren werden in zwei Gruppen eingeteilt: In harte und weiche Standort-faktoren. Beide sind komplementär und decken zusammen das gesamte Spektrum relevanter Bestimmungsgrößen für Standortentscheidungen ab. Die Grenze zwischen harten und weichen Faktoren verläuft in der Praxis fließend und hängt vom jeweiligen Betrachtungszusammenhang ab (vgl. Icks/Richter 1999, S.9).

2.3.1 Harte Standortfaktoren

Zu den harten Standortfaktoren zählen (vgl. Hahne 1995, S.15): Die Lage zu den Bezugs- und Absatzmärkten, die Verkehrsanbindung,

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der Arbeitsmarkt (quantitativ, qualitativ), das Flächenangebot, die Flächen- und Mietkosten, die Energie- und Umweltkosten, die lokalen Abgaben, die Förderangebote, die Branchenkontakte,

die Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten, die Umweltschutzauflagen sowie ansässige Hochschulen/Forschungseinrichtungen. Aus diversen Unternehmensbefragungen lässt sich ableiten, dass für die Unternehmen die ersten vier der genannten harten Standortfaktoren von zentraler Bedeutung sind (vgl. Hahne 1995, S.15). Die kommunale Wirtschaftsförderung kann zwar die geographische Lage der Stadt bzw. Gemeinde nicht ändern, aber die ökonomischen Kosten der Entfernung durch Verbesserung der Verkehrsanbindung senken. Zu den zentralen Maßnahmen der Wirtschaftsförderer gehören daher die Optimierung der Verkehrsanbindungen und des örtlichen Flächenangebotes.

2.3.2 Weiche Standortfaktoren

Die weichen Standortfaktoren werden unterteilt in die zwei Untergruppen weiche unternehmensbezogene Faktoren und weiche personenbezogene Faktoren (vgl. Hahne 1999, S.15). Zu den weichen unternehmensbezogenen Standortfaktoren gehören: Das lokale und regionale Wirtschaftsklima, das Image des Betriebsstandortes,

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3. Aufgabenfelder

Gut ausgeprägte Standortfaktoren allein reichen allerdings nicht aus, um einer Stadt zu wirtschaftlichem Wohlstand zu verhelfen. Vielmehr müssen Unternehmen am Standort entstehen (Entwicklung des endogenen Potentials) bzw. für den Standort geworben werden (Akquisition mobiler Betriebe). Darüber hinaus gewinnen Kooperationen zwischen verschiedenen Partnern in jüngster Zeit an Bedeutung. Der Gedanke einer öffentlich betriebenen Wirtschaftsförderung breitete sich in Deutschland in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahr-hunderts aus. Viele Betriebe suchten im Rahmen von Unternehmensexpansionen nach dem Zweiten Weltkrieg einen neuen Standort. Auch die Bevölkerungswanderungen in der Nachkriegszeit und veränderte Rahmenbedingungen durch erste Ergebnisse von Stadtsanierung und Verkehrsplanung führten dazu, dass zahlreiche Unternehmen ihren bisherigen Standort verlassen mussten. Da die wirtschaftliche Entwicklung der Nachkriegszeit in erster Linie vom produzierenden Gewerbe getragen wurde, war die Flächennachfrage dementsprechend hoch. Viele Wirtschaftsförderer sahen daher ihre wichtigste Aufgabe darin, die Flächennachfrage von Betrieben zu befriedigen (vgl. Steinröx 1995, S.88).

3.1 Traditionelle Aufgabenfelder

Für die kommunalen Wirtschaftsförderer kristallisierten sich aufgrund der beschriebenen Entwicklungen zwei Hauptaufgabenfelder heraus: Akquisition mobiler Betriebe, Bestandspflege (Aktivierung des endogenen Potentials).

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Beide Aufgabenfelder bestehen nebeneinander. Es lässt sich jedoch feststellen, dass zunächst die Akquisition mobiler Betriebe dominierte. Später begannen die Wirtschaftsförderer, sich mehr auf die Aktivierung des endogenen Potentials zu konzentrieren (vgl. Icks/Richter 1999, S.4).

3.1.1 Akquisition mobiler Betriebe

Bis Mitte der siebziger Jahre fand vor allem eine „Ausrichtung auf die Ansiedlung von Großbetrieben“ (Icks/Richter 1999, S.4) statt. Die kommunalen Wirtschaftsförderer erhofften sich hierdurch einen starken Zugewinn an Arbeitskräften und eine Erhöhung der Finanzkraft der kommunalen Haushalte (vgl. Icks/Richter 1999, S.4-5). Außerdem erwartete man „positive Multiplikatoreffekte für die regionale Wirtschaft“ (Icks/Richter 1999, S. 5). In der Bemühung, neue Betriebe in der Region anzusiedeln, wurde jedoch häufig das Ziel der Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur vernachlässigt. Im Vordergrund stand für viele, neue Betriebe anzusiedeln. Deren Branchenzugehörigkeit hatte allenfalls se-kundäre Bedeutung. Die kommunalen Wirtschaftsförderer konzentrierten sich vor allem auf die Schaffung von Gewerbeflächen, die Ansiedlungswerbung sowie die Bereitstellung wirtschaftsnaher Infrastruktur. Einen zweiten Schwerpunkt bildeten die Versuche, Standortnachteile gegenüber Mitbewerbern, die nicht durch Maßnahmen der Wirtschaftsförderung ausgeglichen werden konnten, durch „finanzielle Zuwendungen im Rahmen der Steuer- und Tarifpolitik zu kompensieren“ (Icks/Richter 1999, S.5). Ein Beispiel hierfür sind Sondertarife für öffentliche Ver- und Entsorgungsleistungen.

