Auch wir waren in Arkadien - Italien im deutschen Film der 50er und beginnenden 60er Jahre


Thesis (M.A.), 1999

129 Pages, Grade: 1


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Auswahl des Untersuchungsmaterials
2.1. Erläuterung zur Quellenlage
2.2. Geographische Eingrenzung Italiens

3. Die Deutschen reisen / Italien: Reiseziel Nr. 1

4. Der Schlager

5. Filme mit Italien als Handlungsschauplatz
5.1. Chronologische Auflistung der in Gattungen eingeteilten Filme
5.2. Das Italienbild in den Musikfilmen
5.2.1. Operettenfilme
5.2.2. Revuefilme
5.2.3. Musikalische Lustspiele
5.3. Zusammenfassung

6. Das Italienbild in Filmen ohne Italien-Komplex
6.1. Italien als Thema des Dialogs
6.2. Italienische Personen
6.3. Italien als Lebensstil in Deutschland

7. Entwicklungstendenzen des Italienbildes in den deutschen Filmen bis heute

8. Bella Italia, brutta Italia – das verlorene Paradies

Bibliographie

1. Einleitung

Blonde Fräulein sitzen in einem kleinen Boot auf dem Meer bei strahlender Sonne und werden dabei besungen von einem liebeshungrigen Italiener mit schwarzem Haar und rot-weißem Ringel-T-Shirt: dieses Bild zählt zu den besonders klischeehaften Vorstellungen über Italien. Weitere Assoziationen sind Venedig und die Gondeln, Capri und die blaue Grotte, die Riviera mit ihren langen Stränden und immerwährender Sonnenschein über tiefblauem Meer. Das Leben ist heiter und unbeschwert, kein Wölkchen trübt den Himmel. Und wenn dann doch eines droht, dann wird es von den musikalischen Einwohnern tapfer besungen, so daß die Wolke nicht dazu kommt, den ganzen Horizont zu verdunkeln, sondern bald wieder azurblauem Himmel Platz macht. Romantische Liebesabenteuer mit glutäugigen Italienern machen den Italien-Aufenthalt zusätzlich erstrebenswert.

Was dem Deutschen das Sauerkraut, sind dem Italiener die Spaghetti: Stereotype Vorstellungen bezüglich Lebensgewohnheiten, Aussehen und Mentalität pressen die verschiedenen Nationalitäten in vorurteilsbeladene Schemata, die selten genauer hinterfragt werden. Thema dieser Arbeit ist es, nach dem Ursprung dieser Bilder zu forschen. Italien bietet sich hier explizit an, da kaum ein anderes Land einen derartig hohen Stellenwert bei den Deutschen erlangt hat.

Die Frage nach dem Ursprung der Klischees über Italien führt unter anderem zu den 50er Jahren der Bundesrepublik Deutschland. In diesen Jahren erreicht die Italiensehnsucht der Deutschen einen ihrer Höhepunkte. Sie beeinflußt nahezu sämtliche Bereiche des Lebens und ist selbst aus dem Alltag nicht wegzudenken. Auch der Film nimmt sich dieses unbeschwerten Themas gerne an. Ob Italien als Filmschauplatz oder Reminiszenzen an das Land in Filmen, deren Handlung nicht explizit dort spielt: Italien ist ein gern gewähltes Motiv in den Spielfilmen dieser Zeit. Welche Ausmaße diese Sehnsucht nach Arkadien allerdings angenommen hat, wird erst klar, wenn man feststellt, daß selbst in zeitkritischen Filmen Italien zum Thema gemacht wird. In Wir Wunderkinder (BRD 1958, Kurt Hoffmann[1] ) ist eine kurze Stippvisite nach Verona zu finden und in Rosen für den Staatsanwalt (BRD 1959, Wolfgang Staudte) spielt eine Szene in einem italienischen Restaurant. Der von der Kritik hochgelobte Film Der Untertan (DDR 1951, Wolfgang Staudte) zeigt, daß auch anspruchsvolle Filme nicht frei von Klischeevorstellungen über Italien sind. In diesem Film wird der Besuch Italiens, der ebenfalls in der Roman­vorlage von Heinrich Mann zu finden ist, um eine dort nicht vorhandene Szene erwei­tert: Gustchen, die Frau Diederichs, schläft erschöpft in der Wartehalle des römischen Bahnhofs, während ein Mann mit südländischem Aussehen ihre Tasche stiehlt.

Mit dieser Arbeit soll untersucht werden, inwieweit die Darstellung von Italien in den Filmen typisiert und standardisiert ist. Bereits 1959 wird von Hugo Hartung hierzu in der Reisezeitschrift Merian über die italienische Riviera, die er ”hübsch vollgestopft mit solchen Vorurteilen” bereist hat, festgestellt:

Daß die Riviera anders sei, wird der skeptische Leser weniger gutwillig hin­nehmen. Bunte Prospekte und Ansichtskarten, jene gefällige Schlagerkonfek­tion, die rotem Wein, roten Lippen und blauem Meer immer neue Tonli­mo­naden ent­preßt, haben zuviel Unheil angerichtet, als daß die Behauptung, die Riviera könne auch karg und arm, wild und urtümlich sein, bereitwillig ge­glaubt werde. Denn soviel weiß jeder Kinogänger von ihr: sie ist der Ort mondänen Lebensge­nusses, wo sich in Palmenparks längs der Küste Kasi­nos und Hotelpaläste aus Zuckerguß und Schlagsahne reihen.[2]

Palmen, blaues Meer und mondäner Lebensgenuß – ob diese und andere Klischees über Italien vom Film der 50er Jahre (mit-)gebildet werden, soll Leitfrage der Film-Analyse sein. Die Gewichtung der Untersuchung liegt hierbei auf den Merkmalen, mit denen das Land und seine Bewohner ausgestattet werden und inwieweit diese ein einheitliches Bild ergeben.

Nach ausführlicher Beschäftigung mit den Filmen der Zeit zeigt sich, daß Italien als Thema im Film noch bis ca. 1962/63 eine große Rolle spielt[3]. Vor allen Dingen stellt sich heraus, daß die Filme der 60er Jahre ein verändertes Bild von Italien präsentieren und so eine interessante Erweiterung zu dem Italienbild der 50er Jahre darstellen.

Eng verknüpft mit dieser Entwicklung sind die Reisegewohnheiten der Deutschen, die eine Überprüfung der ‘oktroyierten‘ Vorstellungen ermöglichen. Interessant ist insbesondere die Frage, ob die Entwicklung in der Italiendarstellung mit der Reisegeschichte korrespondiert.

Die pauschale Formulierung ”deutsche Filme” beinhaltet mehrere Einschrän­kungen. Zum einen ist der ostdeutsche Film ausgeklammert, da von staatlicher Seite erheblicher Einfluß auf ihn ausgeübt wurde. Da Italienreisen aber kaum ins sozialistische Konzept der ehemaligen DDR passen, ist auch nicht davon auszugehen, daß Italien als Thema auch nur annähernd so häufig in den ostdeutschen Filmen jener Zeit verbreitet ist wie in den westdeutschen.

Zum anderen wird der österreichische Film mit einbezogen, da er in Inhalt und Darstellung nicht wesentlich von den westdeutschen Filmen unterschieden werden kann. Beide behandeln gleiche oder ähnliche Themen, bekannte Schauspieler werden nationsübergreifend engagiert, und oft gibt es in Hinblick auf Produzenten, Verleih und Besetzungsstab Zusammenarbeit in den verschiedensten Formen, so daß ein Zuschauer ohne spezielles Filminteresse nicht erkennen kann, ob der Film österreichischer oder deutscher Herkunft ist.

Ein dritter Punkt ist die Nichtbeachtung von Koproduktionen, die besonders ab 1957 vermehrt als Finanzierungsform gewählt werden. Durch die Mehrfachauswertung sollten Verluste in einer Zeit verhindert werden, in der die Filmwirtschaft mit drastisch sinkenden Zuschauerzahlen zu kämpfen hatte. Der Grund für diese Eingrenzung liegt darin, daß in diesen Filmen die deutsche Sicht der Dinge nicht unverfälscht zum Tragen kommt, da eine weitere Nationalität (oder mehrere) den Film mitproduziert und so auch andere Sichtweisen in das Drehbuch oder die Verfilmung einfließen. Sicherlich gibt es Filme, die eher den deutschen Charakter durchschimmern lassen oder andersherum eher den der beteiligten Nation. Um hierbei nicht der Subjektivität zu verfallen, werden alle Koproduktionen ausgeklammert. Sollten dennoch Koproduktionsfilme in dieser Arbeit behandelt werden, wird ausdrücklich darauf hingewiesen.

