Perspektiven für eine nachhaltige Stadtentwicklung in Zentralasien

Anspruch und Wirklichkeit am Beispiel einer exemplarischen Anwendung auf Almaty, Kasachstan


Diplomarbeit, 2006

127 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Darstellungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abstract

1. Einleitung
1.1. Themenwahl
1.2. Thesen, Fragestellungen und Zielsetzungen
1.3. Risiken und Potenziale
1.4. Methodischer Ansatz

2. Nachhaltige Stadtentwicklung
2.1. Begriffliche Annäherung: Nachhaltigkeit und Entwicklung
2.2. Ursprung des Begriffs der Nachhaltigkeit
2.3. Der Grundgedanke der nachhaltigen Entwicklung
2.4. Nachhaltige Entwicklung (Brundtland-Bericht)
2.5. Kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff in Bezug auf das Verständnis von nachhaltiger Entwicklung
2.6. Beziehung zwischen den drei Zieldimensionen Nachhaltigkeitsdreieck vs. Nachhaltigkeits- Ei
2.7. Konzepte von Nachhaltigkeit: Ressourcenbasierte Ansätze
2.8. Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit
2.9. Der institutionelle Ansatz
2.10. Nachhaltige Stadtentwicklung

3. Der Indikatorenansatz
3.1. Indikatoren und Agenda
3.2. Nachhaltigkeitsindikatoren
3.3. Der Indikatorenkatalog der CSD Gegenwärtiger Trend
3.4. Methodische Vorgehensweise
3.5. Tabelle der Ergebnisindikatoren für Almaty
3.6. Ausführung zur Auswahl der Themen und Indikatoren
3.6.1. Soziale Dimension
3.6.2. Ökonomische Dimension
3.6.3. Ökologische Dimension
3.6.4. Institutionelle Dimension

4. Annäherung
4.1. Herausforderungen in Asien
4.2. Kernprobleme der Region
4.3. Subregionale Besonderheiten

5. Kasachstan
5.1. Geographie
5.2. Politik
5.3. Administrativer Aufbau
5.4. Wirtschaft

6. Anwendung der Nachhaltigkeitsindikatoren auf Almaty Vorgehensweise
6.1. Einführung
6.2. Topographische Lage Generelle Stadtinformationen
6.3. Die Soziale Dimension Vorbemerkung
6.3.1. Armutsbekämpfung
6.3.2. Bevölkerungsdynamik und nachhaltige Entwicklung
6.3.3. Förderung einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung
6.4. Die Ökonomische Dimension
6.4.1. Allgemeine ökonomische Entwicklung
6.4.2. Veränderung der Konsummuster
6.4.3. Transfer umweltfreundlicher Technologien, Kooperationen und Kapazitätenaufbau
6.5. Die Ökologische Dimension Vorbemerkung
6.5.1. Schutz der Qualität der Süßwasserressourcen
6.5.2. Integrierter Ansatz für die Planung und Bewirtschaftung der Bodenreserven
6.5.3. Bekämpfung der Entwaldung
6.5.4. Schadstoffbelastung der Luft
6.5.5. Umweltverträglicher Umgang mit Abfällen, gefährliche Abfälle und radioaktiven Abfällen
6.5.6. Förderung einer nachhaltigen, umweltverträglichen Verkehrsentwicklung
6.5.7. Umweltrisiken
6.6. Die Institutionelle Dimension Vorbemerkung
6.6.1. Integration von Umwelt- und Entwicklungsfragen bei der Entscheidungsfindung
6.6.2. Wissenschaft im Dienst einer nachhaltigen Entwicklung
6.6.3. Förderung der Schulbildung, des öffentlichen Bewusstseins und der beruflichen Aus- und Fortbildung
6.6.4. Informationen für die Entscheidungsfindung
6.6.5. Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen

7. Ergebnisbewertung
7.1. Bezug zur Fragestellung
7.2. Plausibilitätserzeugung
7.3. Auswertung der Indikatorenpakete
7.4. Problemkatalog
7.4.1. Soziale Dimension
7.4.2. Ökonomische Dimension
7.4.3. Ökologische Dimension
7.4.4. Institutionelle Dimension
7.5. Formulierung möglicher Handlungsansätze und Maßnahmen
7.6. Zusammenfassung
7.7. Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

Vorwort

Diese Diplomarbeit befasst sich mit Perspektiven für eine nachhaltige Stadtentwicklung anhand eines speziellen Fallbeispieles in Zentralasien. Es wird ein Einblick in die universell interpretierte Definition von nachhaltiger Entwicklung gegeben. Des Weiteren wird ein Instrument erläutert, mit dem der Zustand einer Stadt auf Nachhaltigkeit hin gemessen werden kann. Dadurch werden brisante Probleme in der Stadtentwicklung herausgestellt.

Diese Arbeit soll einen der ersten wichtigen Schritte unternehmen, um den ver- schiedenen Interessenverbänden vor Ort einen Überblick über die gravierenden städtebaulichen Problemlagen zu geben. Sie soll informieren und Anlass zur Diskussion geben. Wünschenswert wäre, wenn diese Arbeit ein Impulsgeber sein könnte, dem eine Evaluation folgen könnte. Sicher wäre eine Anwendung auf andere Städte Zentralasiens oder der GUS interessant, da gerade die heutige Generation von Planern und Planerinnen vor neuen einzigartigen Herausforderungen stehen. Zum einen lebt diese Generation in einer neoliberalen Welt, die sich an globalem Handel, ökonomischem Wachstum und ressourcenverschlingenden Technologien orientiert. Klimaveränderungen treten vermehrt auf und werden nur wahrgenommen ohne ernsthafte Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Oftmals, wie im Beispielsfall China, wird nur zu oft Umweltschutz vernachlässigt und mehr auf wirtschaftliches Wachstum Wert gelegt. Wohin diese Entwicklung führen wird, bleibt abzuwarten. Eine nachhaltige Entwicklung ist damit ein Schritt in eine umweltbewusste Zukunft. Sie bildet in diesem Kontext einen Ansatz und ist eine machbare Handlungsalternative, um den kommenden Generationen einen qualitativ hochwertigen Lebensraum bieten bzw. erhalten zu können.

Der Autor dankt insbesondere den Organisationen und Personen, die ihm Unterlagen und Fachliteratur vor Ort zur Verfügung gestellt haben, und ist gern bereit, die Auswahl der Fallbeispiele auf weitere Städte auszudehnen und kritischen Hinweisen nachzugehen. Des Weiteren gilt besonderer Dank Karola Holthöfer- Trotz für ihre Ausdauer und zahlreichen Korrekturarbeiten.

Berlin, 13. Oktober 2006 Gregor H. Mews

Darstellungsverzeichnis

Grafik 1: Methodik

Grafik 2: Dreieck der Nachhaltigkeit

Grafik 3: Nachhaltigkeits- Ei

Grafik 4: Modellrahmen

Grafik 5: Schrittweiser Entscheidungsprozess

Grafik 6: Auswahlprozess für die Themen und Indikatoren

Grafik 7: Kasachstan auf der Weltkarte

Grafik 8: Kasachstan

Grafik 9: Die Bezirke und die topografische Lagen der Stadt

Grafik 10: Arbeitslosenquote nach Regionen

Grafik 11: Anteil der Bevölkerung mit einem Einkommen unterhalb des Subsistenzminimums

