Upgrading und Wechselwirkungen zwischen Global Value Chains und Clustern


Mémoire (de fin d'études), 2008

215 Pages, Note: 2


Extrait


Inhalt

Abbildungen

Tabellen

Abkürzungen

1. Einführung
1.1. Globale Rahmenbedingungen
1.2. Wissenschaftlicher Ansatz
1.3. Vorgehen

2. Wettbewerb

3. Cluster
3.1. Allgemein
3.1.1. Verschiedene Schulen
3.1.2. Grundlegende Vorteile
3.2. Governance
3.2.1. Allgemein
3.2.2. Governance in Clustern
3.3. Lernen und Innovation
3.4. Externe Verbindungen

4. Global Value Chains
4.1. Grundkonzept
4.1.1. Theorieentwicklung
4.1.2. AktuelleForschung
4.1.3. Grundlagen
4.2. Eintrittsbarrieren und Renten
4.3. Governance in GVC
4.3.1. Buyer- und producer-driven
4.3.2. Formen von Governance
4.3.3. Folgender Governance
4.3.4. Gründe für Governance
4.4. Qualität und Standardisierung in GVC

5. Upgrading
5.1. Nationale Innovationskompetenz
5.2. Unternehmen
5.2.1. Voraussetzungen
5.2.2. Lernprozesse und Arten von Wissen
5.2.3. Formen
5.3. UpgradinginClustern
5.3.1. Wissensdiffusion und informelle Kontakte
5.3.2. Auswirkung der Governance
5.3.3. Upgrading im Rahmen von „local innovation systems"
5.4. UpgradinginGVC
5.4.1. Auswirkungen der Governance
5.4.2. Formen von Upgrading in GVC
5.4.3. Quasi-Hierarchie
5.4.4. Markt
5.4.5. Netzwerke
5.5. Upgrading zwischen Clustern und GVC

6. Weltmarkt Wein
6.1. Differenzierung der Marktsegmente
6.2. Geschichte
6.3. Produktion
6.3.1. Konzentration in der Weinindustrie
6.3.2. Zukunft
6.4. Handel
6.5. Distribution und Handel
6.5.1. Derglobale Markt
6.5.2. Distribution in Deutschland
6.5.3. Vermarktungsstrategien - Distribution
6.6. Struktur der Global Value Chain
6.6.1. Akteure
6.6.2. Verschiedene Weinketten
6.7. Zusammenarbeit
6.8. Upgrading

7. Weinland Südafrika
7.1. Gesamtwirtschaftliche Situation
7.2. Weinwirtschaft
7.2.1. Historische Entwicklung
7.2.2. Aktuelle Situation
7.3. Wettbewerb
7.4. Akteure
7.4.1. Firmenorganisation
7.4.2. Strategien
7.4.3. Struktur
7.5. Zusammenarbeit
7.5.1. Interessenvertretungen
7.5.2. Politik und Strategien

8. Untersuchungsregion Paarl
8.1. Methodik
8.1.1. Untersuchungsregion
8.1.2. Befragung
8.1.3. Operationalisierung
8.2. Allgemeine Daten
8.3. Innovation - Technischer Wandel und Wissensbasis
8.4. Institutionen
8.5. Netzwerke
8.5.1. Business Netzwerk
8.5.2. Governance
8.5.3. Ausländische Firmen
8.5.4. Andere Gruppen
8.6. Interpretation

9. Fazit

Glossar

Literatur

Expertengespräche

Anhang
A. Berechnungen Variablen
B. Korrelation
C. Fragebogen
D. EinflussderGurus

Abbildungen

Abb. 2-1: Wettbewerbsdiamant

Abb. 3-1: Governance Modell einer GVC

Abb. 3-2: Faktoren der Clusterqualität

Abb. 3-3: Beispiel einer Holzspielzeug GVC

Abb. 4-1: EinfacheValue Chain

Abb. 4-2: Die Forst, Holz und Möbel Value Chain

Abb. 4-3: MehrereValue Chains

Abb. 4-4: Produktionskette

Abb. 4-5: Innovationsrente

Abb. 4-6: Buyer und Producer driven Chains

Abb. 4-7: Aspekte und die daraus folgenden Governanceformen

Abb. 4-8: Governanceformen

Abb. 5-1: Hierarchie in der Abfolge von Upgrading

Abb. 5-2: Funktionales Upgrading

Abb. 5-3: Governance und Upgrading in GVC und Clustern

Abb. 6-1: Export Value

Abb. 6-2: Handelsentwicklung

Abb. 6-3: Weinexportvalue Top Ten

Abb. 6-4: Entwicklung Weltkonsum

Abb. 6-5: Weltproduktion von Wein

Abb. 6-6: Importanteil der Neuen Welt

Abb. 6-7: Anteile am Verkaufspreis in GB

Abb. 6-8: Gesamt Markt für Wein und Sekt Deutschland 2006

Abb. 6-9: Vereinfachte Weinkette

Abb. 6-10: Hauptabnehmer der Weintrauben

Abb. 6-11: Governance zwischen Großproduzenten und Weinbauern

Abb. 6-12: Governance zwischen Produktion und Distribution

Abb. 6-13: Highpremium Wertschöpfungskette

Abb. 6-14: Premium Wertschöpfungskette

Abb. 6-15: Bulkwein Wertschöpfungskette

Abb. 7-1: Einteilung der Weinbaugebiete in Regionen

Abb. 7-2: Einteilung der Weinbaugebiete in Distrikte

Abb. 7-3: Produktionsmenge Wein 1993 - 2006

Abb. 7-4: Ertrag pro Hektar in den einzelnen Regionen

Abb. 7-5: Anteil von roten Rebsorten im Anbau in den einzelnen Regionen

Abb. 7-6: Anteil der Rebsorten nach Firmenorganisation

Abb. 8-1: Lokales Wissensnetzwerk Paarl

Abb. 8-2: Business-Netzwerk Abb. 8-3: Wissensnetzwerk

Abb. 8-4: Verteilung der Eigenschaften nach Governance

Tabellen

Tabelle 4-1: Vergleich von buyer-driven und producer-driven

Tabelle 5-1: Zusammenhang zwischen Käuferkonzentration und Marktsegment

Tabelle 5-2: Auswirkungen aufdie Form der Governance innerhalb eines Clusters

Tabelle 5-3: Auswirkungen aufs Upgrading durch Unternehmen mit externen Verbindungen