Die Untersuchung mußte sich aufgrund der Fülle des Materials, die sich während der Untersuchung herausstellte, auf die inhaltliche Analyse der Filme beschränken. Ursprünglich war ebenfalls geplant, die herausgefundenen Aussagen bezüglich Italien auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen und mit den Erinnerungen von Zeitzeugen und den Aussagen von Dokumentationen und Berichten zu vergleichen. Diese Rezeptionsanalyse hätte aber den Rahmen der Arbeit gesprengt.

Der Hauptteil der Arbeit befaßt sich folglich mit der Darstellung Italiens in den Filmen selbst. Dabei wird unterschieden zwischen den Filmen, die Italien als Schauplatz der Handlung nutzen, und Filmen, die nicht in Italien spielen, aber trotzdem italienische Bezüge in irgendeiner Form, d.h. italienische Personen in Deutschland oder Aussagen über das Land im Dialog, zum Thema haben.

Die letztgenannte Kategorie hat sich beim Sichten von deutschen Filmen ergeben, die von ihrem Inhalt im Grunde nichts mit Italien zu tun haben. Es wurde mit der Zeit deutlich, daß mit diesen Filmen ebenfalls die Italiensehnsucht der Deutschen widergespiegelt wird, da der überwiegende Teil der Filme das Thema Italien streift, sei es durch italienische Filmfiguren oder als Aussage über Italien oder sei es die Vermischung des deutschen Lebensstils mit italienischen Elementen. Oft ist es nur ein einzelner Satz, mit dem Italien berührt wird. Aber auch dieser kleine Satz spiegelt ein bestimmtes Bild wider und suggeriert dem Zuschauer: So ist Italien, so sind seine Bewohner.

Im folgenden werden beide Formen - Italien als wesentlicher Bestandteil des Films und als einzelne Aussage - getrennt voneinander untersucht. Die Reisegeschichte der Deutschen sowie der Schlager der Zeit sind eng mit den Filmen verknüpft und werden deshalb in einzelnen Punkten detailliert behandelt.

2. Auswahl des Untersuchungsmaterials

2.1. Erläuterung des Quellenlage

Die 50er Jahre gelten als unrühmliches Blatt in der deutschen Filmgeschichte und sind daher ein ungeliebtes Kind in Literatur und Kritik. In der Literatur über deutsche Filmgeschichte wird die Zeit der 50er Jahre - von den Trivialfilmen ganz zu schweigen - oft nur kurz und ungern behandelt, um dann schnell auf den vorzeig­baren Neuen Deutschen Film der 60er Jahre überzugehen.

Die meisten Informationen zu diesem Thema mußten daher den Filmzeitschriften jener Jahre, Filmblätter sowie Filmillustrierte, später Filmwoche (ab 1962 im Verbund mit Filmecho), als auch Film-Dienst und Evangelischer Film-Beobachter entnommen werden. Eine wertvolle Hilfe, insbesondere in bezug auf Außenauf­nahmen, bot der Deutsche Spielfilm-Almanach 2 von Dr. Alfred Bauer[4], der einen Überblick über deutsche Filme bis 1955 liefert. Leider ist der Band, der die Folge­jahre behandelt, z.Zt. laut Auskunft des Winterberg-Verlags immer noch in Arbeit und wird vielleicht in den nächsten Jahren erscheinen, so daß für diesen Zeitraum lediglich auf die Zeitschriften zurückgegriffen werden konnte.

Auch die Filme der 50er Jahre sind im großen Rahmen schwer zu beschaffen. Öffentliche Videoverleihe führen diese selten, und auch im wissenschaftlichen Bereich[5] ist nur ein Bruchteil aus diesen Jahren vorhanden. Man ist daher ange­wiesen auf die Auswahl der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanstalten, bei denen diese Filme zum wöchentlichen Repertoire gehören. Die in dieser Arbeit behandelten Filme sind zum größten Teil dem Fernsehprogramm der letzten Jahre entnommen.

Diese Quellenlage ergibt eine differenzierte Bearbeitung der beiden Filmblöcke. Während die Filme für Punkt 6 willkürlich gewählt wurden, d.h. je nach Aus­strahlung im Fernsehen oder Verfügbarkeit durch öffentliche Videotheken, und nur ein Bruchteil der Filme aus der Zeit bearbeitet werden konnte, so ergibt sich bei Punkt 5 ein anderes Bild. Hier wurde anhand der genannten Literatur eine vollstän­dige Übersicht angestrebt, wobei diese Vollständigkeit sicherlich nicht lückenlos erreicht ist, da nicht alle Inhaltsangaben der Filme auf die Italienabstecher eingehen und nicht immer in den Filmzeitschriften Hinweise auf Außenaufnahmen verzeichnet sind.

2.2. Geographische Eingrenzung Italiens

Bei der Bearbeitung mit dem Thema ergaben sich im Laufe der Filmsichtung ”Grenzprobleme”, d.h. Personen und Handlungen in Filmen, die in grenznahen Gebieten spielen, sind nicht immer eindeutig einer Nationalität zuzuordnen. Besonders deutlich wird dies im Grenzgebiet Italien-Schweiz, speziell am Lago Maggiore und am Luganer See. Beide oberitalienischen Seen, die bei den deutschen Reisenden der 50er Jahre sehr beliebt waren und dementsprechend häufig im Film vertreten sind, erstrecken sich in die Schweiz. In den jeweiligen Film­handlungen, wie z.B. in Conny und Peter machen Musik (BRD 1960, Werner Jacobs), gehen schweizerische und italienische Bezüge ineinander über, so daß eine länderspezifische Zuweisung subjektiv gefärbt wäre.

Ebensowenig eindeutig italienisch ist Südtirol mit Meran und den Dolomiten. Aus dem eigentlich zu Österreich gehörenden Teil wurde infolge der Pariser Vorort­verträge 1919 eine autonome italienische Region, behielt aber mehrheitlich die deutsche Sprache. Auch die Kultur ist der deutschen bzw. österreichischen verwandter als der italienischen, so daß der Zuschauer bei Verwendung Südtirols als Filmhandlungsort eher den Eindruck hat, daß er einen deutschen Heimatfilm sieht, als daß er sich in Italien wähnt (z.B. Mein Schatz ist aus Tirol 1958, Hans Quest).

Die Dolomiten liefern in der Mehrzahl die Kulisse für ernste Heimatfilme, die mit dieser Landschaft die Dramatik des Geschehens unterstreichen wollen. Explizite Verweise auf Italien durch Personen, Sprache, Gestaltung des Wohnraums oder Bräuche sind in den letztgenannten Filmen nicht festzustellen; nichts weicht von dem üblichen Heimatfilmschemata ab.

Lediglich die Filme, die die österreichisch-italienische Grenze zum Thema haben, enthalten italienische Rollen. In der Regel sind diese auf der Seite der ”Bösen”, so z.B. in Der Adler vom Velsatal (BRD 1956, Richard Häußler), wie es auch die Kritik bemängelt: ”Jeden Bösewicht erkennt man im übrigen daran, daß in seinen Adern italienisches Blut fließt. Und die rechtschaffenen Leute, ja, das sind halt die Öster­reicher. So muß das wohl sein, dort unten an der Grenze. Oder?”[6] Es wäre sicher­lich interessant, deutsche bzw. österreichische im Grenzmilieu spielende Filme mit italienischen zu vergleichen, die ebenfalls dieses Thema haben, und zu unter­suchen, wie die Rollenstrukturen der ”Fremden” jeweils aufgebaut sind. Da in diesen Filmen der Hauptteil der Handlung im österreichischen Gebiet stattfindet und die spezielle Grenzproblematik das Bild von Italien und seinen Bewohnern stark beeinflußt, werden sie nicht näher untersucht.

Ein weiterer besonderer Fall ist die Riviera. Man kann hier zwar in den meisten Fällen an kleinen Sprachbrocken erkennen, ob die italienische oder die franzö­sische Riviera gemeint ist; letztendlich ist es aber bedeutungslos, da die Riviera gegen Ende der 50er Jahre nationalitätenunabhängig ein Eigenbegriff wird für Orte, in denen die Reichen und die Schönen verkehren, also sozusagen ein Synonym für High Society oder Jet-Set. Dies zeigt auch die Produktionsgeschichte des in dem französischen Hafenstädtchen Saint Laure-sur-Mer spielenden Films Du bist wunderbar (BRD 1959, Paul Martin) mit Caterina Valente. Da Schwierigkeiten durch die Gewerkschaften die Außenaufnahmen behinderten, wurden die Dreharbeiten kurzerhand nach La Spezia und Umgebung verlegt[7].

Es ist heute schwierig nachzuvollziehen, inwieweit der deutsche Zuschauer die geographischen Gegebenheiten länderbezogen eingeordnet hat. Aus diesem Grund werden Filme, deren Schauplatz in den genannten Gebieten liegt, in der Unter­suchung nicht beachtet, sofern der Ort nicht eindeutig als italienisch definiert ist.