Grafik 12: Multidimensionale Verteilung der Armut in Kasachstan

Grafik 13: Durchschnittseinkommen nach Beschäftigungssektor 2001 bis

Grafik 14: Bevölkerungswachstum Almaty

Grafik 15: Siedlungsdichte

Grafik 16: Bevölkerungszahl im Vergleich vom 1. Januar 2005 zum 1. Juli

Grafik 17: Bevölkerungsdichte im Vergleich vom 1. Januar 2005 zum 1. Juli

Grafik 18: Flächenwachstum der Stadt Almaty

Grafik 19: Energieversorgung Almaty

Grafik 20: Wachstum der Im- und Exporte in Prozent

Grafik 21: Naturel Preserved Areas in the Almaty Region

Grafik 22: Die wichtigsten Gewässer in der Almaty Agglomeration

Grafik 23: Biochemische Wasserbelastung

Grafik 24: Mikrobiologische Wasserbelastung

Grafik 25: Luftverschmutzung Almaty

Grafik 26: Zustand der öffentlichen Freiflächen

Grafik 27: Zustand der öffentlichen Freiflächen

Grafik 28: Zustand der öffentlichen Freiflächen

Grafik 29: Parkanlagen

Grafik 30: Parkanlagen

Grafik 31: Parkanlagen

Grafik 32: Parkanlagen

Grafik 33: Parkanlagen

Grafik 34: Parkanlagen

Grafik 35: Müllhalde Almaty

Grafik 36: Müllhalde Almaty

Grafik 37: Müllhalde Almaty

Grafik 38: Motorisierungsgrade im Vergleich

Grafik 39: Seismische Gefahrenzonen

Grafik 40: Entwicklung der gehobenen Bildungseinrichtungen in Almaty

Grafik 41: Secondary Net Enrollment Rate

Grafik 42: Verfügbarkeit verschiedener Medien

Grafik 43: Anzahl der NGO’s nach Regionen in Kasachstan

Grafik 44: Aktivitäten von Studenten in Almaty

Grafik 45: Modell der rationellen Entscheidung

Tabelle 1: Schwache Nachhaltigkeit vs. Starke Nachhaltigkeit

Tabelle 2: Nachhaltigkeitsindikatoren deutscher Kommunen

Tabelle 3: Indikatorenansätze im Vergleich

Tabelle 4: Einzelindikatoren im CSD- Modell

Tabelle 5: Idealtypische Anforderungen an Indikatoren

Tabelle 6: Bestimmung der Armut und des Hungers

Tabelle 7: Zahlen zum Diagramm des Bevölkerungswachstums Almaty’s

Tabelle 8: Zahlenwerte zur Tabelle der Stadtentwicklung

Tabelle 9: Energieverbrauch

Tabelle 10: Handel Kasachstan

Tabelle 11: Angaben der prozentualen Überschreitung der Wasserqualitätsnorm

Tabelle 12: Verschmutzung

Tabelle 13: Schadstoffe

Tabelle 14: Schadstoffe II

Tabelle 15: Anzahl an Bildungseinrichtungen

Tabelle 16: Ausgaben für Bildung in Almaty

Tabelle 17: Kommunikationstechniken im Vergleich

Tabelle 18: Bewertungsmatrix

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abstract

The following work is subdivided into seven relevant chapters. Each of them is based on the previous one. First of all the paper starts with an introduction, which contains the aim, assumptions, thesis, questions concerning the topic, risks and potentials as well as the approach of the work.

In order to achieve a reasonable result it is nessesary to start with a definition about sustainability and sustainable development. Within that part themes like origin of the term, fundamental idea of sustainable development, different concepts, critical point of views, different dimensions of sustainable development, relationship between the dimensions and sustainable urban development are being reflected. Finally a definition of sustainable development has been created and is paving the way to achieve an adequate solution.

However, in the following part the indicator approach for measuring sustainable development is being discussed. After looking at the different techniques the chosen strategy is going to be explained. With the basic idea behind the indicator system of the Comission of Sustainable Development and a redefinition it is possible to analyse the situation of cities in Central Asia. Further more this chapter contains the theoretical framework for the next step.

Shortly after a brief introduction into the Central Asian Region and Kazakhstan the city of Almaty as the essential part of the work will be presented. By using the previous defined framework indicators are going to be emphasized. The structure is following different dimensions of sustainability.

Last but not least the result evaluation is looking at the indicator packages and is allocating the conclusions from the previous part into a special defined hierarchy. Through the distinguished results it is possible to underline the general thesis and assumtions. Further more it allows a critical review and possible actions in order to achieve a sustainable development.

1.1. Themenwahl

Kasachstan ist das neuntgrößte Land der Welt. Aufgrund seiner recht jungen Geschichte und seiner topographischen Lage ist es vielen gänzlich unbekannt. Ebenso sind seine Städtenamen außerhalb Zentralasiens wenig geläufig. Städte mit besonderem Ruf genießen Taschkent und Alma- Ata, heute Almaty. Dabei handelt es sich um die jeweils größten Städte der Region. Da Almaty, die größte Stadt Kasachstans, signifikanten Wohlstand erreicht, macht sich der wirtschaftliche Transformationsprozess dort besonders bemerkbar. Einer der Hauptgründe liegt in den Rohstoffressourcen des Landes. Sie machen sich direkt durch rege Bauarbeiten im Stadtbild und beginnende Segregation und soziale Polarisierung bemerkbar. Unter diesen Rahmenbedingungen stellt der urbane Wachstumsprozess mit seinen aktuellen Problemlagen neue Herausforderungen an die Stadtplanung.

Auf dieser Basis entstand eine Kooperation zwischen der Technischen Universität Berlin (TUB) und der Kasachischen Nationalen Technischen Universität (KazNTU) Mitte 2005. Dank dieser Kooperationsvereinbarung und des DAAD war es dem Verfasser möglich, in Almaty zu forschen. Neben der thematischen Auseinandersetzung mit Infrastrukturmaßnahmen, Agglomerationskonzepten und Tourismuskonzepten erfolgte eine stadtgeschichtliche Aufarbeitung. Bei der Bearbeitung dieser Themen fiel eine Vielzahl an Problemen auf, die eine adäquate Stadtplanung erschweren. Aufgrund der schlechten ökologischen Situation der Stadt wurde der Bedarf für Ansatzpunkte zur Problembehebung deutlich. Mit dieser Grundintention sollte ein Beitrag entstehen, welcher der Stadtplanung helfen und damit eine bessere Stadtentwicklung bewirken kann. Es sollte kein Action Plan entstehen, vielmehr ein Basisdatensatz, der einer breiten Fachöffentlichkeit dient, um die sichtbar gemachten städtebaulichen Probleme zu beheben.

1.2. Thesen, Fragestellung, Zielsetzung Leitthese

Almaty befindet sich inmitten eines Transformationsprozesses: weg von der zentral gesteuerten Planwirtschaft hin zur privaten liberalen Marktwirtschaft. Die bisherige Stadtentwicklung Almatys ist allerdings bezüglich der Nachhaltigkeit nicht auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereitet.

Es existieren Planwerke, die jedoch nur kurzfristige Lösungen favorisieren und meist wenige sektorale Planungen beinhalten. Oft sind sie unzureichend und gehen nur unzulänglich auf soziale Problemlagen ein. Es wird beispielsweise wenig Rücksicht auf Personen unterhalb der offiziellen Armutsgrenze genommen.

Formulierter Anspruch und Wirklichkeit decken sich in keiner Weise.

Fragestellung

In wie weit ist Almaty eine Stadt mit nachhaltigen Entwicklungsmöglichkeiten? Wie können Perspektiven in diesem Kontext mit Hilfe eines Indikatorenkatalogs offengelegt werden und zur Stadtentwicklung beitragen?

Wo gibt es Ansatzpunkte, um die gegenwärtige Situation positiv zu verändern bzw. in eine nachhaltige Entwicklungsrichtung zu lenken?

„Indikatoren“

Nach Erläuterung des Begriffs Einflussfaktoren lässt sich wie folgt vorgehen:

Abgeleitet aus dem Nachhaltigkeitsdreieck bewegt sich Planung immer im Rahmen sozialer, ökonomischer und ökologischer Gesichtspunkte. Dadurch lassen sich weitere Fragen nach politischen Einflüssen ableiten und hemmende oder fördernde Einflussfaktoren aufzeigen und analysieren.

„Nachhaltigkeit“

Dafür ist eine genaue Begriffsdefinition notwendig, die darüber hinaus kritisch zu hinterfragen ist. Das Nachhaltigkeitsdreieck ließe sich dabei auch darstellen.

„Stadtentwicklung“

Nach einer Definition ist der Begriff in Zusammenhang mit der Entwicklung in Schwellenländern zu setzen. Daraus ließen sich weitere Fragen in Bezug auf Almaty ableiten.

Zielsetzung

Die vorliegende Arbeit soll zunächst die aktuelle Situation im Bereich der Stadtplanung in Almaty analysieren, dabei aktuelle Problemlagen im Kontext der Nachhaltigkeit aufzeigen und anschließend durch das Hinzuziehen des Indikatorenkatalogs der Commission of Sustainable Development (CSD) Optionen der Problembehebung eröffnen. Dies geschieht auf der Basis der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Nachhaltigkeit, die zentraler Ausgangspunkt für Problemlösungen für Almaty darstellen soll. Dabei wird das Themenfeld der Messbarkeit von Nachhaltigkeit umrissen. Es werden Indikatoren herausgestellt, mit denen Almaty sich einordnen lassen kann. Dies ist in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung. Einerseits ist die Debatte um die Messbarkeit von Nachhaltigkeit brisant und aktuell, andererseits ist die Anwendung auf eine Stadt in einem Transformationsland Zentralasiens neu.

1.3. Risiken und Potentiale

Um das Thema entsprechend bearbeiten zu können, bedurfte es der Sichtung umfangreichen Datenmaterials. Darüber hinaus wurden Interviews mit internationalen Organisationen geführt und in Archiven recherchiert.

Trotz dieses Aufwandes konnten nur begrenzt Daten verfügbar gemacht werden. Grund dafür ist beispielsweise der mangelhafte Bestand an durchgeführten Untersuchungen vor Ort. Außerdem weist das Thema eine ungewohnte Komplexität auf, auch besteht die Gefahr von Missverständnissen bei Definition und Verständnis von Nachhaltigkeit.

Die inhaltliche Stärke der Arbeit liegt darin, dass man mit dieser Messtechnik andere Städte in Zentralasien auf nachhaltige Entwicklung prüfen kann. Dadurch ist es möglich, verschiedene aktuelle Probleme sichtbar zu machen und einen Gesamtüberblick über die Probleme zu geben. Aufgrund der exogenen Sichtweise auf die aktuelle Situation in stadtplanerischen Arbeitsfeldern kann eine optimale Objektivität gewahrt werden.