Seit Mitte der siebziger Jahre hat das „verteilbare Potential überregional mobiler Betriebe ... erheblich abgenommen, während zugleich die Kon-

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kurrenz darum größer geworden ist“ (Hahne 1995, S.19). So bewarben sich in den neunziger Jahren 149 Regionen aus ganz Europa bei der Automobilfirma Daimler-Chrysler AG (damals noch Daimler-Benz AG) um den Zuschlag für eine Teststrecke. Gewonnen hat schließlich Papenburg im Emsland.

Die Zahl der Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten, die einen neuen Betriebsstandort außerhalb ihrer bisherigen Kommune gründen, beträgt jährlich in Deutschland weniger als 100 (vgl. Steinröx 1995, S.90). Dieses tatsächlich vorhandene Potential wird vielfach überschätzt. Für die Veröffentlichung von Anzeigen in deutschen Printmedien werden jährlich weit über 75 Millionen Euro von Wirtschaftsförderämtern undgesellschaften ausgegeben, obwohl die daraus resultierenden Ansiedlungserfolge fast nie die Erwartungen erfüllen. Die Kommunen stehen heute nicht mehr nur in einem deutschlandweiten Wettbewerb, sondern die Konkurrenz ist international geworden. In den letzten Jahren hat sich die Situation durch die osteuropäischen Staaten mit ihren deutlich niedrigeren Löhnen weiter verschärft. Ansiedlungserfolge werden heute oft nur mit „finanziellen Zugeständnissen wie z.B. Gebührenermäßigungen“ (Icks/Richter 1999, S.6) erreicht. Dies birgt die Gefahr in sich, die kommunalen Haushalte langfristig zu belasten.

3.1.2 Aktivierung des endogenen Potentials

Das zweite traditionelle Betätigungsfeld der kommunalen Wirtschaftsförderung ist die Bestandspflege. Sie erlangte Mitte der siebziger Jahre eine größere Bedeutung. Die Bestandspflege konzentriert sich auf das endogene Potential einer Region. Sie weist eine stärkere Ausrichtung auf kleine und mittlere Betriebe auf, da diese in fast allen Regionen Deutsch-

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falsche Standortwahl, durch geeignete Beratungen zu reduzieren, könnte sich die Existenzgründungsförderung als Zugpferd für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region entpuppen (vgl. Steinröx 1995, S.95).

3.2 Neue Anforderungen

Für die kommunale Wirtschaftsförderung ergeben sich aus der europäischen Integration und der fortschreitenden Globalisierung neue Anforderungen. Zudem wird die Problematik durch die anhaltend schlechte Finanzsituation der Städte und Gemeinden verstärkt (vgl. Icks/Richter 1999, S.7). Durch europäische Integration und zunehmende Globalisierung wächst der Einfluss multinationaler Unternehmen. Große Unternehmen haben ihre Standortstrategien geändert und sind heute viel eher bereit, bei einem Standortwechsel in ein komplett anderes Land zu gehen. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Kommunen. Sie sind immer stärker gezwungen, „den Unternehmen besonders günstige Standortbedingungen anzubieten“ (Icks/Richter 1999, S.8). Unter dem erhöhten Druck auf die Kommunen waren und sind die Träger kommunaler Aufgaben zu einem Umdenken gezwungen. Die Bedeutung von Kooperationen nimmt in diesem Zusammenhang zu. Das Ziel von Kooperationen ist vor allem, den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern und sich Handlungsressourcen auf Feldern zu erschließen, die mit eigenen Mitteln nicht erreichbar wären. Die Chancen von Kooperationen bestehen in der Bündelung von Kompetenzen, um eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen (vgl. Icks/Richter 1999, S.8). Denkbare Aktionsfelder für Kooperationen sind: Kooperationen zwischen Ämtern,

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4. Instrumente kommunaler Wirtschaftsförderung

Um die im letzten Kapitel beschriebenen Aufgaben erfüllen zu können, bedienen sich die Wirtschaftsförderer einer Reihe von Instrumenten, die im folgenden beschrieben werden. Diese Instrumente zielen darauf ab, den in einer Region ansässigen und den an einer Ansiedlung interessierten Betrieben zu einer erfolgreichen Entwicklung zu verhelfen. Der kommunalen Wirtschaftsförderung stehen insgesamt sechs verschiedene Instrumente zur Verfügung. Dies sind (vgl. Icks/Richter 1999, S.11): Gewerbeflächenpolitik, Infrastrukturpolitik,

Initiierung und Förderung von Standortgemeinschaften, Finanzhilfen und Tarifpolitik, Werbung und Standortmarketing, Beratung und Dienstleistungen.

Ende der Leseprobe aus 125 Seiten

Details

Titel
Kommunale Wirtschaftsförderung am Beispiel der Stadt Brandenburg an der Havel
Hochschule
Fachhochschule Brandenburg
Note
2
Autor
Jahr
2002
Seiten
125
Katalognummer
V185786
ISBN (eBook)
9783656990734
ISBN (Buch)
9783867466707
Dateigröße
1795 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kommunale, wirtschaftsförderung, beispiel, stadt, brandenburg, havel
Arbeit zitieren
René Günther (Autor:in), 2002, Kommunale Wirtschaftsförderung am Beispiel der Stadt Brandenburg an der Havel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185786

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