3. Die Deutschen reisen / Italien als Reiseziel Nr. 1

”Endlich Urlaub - Die Deutschen reisen”, so nannte sich 1996 eine Ausstellung über die Entwicklung des Tourismus in Deutschland[8]. Dieser Titel beinhaltet eine Aussage, die heute für jeden arbeitenden Menschen selbstverständlich ist. Dabei wird kaum daran gedacht, daß sowohl der Urlaub als auch das Reisen für jeder­mann Errungenschaften des 20. Jahrhunderts sind.

Ursprünglich war es ein Privileg der oberen Klassen, die für dieses Vergnügen die nötige Zeit und das nötige ‘Kleingeld’ hatten. Das verdeutlicht auch die ursprüng­liche Bedeutung des Wortes ”Tourist”, das um 1830 aus dem Englischen über­nommen wurde und damit einen Reisenden bezeichnet, “der zu seinem vergnügen, ohne festes ziel, zu längerem aufenthalt sich in fremde länder begibt, meist mit dem nebensinn des reichen, vornehmen, unabhängigen mannes”[9].

Touristische Reisen waren vor dem 19. Jahrhundert eher eine Seltenheit. Ursprüng­lich war das Reisen immer mit einem Zweck verbunden. Es gab die Geschäftsreise, um Handelsbeziehungen zu knüpfen, die Handwerkerreise, um Erfahrungen zu sammeln, oder auch die Vagantenreise, d.h. reisende Gaukler, Artisten, Spiel- und Theaterleute. Nach der Pilgerreise zur Erlangung des Seelenheils, die vor allem im Mittelalter dominierte, folgten die Kavaliersreise, die zur Bildung des ”Mannes von Welt” im 16./17. Jahrhundert beitrug, und die Gelehrtenreise, die zum Pflicht­programm des kunstschaffenden Menschen gehört und dessen berühmtestes Beispiel in Deutschland die Italienische Reise von Goethe ist. Besonders für die letzten drei Formen des Reisens war Italien eines der wichtigsten Ziele. Zum einen war die Hauptstadt Rom der Mittelpunkt der christlichen Kirche, zum anderen galt es als ”Mutterland der Künste”[10]. Seine vielen Altertümer und seine Bedeutung für die Kultur des Abendlandes machten es zum unverzichtbaren Bestandteil der Bildung des adligen Menschen sowie des Künstlers.

Ab dem 19. Jahrhundert allerdings traten die pädagogischen und wissenschaft­lichen Zwecke für eine Reise in den Hintergrund und Bade- und Erholungsreisen wurden populär, d.h. der ”Tourismus” begann. Neben der Suche nach Kunstdenk­mälern stand die Sehnsucht nach dem Süden, wo man bis zum 1. Weltkrieg aber noch nicht Sonne und Strand, sondern idyllische Landschaften und ein ange­nehmes Klima zu finden hoffte. Auch Heilquellen waren Anziehungspunkte für Reisende. In Italien konnte der Reisende dies alles finden, so daß die Beliebtheit dieses Landes erhalten blieb.

Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts verlagerte sich das Gewicht fast voll­ständig von den Bildungs- auf Erholungsreisen. Sonne und Strand sind die Hauptattraktionen einer Reise und an der heimgebrachten Sonnenbräune wird ein erfolgreicher Urlaub demonstriert. Die Besichtigung der Kunstdenkmäler erfolgt dabei auch heute noch vordienlich zum Zwecke des Fotografierens, um Beweise für den Besuch der fremden Länder mit nach Hause zu nehmen. Gefördert wurde diese Entwicklung dadurch, daß besonders nach dem 2. Weltkrieg das Reisen für alle Schichten der Bevölkerung möglich war und sich nicht mehr auf höhere, gebildete Schichten beschränkte. Ein Grund für die Entwicklung Italiens zum Urlaubsland schlechthin bis in die 80er Jahre unseres Jahrhunderts hinein, war in dem Zusammenhang sicherlich auch, daß eine Reise dorthin bis Mitte des 20. Jahrhunderts - mit wenigen Ausnahmen - ein Privileg der Reichen war, welches nun auch der einfache Mann für sich beanspruchen wollte.

Daß an diesem Luxus jedermann teilnehmen konnte, wurde durch die Industria­lisierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts ermöglicht. Die neu entstandenen Verkehrsmittel wie Eisenbahn und Dampfschiff bewirkten, daß das mühselige Reisen per Pferd oder Kutsche ersetzt und schneller, bequemer und letztendlich auch günstiger wurde. Parallel dazu gab es Ansätze, dem einzelnen auch die Zeit für Reisen zur Verfügung zu stellen. 1874 wurde durch das Reichsbeamtengesetz erstmals abhängig Beschäftigten Anspruch auf Urlaub gewährt[11]. Im privatwirt­schaftlichen Bereich war es die Firma Siemens, die 1873 ihren leitenden Angestellten 14 Tage Urlaub zugestand[12].

Am Beispiel Siemens verdeutlicht sich, daß zu der Zeit Urlaub noch eine Frage der Klassenzugehörigkeit war, da die Arbeiter der Firma erst 35 Jahre später in die gleiche Lage versetzt wurden[13]. Diese hatten sich damit zu begnügen, daß 1895 die Sonntagsruhe eingeführt wurde, so daß ihnen wenigstens ein Tag in der Woche blieb, um sich zu erholen[14]. Arbeitszeitverkürzung war bis zum 1.Weltkrieg das oberste Ziel der Gewerkschaften; erst nach dem Krieg wurde die Urlaubsregelung in den Tarifverträgen vorangetrieben. In der Weimarer Republik war das ”Recht auf Urlaub” in fast allen Tarifverträgen enthalten. 1929 bedeutete dies, daß von 35 Mio. Beschäftigten 12 Mio. über bezahlten Urlaubsanspruch verfügten, wobei allerdings der Urlaub zum Teil lediglich drei Tage im Jahr bedeuten konnte[15]. Erwerbstätige Frauen waren dabei noch völlig ausgeschlossen. Längere Urlaubsreisen waren demnach auch zu dieser Zeit noch Privileg der gehobenen Schichten, zu denen allerdings nun auch Bürger, speziell die wohlhabenden, zählten.

In der NS-Zeit versuchte der Staat durch die Gesellschaft ”Kraft durch Freude” (KDF), die ursprünglich als Vereinsersatz gedacht und nach dem italienischen Vorbild “Dopolavoro” (übersetzt: ”nach der Arbeit”) entstanden war, auch die Arbeiter an Urlaubsfreuden zu beteiligen, indem preisgünstig Urlaubsreisen ange­boten wurden. Verkehrsmittel war in erster Linie die Bahn. Im Februar 1934 fuhren die ersten Arbeiter mit dem ”KDF-Zug” in den Urlaub, wobei hauptsächlich inlän­dische Ziele angesteuert wurden[16]. Am 2. Mai 1934 stach das erste Urlaubsschiff in See[17], im Herbst 1937 ging es das erste Mal nach Italien, sowohl mit Schiff als auch mit der Bahn[18]. Italien erwies sich hier nicht nur als das Land der Sehnsucht, auch die aktuelle politische Verflechtung hatte ihren Teil dazu beigetragen, daß u.a. von 1937 bis 1939 ca. 95.000 Deutsche mit dem Schiff nach Italien fuhren[19]. Neben den organisierten Reisen gab es weiterhin den Individualtourismus, wobei beides 1943 nach Auseinanderbrechen des Bündnisses der beiden Länder zum vorläufigen Stillstand kam.

Wenn es den Nationalsozialisten letztendlich aber auch nicht gelungen war, Urlaub für alle Schichten einheitlich zu ermöglichen - Schätzungen gehen davon aus, daß nur 5% aller Arbeiter am gesamten Fremdenverkehr der 30er Jahre teilgenommen haben[20] -, so hatten sie doch den Grundstein gelegt für das Massenreisen, das in den 50er Jahren zur vollen Entfaltung gelangte. Nach den ersten entbehrungs­reichen Nachkriegsjahren setzte sich immer mehr der Urlaub für die gesamte Bevölkerung durch. Dabei trügt nach Axel Schildt das Bild, daß in den ‘goldenen 50er Jahren’ jedermann reisen konnte und dies auch getan hat (insbesondere ins Ausland):

Ähnlich prägewirksam...ist für das Porträt von den 50er Jahren der in italienischer Chianti-Pseudoromantik schwelgende Urlauber. Durch die detaillierte Auswertung der zahlreichen zeitgenössischen demoskopischen Untersuchungen und der Reiseprospekte aus jenem Jahrzehnt ergab sich ein gänzlich anderes Bild. Erst Mitte der 50er Jahre - später also als die wirt­schaftliche Gesamtentwicklung - übertraf der Urlaubs-Fremdenverkehr den vor dem Zweiten Weltkrieg erreichten Stand; nur ein Viertel der Bevölkerung unternahm Mitte der 50er Jahre eine Urlaubsreise, ca. ein Drittel war es am Ende des Jahrzehnts, und von diesem Drittel wiederum reiste ein Drittel ins Ausland, meistens in die deutschsprachigen Nachbarländer.[21]

Es begann jedoch in diesem Zeitraum eine Reisewelle, die seitdem nicht mehr abgeebbt ist. 1950, das Jahr, in dem die Lebensmittelkarten abgeschafft und bei vielen Großstadtkindern noch Zeichen von Unterernährung festgestellt wurden, fiel Urlaub noch unter Luxus. Die Fremdenverkehrswerbung richtete sich zum großen Teil an das alte Klientel des bürgerlichen und mittelständischen Publikums. Nur 21% aller Bundesbürger hatten im Jahr zuvor Urlaub gemacht[22] und davon 5% im Ausland[23].