Tabelle 6-1: Wichtigsten Anbau- und Produktionsländer von Trauben 2004

Tabelle 6-2: Anbauintensität in den 30 größten Produzentenländer 1999

Tabelle 7-1: Anzahl der Produzenten nach Produktionsvolumen und Geschäftskonzept

Tabelle 8-1: Operationalisierung der Variablen

Tabelle 8-2: Grundeigenschaften der Untersuchungsgruppe

Tabelle 8-3: Technischer Wandel

Tabelle 8-4: Anzahl der Experten in den Unternehmen

Tabelle 8-5: Wissensverbindungen zu Forschungsinstitutionen und Interessenvertretungen

Tabelle 8-6: Zusammenarbeit mit Forschungsinstitutionen und Interessenvertretungen

Tabelle 8-7: Dichte der Wissensverbindungen innerhalb und zwischen core und periphery

Tabelle 8-8: Korrelation nach Pearson

Tabelle 8-9: Vergleich der Dichte zwischen Business und Wissensnetzwerk

Tabelle 8-10: Korrelation zur Businesszentralität

Tabelle 8-11: Eigenschaften von Unternehmen verschiedener Governanceform

Tabelle 8-12: Verbindungsdichte zwischen den Unternehmen verschiedener Governance

Tabelle 8-13: Eigenschaften inländischer und ausländischer Unternehmen

Tabelle 8-14: Verbindungsdichte zwischen ausländischen und inländischen Unternehmen

Tabelle 8-15: Eigenschaften der Clustergruppen

Tabelle A-1: Korrelation Zentralität (eigene Berechnung)

Tabelle A-2: Korrelation Absorbtionsfähigkeit - ExternalOpennness

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einführung

Der Prozess der Globalisierung hat in der gesamten Weltwirtschaft und Gesellschaft Veränderungen bewirkt. Die entwickelten Länder des Nordens verlagern hierbei Produktionsschritte, insbesondere arbeitsintensive Schritte, in die „billigeren" Länder des Südens. Für diese Länder bedeutet die Teilnahme an der Weltwirtschaft eine Chance zur Entwicklung ihrer gesamten ökonomischen Situation. Diese Chance konnten bisher jedoch nicht alle Länder nutzen. Vor allem die Länder des südlichen Afrikas konnten bisher von den Prozessen der Globalisierung nicht profitieren, während die Länder in Ost- und Südostasien in großen Schritten eine aufholende Entwicklung erlebten. Diese Verallgemeinerung auf die nationale Ebene führt jedoch zu der Gefahr, den Erfolg der Partizipation auf makroökonomische Faktoren zu beschränken.

Makroökonomische Faktoren, wie z.B. Wechselkurse, spielen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit sicherlich eine Rolle, doch letztendlich sind es die Unternehmen, die sich durchsetzen müssen. Um auf den internationalen Märkten mit hohem Wettbewerb bestehen zu können, muss Qualität zu entsprechenden Preisen angeboten werden. Dies bedeutet für die Unternehmen, dass sie die Qualität ihrer Produkte und ihre Produktivität stetig verbessern müssen. Ein solches Upgrading muss zusammen mit den Beziehungen zu anderen Unternehmen betrachtet werden.

Firmen sind nicht nur in einem begrenzten Raum eingebunden, sondernüber vielfältige Beziehung in die globalen Wirtschaftsströme. Diese globalen Wertschöpfungsketten werden oftmals von Unternehmen aus den entwickelten Ländern gesteuert, die damit auch die Zukunft anderer Unternehmen direkt oder indirekt mitbestimmen (Gereffi 1994). Upgrading von Unternehmen aus den Entwicklungsländern ist abhängig von der Governance der globalen Unternehmen. Dies gilt umso mehr, je weniger innovativ diese abhängigen Unternehmen sind, bzw. in wieweit die Unternehmen in der Lage sind, von den globalen Leadern zu lernen (Gereffi 1999b, Gereffi und Kaplinsky 2001).

Im Rahmen der Globalisierung werden die lokalen Wettbewerbsvorteile verstärkt (Scott 1996). Cluster sind demnach prädestiniert sich im globalen Wettbewerb zu behaupten (Porter 1990), da sie als Motor für Innovation gesehen werden. Die vertikale und horizontale Verknüpfung von Unternehmen innerhalb eines Clusters führt zu einer kollektiven Effizienz (Schmitz 1995), die die Wettbewerbsfähigkeit und vor allem die Innovationsfähigkeit erhöht. Andererseits wurde zwar gezeigt, dass sich die Produktion zunehmend globalisiert, strategische Innovation weiterhin nur in den Ländern der globalen Leader stattfinden (Lastres etal. 1999).