1.4. Methodischer Ansatz

Um klare und nachvollziehbare Rahmenbedingungen zu erzeugen, wurde eine Vorgehensweise gewählt, die eine schrittweise Annäherung an das Untersuchungsobjekt erlaubt. Dabei wurde je nach Komplexität auf die Themen eingegangen. Nachhaltigkeit ist ein umfassender Begriff, der durch seine spezifizierte Ausführung den Rahmen für weitere Schritte erzeugt. Die Indikatoren bilden das technische Werkzeug für die Untersuchung. Auf die Eigenheiten Zentralasiens wird Rücksicht genommen. Das Untersuchungsobjekt ist das Kernstück der vorliegenden Arbeit und daher entsprechend umfangreich. Mit der Ergebnisbewertung wird die Arbeit resümiert und stellt Möglichkeiten für zukünftige Problemlösungen in Almaty und Zentralasien dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 1: Aufbau (Quelle: Eigene Darstellung)

2. Nachhaltige Stadtentwicklung

Da der Begriff der Nachhaltigkeit in Abhängigkeit vom Entwicklungsstand eines Landes jeweils völlig unterschiedlich interpretiert wird und sich mit erreichten Erfolgen im ökologischen, ökonomischen und sozialen Bereich wandelt, soll im folgenden Kapitel in erster Linie auf den theoretischen Hintergrund zurückgegriffen werden. Darin wird neben der Diskussion über Nachhaltigkeit der Bezug zur Stadtplanung hergestellt. Außerdem wird die für diese Untersuchung notwendige Sichtweise der nachhaltigen Entwicklung verifiziert, sie bildet einen elementaren Grundstein in der Analyse Almaty’s.

2.1. Begriffliche Annäherung: Nachhaltigkeit und Entwicklung

Der Begriff der Nachhaltigkeit oder nachhaltigen Entwicklung ist heute mehr als nur ein Modewort. Mittlerweile ist diese Bezeichnung ein fester Bestandteil bei der Problembewältigung, nicht nur in der aktuellen Entwicklungs- und Ökologiepolitik. Als einer der Hauptimpulsgeber für die Relevanz und Popularität dieses Begriffs diente dafür der Brundtland-Bericht. Unter dem Titel „Our Common Future“ wurde er als Report der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1987 vorgestellt1. Darin wird das Konzept des „sustainable Development“2 aufgezeigt. Fünf Jahre darauf war es integraler Bestandteil der UN- Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro und wurde die Basis für die Agenda 213. Zur Kontrolle und Implementierung wurde in den Folgejahren die UN- Commission on Sustainable Development (CSD) gegründet4.

Gegenwärtig wird der Begriff in fast allen Fachdisziplinen der Wissenschaft verwendet. Aufgrund der vielseitigen Anwendbarkeit des Begriffs liegt der Verdacht nahe, dass es keine einheitliche Definition für nachhaltige Entwicklung gibt. Daher soll in den folgenden Abschnitten auf interdisziplinare Anwendungen eingegangen werden und eine für die vorliegende Analyse relevante Spezifizierung vorgenommen werden.

2.2. Ursprung des Begriffs der Nachhaltigkeit

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ kommt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und ist bereits seit dem Mittelalter geläufig. Schriftlich fixiert wurde der Begriff erstmals im Jahr 1713 in dem Buch „Sylvicultura Oeconomia - naturmäßige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht". Darin wird der Grundsatz einer nachhaltigen Forstwirtschaft definiert. Demnach darf nur soviel Holz eingeschlagen werden, wie durch Neuanpflanzung wieder nachwachsen würde. Neben dieser Definition liegen auch andere Interpretationen vor. Sie variieren mit der Referenzgröße, wie zum Beispiel Nahrungsgehalt oder Qualität der Bäume.5

2.3. Der Grundgedanke der nachhaltigen Entwicklung

Für den Begriff „nachhaltige Entwicklung“ liegt keine eindeutige und klare Definition vor. Aus diesem Grund muss sich im Folgenden mit dem Grundgedanken der nachhaltigen Entwicklung eingehender befasst werden.

Zum einen handelt es sich um einen normativen Begriff, der weder vorgegeben noch allgemein gültig ist. Nohlen definiert ihn wie folgt: „Vorstellung über die gewünschte Richtung gesellschaftlicher Veränderungen, Theorien über die Ursachen von Unterentwicklung, Aussagen über die sozialen Trägergruppen und Ablaufmuster sozioökonomischer Transformationen, Entscheidungen über das Instrumentarium ihrer Ingangsetzung und Aufrechterhaltung“6. Nuscheler hingegen versteht darunter, dass „alle Naturanlagen eines Geschöpfs bestimmt sind, sich einmal vollständig und zweckmäßig auszuentwickeln“7. Generell versteht Boccolari darunter „die Entfaltung („Auseinandersetzung“) eines Potentials“8 und bezieht sich dabei auf die Vertreter der Aufklärung Kant und Leibnitz9.

Diese vielen unterschiedlichen Sichtweisen machen deutlich, dass sich der Begriff nur schwer subsumieren lässt und eine einheitliche Definition schwer möglich ist. Neben politischen oder ökonomischen Differenzen (wie zum Beispiel marktwirtschaftlich- kapitalistisch vs. planwirtschaftlich- sozialistisch) kommen verschiedene Sichtweisen innerhalb bestehender Wissenschaftsdisziplinen hinzu. Darüber hinaus ist der Begriff nach Aussagen Nohlens einem historischen Wandel unterworfen. Boccolari weist darauf hin, dass Entwicklung dabei oftmals mit ökonomisch orientierter Industrialisierung und dem Wirtschaftswachstum gleichgesetzt wurde10. Nohlen hingegen weist auf den Bezug zur Entwicklungspolitik hin, die dem Begriff eine neue Dimension eröffnet habe; durch die gemachten Fehler in der Entwicklungspolitik sei entscheidend zur Weiterentwicklung der Definition beigetragen worden11.

Mehrheitlich verstand man zu Beginn der 1960er Jahre den Begriff als Synonym für Wachstum und mit dem Aufkommen von Modernisierungstheorien wurde der Begriff überwiegend eindimensional betrachtet. Durch diese Verlagerung kam es dazu, dass mehr und mehr soziale Komponenten berücksichtigt wurden und schließlich die Begriffe Wachstum, Wandel und Unabhängigkeit die wesentlichen Elemente des Entwicklungsbegriffs waren; man versuchte, die damals bestehenden Entwicklungstheorien12 zu verknüpfen. Nohlen und Nuscheler stellten dabei ein magisches Fünfeck des Entwicklungsbegriffs heraus, wonach Aspekte wie Arbeit/ Beschäftigung, wirtschaftliches Wachstum, soziale Gerechtigkeit/ Strukturwandel, Partizipation sowie politisches und wirtschaftliches unabhängiges Wachstum integriert wurden und die Entwicklungsziele symbolisieren13.

2.4. Nachhaltige Entwicklung (Brundtland-Bericht)

Der folgende Abschnitt befasst sich eingehender mit dem Begriff des „sustainable developments“, da, wie bereits angesprochen, nur eine ungenaue Bestimmung der nachhaltigen Entwicklung vorliegt und im Kontext der Analyse Almaty’s nach einer Betrachtungsweise mit entwicklungspolitischem Hintergrund verlangt. Seit der Formulierung der Ziele durch die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung standen umwelt- und entwicklungspolitische Problemstellungen14 im Mittelpunkt; auf ihren Grundlagen fußt das Konzept des „sustainable developments“. Die ursprüngliche Definition des Begriffs stammt aus dem Brundtland-Bericht und meint, dass Nachhaltigkeit „den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren eignen Lebensstil zu wählen“15. Der Begriff „Sustainable“ stammt aus dem ökologischen Diskurs der Entwicklungsdiskussion und induziert, dass sich Entwicklung unweigerlich mit ökologischen Aspekten auseinandersetzen muss und dabei nicht nur innergesellschaftliche Kategorien geltend gemacht werden können16. Das gesamte Konzept sollte, so Hauff, als Strategie für eine globale Entwicklung insbesondere auch für Industrieländer Gültigkeit besitzen17. In der Definition werden zwei integrale Aspekte verifiziert: Einerseits wird von der Befriedigung der Bedürfnisse der jetzigen Generation gesprochen und anderseits von der Befriedigung der künftigen Generationen. Dabei wird der einheitliche Grundgedanke der intergenerativen Maßnahmen deutlich18. Boccolari spricht in diesem Kontext von einem intergenerativen Verteilungsaspekt und setzt diesen in Bezug zu ökologischen Rahmenbedingungen, wobei eindeutig die Selbstbeschränkung im Kontext der Naturnutzung hervorgehoben wird. Daneben zielt er auf das oligarchische19 Verhältnis im Lebensstil ab, das sich beispielsweise durch den Gini- Koeffizienten20 darstellen lässt.

