Die Geschichte des Flamenco


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 1998

16 Pages, Note: 0


Extrait


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Integrierte Sprachlehrveranstaltung 2 Markus Mross Hör-/Sprechübung (a) Matrikelnummer: 4771911

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Maria del Carmen Suñen Bernal Zentrales Fremdspracheninstitut Universität Hamburg Vorlesungsnummer: 07.914 Wintersemester 1997/1998 „Los cantautores“

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1. Sozialgeschichtliche Hintergründe und Allgemeines .................................. 1 1.1. Die Migrationsbewegung der Roma als

eigentlicher Entstehungsfaktor .................................................................... 1 1.2. Die politische und wirtschaftliche Situation

in Andalusien ............................................................................................... 2 1.3. Die verschiedenen musikalischen und kulturellen

Einflüsse im Flamenco ................................................................................. 3 1.4. Der Flamenco als Lebensgefühl und als

ästhetische Kunstform .................................................................................. 4 1.5. Die jüngere Geschichte des Flamenco ......................................................... 5

2. Die drei Grundpfeiler des Flamenco ............................................................ 7 2.1. Der „Cante“ .................................................................................................. 7 2.2. Der „Baile“ ................................................................................................... 9 2.3. Der „Toque“ ................................................................................................. 12

3. Bibliographie ................................................................................................ 16

4. Weiterführende Literatur .............................................................................. 16

1. Sozialgeschichtliche Hintergründe und Allgemeines 1.1. Die Migrationsbewegung der Roma als eigentlicher Entstehungsfaktor Der Flamenco ist in Andalusien, der südlichsten Provinz Spaniens, entstanden. Er ist das Produkt vieler verschiedener Kulturen, die jahrhundertelang nacheinander ihre Spuren in Andalusien bzw. in Spanien hinterlassen haben (z.B. Griechen, Römer, Mauren). Der eigentliche Entstehungsfaktor jedoch ist das Auswandern einiger Romastämme aus Indien und deren Niederlassungen in Andalusien. Keine andere Kultur hat den Flamenco als Musikrichtung und als Lebensphilosophie so entscheidend geprägt wie die der aus ihrer ursprünglichen Heimat vertriebenen Zigeuner.

Das Abwandern dieser Romastämme erfolgte etwa im 9./10. Jahrhundert nach Christus. Die Mehrzahl von ihnen stammt wahrscheinlich aus der Provinz Punjab im Nordwesten Indiens. Es ist nicht klar erwiesen, ob sie der Kaste der „Unberührbaren“ („Parias“) oder aber der Kriegerkaste („Rajputs“) angehörten. Für die erste

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Möglichkeit spricht die These, daß die „klassischen“ Romaberufe im allgemeinen als unrein bezeichnet und somit als typisch für eine niedere Kaste eingestuft wurden (z.B. Tierhandel und Tierdressur, Handlesen, Akrobatik, Metallverarbeitung), worauf auch der Name vieler Romastämme zurückzuführen ist (z.B. „Kaldarra“ = Kupferschmied, „Ursari“ = Bärenführer, „Lovara“ = Pferdehändler). Für die zweite Vermutung spricht die Tatsache, daß ein allgemein verbreitetes „aristokratisches“ Bewußtsein bei den verschiedenen Romastämmen herrschte und daß sie sich nach ihrer Einwanderung in Europa mit Adelstiteln vorzustellen pflegten. Vielleicht war dies jedoch auch nur eine Überlebensstrategie der Roma, um das Vertrauen und eine gute Behandlung des europäischen Adels zu erlangen, dessen besonderen Schutz sie auch tatsächlich zunächst genossen. Darüber hinaus fungierten europäische Adelige oft als Taufpaten und Namensgeber der Roma (z.B. „Heredia“, „Reyes“).

Eigentlich hatten die umherziehenden Roma kein bestimmtes Ziel (wie etwa Andalusein), sondern ließen sich in ganz Europa nieder. Jedoch hat ihnen Andalusien wohl sehr zugesagt: es war stark orientalisch geprägt und hier fanden sie auch eine größere Toleranz seitens der Bevölkerung. Aber schon nach kurzer Zeit bekamen sie einen weithin schlechten Ruf; für die in Europa in Zünften organisierten Handwerker bedeuteten sie nur eine lästige Konkurrenz, die fremde Sitten und Tätigkeiten der Roma wie etwa das Wahrsagen, die Tierdressur und die Heilkunst paßten nicht in das europäische Weltverständnis und brachten sie sehr bald in den Ruf der Hexerei. Darüber hinaus haben sie auch wie viele andere Bevölkerungsgruppen in Notzeiten gestohlen, um zu überleben. Manch ein entlaufener Verbrecher oder umherirrender Leprakranker gab sich auch als Roma aus, was zur weiteren Verschlechterung ihres Rufes beitrug.