Da das Upgrading von Clustern und das Upgrading innerhalb von globalen Wertschöpfungsketten kein getrennter Prozess ist, gibt es vielfältige Wechselwirkungen zwischen diesen Ebenen. Die interne Governance von Clustern und Wertschöpfungskette bestimmt den Umfang des Upgrading (Humphrey und Schmitz 2000). Die Wechselwirkungen dieser Ebenen wurden bisher jedoch nur unzureichend dargelegt. So stellt sich die Frage, welche Unternehmen von der globalen Anbindung profitieren. Können auch Unternehmen, die bisher keine globale Anbindung oder nur schwach ausgeprägte Verbindungen haben, von den global agierenden Unternehmen im Cluster profitieren, oder führt die globale Einbindung zu einer Marginalisierung der Kontakte im Cluster? Werübernimmt welche Rolle innerhalb eines Clusters? Zeigen sich Unterschiede in der Nutzung der Vorteile eines Clusters?

Um diese Fragen zu beantworten, soll diese Arbeit an einem Beispielprodukt durchgeführt werden, dass räumlich konzentriert von verschiedenen Produzenten hergestellt wird, um so eine Vergleichbarkeit zwischen den Unternehmen auf horizontaler Ebene zu erreichen. Grundsätzlich kann diese Arbeit dementsprechend in jedem Cluster durchgeführt werden, dass verschiedene Produzenten gleicher Produkte aufweist und sich nicht auf den lokalen Markt beschränkt ist. Für diese Arbeit wurde das Beispiel der Weinindustrie ausgewählt.

Vor 20 Jahren war die Suche nach Wein in einem deutschen Supermarkt nicht sonderlich Erfolg versprechend. Es fanden sich nur wenige Weine und diese fast ausschließlich aus Deutschland sowie den europäischen Nachbarländern Frankreich, Italien und Spanien, der sogenannten „alten Welt"[1]. Insgesamt war die Auswahl gering. Bis heute hat sich dies grundlegend geändert. Die großen Supermarktketten bieten eine große Auswahl verschiedener Weine aus der ganzen Welt an. Neue Produktionsländer wie die USA, Australien, Südafrika oder Weine vom südamerikanischen Kontinent (der sogenannten „neuen Welt") stehen zur Auswahl. Diese globale Auswahl ist nicht nur in den großen, teureren Supermarktketten erhältlich, sondern auch bei den günstigen Discountern. Des Weiteren finden sich neben den Weinen aus der „neuen Welt" vermehrt Weine aus den ehemaligen Ostblockstaaten (neue „alte Welt") in den Regalen.

Zum einen zeigt diese Beobachtung aus dem Alltag, dass es zu einer starken Diversifizierung der Weinproduktionsstandorte gekommen sein muss, zum anderen, verstärkt durch den Umstand des Pro-Kopf sinkenden Weinkonsums, lässt sich auf einen verstärkten Wettbewerb schließen, der vor allem die Produzenten der „alten Welt" unter Druck setzt. Andererseits haben es die Produzenten der „neuen Welt" geschafft, sich an der Wertschöpfungskette Wein zu beteiligen. Diese Entwicklung der Produzenten aus der „neuen Welt" wird teilweise sehr emotional gewertet. So sprach das französische Landwirtschaftsministerium im Jahr 2001 von „Barbaren, die vor den Toren stehen"[2].

Als lokales Beispiel für diese Arbeit dient die Region Paarl / Südafrika. Mit dem Ende des Apartheidregimes in Südafrika geriet die Weinindustrie unter Druck. Die Preisgarantien auf dem heimischen Markt fielen und förderten damit den Wettbewerb zwischen den Unternehmen. Andererseits endete die wirtschaftliche Isolation Südafrikas. Importe aus Südafrika werden nicht mehr Strafzöllen unterworfen. Das Land wurde auf einen neoliberalen Wirtschaftskurs geführt und damit wieder für internationale Investoren interessant gemacht, wodurch neues Know-how ins Land gebracht wird. Von dieser Entwicklung konnte vor allem auch die Weinindustrie in Südafrika profitieren. Im allgemeinen Aufschwung der Weinländer aus der „neuen" Welt konnte sich auch Südafrika profilieren. Einerseits sind hierfür die multinationalen Unternehmen verantwortlich, die verstärkt in Südafrika investieren und in ihr Portfolio einreihen, aber andererseits sind es auch viele Klein- und Mittelunternehmen (KMU) und die ehemaligen Genossenschaften.

1.1. Globale Rahmenbedingungen

Die Weltwirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten dahingehend geändert, dass immer mehr Menschen in ihr eingebunden werden. In den 1950er und 1960er Jahren war die Produktion noch weitestgehend auf die nationalen Grenzen der einzelnen Länder beschränkt. Internationaler Handel bedeutete, dass Rohmaterialien aus der Peripherie ins Zentrum, also Europa, Nordamerika und Japan, gebracht wurden und von dort in kleinem Maße wiederum Fertigwaren exportiert wurden. Gestützt durch eine Politik des Protektionismus wurde versucht, die lokale Industrie weiter zu fördern.

Einen guten Eindrucküber den Prozess der Globalisierung bietet der internationale Handel. So ist die Rate der globalen Exporte zum globalen GDP seit Anfang des 19. Jahrhunderts beinah stetig gestiegen (Kaplinsky und Morris 2001, S.16).

Die jetzige Globalisierung zeichnet sich vor allem durch 5 Merkmale aus (Harris 1987, Dicken 2003):

Intensivierung des globalen Wettbewerbs

Die Intensivierung des globalen Wettbewerbs hat zur Entwicklung neuer Zentren der Produktion in Ostasien und Südamerika geführt. Nun stehen diese Länder unter dem Druck ihrer Nachbarn China, Südasien, Zentralamerika und der Karibik. Die geringen Arbeitskosten und zunehmende Qualifikation der Arbeiter in der dritten Welt ermöglichen und zwingen dazu, die Produktion global zu organisieren, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Es gibt einen regelrechten Ansturm auf die günstigsten Exportstandorte. Das Ergebnis ist eine Arbeitsteilung, die alle Ressourcen vom Zentrum bis zur Peripherie nutzt.