Boccolari übt Kritik an den wachstumszentrierten21, ressourcenverschlingenden bzw. - vernichtenden Entwicklungsstrategien der Industrieländer. Hier knüpft er eine Verbindung mit der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung und mit einer anthropozentrischen Perspektive, auf den Eigenwert der Natur inklusive des Nutzens für die Menschheit. Erstmals wird der Nutzen genau beziffert.22

Als Lösung wird in dem Bericht schnelles quantitatives Wirtschaftswachstum in den Entwicklungs- und Industrieländern gefordert. Kritiker setzten dem die Nichtbeachtung der ökologischen Folgeschäden entgegen23. Darüber hinaus ist die strategische Herangehensweise mit der Grundbedürfnisbefriedigung in Verbindung mit hohen energieintensiven Verbrauchstandards ökologisch wenig tragbar und wie Nohlen es beschreibt, kontraproduktiv24.

Darüber hinaus wird oft vergessen, dass Bevölkerungswachstum in Entwicklungsländern und ökologischer Raubbau keine Ursache, sondern eine Folge der Armut und des materiellen Elends ist.

Wirtschaftswachstum ist für Entwicklungsländer unvermeidlich, sollte sich aber an ökologisch nachhaltigen Kategorien orientieren, wobei die Industrieländer eine Vorreiterrolle spielen müssen25.

Kritiker stellen hingegen diese Wachstumsorientierung des industriellen Zivilisationsmodells gänzlich in Frage und zielen auf eine Veränderung der westlichen Lebensweise ab (Suffizienzrevolution)26.

Ab den 1990er Jahren wurde der Versuch unternommen, dieses Konzept für Disziplinen wie Wirtschafts-, Sozial- und Handelspolitik, Raumordnung und Stadtentwicklung, Landwirtschaft, Energieversorgung, Frauen-, Familien- und Bildungspolitik zu operationalisieren. Hinzu kommt der Versuch einer Bilanzierung der Nachhaltigkeit von bis dato formulierten Maßnahmenpaketen, wie etwa beim Klimaschutz, Bestand und Zustand der Wälder, des Grund und Bodens, der Gewässer und der Meere sowie der Luft. Verschiedene transnationale Organisationen wie Weltbank, FAO, IWF, UNDP und UNEP folgten nach und nach dem Konzept der Agenda 21. Lokale NGOs fingen an, in Allianzen gegen die globalen Probleme nachhaltige Konzepte zu entwickeln.

2.5. Kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff in Bezug auf das Verständnis von nachhaltiger Entwicklung

Wenn man sich näher mit den verschiedenen Begriffsdefinitionen auseinander setzt, dann lassen sich zwei differierende Ansätze herausstellen. Auf der einen Seite wird unter nachhaltiger Entwicklung ein Konzept verstanden, das ökonomische, soziale und ökologische Aspekte berücksichtigt und eine detaillierte Herangehensweise aus ökologischer Sicht27 vorschlägt. Dabei wurden vorrangig ökologische Grundsätze postuliert. Es werden folgende Maximen berücksichtigt28:

- Abbauraten erneuerbarer Ressourcen dürfen die Regenerationsraten nicht überschreiten.
- Wenn Ressourcen nicht erneuerbar sind, müssen sie sparsam und schonend genutzt werden (Energie, Flächenverbrauch, Rohstoffe).
- Es sollten nur so viel der nicht erneuerbaren Ressourcen genutzt werden, wie regenerierbare Quellen geschaffen werden können.
- Die Effizienz der Einsätze für Ressourcen müssen stetig durch technischen Fortschritt verbessert werden.
- Schadstoffe dürfen nur so viel freigesetzt werden, wie es die Aufnahmefähigkeit der Umweltmedien zulässt.

nachhaltige Entwicklung im Kontext der sozialen und ökonomischen Betrachtungsweise wird operationell oder strategisch den ökologischen Aspekten gegenüber gesetzt. Damit wird deutlich, dass sich ökonomische und soziale Dimensionen subsumieren lassen und sich der ökologischen Dimension unterordnen. Fues fügt den Faktor der unterschiedlichen kulturell bedingten Wertvorstellungen auf subsumierter Ebene hinzu29. Allerdings sieht Boccolari darin Schwierigkeiten in der Findung verbindlicher internationaler Standards30. Frein nimmt einen kritischen Standpunkt in der Nachhaltigkeitsdiskussion ein und vergleicht die Situation der Länder des Südens nach der Konferenz von Rio 199231 und nach dem Gipfel in Johannesburg32 miteinander. Er stellte fest, dass bei diesen auf eine Bestandsaufnahme der nachhaltigen Entwicklung verzichtet und somit „Außer Spesen nichts gewesen“ impliziert wurde33. In dem Erfolg des Paradigmas der nachhaltigen Entwicklung sieht er die Unbestimmtheit des Begriffs und zeigt damit dessen größte Schwachstelle auf. Autoren wie Sachs sehen ebenso darin eine Schwäche, „(...) denn die Definition wirkt wie ein Alleskleber, von dem niemand mehr loskommt, weder Freund noch Feind.“34 Darüber hinaus unterstellt Frein, dass das Nachhaltigkeitsdreieck35 entscheidend dazu beigetragen hat, die Nachhaltigkeit den unterschiedlichen Zieldimensionen (ökologisch, soziologisch und ökonomisch) zuzuordnen und damit für alle gesellschaftlichen Akteure einen Nutzen zu haben. Darüber hinaus sieht er begünstigend für den Begriff die Bemühungen durch das „Nachhaltigkeits-Ei“36. Mit diesem Erklärungsmodell versucht er die Schwächen des Dreiecks zu negieren. Teilweise ist mittlerweile der Begriff von seiner eigentlichen Definition soweit entfernt, dass beispielsweise die Bundesregierung ihn innerhalb der Reformdebatten heranzieht. Darin wird der Versuch unternommen, unter Berufung auf die Generationengerechtigkeit den Staatshaushalt zu sanieren, das Gesundheitssystem zu reformieren und Veränderungen innerhalb der Rentendebatte zu rechtfertigen.

Daher ist einerseits die Debatte in gesellschaftlicher Hinsicht fast komplett zum Erliegen gekommen. Andererseits fand auch, so Frein, eine Verschiebung „weg von einer generellen Diskussion hin zu sektoralen Problemen, die konkrete Lösungen leichter fassbar machen“37 statt. Somit fiel nun die Kompetenz in die Hände der Organisationen, die auf der Basis herrschender Umweltprobleme, wie Desertifikation und globale Erwärmung, davon profitieren und für sich einen legitimen Aktionsradius definieren. Das schließt den Kreis dahingehend, dass Probleme der Nachhaltigkeit in den Ländern des Südens direkt vor Ort in die Diskussion einfließen und in den Wechselbeziehungen zwischen der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Komponente einen Ansatz finden.

2.6. Beziehung zwischen den drei Zieldimensionen Nachhaltigkeitsdreieck vs. Nachhaltigkeits-Ei

Im vorigen Kapitel wurde bereits Kritik am Dreieck der Nachhaltigkeit geübt. Um das Bild zu komplettieren, soll im weiteren Verlauf darauf vertieft eingegangen werden. Bekannt ist, dass beim Nachhaltigkeitsdreieck (siehe Grafik 2) die ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimensionen eine Rolle spielen und in bestimmter Art und Weise miteinander korrelieren.

Innerhalb dieses Systems stehen diese Zieldimensionen auf einer gleichberechtigten Ebene, so dass automatisch eine Abwägung innerhalb dieses Horizontes erfolgen muss38.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 2: Dreieck der Nachhaltigkeit (Eigene Darstellung nach Serageldin, 1996, S. 23)

Schwachstellen verbergen sich innerhalb des Dreiecks dahingehend, dass es eine willkürliche Zuordnung zwischen verschiedenen sozialen oder wirtschaftlichen Aspekten zulässt und Substitutionsmöglichkeiten bestehen; Fues bezeichnet diese als trade-offs39. Er bemängelt das nicht vorhandene systemtheoretische Grundlagenmodell und weist auf die nicht erwähnten Grenzen bezüglich der Belastbarkeit der natürlichen Lebensgrundlagen durch den Menschen hin40.

Ein weiterer Nachteil des Dreiecks liegt darin, dass die Ökologie Einbußen hinnehmen muss, wenn es beispielsweise der Wirtschaft schlechter geht. Es muss mindestens eine Dimension kompensierend wirken können41.

