Förderung von hypoaktiven Kindern in der Grundschule - Möglichkeiten einer kontinuierlichen Entwicklung in Zusammenarbeit von schulischer und außerschulischer Betreuung


Proyecto/Trabajo fin de carrera, 2004

75 Páginas, Calificación: 1.3


Extracto


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1 Einleitung

Schulische Leistungsdefizite resultieren bei vielen Kindern aus der Unfähigkeit, dem Unterrichtsgeschehen aufmerksam folgen zu können. Nicht wahrgenommene Unterrichtsinhalte führen zu Informationslücken, was starke Probleme bei der Bewältigung des Schulalltags nach sich ziehen kann. Eine mögliche Ursache ist dabei das so genannte „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom“ (kurz: ADS), was keinesfalls nur als medizinisches Problem verstanden werden sollte.

Möglichkeiten der Förderung dieser Kinder und ein theoretischer Hintergrund sollen Hauptgegenstand dieser Arbeit sein. Die Aspekte der außerschulischen Arbeit als Alternative und der zusätzlichen Unterstützung der Eltern wird untersucht und am Beispiel eines Nachhilfeinstitutes exemplarisch erläutert. Durch die langjährige Arbeit mit Kindern in einer Nachhilfeschule sollen Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Förderung aufgezeigt und beschrieben werden.

Fokussiert wird dabei das ADS ohne Hyperaktivität. Neben dem hyperkinetischen Syndrom nimmt ADS ohne Hyperaktivität als Variante des Aufmerksamkeitsdefizits eine untergeordnete Rolle ein, was mit dem Erscheinungsbild dieser Störung zusammenhängen dürfte. Solche Kinder wirken nach Elisabeth Aust-Claus und Petra-Marina Hammer im Unterrichtsgeschehen eher unauffällig, ruhig und angepasst (vgl. Aust-Claus und Hammer 2001, S. 17). Uta Reimann-Höhn weist in diesem Zusammenhang auf eine Studie hin, die Mitte der neunziger Jahre in den USA durchgeführt wurde (vgl. Reimann-Höhn 2003, S. 10). Hieraus ergab sich ein doppelt so hohes Vorkommen des Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms ohne Hyperaktivität im Gegensatz zu der Variante des hyperkinetischen Syndroms. Nach Dieter Krowatschek sind Mädchen statistisch stärker betroffen. Betroffene Schüler benötigen auch im außerschulischen Bereich eine besondere Zuwendung, beispielsweise beim Verfassen ihrer Hausaufgaben (vgl. Krowatschek in: Lernchancen 30/2002). Das Wesen solcher hypoaktiven Kinder wird aus eigener Erfahrung als angenehm empfunden und somit zeigen sich erst bei genauerer Beobachtung die Schwierigkeiten und Komplikationen, mit denen verträumte und passive Kinder konfrontiert sind. Deren Eltern zeigen sich in Gesprächen oftmals hilflos und folgen dem Rat vieler Kinderärzte, diesem Problem medikamentös entgegen zu wirken. Stimulanzien sollen den ADS-Kindern dabei helfen, ihre Aufmerksamkeit auf den schulischen Unterricht besser fokussieren zu können. Doch berichteten viele Eltern von Nebenwirkungen wie Einschlafschwierigkeiten oder einer

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2 Theoretische Einordnung

Die Aufmerksamkeitsstörungen der hypoaktiven und hyperaktiven Kinder sind in einigen Punkten kompatibel und treten verstärkt bei so genannten fremd bestimmten Tätigkeiten, in denen eine längere Aufmerksamkeitsspanne vorausgesetzt wird, etwa bei Hausaufgaben oder im Schulunterricht auf (vgl. Manfred Döpfner in: Franz Petermann 2000, S. 152). Bei dem hyperkinetischen Syndrom können noch Hyperaktivität bzw. Impulsivität dem Erscheinungsbild beitreten, was den oftmals schwer steuerbaren Bewegungsdrang dieser Kinder begründet. Döpfner nennt Varianten komorbider Störungen, welche verstärkt bei aufmerksamkeitsgestörten Kindern auftreten.

Abbildung 1: Häufige komorbide Störungen

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Quelle: Döpfner in: Petermann 2000, S. 153

Viele dieser zusätzlichen Störungen resultieren aus dem ADS 2 . So sei die Frustrationstoleranz bei ihnen sehr gering und bereits kleinste Irritationen könnten impulsive Verhaltensmuster wie Wutausbrüche zur Folge haben (ebd.). Nach Henryk Holowenko haben zwischen 20 und 40 Prozent der Kinder mit einer Aufmerksamkeitsstörung zusätzlich mit mindestens einer weiteren Lernart in der Schule Schwierigkeiten (vgl. Holowenko 1999, S. 23). Diese Kombination dürfte die Bewältigung der Aufgaben für die betroffenen Kinder erschweren und die Interaktion zwischen ihnen, den Eltern, den Lehrern und Freunden auf eine Bewährungsprobe stellen. So unterschiedlich das äußere Erscheinungsbild beider Störungen ist, die Hauptproblematik ist in beiden Fällen die Konzentrationsschwäche. „Ihre Unfähigkeit, aufmerksam zu sein, wird nicht selten als schlechter Wille oder Desinteressiertheit

2 Nach Döpfner sind oppositionelle Verhaltensstörungen bei hyperaktiven Kindern am häufigsten. An zweiter Stelle stehen dabei die für hypoaktive Kinder relevanten emotionalen Störungen, wie meist Ängste oder Depressionen (vgl. Döpfner 2000 in: Petermann 2000, S. 153 ff.).