Technologieentwicklung

Die Entwicklung im Transportwesen und der globalen Kommunikationssysteme haben den Zeitaufwand, sowie die Kosten zum Versenden von Gütern, Nachrichten und Personen, massiv verringert (O'Rouke und Williamson 1999). Die Transaktionskosten zwischen verschiedenen Orten sind gesunken und fördern damit die Integration von Märkten. Erst diese Entwicklung ermöglichte komplexe, globale Organisationsstrukturen. Aktuelle Informationstechnologien basieren auf Mikrotechnologie. Diese erlauben eine flexible Automation der Produktion bei hoher Qualität, Rentabilität bei geringen Stückzahlen, aber auch die Fähigkeiten hohe Stückzahlen herzustellen. Diese flexible Produktion, sowie die Möglichkeit schnell auf Kundenwünsche zu reagieren, ermöglicht es Hochlohnländern Produktionsschritte zu halten. Die Hochtechnologie fördert damit sowohl den Prozess der Globalisierung als auch die Entwicklung lokaler Standorte (Dicken 2003, S.85ff.).

Multinationale Unternehmen

Heute sind transnationale bzw. multinationale Unternehmen (MNU) maßgeblich verantwortlich für die Dynamik der Weltwirtschaft. Aufgrund ihrer Fähigkeiten Koordination und Kontrolleüber nationale Grenzen hinweg auszuüben, können sie komparative Kostenvorteile verschiedener Standorte wahrnehmen und auch leicht zwischen verschiedenen Standorten wechseln (ebd., S.235).

Globales Finanzsystem

Der internationale Handel und Produktion werden von einem globalen Finanzsystem gestützt. Die großen Banken folgten in den 1960er und 1970er Jahren den MNU in ihre wichtigsten Überseemärkte nach Europa, Asien und Lateinamerika. Internationale Finanzinstitutionen und private Geber (z. B. Pensionskassen) leihen Ländern der Dritten Welt Geld, mit dem Ziel neue Ressourcen abzubauen, internationale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und neue Exporte zu fördern (ebd., S.437).

Staatlicher Einfluss

Die Politik der Staaten spielt eine wichtige Rolle bei der Beschleunigung der Globalisierung. Ein entsprechendes Regime ist für den internationalen Handel und internationale Investitionen unerlässlich. Erst die Liberalisierung des internationalen Handels im Rahmen des GATT-Abkommen bzw. das Absinken technologischer und staatlicher Barrieren, hat Exporte aus der Dritten Welt zu den Märkten der entwickelten Länder ermöglicht. Doch Handelsliberalisierung bedeutet nicht automatisch Zugang zu den internationalen Märkten für Produzenten aus den Entwicklungsländern, da die Warenketten, in denen diese agieren, oftmals von einer beschränkten Anzahl von Käufern kontrolliert werden.

Die Folge dieser Globalisierung ist eine hohe Abhängigkeit zwischen den verschiedenen Staaten auf allen Ebenen der Entwicklung. Die globale Arbeitsteilung hat das Muster der räumlichen Verteilung der Produktion stark verändert. Das klassische Muster von Zentrum und Peripherie bzw. Primärgüter gegen Fertigprodukte hat sich aufgelöst. Zwar sind das südliche Afrika und Lateinamerika weiterhin die wichtigsten Exporteure von Primärgütern, doch hier wieüberall hat sich ihr Anteil am BSP stark reduziert. Bereits in den 1970er Jahren konnten die Länder der NIC eine höhere Industrialisierung aufweisen als das Zentrum. Das Zentrum stützt sich vermehrt auf Dienstleistungen, während die Industrie zum Zeichen der Peripherie wird.

Die Industrialisierung ist nichtüberall gleichförmig. Vor allem die Länder der NIC zeigen eine Tendenz zur Spezialisierung auf bestimmte Exportnischen, wie das Beispiel der Schuhindustrie zeigt (Gereffi 1995, S.112). Ein ähnlicher Trend lässt sich bei vielen Konsumgütern und Zwischengüter erkennen. Die Liberalisierung und damit die Öffnung des internationalen Handels haben zu einer Spezialisierung der Regionen / Länder auf bestimmte Branchen oder Arbeitsschritte geführt. Dies führte zu einer Diversifizierung der Produktion.

Diese Spezialisierung wiederum hat zu einer Fragmentierung und geographischen Umverteilung der Produktionüber die nationalen Grenzen geführt. Die Produktionsfaktoren Kapital, Technologie, Informationen und Güter sind höchst mobil und führen zu einem Bedeutungsverlust der nationalen Ökonomien. Da sich die Produktion einzelner Endprodukteüber verschiedene Länder verteilt, sinkt ebenso die Bedeutung einzelner Standorte. Unternehmen werden damit verstärkt von ihren Heimatländern getrennt und agieren als globale Unternehmen (ebd., S.113).