Dies ermöglicht im Kontext des systemtheoretischen Hintergrundes, dass sich die Partikularinteressen und Bedingungen der Wirtschaft allen anderen Zieldimensionen unterordnen müssen. Zum einen trägt die Ökonomie entscheidend dazu bei, Bedürfnisbefriedigung und Steigerung der Lebensqualität zu ermöglichen; daher liegt es nahe, dass die Ökosysteme oftmals diesen Kriterien unterlegen sind. Um die Abhängigkeit von unserem Ökosystem sichtbar zu machen, sei folgendes Zitat von Daly zu erwähnen: „da die Menschen nicht ohne die Leistungen des Ökosystems (die von anderen Arten erbracht werden) überleben können, ist es klar, dass zwei weitere Verdopplungen des menschlichen Ausmaßes zwar nicht arithmetisch, aber ökologisch unmöglich sind.“42

Aus diesem Grund haben Nachhaltigkeitstheoretiker ein Alternativmodell hervorgebracht, das Nachhaltigkeits-Ei (Grafik 3). Dabei ist „Ei“ bildlich zu verstehen und bezeichnet ein rein theoretisches Modell, wobei unsere Biosphäre als ein übergeordnetes System verstanden wird, welches den Menschen, sein Habitat und die Natur einschließt43. Somit ist das Ökosystem die absolute Lebensgrundlage und erhält absolute Priorität, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen44. Das Eigelb verbildlicht in diesem Fall die Humansphäre und das Eiweiß die Ökosphäre45.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 3: Nachhaltigkeits- Ei (eigne Darstellung nach Prescott- Allen, 1995, S. 3)

Beides subsumiert ergibt die allumgebene Biosphäre. Die Humansphäre versinnbildlicht die Gesellschaft und die Wirtschaft inklusive des kompletten Habitats innerhalb zwischenmenschlicher Beziehungen. Diese Sphäre wird getragen durch die uns umgebenden Ökosysteme (dem Eiweiß), welche parallel alles begrenzen. Wenn, bildlich gesprochen, das Ei in die Pfanne geschlagen wird, können beide Subsysteme nur so weit expandieren, wie es die Ökosphäre zulässt. Darüber hinaus schmeckt das Ei nur, wenn Eiweiß und Eigelb genießbar sind: Das bedeutet, dass für beides vorgegebene Normen notwendig sind.

Wie muss entsprechend dafür eine normative Grundlage gestaltet sein? Es wird eine Verbindung von Gesundheit und Ökosystem benötigt, damit ein Mindestmaß an entsprechender Lebensqualität für alle vorkommenden Individuen ermöglicht wird. Um dies zu erreichen, wurden verschiedene Prämissen aufgestellt, die an Menschenrechtsnormen gebunden sind und durch völkerrechtliche Abkommen fixiert sind46. Abschließend muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass auch sozialer Ausgleich und Partizipation ein unverzichtbares Element im Kontext der Zieldimensionen der Nachhaltigkeit sind47.

2.7. Konzepte von Nachhaltigkeit: Ressourcenbasierte Ansätze

Innerhalb der Nachhaltigkeitsdiskussion existieren verschiedene ressourcenbasierte Ansätze, wonach es drei Managementregeln für die Bewirtschaftung gibt48. Neben den erschöpfbaren und regenerativen natürlichen Ressourcen muss auf die ökologischen Ressourcen im Allgemeinen Rücksicht genommen werden. Um eine Grenze zwischen effektiver und uneffektiver Nachhaltigkeit zu finden, bedarf es einer Entscheidung zwischen „schwacher“ und „starker“ Nachhaltigkeit.

Im Folgenden wird die Substituierbarkeit von erschöpfenden natürlichen Ressourcen durch anthropogenes Kapital bzw. regenerative Ressourcen diskutiert49. Daraus ergibt sich eine Zweispaltung innerhalb der Diskussion der konzeptuellen Herangehensweise, die durch die Begriffe „starke“ bzw. „schwache“ Nachhaltigkeit ausgedrückt wird. Diese Aufteilung basiert auf dem Kapitalstockmodell der Weltbank aus dem Jahr 1994. In diesem Modell wird der Begriff Kapital auf soziales, ökologisches und ökonomisches Kapital erweitert. Es wird jede der Zieldimensionen als Kapitalstock verstanden50.

Unter „schwacher Nachhaltigkeit“ wird folgendes verstanden:

Fast sämtliche Funktionen des natürlichen Kapitals (ökologische, regenerative und erschöpfbare Ressourcen) sind durch andere Kapitalarten substituierbar51. Eine Substitution ist also so lange zulässig, wie die Summe der drei Kapitalstöcke nicht abnimmt. Ein Beispiel: ein Weniger an Tropenwald kann durch ein Mehr an Autokatalysatoren ausgeglichen werden.

Ein Weniger an Meeresfischen kann durch ein Mehr an Fischtrawlern ausgeglichen werden“52.

Unter „starker Nachhaltigkeit“ versteht man, dass sämtliche Kapitalarten unabhängig voneinander in ihren biologischen und physischen Mengen erhalten bleiben müssen53. Das bedeutet, dass in keiner der Zieldimensionen Abstriche zulässig sind und somit keiner der Kapitalstöcke abnehmen darf. Ein Beispiel: Ein Weniger an Tropenwald kann nicht durch ein Mehr an Autokatalysatoren ausgeglichen werden Ein Weniger an Meeresfischen kann nicht durch ein Mehr an Fischtrawlern ausgeglichen werden.“54

In Bezug zu den erschöpfenden natürlichen Ressourcen tritt immer wieder ein Problem auf, da die Substitution nur mathematisch, jedoch nicht physikalisch möglich ist und ein hundertprozentiges Recycling voraussetzen würde55. Damit wird bewiesen, dass es keine „nachhaltige“ Verteilung von erschöpfenden natürlichen Ressourcen gibt. Nur regenerierbare natürliche Ressourcen könnten daher als „nachhaltig“ angesehen werden. Neben diesen beiden Ansätzen wird oft auch die „Kritische Nachhaltigkeit“ oder auch SMS- safe minimum standard- verwendet. Dabei wird die Funktion des natürlichen Kapitals durch andere Kapitalarten nur innerhalb gewisser Grenzen substituierbar. Es darf ein bestimmter Bestand nicht unterschritten werden. Falls dieser Wert überschritten wird, würde es mit zunehmender Substitution von Naturgütern zu höheren Kosten kommen, die langfristig das ökologische System irreversibel zerstören würden.

Um den Unterschied noch einmal zu verdeutlichen, zeigt die Tabelle 1 die unterschiedlichen Ansätze.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Schwache Nachhaltigkeit vs. Starke Nachhaltigkeit (Quelle: eigene

Darstellung, nach www.wiwi.uni-kl.de/dekanat/blank/nachhaltig.ppt; Zugriff am 29.05.06)

Die Tabelle zeigt deutlich die Differenzierung in den Leitbildern und der jeweiligen Anschauung. Der technische Fortschritt ist bei der „schwachen“ Nachhaltigkeit notwendig, da die Substitution bestimmter Ressourcen benötigt wird. Da bei der „starken“ Nachhaltigkeit die Naturgüter erhalten bleiben müssen, wird der Fortschritt sehr skeptisch gesehen. Zur Erreichung des Makroziels impliziert der „starke“ Nachhaltigkeitsansatz ein Verbot der erschöpfbaren natürlichen Ressourcen. Nur dadurch kann, nach Aussagen der Verfechter der „starken“ Nachhaltigkeit, der gleiche Kapitalstock für die künftigen Generationen vererbt werden56.

Zwei gravierende Probleme bestehen auf Seiten der „schwachen“ Nachhaltigkeit dahingehend, dass für die Substituierbarkeit des natürlichen Kapitals ein alternatives Substitut gefunden werden muss, bis die erschöpfende natürliche Ressource aufgebraucht ist. Wenn diese durch eine regenerative Ressource ersetzt werden konnte, dann benötigt man auch für dieses Substitut, so Renn, Vorleistungen aus der natürlichen Umwelt57. Das zweite Problem besteht darin, dass den natürlichen Ressourcen und dem anthropogenen Sachkapital unterschiedliche Bedeutung für die Produktion zukommen. Fues geht auch davon aus, dass die „schwache Nachhaltigkeit“, die prinzipiell von der Substituierbarkeit ausgeht, auch die Nichtsubstituierbarkeit einiger Bestandteile der natürlichen Umwelt, wie zum Beispiel die Ozonschicht, anerkennt58. Wie soll demnach in der weiteren Untersuchung vorgegangen werden? Wenn man davon ausgehen würde, dass generell alle Naturgüter zu hundert Prozent substituierbar wären (Ansatz der schwachen Nachhaltigkeit), dann wäre unter Berücksichtigung der oben genannten Aspekte der schwache Ansatz wenig sinnvoll. Andererseits: Betrachtet man die „starke“ Nachhaltigkeit, bei der weder die jetzige noch die kommenden Generationen sich der erschöpfenden Ressourcen bedienen dürfen, scheint diese ebenso wenig praktikabel zu sein. In Anlehnung an das Schweizer Nachhaltigkeitsmodell scheint für die vorliegende Untersuchung unter Berücksichtigung der politischen Durchsetzbarkeit die „schwache Nachhaltigkeit plus“ sinnvoll. Deshalb hat der Bundesrat ein Konzept erarbeiten lassen, das die Substituierbarkeit bei Interessenkonflikten zwischen den einzelnen Zieldimensionen bzw. Kapitalstöcke unter bestimmten Voraussetzungen einzuhalten ist. Angeführt werden dafür beispielsweise Gesetze, Grenzwertbestimmungen und ethnische Grenzen. Es darf also keine der Dimensionen zugunsten einer anderen Zieldimension benachteiligt werden.

2.8. Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit

Betrachtet man das Grundkonzept in Anlehnung an das Nachhaltigkeitsdreieck, so müssen die drei Dimensionen näher untersucht werden.