Im Jahr 1952, wo nach einer Umfrage als größter Herzenswunsch der Befragten ”Reisen!” genannt wurde[24], belief sich die Zahl derer, die bereits eine 14-tägige Urlaubsreise gemacht hatten, auf 9,3 Millionen (jeder 4. Bundesbürger), 1,4 Millio­nen davon im Ausland[25]. Vor allem der Drang, ins Ausland zu reisen, machte sich in den nächsten Jahren bemerkbar. Bis 1955 hatten 20% der Bevölkerung das Ausland besucht[26]. Gebremst wurde dieser Drang durch die Grenzen und die daraus entstehenden Schwierigkeiten: Beschaffung von Visa, Einschränkung der Devisen, Notwendigkeit eines Reisepasses. Auch die Reisefreiheit war einge­schränkt, denn 1954 waren erst 13 europäische Länder für die Deutschen zugänglich[27].

Außer Österreich war vor allem Italien das Auslandsurlaubsziel: Allein 1954 fuhren fast 2 Millionen Deutsche in das Land jenseits der Alpen, ”die Italienreise geriet zum Statussymbol, das immer breitere Schichten der Bevölkerung erstrebten.”[28] Für 32% war 1955 Italien bei einer Umfrage das Traumziel und im Jahr 1958, als nur ein Drittel aller Bundesbürger jemals eine Reise gemacht hatten, waren bereits 10% in Italien gewesen[29].

Die klassischen Ziele waren wie in der Vergangenheit Venetien mit der magischen Stadt Venedig, die oberitalienischen Seen wie Lago Maggiore, Comer See oder auch Gardasee, die Toskana mit Florenz und Pisa, Rom und der Golf von Neapel einschließlich der vorgelagerten Inseln, von denen Capri eine herausragende Stellung einnahm. Durch die veränderten Reisemotive, d.h. Stranderholung statt Kultur, wurden die Adria und die Riviera im 20. Jahrhundert die häufigsten Anlauf­ziele.

Die Beliebtheit Italiens hatte u.a. auch ihren Ursprung in der Tatsache, daß es zu den südlichen Ländern gehört, die von Deutschland aus verkehrstechnisch gut zu erreichen sind. Zu Beginn der 50er Jahre, als nur jeder 100ste Bundesbürger ein Auto besaß (1950)[30], waren die vorherrschenden Verkehrsmittel im Urlaub die Bahn oder der Bus. Als bekanntestes Reiseunternehmen ist hierbei die TOUROPA zu nennen, die 1948 als ”Arbeitsgemeinschaft der Gesellschaftsreisen” gegründet wurde und seit 1951 unter dem neuen Namen einer der wichtigsten Anbieter für Pauschalreisen wurde. 1955 gab es bereits eine Million solcher Reisen[31], die als besonders ideal ”für jüngere berufstätige Frauen aus den Großstädten, meist Angestellte”[32], empfunden wurden. Mitte der 50er Jahre wurde als Ergänzung zur Bahn ein Europabusnetz aufgebaut. Gute Urlaubsverbindungen als auch der wachsende Komfort der Busreisen ließen diese Reiseform zu einer festen Institution für den Urlaub werden.

Letztendlich ließ sich aber auch durch mehr Komfort bei Bus und Bahn nicht vermeiden, daß sich bis zum Ende des Jahrzehnts der Schwerpunkt auf den Autoverkehr verlagerte, zumal der wachsende Wohlstand immer mehr Haushalten erlaubte, sich ein Auto zuzulegen: 1960 hatte bereits jeder Zwölfte dieses Fort­bewegungsmittel[33]. 1954 nahmen 16% der Urlauber den eigenen PKW, 56% die Bahn und 17% den Bus (Flugreisen begannen erst in den 60er Jahren populär zu werden)[34], 1960 hatte sich der PKW-Urlaubsverkehr auf 38% verdoppelt, zu Lasten der Bahn, die nur noch 42% der Urlauber beförderte[35]. Besonders Italien war ein beliebtes Ziel der Autotouristen, 1954 z.B. wurde die Italienreise zweimal öfter per Straße als per Schiene angetreten[36].

Eine Reiseform hing besonders mit diesem Fortbewegungsmittel zusammen: Camping. Obwohl es bereits in der NS-Zeit Campingplätze gab - 1938 waren es laut ADAC ca. 200 sogenannte Zeltlagerplätze[37] - galt Campen in den 50er Jahren als modern und seine Anhängerschaft wuchs stetig, wobei der Boom erst in der zweiten Hälfte der 60er Jahre stattfand. Am Anfang der 50erJahre war es haupt­sächlich der städtische Mittelstand, der auf diese Weise seinen Urlaub verbrachte, da einerseits ein Auto oder Motorrad erforderlich war und andererseits keine großen Geldausgaben nötig waren, u.a. in Italien auch dadurch, daß wildes Campen erlaubt war. Bis zum Ende der 50er Jahre wurden spezielle Autos für diese Reiseform hergestellt, wie z.B. ”Janus” von Zündapp, in dem sich die Sitzbänke zu einer Liege­fläche umfunktionieren ließen. Bezeichnend ist, daß in dem Werbefilm für dieses Auto eine Urlaubsreise nach Italien gezeigt wurde[38].

Auch in den 50er Jahren gab es typische Bevölkerungsgruppen, die in den Urlaub fuhren; hauptsächlich waren es städtische Ein- bis Drei-Personenhaushalte[39]. Zudem gab es immer noch Unterschiede in bezug auf die Schichtzugehörigkeit. Die ”Chance, Tourist zu sein”, erhöhte sich mit der sozialen Besserstellung. Arbeiter, besonders Landarbeiter, rangierten in der Einteilung ganz unten, Angestellte und Beamte regierten das Mittelfeld und freie Berufe hatten die besten Chancen[40]. Weiterhin war Reisen abhängig vom Alter - mit zunehmendem Alter nahm es ab - und von Bildung - je höher die Bildung, desto größer die Reisefreudigkeit[41]. Zusammengefaßt bedeutet es, daß das vorrangige Reisepublikum jung, städtisch und gebildeter Mittelstand war, ein Bild, das auch von der Filmindustrie aufge­nommen wurde, was in den folgenden Kapiteln zu zeigen sein wird.

In die Beliebtheit Italiens mischten sich mit der Zeit auch kritische Töne. Besonders gegen Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre, einer Zeit, in der ein relativ großer Teil der Bevölkerung im Vergleich zu den Jahren davor Italien persönlich kennengelernt hatte, bekam das idealisierte Bild Arkadiens die ersten Risse. In einer Umfrage von 1961, in der es darum ging, in welchem Urlaubsland sich der Bundesbürger wohl fühlt bzw. nicht wohl fühlt, stand Italien in beiden Fällen in den oberen Positionen, in der positiven Frage an zweiter Stelle hinter Österreich und in der negativen an erster Stelle[42] ! Daß die Reise in den Süden auch den Zweck des Urlaubes erfüllte, zweifelte ein Artikel in Die Zeit von 1957 an: ”Warum geht der Städter nicht aufs Land und arbeitet bei den Bauern? Er käme erholt und gesünder nach Hause, als wenn er sich im Autobus in derselben Zeit durch Italien fahren läßt.”[43]

Trotz dieser und vieler weiterer Negativschlagzeilen, die u.a. auch durch den Massentourismus hervorgerufen wurden, blieb Italien in den nächsten Jahrzehnten beliebtes Reiseziel der Deutschen. Mitte der 80er Jahre nahm es vor Österreich den ersten Platz in der Rangliste der Urlaubsorte ein[44]. Die wachsende Reiseform des Fliegens führte in den folgenden Jahren aber dazu, daß weitere südliche Länder gut erreichbar waren und Spanien Italien den Rang ablief. Besonders der Pauschal­tourismus verlagerte sich nach Spanien inklusive der Balearen, so daß Italienreisen in der heutigen Zeit einen weiteren Wandel erfahren haben: Es ”ist ein Trend zu einem selektiven, hochwertigen Tourismus erkennbar. Da das bloße Baden und Bräunen inzwischen anderswo in Europa oder sogar in der Karibik billiger zu haben ist, tritt in Italien der kulturelle Aspekt der Reise wieder in den Vordergrund, mit dem die deutsche Italiensehnsucht einst begann.”[45]