Für Entwicklungsländer hat die Zunahme der Globalisierung teilweise wenig verändert. Globalisierung bedeutet für einzelne Ökonomien eine Erhöhung der Exportorientierung. Viele Entwicklungsländer haben es jedoch nicht geschafft die nötigen forward und backward linkages zu nutzen, um die eigene Ökonomie zu entwickeln. Die Möglichkeit zur Entwicklung ist abhängig von der Exportrolle und der Fähigkeit anspruchsvollere und höherwertige Produkte zu produzieren. Das Ausbleiben nachhaltigen Wachstums entsteht durch die Spezialisierung auf Güter bzw. Arbeitsschritte (vor allem Agrar- und Massenprodukte), in denen hoher Wettbewerb herrscht, wodurch sich die Gewinne weiter verringern[3]. Solche Probleme betreffen nicht nur einzelne Firmen, sondern können ganze Regionen (Bsp. Schuhproduktion in Sinos Vallay/Brasilien (Schmitz 1995)) oder auch eine ganze Gruppe von Ländern betreffen, wie das Beispiel China (Kaplinsky und Morris 2001, S.16f.) zeigt. Man spricht von einem „immisering growth" (Bhagwati 1958, nach Kaplinsky und Readman 2000), d.h. die globalen, ökonomischen Aktivitäten nehmen zu, die Gewinne fallen jedoch.

1.2. Wissenschaftlicher Ansatz

Mit der wachsenden Arbeitsteilung und der globalen Verteilung der Produktion, gewinnt die systemische Wettbewerbsfähigkeit an Bedeutung. Die Verlagerung der Produktion in zwischenbetriebliche Systeme führt bei einzelnen, weniger produktiven Arbeitsabschnitten, zu einer Verschlechterung der gesamten systemischen Effizienz. Ebenso erfordert die elektronische Automation erhöhtes systemisches Denken. Der Zwang, immer schneller neue Produkte auf den Markt zu bringen, erfordert, dass die Prozesse von Entwicklung, Design, Produktion und Marketing verstärkt miteinander verbunden werden.

Ein anderer Ansatz ist der der Kernkompetenz. Unternehmen sollen sich auf die Abschnitte einer Wertschöpfungskette konzentrieren, in denen sie relativ einzigartig sind, einen hohen Mehrwert erzielen und schwierig zu kopieren sind. Dieübrigen Abschnitte sollen an andere Firmenübertragen werden. Dadurch wird die Komplexität der Produktion erhöht und erfordert entsprechende systemische Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Firmen.

Die Value Chain Analyse ermöglicht, Notwendigkeit und Umfang der systemischen Wettbewerbsfähigkeit zu erklären. Analyse und Identifizierung von Kernkompetenzen hilft Firmen, Funktionen auszulagern. Darstellung von input und output Strömen erlaubt Abhängigkeiten zu erkennen und Sinnhaftigkeit etwaiger Upgrades zu erschließen.

Die Value Chain Analyse hilft nicht nur beim Verständnis einer effizienten Produktion, sondern gestattet die Identifizierung von Vor- und Nachteilen einzelner Firmen und Regionen. Ebenso hilft sie zu zeigen, wie die Verbindungen zu den Endmärkten die Möglichkeiten der Teilnahme an den globalen Märkten beeinflussen (Kaplinsy und Morris 2001,S.9ff.).

In den letzten 20 Jahren konnten viele Firmen und Regionen ihre Fähigkeiten verbessern und damit zu potentiellen Lieferanten von Waren aufsteigen. Doch die Teilnahme an den globalen Märkten wird zum einen durch die Handelspolitik der Endmarktländer, zum anderen durch die strategische Ausrichtung der Leadfirmen beeinflusst. So werden die Aktivitäten z. B. wegen Wechselkursschwankungen auf bestimmte Länder verteilt oder aus ethnisch-sprachlichen Gründen gewählt. So wählen französische Automobilbauer ihre Zulieferer weitestgehend aus dem französischen Raum (ebd., S.13).

Normalerweise beschränkt sich eine ökonomische Analyse auf bestimmte Branchen oder Sektoren. Die Value Chain Analyse legt mehr Wert auf die Einkommensverteilung innerhalb eines Landes oder zwischen verschiedenen Ländern und betrachtet dabei die dynamischen Renten der Produktion eines Produktes. Erst so ist es möglich Erkenntnisseüber die Profiteure, Keyakteure, Effizienz und Firmengrößenverteilung zu gewinnen (Kaplinsky und Manning 1998).

Diese Methode erfordert in hohem Masse interdisziplinäres Vorgehen. Die Value Chain Analyse ist „a meeting ground for economics, business administration and industrial sociology in the study of one important aspect of globalization, namely the simultaneous economic integration of countries, and disintegration of production process" (Wood 2001, S.41).

Ein weiterer Vorteil, der in dieser Arbeit genutzt werden soll, ist die Differenzierung verschiedener Governanceformen. Demnach unterliegen die Verbindungen innerhalb einer Wertschöpfungskette einer gewissen Kontrolle und Koordination. Je nach Ausprägung dieser Governance unterscheiden sich die Rollen der Akteure innerhalb einer Wertschöpfungskette.

Der zweite Ansatz, der in dieser Arbeit verfolgt werden soll, ist der des Clusters. Basierend auf den Überlegungen Marshalls werden hierbei die Effekte. die sich aus der regionalen Agglomeration ähnlicher Industrien ergeben, diskutiert. Verschiedene Ansätze heben dabei unterschiedliche Aspekte hervor, allen gemein ist jedoch die Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit.

Um diese beiden Ansätze zu verbinden bietet es sich also an, die Wettbewerbsfähigkeit alsübergreifendes Konzept zur Betrachtung zu nutzen. Ein solches Konzept bietet Porter mit seinem Ansatz des Wettbewerbsdiamanten. Gleichzeitig bietet dieser Ansatz die Möglichkeit Aspekte zu berücksichtigen, die Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen haben, jedoch nicht von den Ansätzen der Global Value Chain oder Cluster erfasst werden.