Fues sieht in der ökologischen Dimension die Anwendung eines Regelwerks59. Radke berücksichtigt dabei in ausführlicher Weise die „Ernteregel“, die „Extraaktionsregel“ und die „Emissionsregel“60. Darunter sind folgende Prozesse zu verstehen61:

- regenerierbare Ressourcen sollen nur soweit genutzt werden, wie diese auch nachwachsen können „Ernteregel“
- Ressourcen, die nicht erneuert werden können, sollen nur in dem Maße verbraucht werden, wie es möglich ist, kompensierende Substitute zu entwickeln „Extraktionsregel“
- Die Schadstoffemissionen dürfen die Assimilationsmöglichkeiten durch Boden, Luft und Wasser nicht übersteigen „Emissionsregel“62

Leider weisen die Regeln Schwächen wegen unkonkreter Aussagen auf. Die „Ernteregel“ trifft nur Aussagen über Bestandserhalt, jedoch nicht über dessen Niveau. Da sich Bestände nur durch qualitative Werte aus naturwissenschaftlicher Sicht ausdrücken lassen, unterliegen sie unter politisch wirtschaftlichen Gesichtspunkten einem bestimmten Wertungsspielraum. Die Extraktionsregel erweist sich dahingehend problematisch, als sie keine eindeutig definierte Messgröße des jährlich zulässigen Ressourcenverbrauchs angibt, die den Erfolg einer Substitution sichert63. Bei der Emissionsregel weist Boccolari auf die verschiedenen Grade der Abbaubarkeit hin, wobei er den Terminus in gut und schwer abbaubare Schadstoffe, z.B. radioaktive Stoffe einteilt. Cansier fordert daher, dass die gegenwärtig anfallenden Emissionen nur in soweit zugelassen werden dürfen, wie substituierbare Stoffe der künftigen Generation zugänglich gemacht werden können64.

Damit bieten diese Regeln zumindest einen Rahmen, in dem die Zieldimensionen einen Ansatz finden. In wie weit wirtschaftliches Wachstum in Verbindung mit einer ökologischen Orientierung vereinbar ist und/ oder sich durch Innovationsmöglichkeiten kompensieren lässt, steht weiterhin offen. Es stellt sich somit die Frage, was wirtschaftliche Nachhaltigkeit genau definiert. Geht es darum, günstigere ökologische Bedingungen für die künftigen Generationen zu schaffen, den gegenwärtigen Stand zu halten oder unter Berücksichtigung der marktwirtschaftlichen Tendenzen die Funktionsfähigkeit mit den technischen Potentialen zu wahren?65

Daly unterstellt der Wirtschaft, aufgrund der gewinnmaximierenden Herangehensweise, vor allem aber der Materialanpassung und des Materialzuwachses in einer begrenzten Umwelt, ein generell nicht nachhaltiges Denken in quantitativer Hinsicht66. Daher sollte eine wirtschaftliche Nachhaltigkeit unbedingt qualitativ ausgerichtet sein und dem quantitativem Wachstum vorgezogen werden.

Unter Berücksichtigung von Dalys Aussage geht es wohl eher darum, den gegenwärtigen Stand zu halten und gegebenenfalls durch neue technische Möglichkeiten zu kompensieren und evtl. daraus ein Habitat zu schaffen, das für zukünftige Generationen die gleichen Handlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Um das wirtschaftliche Nachhaltigkeitsziel zu erreichen, wird auf die Kapitaltheorie67 mit „Nachhaltigkeitsaspekt“ zurückgegriffen.

Bei der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit wird das angestrebte Ziel komplizierter als bei den vorigen. Fest steht, dass sich diese Dimension (mit all ihren Kriterien) der ökologischen Dimension unterordnen muss68. Des Weiteren ist es schwierig, genaue Definitionen und passende Kriterien für die Messbarkeit des „schönen Lebens“ zu finden. Boccolari versucht einen Ansatz mit Hilfe des „Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ herzuleiten69. Dabei weist er neben den international verbindlichen Mindeststandards auf die kulturell differierenden nationalen gesellschaftlichen politischen Rahmenbedingungen hin.

Fues geht einen Schritt weiter und unterscheidet zwischen drei verschiedenen Ebenen innerhalb der sozialen Dimension. Er führt die Chancengleichheit innerhalb einer Gesellschaft, die Armutsbekämpfung und die internationale Verteilungsgerechtigkeit an70. Bei Chancengleichheit in einer Gesellschaft geht es vor allem um die Stärkung des Zusammenhalts durch Überwindung von Spannungsverhältnissen innerhalb einer oder mehrerer Subgruppen, die aufgrund von Diskriminierungen und ungleichen Lebensverhältnissen auftreten.

Die Armutsbekämpfung liefert einen Beitrag zum Verständnis einer nachhaltigen Entwicklung. Allerdings verlangt der Begriff Armutsbekämpfung an sich eine genauere Hinterfragung, da Industrieländern diesem Problem anders begegnen als ein Land des Südens. Im westlichen Sinne ist vor allem die Bekämpfung der relativen Armut, wie Sozialhilfebedürftigkeit, Mangelernährung und Obdachlosigkeit, gemeint71. In Entwicklungsländern geht es eher um Deckung der menschlichen Grundbedürfnisse72. Nach Fues sollten innerhalb der internationalen Verteilungsgerechtigkeit die einzelnen Lebensstile und deren Konsumniveaus so gestaltet sein, dass sie demokratisch und möglichst nicht oligarchisch sind73.

2.9. Der institutionelle Ansatz

Eine weitere Zielkomponente taucht in der Fachliteratur wiederholt auf, ohne die eine Implementierung verschiedener Konzepte auf Dauer nicht möglich wäre. Die politische Dimension mit ihren unterschiedlichen Institutionen wirkt auf alle drei Zieldimensionen ein. Eine adäquate Lösung wäre ohne diese Institutionen nicht möglich. Schäffler sieht einen direkten Einfluss bzw. Zusammenhang mit der nachhaltigen Entwicklung bei der ökokratischen Steuerung, dem globalen Umweltmanagement und partizipativen Diskurs74.

Die ökokratische Steuerung orientiert sich demnach an ökologischen Managementregeln und benötigt erprobte, wissenschaftlich erwiesene Qualitätsziele und Belastungsobergrenzen. Diese sollten auf einem objektiven, einheitlichen und normativen definierten Nachhaltigkeitsbegriff basieren. Boccolari weist darauf hin, dass es diesen nur theoretisch gibt75.

Um ein globales Umweltmanagement durchführen zu können, bedarf es eines geeigneten Rahmens mit außerordentlich kompetenten Personen innerhalb der Nachhaltigkeitsdebatte, internationale Kooperationen und entsprechende Institutionen. Darüber hinaus bezieht sich Boccolari dabei stets auf die Aussagen von Schäffler und nimmt diese als allgemeingütig an, stellt aber den partizipativen Diskurs in den Mittelpunkt, wodurch er das vorgeschlagene reine Umweltmanagement teilweise entkräftet. Er führt zwei entscheidende Argumente an, in denen er explizit die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit des partizipativen Grundgedankens rechtfertigt. Er nennt zum einen die Problemsicht und Einbeziehung von Meinungen betroffener Bürger und zum anderen eine Integration der verschiedenen Interessengruppen, die letztendlich dazu beitragen können, Legitimität und Akzeptanz zu fördern76. Um auf lokaler Ebene ein erfolgreiches Vorgehen zu sichern, stehen den Verantwortlichen bzw. der internationalen Gemeinschaft geeignete Instrumente, wie zum Beispiel die Mediation, zur Verfügung.

Auch in der Agenda 21 findet sich der partizipative Grundgedanke wieder und versucht, mit good governance auf den Entscheidungsprozess positiv einzuwirken. Neben den staatlichen Organisationen wird auf die Relevanz von Nichtregierungsorganisationen (NRO) und anderen Interessensverbänden hingewiesen.

Auch für die vorliegende Arbeit muss in diesem Kontext auf die Notwendigkeit des partizipativen Grundgedankens hingewiesen werden, denn ohne demokratische Herangehensweise sind Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung wenig erfolgreich und von entsprechend kurzer Dauer.

2.8. Nachhaltige Stadtentwicklung

Definition von Stadtentwicklung

Bei Stadtentwicklung geht es in erster Linie um eine interdisziplinäre Steuerung der Gesamtentwicklung einer Stadt. Sie verlangt eine integrierte und zukunftsgerichtete Herangehensweise. Neben gesellschaftlichen Tendenzen wie Globalisierung und lokale Nachhaltigkeit zeichnet sie sich durch verschiedene Partizipationsformen aus. Die Stadtentwicklung ist momentan nach dem Leitbild der „nachhaltigen Stadtentwicklung“, gemäß der Charta von Aalborg in Dänemark (Juni 2004), ausgerichtet. Darin heißt es: „Wir haben die Vision integrativer, prosperierender, kreativer und zukunftsfähiger Städte und Gemeinden, die allen Einwohnerinnen und Einwohnern hohe Lebensqualität bieten und ihnen die Möglichkeit verschaffen, aktiv an allen Aspekten urbanen Lebens mitzuwirken“77.