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gebrandmarkt.“ (Alexandra Ortner und Reinhold Ortner 1991, S. 204). Um Pauschalisierungen dieser Art präventiv entgegenzuwirken, sind Verständnis seitens der Lehrkörper und Eltern in diesem Zusammenhang unabdingbar, sowie eine Erkenntnis und Analyse der vorliegenden Aufmerksamkeitsstörung und resultierende interventive Maßnahmen.

2.1 Besonderheiten der Aufmerksamkeitsstörungen

Hypoaktive Kinder wirken nach Cordula Neuhaus vom Wesen her „fröhlich, charmant und unbeschwert“ und zeigen selten auffällige Verhaltensweisen, so es sich dabei nicht um einen Mischtyp mit Impulsivität handelt (vgl. Neuhaus 1999, S. 33). Etwaige Wutausbrüche als Reaktion auf Frustration zeigen sich bei ihnen als beleidigtes Verhalten, was nach außen hin wesentlich ruhiger wirken dürfte. ADS ohne Hyperaktivität wird wegen der beschriebenen Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften selten diagnostiziert. Dies kann ungeahnte Auswirkungen auf die Schullaufbahn des Kindes haben (vgl. Reimann-Höhn 2002, S. 10 ff.). Unaufmerksamkeit und offensichtliche Konzentrationsstörungen haben nichts mit einer etwaigen Unintelligenz zu tun - das vorhandene Intelligenzpotenzial kann vielmehr nicht ausgeschöpft und gezeigt werden (ebd.). Spezielle Förderung und Zuwendung sind wichtig, um diese Kinder nicht auf Grund ihrer Verträumtheit und mangelnden Aufmerksamkeit mit ihren Problemen alleine zu lassen.

Helga Simchen führt in diesem Zusammenhang die positiven Eigenschaften von Kindern mit dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom auf, die eine durchaus vorhandene Intelligenz kombiniert mit weiteren Fertigkeiten demonstrieren (vgl. Simchen 2003, S. 50 f.). So sind diese Kinder sehr kreativ und fantasievoll. Sowohl Simchen als auch Born nennen als starkes Interessengebiet Medien wie den Computer oder das Fernsehgerät, welche sich bei aufmerksamkeitsgestörten Kindern einer großen Beliebtheit erfreuen (vgl. Armin Born und Claudia Oehler 2003, S. 56). Das eigene physische Bedürfnis nach einer hohen Reizstimulation wird auf diesem Wege erreicht und so gestalten sich diese Medien als sehr attraktiv für die Kinder.

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Das oft von Eltern gewünschte „liebevolle partnerschaftliches Miteinander“ der Kinder sollte vom Anspruch und den eigenen Erwartungen als „friedliche Koexistenz im Aufbau“ gesehen werden (ebd.). Der Erwartungsdruck minimiert sich dadurch und lässt mögliche Komplikationen im Sozialisationsprozess der Kinder als tolerierbar erscheinen.

2.1.1 Mögliche externe und interne Konflikte der ADS-Kinder

Gerade während konzentrierter Arbeitsphasen in der Schule oder zu Hause scheinen hypoaktive Kinder in einen Teufelskreis zu geraten, in dem sie durch eigene Aufmerksamkeitsmängel und der daraus resultierenden Kritik von extern unter Druck geraten. Rosemarie Farnkopf beschreibt dieses Phänomen als „Widerspruch zwischen Erwartung und Wirklichkeit“ (vgl. Farnkopf 2002, S. 48). Anstrengungen und Bemühungen des betroffenen Kindes reichen nicht aus, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen. ADS-Kindern, die eher perfektionistisch und anspruchsvoll agieren, gelingt es nicht sich über einen längeren Zeitraum ihrer Arbeit zu widmen (ebd.). Born und Oehler differenzieren den sich aufbauenden Teufelskreis in drei weitere Subklassen, die vom sozialen Umfeld des hypoaktiven Kindes in seinem Alltag abhängig sind (vgl. Born und Oehler 2003, S. 45 ff.). Dabei zielt der „soziale Teufelskreis“ primär auf die soziale Umwelt der Kinder sowie auf die Interaktion mit den Eltern und Lehrern. Born und Oehler weisen in diesem Zusammenhang auf den Erwartungsdruck hin, mit dem ein Kind im Schulalltag konfrontiert wird. Erfüllt es die Erwartungen nicht, so können Reaktionen der Eltern das Kind weiter beeinflussen. Kritik und Enttäuschungen seitens der Eltern und Lehrer können destruktiv auf das Kompensationsverhalten des Kindes wirken. Dabei wird von den Autoren das Beispiel eines hyperaktiven Jungen und eines hypoaktiven Mädchens angeführt (ebd.). Misserfolg und Unzufriedenheit kompensieren beide Kinder sehr differenziert. Aggressives und oppositionelles Verhalten seitens des ADS mit Hyperaktivität stehen im Kontrast zu innerer Verzweiflung und Depression des ADS ohne Hyperaktivität 4 . Dieses scheinbar ruhigere