Ebenso ermöglicht dieser Ansatz eine bessere Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext der Wirtschaftsgeographie. Der derzeitige Paradigmenwechsel hin zu einer relationalen Perspektive ist noch nicht vollzogen, so dass noch kein vollständiges, kohärentes System besteht. Der Ansatz von Porter ist grundsätzlich im raumwissenschaftlichen Paradigma verankert, nimmt jedoch bereits sozialtheoretische Aspekte auf, so dass eine Verbindung der verschiedenen Perspektiven möglich ist.

1.3. Vorgehen

Die vorliegende Arbeit unterteilt sich dabei in zwei grundsätzliche Teile: einen theoretisch analytischen Teil und eine empirische Analyse. Der erste Teil, der den Schwerpunkt bildet, umfasst die theoretische Diskussion und Entwicklung und Verifikation der Hypothese im Rahmen einer hermeneutischen Vorgehens. Dabei soll zuerst mit dem Konzept der Wettbewerbsfähigkeit bzw. des Wettbewerbs ein Rahmen geschaffen werden (Kap. 2), in dem die späteren Ansätze vereint werden können. Ein Ansatz ist die Cluster Theorie (Kap. 3). Hier sollen Cluster im Allgemeinen, sowie ihre Vorteile, diskutiert werden. Der zweite Ansatz ist die Global Value Chain Theorie (Kap.4), die in ihrem Grundkonzept und insbesondere in den Auswirkungen der Governance erläutert werden soll. Das anschließende Kapitel (Kap.5) behandelt die Möglichkeiten des Upgrading für Unternehmen im Allgemeinen, im Rahmen von Clustern und im Rahmen von Global Value Chains. Dabei interessiert insbesondere, wie sich die beiden Ansätze gegenseitig beeinflussen bzw. welche Auswirkung die Form der Governance der Unternehmen auf die Cluster hat.

Im zweiten Teil soll versucht werden diese Erkenntnisse anhand eines realen Beispiels im Rahmen einer deduktiven, quantitativen Untersuchung nachzuweisen und empirisch zu verifizieren. Dieser Beweis wird anhand der Weinindustrie von Paarl/Südafrika erfolgen. Dabei wird im ersten Schritt (Kap.6) die Weinindustrie im Ganzen analysiert, also wie sich diese Industrie strukturiert und organisiert und welche unterschiedlichen Typen von Wertschöpfungsketten sich differenzieren lassen. Das anschließende Kapitel (Kap.7) dient vor allem der Klärung der nationalen bzw. regionalen Rahmenbedingungen. Darauf folgt die eigentliche empirische Analyse (Kap.8). Im Rahmen einer Umfrage wurden dabei Datenüber das Wissensnetzwerk der Untersuchungsregion erhoben und in begleitenden qualitativen Interviews Erkenntnisseüber die Form der Governance gewonnen. Diese ermöglichen die empirische Belegung der Hypothese.

2. Wettbewerb

Die Wettbewerbsfähigkeit[4] ist ständig bedroht. Je nach theoretischem Ansatz, liegen diese Gefahren jedoch anderswo. Nach dem klassischen Ansatz erklärt sich die Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Standorte aus den Unterschieden der Lohnkosten, Steuersätze, Wechselkurse und Zinssätze. Porter widerspricht diesem in seinem Buch „The competitive advantage of nations" (1990, S.3 ff.), dem im weiteren Verlauf gefolgt werden soll.

Demnach gibt es keine Ökonomie, die in allen industriellen Bereichen wettbewerbsfähig ist. Im jeweiligen nationalen Kontext gibt es unterschiedliche Voraussetzungen, die von den verschiedenen Industriezweigen unterschiedlich genutzt werden können. Wettbewerbsfähigkeit entsteht und erhält sich „through a highly localized process. [...] Ultimately, nations succeed in particular industries because their home environment is the most forward-looking dynamic, and challenging"(PoRTER 1990, S.81).

Innovation ist der eigentliche Motor für Wettbewerbsfähigkeit. Innovationen sind hierbei neue Technologien oder Wege, Abläufe zu handhaben. Vorteile entstehen, weil mit innovativen Produkten neue Märkte erschlossen werden oder weil für Marktsegmente produziert wird, die bisher von der Konkurrenz vernachlässigt worden sind. Der Wettbewerbsvorteil hält umso länger, je langsamer die Konkurrenz auf die Innovation reagiert.

Da jede Innovation imitiert werden kann, besteht der einzige Weg nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit in der Fähigkeit des Unternehmens permanent seine Produkte zu verbessern - „to upgrade it" (Porter 1990, S.580). Nach Porter sind Veränderungen jedoch „unnatürlich", eine permanente Verbesserung liegt nicht in der Natur der Unternehmen. Vielmehr streben diese ein Klima der Verlässlichkeit und Stabilität an, was zur Folge haben kann, das jedwede Form der Veränderung bzw. Innovation abgelehnt wird. Neben Upgrading und Innovation, gibt es noch weitere Voraussetzungen um dauerhaft wettbewerbsfähig zu bleiben. Zum einen müssen die Unternehmen ihre Strategien auf den globalen Markt ausrichten und zum anderen müssen existierende Wettbewerbsvorteile weiter ausgebaut werden, auch wenn diese Vorteile noch wirksam sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2-1: Wettbewerbsdiamant (eigene Darstellung nach Porter 1990)

Das Konzept der Wettbewerbsfähigkeit von Porter bezieht sich nicht auf Nationen, sondern auf Industrien, Sektoren oder bestimmte Gruppen von Akteuren, die innerhalb einer Nation oder Region agieren. Hierbei können vier Faktoren aus den empirischen Beobachtungen gewonnen werden, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im einzelnen und im System bestimmen (Porter 1990, S.71):

- Faktorausstattung
- verflochtene und unterstützende Industrie
- Nachfragebedingung
- Firmenstruktur, -strategien und -rivalität

Diese Faktoren bilden den Kontext, in dem die Performance der Unternehmen entscheidet, ob die Bedingungen genutzt werden können, um durch Innovation und Upgrading permanente Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Konkurrenz zu erlangen.