Die hauptsächlichen Argumente, mit denen von jeher das Nichtreisen begründet wird, sind Geld- und/oder Zeitmangel. In den 50er Jahren spielte ein weiterer Hinderungsgrund, speziell bezogen auf Reisen ins fremdsprachige Ausland, eine wesentliche Rolle, der allerdings nicht so offen eingestanden wurde: Viele Bundes­bürger und insbesondere die einfachen, ungebildeten Schichten wußten nicht, was sie erwartet, und hatten Angst vor dem Fremden, d.h. vor Sprache, Menschen und Sitten. Durch Massenmedien, Urlaubsberichte und auch durch die Gastarbeiter, die seit 1955 in Deutschland waren, wurden im Laufe der Zeit erste Bilder und Vorstel­lungen vermittelt, die aber rasch zu Klischees verkamen. Dadurch wurde zwar dem einzelnen erleichtert, eine Reise in die Fremde zu wagen; sie führten aber auch dazu, daß der Reisende die Vorstellungen, die er von diesem Land hatte, selten in Frage stellte und eigene Erfahrungen nur noch in dieses Schema einzuordnen versuchte.

Im folgenden sollen speziell die Bilder der Massenmedien, in diesem Fall der Film, untersucht werden, die sicherlich entscheidend für vorgeformte Meinungen und Schemata gesorgt haben. Die Sonderrolle, die Italien in jener Zeit und von jeher spielte, prädestiniert dieses Land für eine derartige Untersuchung, da einerseits in einem Großteil der Filme der 50er und 60er Jahre Italienbilder in irgendeiner Form vermittelt wurden und andererseits diese Bilder durch den Italienreiseboom über­prüft und korrigiert werden konnten. Interessant ist es dabei zu sehen, inwieweit diese neu geformten Meinungen erneut in den Massenmedien, hier im Film, Zugang fanden.

4. Der Schlager

Ein weiteres populäres Medium in den 50er Jahren war der deutsche Schlager. Dieser trug ebenfalls - und vielleicht sogar in erhöhtem Maße - zu den Vorstellungen von Italien und zur Herstellung von Klischees bei. Die Texte erzählten von ‘Amore’, strahlender Sonne und blauem Himmel oder kristallklaren, warmen Nächten mit glänzendem Mondenschein, von südlicher, blühender Landschaft und entspanntem Alltag der Bewohner, und nicht zu vergessen, von den leiblichen Genüssen dieses Landes. Dem roten Wein, bzw. dessen bekanntester Sorte, wurde eigens ein Lied gewidmet: ”Ja, ja, der Chianti-Wein” (1940, Autoren Winkler/Siegel). Die Entstehungszeit dieses Schlagers zeigt, daß die verstärkte Italienfaszination der 50er Jahre bereits in der Kriegszeit ihre Wurzeln hatte. Zu der Zeit wurde sie haupt­sächlich über Schlager transportiert: ”Oh mia bella Napoli” (1937, Autoren Winkler/Siegel), ”Wenn in Florenz die Rosen blühn“ (1940, Autoren Winkler/Siegel), ”Frühling in Sorrent” (1940, Autoren Winkler/Siegel) oder auch ”Steig in die Gondel” (1940, Autoren Böhmelt/Buch). Italien ist in all diesen Liedtexten ein noch exotisches Traumparadies, das unerreichbar irgendwo im Süden liegt und wo es auf jeden Fall schöner ist als daheim.

Diese Exotik findet sich ebenfalls in Operetten, deren erfolgreiche Lieder die Vorläufer[46] und Namensgeber der Schlager waren: ”Der Ausdruck ‘Schlager‘ war demnach bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gebrauch und diente zunächst als Bezeichnung für mitreißende, offenbar meist textierte Musiknummern, die - wie das Wort sagt – besonders ‘einschlugen‘. Solche Erfolgsnummern stammten vorwiegend aus Operetten und Revues”[47]. Die bevorzugten Handlungs­orte lagen bei diesen allerdings in den Hauptstädten Europas, wo sich das gesell­schaftliche Leben der oberen Gesellschaftsschichten abspielte, wie Wien, Paris und Berlin. Italien spielte eine eher untergeordnete Rolle.

Weitere Vorläufer waren neben den Operetten Marktlieder und Bänkelgesang des Mittelalters und später das Singspiel und die Volkslieder, deren populärsten Exemplare “Gassenhauer” genannt wurden. Auf eine kurze Formel gebracht bedeutet es: ”Alle Strömungen der Unterhaltungsmusik münden ein im Schlager­lied.”[48]

Die Gassenhauer hatten spezielle Ähnlichkeit mit dem Schlager, da sie kommer­zialisiert waren, d.h., sie waren nicht mehr nur Liedgut, das vom Volk gesungen wurde, sondern sie wurden, ermöglicht durch den technischen Fortschritt, als Verkaufsware gehandelt. Die Technik ist ein Faktum, welches untrennbar mit dem Schlager zusammenhängt. Das betrifft nicht nur die Tonträgerproduktion sowie die Einführung des Rundfunks 1923, die es ermöglichte, Lieder über große Ent­fernungen hin ohne Zeitverzögerung bekannt zu machen; auch der Tonfilm war wesentlich an der Entwicklung des Schlagers beteiligt. In den 30er und 40er Jahren waren es hauptsächlich Lieder aus Filmen, die bei der Bevölkerung beliebt waren, und viele Filmstars wurden zu Schlagerstars. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Film Die große Liebe (D 1942, Rolf Hansen) mit Zarah Leander und ihren noch heute berühmten Hits ”Davon geht die Welt nicht unter” und ”Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen”. Dieser Film, einer der erfolgreichsten[49] in der Kriegszeit, nutzte bereits die Italiensehnsucht und ließ einen kleinen Teil der Handlung in Rom spielen. Kurz darauf schloß Italien Waffenstillstand mit den Alliierten, und alles Italienische war nicht mehr erwünscht. Das Lied ”Caprifischer”, 1943 von den Spezialisten für Italienschlager, Gerhard Winkler und Ralph Maria Siegel, produziert, hatte erst nach Kriegsende die Möglichkeit, populär zu werden. Es folgten ”Florentinische Nächte” (1948, Autoren Dostal/Meder) sowie ”Im Hafen von Adano” (1948, Pelosi/Feltz). Auch in diesen Liedern war nicht so sehr Italien selbst für den Erfolg verantwortlich als vielmehr der Hauch der Exotik, der von diesen Orten ausging: ”Capri, Florenz und Hawaii wurden von den Schlager­machern lediglich als imaginäre Ziele, als Reiz(w)orte der Wirklichkeitsflucht verstanden”[50]. Daher war es unbedeutend, ob die Orte reale Bezugspunkte waren oder nicht - Adano z.B. war ein erfundener Ort, bei dem nur der exotische Klang wichtig war -, entscheidend war die Sehnsucht danach, die durch die beiden Sänger Rudi Schurike und René Carol stimmlich ausgezeichnet verkörpert wurde.

Diese Irrelevanz von Realitätsbezügen zeigen ebenfalls die ersten Musikfilme, die in Italien spielten, wie Hochzeits­nacht im Paradies (1950), Die Csardasfürstin (1951), Sensation in San Remo (1951). Zwar wurde der Handlungsort dieser auf Operettenvorlagen basierenden Filme zugunsten Italiens verändert[51], aber zu sehen ist von Italien hauptsächlich die traumhafte Landschaft. Das speziell italienische Flair zeigte sich erst in den Filmen ab 1953. In diesem Jahr nahm Italien als Land konkrete Formen an in dem Schlagerfilm Südliche Nächte, der im Wetteifern um die Gunst der Zuschauer auf die bekannten Italienlieder des Komponisten Gerhard Winkler setzte. In dieser Phase allerdings war der Film dem Schlager voraus, der konkrete Italienvor­stellungen erst Mitte der 50er Jahre, z.B. mit ”Komm ein bißchen mit nach Italien” (1955, Autoren Feltz/Gietz), vermittelte. Dabei wurden sowohl Reisende als auch Nichtreisende bedacht: Entweder sang man ”Es war so schön in Italien” (1956, Autoren Scharfenberger/Busch/Rauch) oder ”Ja, für eine Fahrt ans Mittelmeer (gäb ich meine letzten Mittel her)”(1955, Autor Gaze). Letzteres sangen wohl die meisten und mußten sich mit den Bildern begnügen, die die Schlager vermittelten. Die Sehnsucht nach diesem Traumland allerdings blieb und wurde durch jeden weiteren Schlager nur verstärkt: ” Also, wenn das Haus wieder heil ist oder die Wohnung, und wir haben die Fenster wieder eingesetzt, und Vater hat die Jacke, und der Tochter kaufen wir noch einen neuen Rock, und dann noch vielleicht der Mantel für Mutter, und ein neuer Herd muß auch noch sein, und wenn das alles bezahlt ist, wenn wir das haben und wir haben uns so richtig sattgegessen, dann - dann fahren wir nach Capri.”[52]