In Deutschland hat sich die Stadtentwicklung auf Quartiersebene spezialisiert; sie versucht, durch verschiedene Förderprogramme, wie zum Beispiel „Soziale Stadt“, und durch Anwendung verschiedener Instrumente, Probleme zu lösen. Es werden dafür Mittel wie Leitbilder, Szenarien, Stadtmarketingkonzepte oder Stadtentwicklungskonzepte in Vereinbarung mit der Lokalen Agenda 21 genutzt, so dass man schließlich als Endprodukt eine „Lokale Nachhaltigkeitsstrategie“ erhält78.

Lokale Nachhaltigkeitsstrategien

Um eine nachhaltige Stadtentwicklung zu ermöglichen, ist eine „Lokale Nachhaltigkeitsstrategie“ erforderlich. Eine „Lokale Nachhaltigkeitsstrategie“ (zum Beispiel ein Stadtleitbild und Stadtentwicklungsprogramm) besteht aus einer Vision, einem Leitbild mit konkreten Zielen, einem Entwicklungs- bzw. Aktionsprogramm mit Maßnahmen und einem dynamischen Managementzyklus für die Umsetzung, welche zur Zukunftsfähigkeit und Lebensqualität einer Kommune führen. Ziel ist es, die am besten geeignete Strategie für Zukunftsfähigkeit (bzw. Nachhaltigkeit) der Kommune zu entwickeln, umzusetzen, fortzuschreiben und regelmäßig zu überprüfen (Review/ Monitoring). Eine lokale Nachhaltigkeitsstrategie ist eine zentrale Voraussetzung für die Verankerung eines kommunalen Nachhaltigkeitsmanagements79. Wie bereits im Kapitel

2.9. erwähnt, sollte bzw. muss der partizipative Ansatz dabei Beachtung finden, um ein langfristiges Greifen der Maßnahmen zu ermöglichen.

3. Der Indikatorenansatz

Für die vorliegende Analyse gehört der folgende Abschnitt zu den elementaren Kernstücken, da im weiteren Verlauf der theoretische Rahmen konstruiert wird. Mit diesem soll geprüft werden, ob die Leitthese und die konkretisierte Fragestellung auf Almaty zutrifft oder nicht. Hierzu kommen nur spezifische Indikatoren in Frage; deshalb werden neben dem Indikatorenkatalog der CSD auch Ansätze aus anderen Beispielen geprüft. Nach einem Vergleich sollen diejenigen Indikatoren herausgestellt werden, die auch für ein Transformationsland wie Kasachstan Gültigkeit zeigen und eine Prüfung ermöglichen.1

3.1 Indikatoren und Agenda 21

Zur Operationalisierung einer nachhaltigen Entwicklung heißt es in Kapitel 40 der Agenda 21: „Es müssen Indikatoren für nachhaltige Entwicklung entwickelt werden, um eine solide Grundlage für Entscheidungen auf allen Ebenen zu schaffen und zu einer selbstregulierenden Nachhaltigkeit integrierter Umwelt- und Entwicklungssysteme beizutragen.“2 Des Weiteren wird in dem Zusammenhang betont, dass „Allgemein gebräuchliche Indikatoren wie etwa das Bruttosozialprodukt (BSP) und Messwerte einzelner Ressourcen- oder Schadstoffströme […] nicht genügend Aufschluss über Nachhaltigkeit geben“3. Bevor eine genauere Untersuchung der einzelnen konzeptuellen Herangehensweisen möglich ist, soll der Begriff Indikator definiert werden. Schoeck sieht Indikatoren als wesentliches Element von Skalierungsverfahren aus soziologischer Sicht4. Danach geben Skalierungsverfahren Regeln und Kunstgriffe zur Platzierung von Einheiten (Indikatoren) auf einer bestimmten Skala oder einem Kontinuum an. Oft wird dabei auf Intervallskalen ohne Nullpunkt zurückgegriffen. Es werden häufig auch abrupt steigende Indikatorenfragen, die mit „ja“ oder „nein“ bzw. „zutreffen“ oder „nicht zutreffend“ zu beantworten sind, angewandt. Fues geht ausführlicher auf die Bedeutung von „Indikator“ ein: Er sieht darin eine Variable, die in einem komplexen Sachverhalt bestimmte Informationen, welche auf vorausgegangenen theoretischen Vorüberlegungen aufbauen, sichtbar macht5. Des Weiteren betont er einen zweiten Ansatz, in dem von einem bestehenden Datensatz ausgegangen wird, der nach einer Verifizierung der Primärdaten einen neuen Sachverhalt erkennbar macht6. Er macht auch darauf aufmerksam, dass bereits mit einer reinen Addition der Datensätze der Gesamtzusammenhang in Verbindung mit der Biosphäre erkennbar wird. Dies impliziert einen umfangreichen Erhebungsbedarf neben den traditionellen Statistikverfahren7.

Insgesamt zeigt das die Komplexität des Sachverhalts, da die Indikatoren je nach vorausgegangener Definition der „nachhaltigen Entwicklung“ voneinander abweichen können.

Da in Kapitel 2 der vorliegenden Untersuchung das Konzept der „schwachen Nachhaltigkeit plus“ gemäß dem Schweizer Modell zu Grunde liegt, müssen wirtschaftliche und soziale Indikatoren in die Analyse einfließen. Dennoch soll an dieser Stelle betont werden, dass bestimmte Substitute als nicht teilbar gesehen werden und demnach ökologische Belange in die Abwägung einzubringen sind8.

3.2. Nachhaltigkeitsindikatoren

Nachdem der Indikatorbegriff verifiziert wurde, soll im Folgenden der Bezug zur Nachhaltigkeit innerhalb der Definition hergestellt werden. Born und de Haan definieren den Begriff wie folgt: „Nachhaltigkeitsindikatoren sind definierbare, messbare Kennwerte, deren absolute Werte bzw. deren Veränderungsgeschwindigkeit und -richtung aufzeigen sollen, ob sich ein Land, eine Region, eine Kommune oder ein Projekt im Zeitverlauf in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung bewegt.“9 Weiterhin wird angeführt, dass die Indikatoren „sinngemäß den Zustand und die Weiterentwicklung in Bezug auf Nachhaltigkeit“10 darstellen.

Dabei sollten sie mindestens zwei der Nachhaltigkeitsdimensionen berücksichtigen. Somit ergeben sich folgende Kombinationsmöglichkeiten11:

- sozial- ökologische Nachhaltigkeitsindikatoren
- ökonomisch- ökologische Nachhaltigkeitsindikatoren
- ökonomisch- soziale Nachhaltigkeitsindikatoren
- ökonomisch- ökologisch- soziale Nachhaltigkeitsindikatoren12

Bei der Diskussion der Nachhaltigkeitsindikatoren teilt sich die Fachwelt in zwei Lager auf: Es gibt einerseits die Verfechter der eindimensionalen, zum anderen die Vertreter der mehrdimensionalen Herangehensweise13.

Bei der eindimensionalen Sichtweise wird versucht, mit nur einem Indikator das Ökosozialprodukt (ÖSP14 ) bzw. die Nachhaltigkeit von Ländern zu bestimmen. Dennoch sehen Endres und Radke „keine unüberwindbare Kluft zwischen theoretischem Anspruch und pragmatischer Umsetzung“15.

[...]


1 Der Bericht ist vom Bundesamt für Raumentwicklung der Schweiz im Internet auf Englisch veröffentlicht. www.bve.be.ch; Zugriff am 29.05.06

2 Der Begriff wurde erstmals 1980 von der „International Union for Conservation and Natural Ressources” (IUCN) angewendet, vgl. dazu Radke, 1999, S. 10

3 Die Agenda 21 ist das 900 Seiten starke Abschlussdokument dieser Konferenz und beinhaltet eine reine Absichtserklärung und Maßnahmen für die Umsetzung der Deklaration

4 Vgl. dazu Nohlen, 2002, S. 883

5 Boccolari, Nachhaltige Entwicklung. Eine Einführung in die Begrifflichkeit und Operationalisierung, 2002, S. 2 f.

6 Nohlen, 2002, S. 227

7 Nuscheler, 1996, S. 179

8 Boccolari, 2002, S. 3

9 Unter anderem nehmen auch Nuscheler und Hein darauf Bezug.

10 Boccolari, 2002, S. 3 f.

11 Vgl. dazu Nohlen, S. 228

12 Gemeint sind die Dependenz- Theorie und andere konkurrierende Entwicklungsstrategien.

13 Vgl. dazu Nohlen/ Nuscheler, 1992, S. 55-75.

14 Wie zum Beispiel: Bevölkerungsentwicklung, Welternährung, Artenvielfalt, Ökosystem, Energieangebot, Industrie und Siedlungsökologie

15 Vgl. Brundtland-Bericht, 1987 oder Hauff, 1987, S. 46

16 Vgl. dazu Reinold, 2001, S. 55 f.

17 Vgl. dazu Hauff, 1987, S. 3, 13

18 Zu intergenerativen Maßnahmen zählen solche, die dazu führen, dass kommende Generationen ebenso strengen Bedingungen ausgesetzt sind, wie die heutigen.