Faktorausstattung

Hierunter versteht man die Ausstattung eines Landes mit den zur Produktion notwendigen Faktoren Kapital, Arbeitskräfte, natürliche Ressourcen, Infrastruktur und Land bzw. den Kosten zur Nutzung (ebd., S.73ff.) dieser. Diese Basisfaktoren geben zwar auch in der ökonomischen Standardlehre den Ausschlag für Handel, können aber nur unzureichend Trends der Wettbewerbsfähigkeit erklären (Cho und Moon 2002). Diese Faktorausstattung ist nur zum Teil natürlich gegeben, großenteils ist sie geschaffen worden wie z.B. ausgebildete Arbeitskräfte oder ein wissenschaftlicher Arbeitspool.

Ähnliche und unterstützende Industrie

Unter diesen („related and supportive") Industrien versteht man Dienstleister und Industriezweige, die Basisprodukte für die untersuchende Industrie herstellen oder deren Interessen sich teilweise miteinanderüberschneiden, die also ähnliche Produktionsverfahren anwenden oder gemeinsame Vermarktungswege haben. Wenn diese Zulieferer selber international wettbewerbsfähig sind, ist ihre Wirksamkeit am größten, da sie am schnellsten und günstigsten Inputs liefern können (Porter 1990, S.100ff.).

Wenn zwischen ähnlichen Industrien der lokale Wettbewerb hoch ist, ergibt sich ebenfalls eine positive Wirkung, da der Austausch von Information und Technik groß ist (Porter 1990, S.107). Dies geht aus den Erkenntnissen Marshalls (1920) hervor, wonach räumliche Nähe zu Effektivitäts- und Effizienzgewinnen durch kurze Kommunikationswege, schnelleren und konstanteren Fluss von Informationen und permanenten Austausch von Ideen und Innovation führt[5] (Nadvi und Schmitz 1994; Krugman 1991).

Der Einfluss der Industrie richtet sich vor allem auf die Kosteneffizienz. Wichtig ist jedoch auch, dass diese Industrie sogenannte „home-grown" Innovationen und Anwendungen erschafft, angepasst an lokale Bedingungen und Prozesse. Solche „home grown"

Innovationen können somit eine höhere Effizienz erreichen. Diese ergeben sich ebenso aus der verbesserten Kommunikation.

Nachfragebedingung

Die durch Markforschung gewonnenen Informationenüber Ansprüche und Interessen der Kunden, sowie die unterschiedlichen Wachstumspfade verschiedener Marktsegmente, wirken sich auf das Verhalten der Produzenten aus. Die Erwartungen der Kunden fördern einen permanenten Anreiz für die Produzenten zu Innovation und Verbesserung (Porter 1990, S.86ff.). Sind die Käufer nur Zwischenhändler, so spiegeln sie die Bedürfnisse der Endkunden wieder bzw. versuchen diese voraus zu ahnen. Unternehmen versuchen auch die Bedürfnisse direkt zu beeinflussen. Dies bedarf jedoch meist des Exports der lokalen oder nationalen Werte in die Importländer. Ein Beispiel dafür ist McDonalds, das mit der Ausweitung seiner Filialen gleichzeitig einen Export der Fast-Food Kultur durchführte.

Die Nachfragesituation muss aus lokaler und globaler Sicht betrachtet werden. Mit dem globalen Wachstum verringert sich die Bedeutung des Heimatmarktes. In der Praxis ist dies allerdings meist nicht der Fall, da der Heimatmarkt mit seiner charakteristischen Form einen großen Einfluss darauf hat, wie Unternehmen Informationenüber Käuferansprüche auf allen Märkten verarbeiten (Cho und Moon 2002).

Daraus kann man folgern, dass Unternehmen im globalen Kontext Wettbewerbsvorteile erringen, wenn der Heimatmarkt es ihnen ermöglicht, Kundenwünsche zu erkennen und diese in bessere Produkte umzusetzen, als dies Unternehmen in anderen Ländern möglich ist. D.h. auch, dass die Größe des Heimatmarktes weniger relevant ist, vielmehr das Verständnis für diesen.

Firmenstrategie, -struktur und - rivalität

Die nationalen Rahmenbedingungen haben Einfluss darauf, wie Unternehmen organisiert, etabliert und geführt werden. Die Harmonie zwischen Management-Praktiken und Organisationsformen der Firmen mit den lokalen Faktoren erhöht die Wettbewerbsfähigkeit auf Firmenebene. Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit resultieren aus den unterschiedlichen Zielen und Interessen, welche durch den nationalen Kontext beeinflusst werden. Falls z.B. die Preise eines Produktes durch massive Überproduktion unter den

Herstellungskosten liegen, macht es wenig Sinn, Profit durch Skalenerträge zu erzielen. Entsprechend können nicht die notwendigen Gewinne für Innovation und Verbesserung erzielt werden (Porter 1990, S.107 ff.).

Für die Wettbewerbsfähigkeit ist ebenso die individuelle Motivation der beteiligten Akteure wichtig. Prestige und nationale Werte können dabei den Fluss von Kapital und Arbeitskräften verändern und damit die Faktorausstattung positiv oder negativ beeinflussen.