Diejenigen, die reisten, fuhren mit vorgeprägten Bildern: ”Man hat nicht viel mehr im Kopf als die Urlaubsträume der Schlager-, Film- und Illustriertenindustrie.”[53] Das führte dazu, daß die Urlauber nur an der Erfüllung der durch Schlager geweckten Sehnsüchte interessiert waren und an Italien als eigenständiges Land an sich kein Interesse zeigten. ”Das ungezwungene Leben unter südlicher Sonne, die ausge­dehnten Abende unter freiem Himmel vermittelten so viel Exotik, Ungebundenheit und Freiheit, daß direkte Kontakte mit den Gastgebern nicht mehr nötig erschienen. Es genügte, den Duft italienischen Lebens zu spüren.”[54] Die Reisen in den 50er Jahren verdeutlichen dieses. Sie hatten weniger die bekannten und im Schlager besungenen Städte und Gegenden, wie den ”Norden, die Gegend von Neapel und Sizilien” als auch die Großstädte ”Venedig, Neapel, Rom und Mailand”[55] als Ziel als die Adria und die Riviera. Wichtig war nicht der Ort, wichtig war das italienische Flair, das mit blauem Meer, der Sonne sowie dem Wein ausreichend verkörpert wurde.

Der Italienschlager hat neben den drei textlichen Möglichkeiten, ”a) der Schlager transportiert eine Geschichte oder Situation, die in Italien spielt; b) Italien wird selbst zum Thema; c) der Text wird mit italienischen Ausdrücken ‘angereichert‘”[56] noch die Möglichkeit, über die Musik italienisches Flair zu vermitteln. Vorrangig ist dabei das Arrangement, das die ”rhythmische, harmonische und instrumentale Aufmachung eines Titels”[57] bezeichnet. Die instrumentale Aufmachung ist für den Italien-Schlager besonders wichtig. Durch die Nutzung der Mandoline als exotischem, in deutschen Liedern nicht gebräuchlichem Instrument, das durch seine Herkunft auf den Mittelmeerraum verweist, bekommt er seine spezielle, folkloristische Note. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Vergleich von zwei zeitlich ausein­anderliegenden Schlagern, in denen die Mandoline besungen wurde. Während 1958 ”Mandolinen und Mondschein” (Autoren Weiss/Schroeder) noch für eine romantische Liebesnacht standen, wich die Romantik 1973 in ”Mandolinen um Mitternacht (haben mich um den Schlaf gebracht)” (Autoren Siegel) einer Lärm­belästigung.

Ein weiteres gern genutztes Instrument in den Italien-Schlagern ist die Geige, da ”deren meist starker Hallzusatz zusammen mit den langgezogenen Glissandi den Rezipienten nach und nach in jene gerührte Stimmung versetzen, die am Ende Gefühlen wie Sehnsucht, Fern- und Heimweh freien Lauf läßt”[58].

Wie hier bereits angedeutet, erreicht das Arrangement die Psyche des Menschen; es steht fest, ”daß akustische Signale in der Psyche des Menschen unkontrollier­bare Reaktionen hervorrufen können.”[59] Von unkontrollierbaren Reaktionen kann man bei dem Einsatz von italienischem Kolorit in Schlagern allerdings nicht sprechen. Die Folge, daß viele Deutsche den Wunsch hatten, Italien zu besuchen, war eindeutig und gern gesehen. Sowohl der Komponist Gerhard Winkler als auch der Texter Kurt Feltz wurden in Italien ob ihrer Verdienste um den Fremdenverkehr mit Orden und Medaille geehrt[60].

Gerhard Winkler und seine Kompositionen, der zu dem Zeitpunkt, als er die Lieder über Italien komponierte, das Land selbst noch nicht bereist hatte, waren die Grundlage des ersten, in Italien spielenden Schlagerfilms Südliche Nächte (1953). Für die ersten Filme waren die Komponisten wichtig, aber sehr schnell verlagerte sich die Bedeutung auf die Interpreten der einzelnen Stücke. Mit Straßenserenade, ebenfalls 1953, läutete Vico Torriani die Ära der Sängerfilme ein, die gegen Ende der 50er Jahre von Filmen abgelöst wurden, in denen möglichst viele Interpreten irgendwelche (d.h. nicht zwangsläufig italienbezogen) aktuellen Hits vortragen durften. In diesen Filmen war es dann nicht mehr wichtig, ob die Lieder von Italien handelten oder nicht, wichtiger war, daß sie oben in der Hitparade zu finden waren. Die Entstehungsfolge eines Films änderte sich von ‘Erst Film, dazu die Schlager’ zu ‘Erst die Schlager, dazu irgendwie eine Rahmenhandlung, die einen Film ergibt’.

Die Vorrangstellung der Schlager gegen Ende der 50er Jahre wird ebenfalls an den Filmtiteln deutlich, die einfach die Schlagertitel übernahmen, selbst wenn diese mit der Handlung nichts zu tun hatten. Das Rezept war erfolgreich, was sicherlich an der veränderten Filmkundschaft lag, die in den späten 50er und beginnenden 60er Jahren zum großen Teil aus Jugendlichen bestand[61].

Immer am Puls der Zeit bleiben, das hatten Film und Schlager gemeinsam, worunter natürlich nicht verstanden wurde, real vorhandene Problematiken darzu­stellen, sondern diese zu verniedlichen, wie es auch in dem 1962 preisgekrönten Lied ”Zwei kleine Italiener” (1961, Autoren Bruhn/Buschor), gesungen von Conny Froboess, mit der Gastarbeiterproblematik vollzogen wurde: “Eine Reise in den Süden ist für andre schick und fein / doch zwei kleine Italiener möchten gern zuhause sein.”[62] In den Musikfilmen war diese Problematik nicht einmal ansatzweise vorhanden. Hin und wieder spielten zwar italienische Sänger mit, so wie Rocco Granata in dem nach seinem Erfolgsschlager betitelten Film Marina (BRD 1960, Paul Martin), aber zwischen berühmten Künstlern und einfachen Arbeitern war dann doch ein himmelweiter Unterschied.

Die Gemeinsamkeiten von Film und Schlager beschränkten sich nicht nur auf den ähnlichen Umgang mit aktuellen Zeitthemen, auch die Problematik ‘Anspruch oder Trivialität’ war bei beiden vorhanden. Dies zeigt sich deutlich in einer Aussage von Ralph M. Siegel von 1967: ”Der Laie kann nicht wissen, daß uns Autoren die Schlagerindustrie 15 Jahre lang immer wieder gepredigt hat, wenn wir ein besseres und gehobenes Schlagerlied anboten: Diese Nummer ist zu schwer, zu kompliziert, nicht populär genug für Lieschen Müller - mit einem Wort, zu gut”[63], eine Devise, die auch für die Filme der 50er Jahre galt. Die Grundeigenschaften des Schlagers, ”Einprägsamkeit, Verständlichkeit, Breitenwirkung und Unterhaltsamkeit“[64] waren dabei ebenso die Maximen der Schlager- als auch der Filmproduzenten wie auch die Kumulation von verschiedenen Motiven nach dem Motto ‘für jeden etwas’: ”Auf diese Weise wird ... jedes einzelne Glied einer breiten Konsumentenschicht, die sich aus individuell sehr verschiedenen Menschen zusammensetzt, scheinbar ganz persönlich angesprochen.”[65]

Der Erfolg der Kombination Schlager und Film gab ihnen recht: Schlagerfilme gehörten zu den wenigen Gattungen, die nach der Filmkrise von 1957 den Produzenten vorerst das Überleben sicherten[66], und noch 1975 ”gelten Filme mit Schlagerstars neben Sexstreifen ... als eines der letzten sicheren Erfolgsrezepte, um die Kinokassen klingeln zu lassen.”[67] Nach dem bekannten Produzenten Arthur Brauner zählten Schlagerfilme neben dem Monumentalfilm und der Literatur-Bestsellerverfilmung zu den Gattungen, ”die geschäftlich gesehen keine Enttäu­schung bereiten. [68] Dazu trug bei, daß man Schlagerfilme ohne großen Aufwand drehen konnte: ”Schlagersänger spielen die Hauptrollen, gelernte Schauspieler tauchen allenfalls als Chargen auf.”[69] Genau soviel - oder besser gesagt: wenig - Wert legte man auf den Regisseur oder das Drehbuch; wichtig und geldbringend waren allein die Schlagerhits. Fast alle der in den späten 50er/frühen 60er Jahren gedrehten Musikfilme sind nach diesem Schema entstanden.