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4 Reimann-Höhn bezeichnet solche Verhaltensmuster als „Hilferuf“. Angst vor den Reaktionen der Klassenkameraden im Unterricht reihen sich in den „inneren Rückzug“ ein und stehen im Gegensatz zu dem eher oppositionellen Verhalten der ADS mit Hyperaktivität (vgl. Reimann-Höhn 2002, S. 41).

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des möglichen Lernprozesses und Lernzuwachses. „Wenn ein Schüler nicht mehr herausgefordert wird, wird er auch nichts mehr leisten.“ (Krowatschek in: Lernchancen 30/2002). So sind die Lernmöglichkeiten und das Interesse bei hypoaktiven Kindern zwar vorhanden, die praktische Umsetzung ist jedoch schwieriger zu handhaben. Ohne externe Hilfe überließe man die Kinder ihrem Schicksal.

Born und Oehler schließen ihr Teufelskreismodell mit der Verstärkung durch das „System Schule“ im „pädagogischen Teufelskreis“ (vgl. Born und Oehler 2003, S. 47 f.). Bemühungen seitens der Lehrer fruchten nicht alle Male und die gewählte Methodik im Unterricht ist nicht selten auch die falsche. Bei nicht vorhandener Aufdeckung eines ADS, was sich durch das ruhige Auftreten der hypoaktive Kindern äußerst diffizil gestalten kann, werden diese Kinder oftmals zu spät richtig gefördert und befinden sich bereits in einer möglichen resignativen Einstellung, die eigene Anstrengungen fast unmöglich macht. Problematisch ist im Schulsystem dabei der Maßstab der Leistungsmessung. Noten bewerten die Kinder und lösen im schulischen Umfeld im negativen Fall die im „sozialen Teufelskreis“ erwähnten Reaktionen aus. Die Autoren kritisieren dabei neben dem enttäuschten oder verärgerten Verhalten eine mögliche Schonung seitens der Eltern (ebd.). Dringend notwendiges Üben wird aus Sorge vor Überanstrengung nicht praktiziert und wirkt kontraproduktiv auf eine notwendige Förderung des Kindes.

Die Hilfe für das Kind sollte dabei in Anlehnung an das in der Einleitung erwähnte „Optimindkonzept“ erfolgen. Ein Zusammenwirken von Eltern, Lehrern und u. U. auch Therapeuten oder Ärzten ist dabei unabdingbar und schafft eine vertrauensvolle Basis zwischen ihnen (ebd.).

2.2 Entdeckung der eigenen Selbstwirksamkeit

Zimbardo et al. verweisen auf die Untersuchungen Fontaines et al. von 1974, nach denen misserfolgsorientierte Menschen bei der Wahl der Aufgabenschwierigkeit leichtere Niveaus wählen, die mit den eigenen geringen Kompetenzen lösbar sind (vgl. Zimbardo et al. 1995, S. 439). Schulkinder haben in diesem Zusammenhang wenige Möglichkeiten einfachere Aufgaben zu wählen und dürften weiter entmutigt sein.

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Das Optimindkonzept könnte eine solche Ausweglosigkeit unterbinden, setzt jedoch ein Bemühen um Intervention zur Hilfe voraus. ADS tritt nach Meinung von Aust-Claus und Hammer nicht alleine auf, sondern ist meist kombiniert mit den dargestellten innerpsychischen und verhaltens- und lernbezogenen Schwierigkeiten des Kindes (vgl. Aust-Claus und Hammer in: www.optimind.de). Training des Kindes ist hierbei wichtig und zielt auf Kooperation der sozialen Umwelt des aufmerksamkeitsgestörten Kindes.

Final del extracto de 75 páginas

Detalles

Título
Förderung von hypoaktiven Kindern in der Grundschule - Möglichkeiten einer kontinuierlichen Entwicklung in Zusammenarbeit von schulischer und außerschulischer Betreuung
Universidad
University of Potsdam
Calificación
1.3
Autor
Año
2004
Páginas
75
No. de catálogo
V186015
ISBN (Ebook)
9783869439716
ISBN (Libro)
9783867468008
Tamaño de fichero
3324 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
förderung, kindern in, grundschule, möglichkeiten, entwicklung, zusammenarbeit, betreuung
Citar trabajo
Lars Antoch (Autor), 2004, Förderung von hypoaktiven Kindern in der Grundschule - Möglichkeiten einer kontinuierlichen Entwicklung in Zusammenarbeit von schulischer und außerschulischer Betreuung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186015

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