Daraufhin folgte bald eine in ganz Europa betriebene „Zigeunerpolitik“ (Verfolgung und Zwangsassimilierung der Roma). Im 16. Jahrhundert gab es sogar regelrechte Zigeunerghettos („Gitanerías“).

Dies alles und auch der sonstige Lebensinhalt der Roma prägte die Mentalität des Flamenco, durch den sie ihre Gefühle, ihr Leiden und ihren unbeugsamen Stolz, nämlich trotz dieses Elends doch noch in Würde zu leben, ausdrückten, den sie sangen und tanzten, um ihr Leide und ihre Not zu vergessen. Wesentlich zu dieser Entwicklung des Flamenco als Lebensphilosophie trug auch die damalige Bevölkerung Andalusiens bei. Dazu muß man sich über die Lebensumstände im derzeitigen Andalusiens klarwerden. 1.2. Die politische und wirtschaftliche Situation in Andalusien Andalusien war seit jeher schon die ärmste Provinz des ohnehin nicht sehr reichen Spaniens. Die Landschaft ist weitgehend karg, unfruchtbar und beinahe wüstenhaft. Die kurze Blütezeit unter der Herrschaft der Mauren war einer der wenigen Lichtblicke in der Geschichte Andalusiens und Südspaniens, die mit der Zurückeroberung Spaniens durch die Franken ein jähes Ende fand. Mit der Eroberung von Granada im Jahre 1492 als Abschluß der „Reconquista“ (Zurückeroberung) wurde die Grundlage eben dieser Blütezeit entzogen. Die christlichen „Reconquistadores“ rui-

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nierten in kürzester Zeit die Wirtschaft und das Finanzwesen, das sich jahrhundertelang in den Händen von Moslems und Juden befunden hatte. Weiterhin verarmten ganze Volksmassen, das Land wurde an den Meistbietenden verkauft, die neu eingeführte Latinfundienwirtschaft (sehr ausgedehnte Großgrundbesitzerschaft mit Landverpachtung) degradierte die ehemaligen Bauern zu rechtlosen Tagelöhnern. Danach kam es vor allem in Andalusien zu jahrhundertelangem Zusammenleben von Minderheiten, nämlich den Roma, den Juden und den „Moriscos“ (zurückgebliebenen Mauren), denen man allen das Recht auf eine eigene Kultur absprach. Auch verbreitete die Herrschaft der katholischen Könige ein Klima von Angst und Unsicherheit in der Bevölkerung, da Ausweisungen, Zwangsbekehrungen und Razzien an der Tagesordnung waren. Die jeweiligen Herrscher brachten vor allem Unruhen, neue Gesetze und neue Kulte. Und überhaupt gab es kein Land in Europa, in dem so oft ein gewaltsamer Herrscherwechsel und eine derart intensive Durchdringung verschiedener Kulturen stattfand wie in Andalusien. In der Folgezeit wurde Südspanien, insbesondere Andalusien von vielen Hungersnöten, Seuchen, Aufständen und Kriegen heimgesucht.

Da sich die Roma und die Bevölkerung Andalusiens sozial kaum unterschieden, identifizierten sie sich miteinander. In einer „Koalition“ entstand über die Jahrhunderte hinweg der Flamenco. Eine weitere Eigenschaft, die die „Payos“ (ursprüngliche Bevölkerung Andalusiens) mit den „Gitanos beticos“ (dortige Roma) gemeinsam hatten, war die ungetrübte Lebensfreude, welche sich vor allem durch die überaus zahlreichen Jahrmärkte und (kirchlichen) Feste ausdrückte. Auch teilten sie ihre Leidenschaft für den Stierkampf miteinander, weil dieser ihrer Gefühlswelt entsprach und mit dem Flamenco die gleichen spirituellen Gemeinsamkeiten hatte: das Leben mit all seinen Spannungen, Freuden, Leiden, Schmerzen, Herausforderungen und Schwierigkeiten, das Überleben, der allgegenwärtige Tod und die Wiedergeburt. Die Payos fühlen sich als Mitbegründer des Flamenco. 1.3. Die verschiedenen musikalischen und kulturellen Einflüsse im Flamenco Der Flamenco ist nur ein Teil der andalusischen Volksmusik, die eine Vielzahl unterschiedlicher Stile aufweist. Gesicherte musikalische Elemente, die die Roma bei ihrer Einwanderung in Andalusien vorfanden und aus denen sich vom 8. bis zum

15. Jahrhundert die andalusische Musikkultur und unter anderem auch der Flamenco entwickelte, sind

- altindische Notensysteme, die auf dem Umweg über Persien durch den Sänger und Dichter Zyriab nach Spanien gekommen waren, wo dieser unter der Herrschaft Abderrahams des Zweiten Gesangsschulen unterhielt

- maurische Gesänge und Tänze, deren Einfluß bis ins 17. Jahrhundert reichte, besonders im Westen Andalusiens

- jüdische Synagogenlieder, vom 9. bis zum 15. Jahrhundert

- mozarabische Volkslieder, zu denen als wichtigste die „Jarchyas“ und die „Zamras“ gehörten (Mozaraber = die unter arabischer Herrschaft stehenden spanischen Christen, die arabische Kultur und Sprache angenommen hatten)

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Die Roma sind entweder von Norden her über den Balkan nach Spanien eingewandert, oder aber über die Straße von Gibraltar von Nordafrika, wo ihr Durchziehen jedoch nirgends dokumentiert wurde. Dies liegt vielleicht daran, daß sie sich von den dort lebenden Nomadenvölkern weder durch ihre Lebensweise noch durch ihr Aussehen besonders unterschieden.