19 Der Begriff stammt von R. F. Harrod (Wachstumstheoretiker) der damit ausdrücken wollte, dass es Lebensstandards existieren, die nur von einer Minderheit der Bevölkerung erreicht werden können und es dadurch zu einem Übermaß an knappen Gütern kommen kann. Siehe auch Harborth, 1993, S. 41

20 Der Gini- Koeffizient wird im weiteren Verlauf der Arbeit eine Rolle spielen und für das Beispiel Almaty herangezogen.

21 Der Club of Rome (Grenzen des Wachstums) von 1972 ging als erstes auf alternative Entwicklungsansätze ein, die sich schrittweise mit dem späteren Ecodevelopment- Ansatz, der Cocoyoc- Erklärung von der UNEP und UNCTAD 1974, und der Dag- Hammarskjöld- Bericht von 1975, weiter entwickelten.

22 Vgl. dazu Brand, 1997, S. 13 f.

23 Vgl. dazu Nohlen, 2002, S. 759

24 Vgl. dazu Nohlen, 2002, S. 759

25 Der Brundtland-Bericht schreibt den Industrieländern eine Vorreiterrolle zu: Sie sollten eine Wachstumslokomotive sein, die ökologisch nachhaltige Lösungen vorschlagen und preiswert den Ländern des Südens zur Verfügung stellen. Vgl. ausführlicher dazu Boccolari, 2002 und Hauff, 1987

26 Vgl. Schmidt- Wulffen, 1994, S. 4f. und Brand, 1997, S. 18

27 Vgl. dazu Vornholz, 1993, S. 114

28 Vgl. www.bbr.bund.de, Zugriff am 24.05.06; Ausführlicher werden genannte Maximen in der Enquete-

Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deutschen Bundestages (Hrsg.): Die Industriegesellschaft gestalten. Perspektiven für einen nachhaltigen Umgang mit Stoff- und Materialströmen. Bonn, 1994; und World Commission on Environment and Development: Our Common Future.; Oxford; 1987; behandelt.

29 Vgl. dazu Fues, 1998a, S. 149

30 Vgl. Boccolari, 2002, S. 11

31 Erdgipfel, der offiziell UN Konferenz für Umwelt und Entwicklung (United Nations Conference for Environment and Development, UNCED)

32 Weltgipfel über Umwelt und Entwicklung 2002 (World Summiton Sustainable Development - WSSD)

33 Vgl. dazu Frein, 2004, S. 100

34 Vgl. Sachs, 1994, S. 99

35 Darauf wird im folgenden Absatz 2.6. näher eingegangen.

36 Ausführlich dazu siehe Kapitel 2.6.

37 Frein, 2004, S. 101

38 Vgl. dazu Boccolari, 2004, S. 12 f.

39 Vgl. Fues, 1998b, S. 8

40 Vgl. dazu Fues, 1998b, S. 8

41 Vgl. ausführlicher dazu Feus, 1998a, S. 46

42 Daly, 1999, S. 86

43 Ausführlicher dazu: Prescott- Allen, 1995; Hodge, 1997; IUCN, 1997 und Joshi, 1998; Unter der dargestellten Form ist sicherlich kein ausgereiftes analytisches Modell zu verstehen, eher ein Modell von Daly (1997, S. 11) das eine „preanalytic vision“ bezeichnet, daher im Gegensatz zum Nachhaltigkeitsdreieck im Kontrast steht und im Rahmen der vorliegenden Untersuchung von Wert ist.

44 Vgl. Boccolari, 2002, S. 15 f.

45 Die Begriffe sind wiederum Synonyme - Ökosphäre = Ökosystem und Humansphäre = Humansystem

46 Beispielsweise sind dafür die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rechte zu nennen (Sozialpakt, Kinderrechtskonventionen, Rechte für Frauen).

47 Fuess, 1998b, beschreibt dies ähnlich und geht dabei tiefer auf Leitprinzipien und das Grundverständnis ein.

48 Vgl. www.umweltoekonomie.tu-berlin.de; Zugriff am 29.05.06

49 Vgl. dazu Bartmann, 1998, S. 2

50 Vgl. dazu www.bve.be.ch, Zugriff am 29.05.06

51 Vgl. dazu www.wiwi.uni-kl.de/dekanat/blank/nachhaltig.ppt, Zugriff am 29.05.06 und www.bve.be.ch, Zugriff am 29.05.06

52 ebd.

53 ebd.

54 ebd.

55 Vgl. dazu www.umweltoekonomie.tu-berlin.de, Zugriff am 29.05.06

56 Vgl. dazu Boccolari, 2002, S. 21 ff.

57 Vgl. dazu Renn, 1996, S. 97

58 Vgl. Fues, 1998a, S. 50

59 Vgl. dazu Fues 1998a, S.51

60 Vgl. dazu Radke, 1999, S. 15

61 Boccolari, 2002, geht darauf ausführlich ein.

62 Neben Boccolari (2002) S.16, gehen Cansier (1996) S. 65, und Cansier/ Richter (1995), S. 235 ff. darauf ein.

63 Vgl. dazu Cansier, 1996, S. 70 und Cansier/Richter, 1995, S. 239

64 Vgl. Cansier, 1996, S. 72

65 Brand, 1997, S. 24 f. äußert sich in ähnlicher Form diesbezüglich.

66 Vgl. Daly, 1999, S. 32

67 Das bedeutet, wenn Pro- Kopf- Kapital- und Vermögens- Ausstattung einer Gesellschaft von einer zur nächsten Generation steigt, oder auf gleichem Niveau bleibt, gilt das Nachhaltigkeitsziel als erfüllt.

68 Vgl. dazu Fues, 1998a, S. 49

69 Vgl. Boccolari, 2002, S. 20

70 Vgl. dazu Fues, 1998a, S. 52 f.

71 Jährlich erscheint beispielsweise der „Armutsbericht der Bundesrepublik Deutschland“. Darin wird genau definiert, was unter relativer Armut zu verstehen ist. Darüber hinaus wird verifiziert, was die Bestimmungsfaktoren für Armut in unserer Gesellschaft sind.

72 Wohnen, Bildung, Ernährung und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit

73 Vgl. Fues, 1998a, S. 53 f.

74 Vgl. Schäffler, 1996, S. 74ff.

75 Vgl. dazu Boccolari, 2002, S. 25 f.

76 ausführlicher dazu Boccolari, 2002, S. 24 ff.

77 Vgl. dazu Aalborg Commitments: www.aalborgplus10.dk/media/aalborg_commitments_german_final.pdf

78 Vgl. dazu Deutsches Institut für Urbanistik, 2004

79 Vgl. dazu www.wikipedia.org; Zugriff am 23.05.06

1 Anlehnung an UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung

2 vgl. dazu Agenda 21, 1992, S. 354, www.un.org; Zugriff am 01.06.06

3 ebd.

4 Vgl. Schoeck, 1974, S.294

5 Vgl. dazu Fues, 1998a, S. 21

6 ebd., S. 24

7 ebd.

8 Vgl. dazu Kapitel 2.7.

9 Born, de Haan, Webveröffentlichung: Methodik, Entwicklung und Anwendung von Nachhaltigkeitsindikatoren; S. 2; Abrufbar unter www.umweltschulen.de/download/nachhaltigkeitsindikatoren_born_deHaan.pdf ; Zugriff am 01.06.06

10 ebd.

11 Bei der Kombinationskette wurde die institutionelle Dimension nicht aufgenommen. Nach Meinung des Verfassers können die Indikatoren ohne Berücksichtigung dieser Dimension nicht wirken. Deshalb wurde für diese Untersuchung eine vierte, die institutionelle, Dimension hinzugezogen.

12 ebd. nach Szerenyi, 1999

13 Vgl. dazu Endres/ Radke, 1998

14 Von Cansier entwickeltes System: (statistisches) BSP - Abschreibungen künstlichen Kapitals = statistisches NSP - hypothetische und faktische Opportunitätskosten quasi-nachhaltiger Nutzungen nicht erneuerbarer Ressourcen - hypothetische und faktische Opportunitätskosten der Vermeidung nicht nachhaltiger Immissionen - hypothetische Opportunitätskosten der Vermeidung nicht nachhaltiger Nutzungen erneuerbarer Ressourcen = Ökosozialprodukt

15 ebd. S. 44f.

Ende der Leseprobe aus 127 Seiten

Details

Titel
Perspektiven für eine nachhaltige Stadtentwicklung in Zentralasien
Untertitel
Anspruch und Wirklichkeit am Beispiel einer exemplarischen Anwendung auf Almaty, Kasachstan
Hochschule
Technische Universität Berlin
Note
1.3
Autor
Jahr
2006
Seiten
127
Katalognummer
V186382
ISBN (eBook)
9783656997672
ISBN (Buch)
9783869431475
Dateigröße
28526 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
perspektiven, stadtentwicklung, zentralasien, anspruch, wirklichkeit, beispiel, anwendung, almaty, kasachstan
Arbeit zitieren
Gregor Mews (Autor:in), 2006, Perspektiven für eine nachhaltige Stadtentwicklung in Zentralasien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186382

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