In der Untersuchung "Der Habitus und die Illusion individueller Selbstbestimmung. Implikationen für das politische Subjekt" findet das aus der strukturalistischen Feldtheorie abgeleitete Konzept des Habitus, welcher als Bindeglied gesellschaftlicher Mikro- und Makrozusammenhänge verstanden wird, in Bezug auf das historisch schrittweise generierte politische Subjekt Anwendung. Aus den objektiven Strukturgegebenheiten einer Gesellschaft resultieren je nach Stellung im Sozialraum, d.h. nach den zugewiesenen Koordinaten des Individuums, spezifische mentale Strukturen als charakteristische Formung der psychischen Apparaturen bzw. der Identität des Einzelnen. Die Inkorporation der äußeren Strukturen kanalisiert die Denk- und Handlungsvorgänge und führt als gesellschaftlich erzeugter Habitus zu einem typischen Prinzip des Wählens, Deutens, Interpretierens, Urteilens und Verhaltens. Folglich ergibt sich das Bewusstsein des Subjekts aus dem gesellschaftlich-lokalisierten Sein. Die aus der Positionierung im Gesellschaftraum herrührenden Einschränkungen des Einzelnen werden infolge von Erziehungsprogrammen, Sozialisationsabläufen, Dispositionsmodifikationen in den alltäglichen Interaktionsvorgängen sowie von Internalisierungen von außen herangetragener Normensysteme in Denk-, Wahrnehmungs-, Handlungs- und Urteilsbegrenzungen, also Grenzen im Kopf, transformiert. Äußere Tatbestände lassen sich dementsprechend in der dispositionalen Realität des Individuums reproduzieren und nehmen in der Konsequenz die Form von kulturell Unbewusstem sowie Selbstverständlichem als naturwüchsig Angesehenes an. Ferner bringt die Ähnlichkeit von Dispositionen, abhängig von strukturellen Distanzen der Akteure, analytisch die Möglichkeit mit sich, Zusammenfassungen in soziale Klassen vorzunehmen. Sowohl Einzelne als auch Klassen definieren sich über ihre Relationen zu anderen Personen, Gruppen oder Institutionen, deren Situierung durch die Kapitaldistribution (ökonomischer, kultureller, sozialer, symbolischer wie auch bildungsspezifischer Art) geregelt wird. Der Habitus des Subjekts wird im Laufe des Lebens erworben und bleibt einer Reihe von Pfadabhängigkeiten verhaftet. Weder der Ausgangspunkt noch der Habitus selbst sind frei wählbar, sondern er gibt Akteuren als Anwendungsprinzip der Erfahrungsgeschichte Anweisungen, welches Denken, Beurteilen, Wählen und Handeln zulässig ist, ohne dass diese Prozesse dem Individuum zu Bewusstsein kämen.
Inhaltsverzeichnis
- Gestaltung der Problemstellung
- TEIL I GENESE UND KONSTITUTION DES MODERNEN POLITISCHEN SUBJEKTS
- Basisentwicklungen der modernen Staatsgenese
- Zunehmende Interdependenz und die Entstehung des Gewaltmonopols
- Säkularisierung und beendete Häresie der Politik
- Frühe Versuche der Staatsrechtfertigung
- Naturzustand und Gründung des Gesellschaftsvertrags
- Naturzustand und Gesellschaftsvertrag bei Hobbes
- Naturzustand und Gesellschaftsvertrag bei Rousseau
- Naturzustand und Gesellschaftsvertrag bei Kant
- Vom Naturzustand zum sozialbeziehungsregulierenden Rechtszustand
- Grundzüge des Hegel'schen Rechtsverständnisses
- Beginnende Bewusstwerdung über das fragwürdige Verhältnis der Ideen von Freiheit und Gleichheit
- Frühindustrialisierung und Hervordrängen der sozialen Frage
- Die Interpretation der industrialisierten Gesellschaft im Verständnis des Historischen Materialismus
- Über den Prozess erkämpfter Rechte
- Verfassungsaufgaben als qualitatives Sicherungsnetz des politischen Subjekts
- Kennzeichen der Verfassungsgeschichte
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Habitus und seine Implikationen für die individuelle Selbstbestimmung und das politische Subjekt. Sie verfolgt das Ziel, die Genese des modernen politischen Subjekts im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen zu analysieren.
- Genese des modernen politischen Subjekts
- Der Einfluss des Habitus auf individuelle Selbstbestimmung
- Konzepte des Naturzustands und Gesellschaftsvertrags
- Entwicklung des Rechtsverständnisses
- Die soziale Frage in der Frühindustrialisierung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit der Gestaltung der Problemstellung. Teil I beleuchtet die Genese und Konstitution des modernen politischen Subjekts, beginnend mit Basisentwicklungen der modernen Staatsgenese, einschließlich der Entstehung des Gewaltmonopols und der Säkularisierung. Es werden verschiedene Konzepte des Naturzustands und des Gesellschaftsvertrags bei Hobbes, Rousseau und Kant untersucht. Die Entwicklung des Rechtsverständnisses wird anhand von Hegel erläutert. Schließlich wird die beginnende Bewusstwerdung des fragwürdigen Verhältnisses von Freiheit und Gleichheit sowie die soziale Frage in der Frühindustrialisierung behandelt. Die Interpretation der industrialisierten Gesellschaft im Verständnis des Historischen Materialismus und der Prozess erkämpfter Rechte mit der Bedeutung der Verfassung werden ebenfalls thematisiert.
Schlüsselwörter
Habitus, individuelle Selbstbestimmung, politisches Subjekt, Staatsgenese, Gewaltmonopol, Säkularisierung, Naturzustand, Gesellschaftsvertrag, Hobbes, Rousseau, Kant, Hegel, Rechtsverständnis, Frühindustrialisierung, soziale Frage, Historischer Materialismus, Verfassung.
- Quote paper
- Dr. Stefan Zapfel (Author), 2008, Der Habitus und die Illusion individueller Selbstbestimmung. Implikationen für das politische Subjekt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186567