Ein weiterer Punkt der Gemeinsamkeit war die Resonanz in der Öffentlichkeit. Obwohl (oder vielleicht: weil) beide Medien kommerziell gesehen in den 50er Jahren an der Spitze standen, waren sie ständig im Kreuzfeuer der Kritik. ”Flucht in die Innerlichkeit”, ”politische Resignation”, ”Scheinwelt”[70] oder ”mangelndes Niveau”[71] sind die Schlagwörter, die beiden immer wieder vorgeworfen wurden und werden. Aus heutiger Sicht jedoch gewährt die Trivialität von Schlager und Film, die beide Teile der Gesellschaft widerspiegeln, einen Einblick in Denk- und Sichtweisen des Normalbürgers. Die Feststellung von Wilfried Berghahn - “Schlagergeschichte ist Sozialgeschichte, auch wenn es vielen nicht gefällt” - läßt sich ebenso auf die Trivialfilme erweitern, genauso wie die Aussage, daß der Schlager ein ”Seismograph der Zeit, ein Abbild des in einer Gesellschaft vorherr­schenden Gemütszustandes ist”[72], womit ”allgemeine Stimmungen, Sehnsüchte und Vorstellungen”[73] umfaßt werden.

5. Filme mit Handlungsschauplatz Italien

Wie die beiden vorausgehenden Punkte zeigen, war Italien die Modeerscheinung der 50er Jahre, an der der deutsche Film nicht vorbeigehen konnte bzw. sicherlich auch nicht wollte. Für die Integrierung Italiens in die Filmhandlung werden vielfältige Gründe kreiert. Neben der Urlaubs- oder Erholungsreise gibt es das Künstler­engagement, die Reise aus beruflichen Gründen und die Reise als Gewinn, sowie Antritt einer Erbschaft. Selbst die einzelnen Etappen des zweiten Weltkrieges werden daran dokumentiert. Es ist Station auf der Reise von Emigranten, Kriegs­handlungsort und Schauplatz von militärischen Ehrungen. Zudem werden Kriegs­erinnerungen der angenehmeren Art präsentiert: Nach Ende des Krieges geht einerseits der deutsche Soldat auf die Suche nach der hübschen Italienerin, die ihm die harte Zeit versüßt hat, andererseits besucht die deutsche Hausfrau ihren alten italienischen Verehrer, der als Soldat nach Deutschland gekommen war - der Krieg als völkerverbindendes Ereignis.

Einige Orte oder Gegenden Italiens versinnbildlichen spezielle Themen. Venedig ist die Stadt der Verliebten nach dem Motto ”Wenn man nicht schon verliebt wäre, würde man es hier bestimmt werden” (in: Mandolinen und Mondschein (BRD 1959, Hans Deppe)) und das Ziel der Hochzeitsreisenden. Rom ist in den ernsten Filmen häufig Ziel der religiös Motivierten, und wenn Verbrechen verübt wurden, ist Genua - speziell der Hafen - nicht weit. Die Riviera bedeutet Luxus, während an der Adria der einfache Bürger Urlaub macht.

Der Filmschauplatz Italien ist nicht nur Reiseziel, sondern in einigen Filmhand­lungen auch Wohnort. Hierbei kann es sich sowohl um einen Wohnort von Deutschen - entweder Künstlern oder reichen Leuten - handeln, die ihren

(Zweit-)Wohnsitz in Italien haben, wie z.B. die High Society an der Riviera, als auch um den Wohnort von Italienern, die in diesem Fall von deutschen Schauspielern darge­stellt werden.

5.1. Chronologische Auflistung der in Gattungen eingeteilten Filme

Die Verwendung eines in Italien spielenden Handlungskomplexes hat sich nicht, wie man vielleicht aus der Erinnerung vermutet hätte, nur auf die Schlagerfilme bzw. Musikfilme jener Jahre beschränkt, sondern findet sich ebenso häufig in Dramen und Lustspielen wieder. Vereinzelt bedienen sich auch Kriminal-, Kriegs- und Heimatfilme der Modeerscheinung Italien. Filme, deren Außenaufnahmen zwar in Italien stattfanden, wobei der Schauplatz aber nicht mit Italien angegeben wurde, sondern als exotischer (Phantasie-)Ort dargestellt wurde, wie z.B. in dem Film Käpt´n Bay-Bay (BRD 1953, Helmut Käutner), sind von der Untersuchung ausgenommen[74].

Die folgende chronologische Auflistung gibt einen aufschlußreichen Überblick über die Beliebtheit Italiens in den einzelnen Jahren der 50er.

Die Basis dieser Auflistung sind verschiedene Filmpublikationen, speziell die bereits in Punkt 2.1. genannten Zeitschriften, die entweder durch Nennung von Außen­aufnahmen, durch Inhaltsangaben oder Kritiken Hinweise auf einen Italienkomplex im Film geben. Da sich in der Aufzählung der Vollständigkeit halber auch Filme befinden, in denen sich der Aufenthalt in Italien auf eine kurze Szene beschränkt, für die z.T. auch keine Außenaufnahmen stattfanden, wie z.B. in ”Liebe, Tanz und 1000 Schlager”, kann man davon ausgehen, daß besonders die Filme mit dieser Version des Italienaufenthaltes nicht komplett aufgeführt sind. Um diese von den anderen Filmen abzugrenzen, sind sie in eckige Klammern gesetzt. Insbesondere ab Ende der 50er Jahre wird den ausländischen Filmschauplätzen in den Zeit­schriften immer weniger Aufmerksamkeit gewidmet, und sie werden teilweise in den Kritiken nicht einmal mehr erwähnt, was ihr Auffinden weiter erschwert hat.

Die einzelnen Filme sind unter ihrem Produktionsjahr aufgeführt. Nicht anders vermerkte Filme sind in der BRD produziert. Weiterhin finden sich in der Auflistung die Gattung und das Datum der deutschen Erstaufführung. Die mit * gekennzeich­neten Filme lagen zur Sichtung nicht vor (43%).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


[1] Hier und im folgenden werden in der Klammer Produktionsland und -jahr sowie der Regisseur des vorangehenden Filmes genannt.

[2] H. Hartung: Alessandro geht tanzen. In: Merian. Italienische Riviera, Jg.12, 1959, H. 2, S. 10-13. In : Gries, Rainer et al.: Gestylte Geschichte: vom alltäglichen Umgang mit Geschichtsbildern. Münster 1989, S. 147

[3] Heute sind es gerade die Filme der beginnenden 60er Jahre, die in der derzeitigen Fernsehunter-haltung am häufigsten wiederholt werden.

[4] Bauer, Alfred: Deutscher Spielfilmalmanach. Bd. 2: 1946-1955. Ein Führer durch die deutschsprachige Filmproduktion der ersten 10 Nachkriegsjahre in der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik, Österreich und der Schweiz. München 1981

[5] Mediothek der Universität und auch der Universitätsbibliothek Osnabrück

[6] Filmkritik in der Filmwoche Nr. 9/1957, S. 13

[7] Seemannsbraut mit viel Hoffnung und wenig Liebe. Atelierbericht zu dem Film. In: Filmwoche Nr. 36, 1959, S. 14

[8] Endlich Urlaub! Die Deutschen reisen. Ausstellung im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, 06. Juni bis 13. Oktober 1996

[9] Spode, Hasso: ”Zu den Eigentümlichkeiten unserer Zeit gehört das Massenreisen” Die Entstehung des modernen Tourismus. In: Endlich Urlaub! Die Deutschen reisen. Begleitbuch zur Ausstellung im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1996, S. 13 (Kleinschrift im Original)

[10] Maurer, Michael: Italienreisen - Kunst und Konfession. In: Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus. Hrsg. von Hermann Bausinger. München 1991, S. 227

[11] Stirken, Angela: Reisezeit - Zeitreise. Ziel, Konzept und Realisierung der Ausstellung. In: Endlich Urlaub! Die Deutschen reisen. Bonn 1996, S. 10

[12] Mertsching, Klaus: Recht auf Urlaub. In: Endlich Urlaub! Die Deutschen reisen. Bonn 1996, S. 20

[13] ebd.

[14] ebd.

[15] ebd., S. 21

[16] Spode, Hasso, a.a.O., S. 17

[17] Stirken, Angela, a.a.O., S. 10

[18] Luther, Tammo: Die Italienreise im 20. Jahrhundert, S. 89, in: ”Wenn bei Capri die rote Sonne...: die Italiensehnsucht der Deutschen im 20 Jahrhundert”; Begleitkatalog zur gleichnamigen Ausstellung des Badischen Landesmuseum Karlsruhe vom 31. Mai bis 14. September 1997; bearb. von Gabriele Kindler. Wiss. Mitarb. Regine Lippka. Hrsg. von Harald Siebenmorgen. Karlsruhe 1997

[19] ebd.