Das Wort „Flamenco“ kommt vielleicht aus dem Arabischen: „felag-mengu“ (wandernder Bauer), „felaicum“ oder „felahmen“ (Bauer) oder „felagenkum“ bzw. „flamencou“ (maurische Gesänge der Alpujarra). Im Marrokanischen gibt es das Wort „fellah-manga“ (Gesang der Feldarbeiter), gleiche Bedeutungen haben die arabischen Vokabelne „felahikum“ und „fela-enkum“. „Flamenco“ bedeutete ursprünglich „Flame“ oder „flämisch“. Die etymologische Herkunft und die Bedeutung sind in diesem Falle ungeklärt. Als Adjektiv bedeutet „flamenco“ soviel wie „prahlerisch“, „forsch“, bezeichnet auch eine stolze, selbstbewußte Lebenshaltung, wie sie auch kühne Stierkämpfer haben. 1.4. Der Flamenco als Lebensgefühl und als ästhetische Kunstform Untrennbar mit dem Flamenco verbunden ist das für ihn typische tragisch-anarchistische Lebensgefühl. Andalusien ist auch die Wiege des unpolitischen Anarchismus. Die Geschichte des Flamenco ist stets ein Kampf gegen die Bourgeouisie, gegen die Obrigkeit gewesen. Wie auch andere Musikarten versucht der Flamenco eine Botschaft zu übermitteln, nämlich die der Freiheit und Unabhängigkeit. Diese Botschaft drückt sich vor allem im Tanzen des Flamenco aus. Während dieses Tanzes erlebt man eine feierliche Stimmung und geht in ihm auf. Er wirkt wie eine Meditation. Danach ist der Tänzer ruhig und ausgeglichen. Eine eigentümliche Methode, den Streß des Alltags abzubauen und ihm für kurze Zeit zu entgehen, ist die „Verwandlung“: wenn man nach der Arbeit erschöpft nach Hause kommt, zieht man sich Tanzkleidung an und tanzt sich frei. Als rezeptpflichtige Therapie ist so etwas jedoch nicht empfehlenswert, da es dadurch zu einer Kommerzialisierung des Flamenco käme und er sein Mysterium und seine Intimität verlöre. Feuer-Leidenschaft-Sinnlichkeit. Flamenco ist eine Kunst, die aus zwei Quellen gespeist wird: aus der Freude und aus der Traurigkeit. Im idealen Fall ist Flamenco ein spirituelles Ereignis. Wenn der Funke überspringt, wenn das Publikum sich in den Zauberkreis des Künstlers begibt, wenn es beginnt den Tanzenden mit Rufen anzufeuern, dann ereignet sich das spezielle Flamenco-Wunder: „Duende“ (Dämon, Teufel) heißt das Wort der Verzauberung, das auf alten Zigeunerglauben zurückgeht und das die Inspiration beschreibt, die den Künstler während der Darbietung überkommt, den Funken, der dann das Publikum in Brand setzt. „Der Weg, der vom tiefen Leid zur schrecklichen Lust, zur Befreiung durch Ekstase führt, ist der Weg, den der Zuschauer gehen muß, will er den Flamenco begreifen und vielleicht auch - eines Tages - erleben. Zur rechten Zeit am rechten Ort. Duende ...“ Flamenco hat weniger den tosenden Applaus zum Ziel als die direkte Kommunikation mit dem Publikum, in dem sich ein jeder auf andere Weise angesprochen fühlt. Im Vordergrund stehen dabei persönliche Erfahrungen und Empfindungen der Sänger. Flamenco ist eng mit der Geschicht und dem Leben der „Gitanos“, der spanischen Zigeuner und deren weitverzweigten Wurzeln verbunden und nur der „Flamenco Puro“, der authentische Flamenco, vermag dieses Lebensgefühl wie-

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Die Geschichte des Flamenco
Université
University of Hamburg
Note
0
Auteur
Année
1998
Pages
16
N° de catalogue
V185929
ISBN (ebook)
9783656990055
ISBN (Livre)
9783656991359
Taille d'un fichier
589 KB
Langue
allemand
Mots clés
geschichte, flamenco
Citation du texte
Magister Markus Mross (Auteur), 1998, Die Geschichte des Flamenco, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185929

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