[20] Schildt, Axel: Moderne Zeiten. Freizeit, Massenmedien und ‘Zeitgeist’ in der Bundesrepublik der 50er Jahre. Hamburg 1995, S. 183

[21] ebd., S. 446

[22] ebd., S. 189

[23] ebd. S. 199

[24] ebd. S. 111

[25] Prahl, Hans Werner: Entwicklungsstadien des deutschen Tourismus seit 1945, S. 102. In: Zur Sonne, zur Freiheit! Beiträge zur Tourismusgeschichte. Hrsg. von Hasso Spode. Berlin 1991

[26] Schildt, a.a.O., S. 199

[27] Jogschies, Rainer: Blick zurück durchs Schlüsselloch: die entfesselten Fünfziger. Frankfurt/M.; Berlin 1990, S. 51

[28] Nellessen, Ursula: Pack die Badehose ein! Der Urlaub in Italien wird zum Statussymbol. In: Knopp, Guido (Hrsg). Damals... - 1954. Das Jahr des Aufschwungs. Stuttgart, 1993, S. 117

[29] Jogschies, Rainer, a.a.O., S. 52

[30] Gries, Rainer, a.a.O., S. 97

[31] Prahl, a.a.O., S. 102

[32] Schildt, a.a.O., S. 193

[33] Gries, a.a.O., S. 97

[34] Prahl, a.a.O., S. 107

[35] Peters, Christian: Reisen in die ”heile” Welt, S. 55. In: Endlich Urlaub! Die Deutschen reisen. Bonn 1996

[36] Luther, Tammo, a.a.O., S. 91

[37] Schildt, a.a.O., S. 197

[38] Schuhmann, Kerstin: Grenzübertritte - das ”deutsche” Mittelmeer., S. 34. In: Endlich Urlaub! Die Deutschen reisen. Bonn 1996

[39] Schildt, a.a.O., S. 190

[40] Knebel, Strukturwandlungen, S. 78. In: Schildt, a.a.O., S. 504, Anmerkung 59

[41] Schildt, a.a.O., S. 190

[42] Schildt, a.a.O., S. 201

[43] Arthur Jores: Was tun wir, wenn wir nichts tun? Betrachtungen eines Arztes zu dem sehr aktuellen Thema ”Freizeit und Urlaub”. In: Die Zeit (Hamburg ) Nr. 26 vom 27. Juni 1957, S. 20

[44] Bausinger, Hermann: Wie die Deutschen zu Reiseweltmeistern werden, S. 27. In: Endlich Urlaub! Die Deutschen reisen. Bonn 1996

[45] Luther, Tammo, a.a.O., S. 92

[46] Wie im Teil 5.2.1. näher erläutert, sind Operettenfilme in bezug auf die Wahl des Handlungsortes Italien ebenfalls Vorläufer der Schlagerfilme.

[47] Mezger, Werner: Schlager. Versuch einer Gesamtdarstellung unter bes. Berücksichtigung des Musikmarktes der Bundesrepublik Deutschland. Tübingen 1975, S. 14

[48] Mühe, Hansgeorg: Unterhaltungsmusik - Ein geschichtlicher Überblick. Hamburg 1996, S. 3

[49] Helmut Regel bezeichnet ihn 1966 als den meistgesehenen deutschen Film, den bis 1943 rund 27 Millionen Zuschauer besucht hatten: Helmut Regel: Die Topographie des NS-Films. In: Filmkritik 1966, Nr. 1. Frankfurt/Main, S. 15

[50] Veronika Ratzenböck: Steig in das Traumboot der Liebe - Deutsche Schlager der 50er Jahre, S. 179. In: Perlonzeit - wie die Frauen ihr Wirtschaftswunder erlebten, hrsg. von Angela Delille / Andrea Grohn, Berlin 1985

[51] siehe Kapitel 4.2.1. Operettenfilme

[52] Elmar Kraushaar, Rote Lippen - Die ganze Welt des deutschen Schlagers. Reinbek bei Hamburg 1983, S. 101

[53] Videofilm: Die Geschichte des Tourismus 1930-1960. SWF Baden-Baden, 1989, vorgeführt bei der Ausstellung ”Wenn bei Capri die rote Sonne - Die Italiensehnsucht der Deutschen im 20. Jahr-hundert”. Karlsruhe 31. Mai bis 14. September 1997

[54] Die süßesten Früchte. Schlager der fünfziger Jahre. Hrsg. von Hans-Otto Hügel u. Gert Zeisler. Frankfurt a.M./ Berlin 1992, S. 72

[55] Herkendell, Andreas W.: Deutsch-Italienischer Kulturaustausch in der Schlagerwelt der fünfziger und sechziger Jahre. In: Italienisch. Zeitschrift für italienische Sprache und Kultur. 36 (1996), S. 76 f

[56] ebd.

[57] Mezger, a.a.O., S. 296

[58] ebd., S. 307

[59] Helms, Siegmund: Schlager in Deutschland. Wiesbaden 1972, S. 89

[60] Neuner, Alexandra: Mandolinen der Liebe erklingen...- Italien im deutschen Schlager, S. 148. In: Ausstellungskatalog ”Wenn bei Capri die rote Sonne - Die Italiensehnsucht der Deutschen”, Karlsruhe 1997

[61] Schildt, a.a.O., S. 174

[62] Als Pendant dazu gab es im gleichen Jahr das Lied ”Signorina mit dem blonden Haar”, gesungen von dem Italiener Peppino di Capri, siehe Filmwoche/Echo Nr. 86 von 1963, S. 13

[63] Helms, a.a.O., S. 14

[64] ebd., S. 63

[65] Mezger, a.a.O., S. 270

[66] Eine Produktionsfirma, die explizit von der Vorliebe für Schlagerfilme existierte, war die Melodie-Film, die 1962 ihr 10-jähriges Jubiläum feiern konnte. Sie gehörte ”zu den wenigen Produktionsfirmen, die nicht von der deutschen Filmkrise erfaßt wurden”. In: Filmwoche/Echo Nr. 31 von 1962, S. 13

[67] Mezger, a.a.O., S. 11

[68] Schmidt-Joos: Geschäfte mit Schlagern. Bremen 1960, S. 125

[69] ebd.

[70] Helms a.a.O., S. 29

[71] Schmidt-Joos, a.a.O., S. 28

[72] Herkendell, Andreas W., a.a.O., S. 74

[73] Woronowicz, Ulrich: Die Funktion des Schlagers in der Gesellschaft, S. 14. In: Mezger, a.a.O.,

S. 113

[74] Ich übernehme die Filmgattungen nach Dr. Alfred Bauer, veröffentlicht in den Filmblättern Nr. 51/52 von 1950, S. 1098. In einer für den Film der 50er Jahre nachvollziehbaren Einteilung unterscheidet er zwischen dreizehn Erscheinungsformen des Films, als da wären: dramatischer Film, Zeitfilm, Lustspiel, mit den Untergattungen Komödie, einfaches Lustspiel, Schwank, Groteske und Satire; Volksstück; ernster Musikfilm; heiterer Musikfilm mit den Untergattungen musikalisches Lustspiel, Filmoperette und Revuefilm; historischer Film; Kriminalfilm mit den Untergattungen Gangsterfilm, Polizeibericht und psychologischer Kriminalfilm; Abenteurerfilm; Wildwestfilm; Märchenfilm; Trickfilm; Dokumentarfilm mit den Untergattungen Kulturfilm, Reise- und Expeditionsfilm, Lehrfilm und Dokumentar-Spielfilm. Da die einzelnen Filme nicht immer einwandfrei den einzelnen Gattungen zugeordnet werden können, werden die jeweiligen Mischformen (z.B. musikalisches Heimatlustspiel) in der folgenden Auflistung der dominierenden Gattung zugeordnet.

Excerpt out of 129 pages

Details

Title
Auch wir waren in Arkadien - Italien im deutschen Film der 50er und beginnenden 60er Jahre
College
University of Osnabrück  (Fachbereich Literatur- und Sprachwissenschaft)
Grade
1
Author
Year
1999
Pages
129
Catalog Number
V18659
ISBN (eBook)
9783638229531
File size
1065 KB
Language
German
Keywords
Auch, Arkadien, Italien, Film, Jahre
Quote paper
Gabriele Vogt (Author), 1999, Auch wir waren in Arkadien - Italien im deutschen Film der 50er und beginnenden 60er Jahre, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18659

Comments

  • No comments yet.
Look inside the ebook
Title: Auch wir waren in Arkadien - Italien im deutschen Film der 50er und beginnenden 60er Jahre



Upload papers

Your term paper / thesis:

- Publication as eBook and book
- High royalties for the sales
- Completely free - with ISBN
- It only takes five minutes
- Every paper finds readers

Publish now - it's free