Die lokale Rivalität zwischen den einzelnen Unternehmen fördert den Anreiz die Produktion permanent zu verbessern und neue Produkte zu entwickeln. Hier spielt die räumliche Nähe wiederrum eine Rolle. Je höher die räumliche Konzentration der Rivalen, desto intensiver wirkt sich dieses auf die Innovationskraft aus. Diese Rivalität erhöht nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit auf den Heimatmärkten, sondern auch auf den Exportmärkten. Sie führt auch dazu, dass sich die Unternehmen verstärkt nach außen orientieren, um ihre Skaleneffekte auszuweiten und damit ihre Profitabilität und Effizienz zu erhöhen. Lokal erfolgreiche Unternehmen haben damit auch im Ausland bessere Chancen, während ein Unternehmen, das lokal nicht wettbewerbsfähig ist, auch international nicht wettbewerbsfähig sein kann.

Der heimische Wettbewerb ist auch abhängig von neuen Unternehmen. Diese erhöhen die Innovationskraft, da sie Segmente bedienen, die bisher von den alten Unternehmen nicht beachtet wurden oder für die sie bisher zu inflexibel waren (ebd., S.122ff.).

Diese vier Faktoren sind nicht nur im Einzelnen wirksam, sondern beeinflussen sich gegenseitig und stellen somit ein System von Faktoren dar („Wettbewerbsdiamant"). Porter selbst misst der räumlichen Nähe und der Rivalität den größten Einfluss bei. Gerade die räumliche Nähe fördert die Kommunikation und den Güteraustausch zwischen den Unternehmen und dient damit der gegenseitigen Beeinflussung der vier Faktoren. Rivalität wirkt dahingehend, dass alle Faktoren dem ständigen Druck der Verbesserung unterliegen und damit das Umfeld für Innovation und Verbesserung stetig verbessert wird. Ständige Verbesserung und Spezialisierung der Faktorausstattung wird gefördert, die Ansprüche der lokalen Nachfrage steigen, die Beziehungen zu den Zulieferern und anderen wichtigen Unternehmen verbessert und die eigene Firmenstrategie und -struktur wird optimiert.

Für die Entstehung einer nationalen Wettbewerbsfähigkeit spielt die Regierung eine entscheidende Rolle. Porter hat einige Basisprinzipien aufgeführt, die zur Schaffung von Wettbewerbsfähigkeit führen sollen. Diese entsprechen weder dem Bild von Deregulierungs­und Liberalisierungsbefürwortern noch dem der Anhängern des Protektionismus (Porter 1990,S.584ff.):

- Auf die Schaffung spezialisierter Produktionsfaktoren konzentrieren,
- nicht die Faktor- und Währungsmärkte beeinflussen,
- strikte Produkt-, Sicherheits- und Umweltstandards setzen und durchsetzen,
- Kooperation zwischen Rivalen weitestgehend begrenzen,
- Ziele setzen, die zu nachhaltigen Investitionen anregen,
- Wettbewerb deregulieren,
- starke Anti-Kartell Gesetze,
- freier Marktzugang für alle.

Die vier Faktoren und die Regierungspolitik entscheiden darüber, ob es für die Akteure möglich ist, im nationalen Kontext Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen.

Über die Fähigkeit der Unternehmen und auch der meisten Regierungen hinaus gehen Ereignisse, die die Wettbewerbsfähigkeit massiv beeinflussen. Das sind Kriege, Seuchen, politische Entscheidungen von ausländischen Regierungen, Veränderungen der Weltfinanzmärkte und Wechselkurse. Die Frage ist, inwieweit die Unternehmen damit zu Recht kommen. Solche Ereignisse bedeuten trotzdem Chancen, da sie einen Wechsel ermöglichen, wenn sie richtig genutzt werden. So können die bisherigen Vorteile etablierter Wettbewerber zerstört, jedoch neuen Firmen Möglichkeiten zur Entwicklung gegeben werden (ebd., S.124f.).

3. Cluster

Wettbewerbsfähigkeit ist also entscheidend für die weitere Entwicklung und Cluster können helfen diese zu erhöhen. Im Folgenden sollen die allgemeinen Determinanten und Vorzüge eines Clustern (Kap. З.1.), die Auswirkung von Governance (Kap. 3.2), die Vorteile eines Clusters für das Lernen und Innovation (Kap. 3.3.), sowie die Rolle externer Quellen für ein Cluster (Kap. 3.4.) beschrieben werden.

3.1. Allgemein

In den letzten Jahren hat das Interesse an lokalen, industriellen Agglomerationen und Spezialisierungen rapide zugenommen und Einzug in industrie- und entwicklungspolitischen Entscheidungen gehalten. Alle Konzepte basieren dabei auf den Ansätzenüber industrielle Cluster von Marshall (1920). Das Vorhandensein einer kritischen Masse von spezialisierten und gebündelten Unternehmen führt jedoch nicht automatisch zu einem „marshallschen" Distrikt. Vielmehr erleichtert diese Masse von Unternehmen ähnlicher Ansprüche die Bildung eines spezialisierten Arbeiterpools, eines Zulieferernetzwerkes, die Bildung von Verkaufsagenten die Inland und Ausland bedienen und spezialisierter

Produzentendienstleister. Insbesondere Porters Arbeit (1990) brachte dabei neue Ansätze hervor. Demnach ist ein Cluster eine geographisch konzentrierte Gruppe von KMU in ähnlichen Branchen, die im Wettbewerb zueinander stehen und gleichzeitig kooperieren und dabei eine hohe Performance - kollektiv wie individuell - erzeugen. Diese erhöhte Effizienz folgt vor allem aus dem hohen Grad der Interaktion zwischen den Firmen.

3.1.1. Verschiedene Schulen

Verschiedene Wissensschulen („New economic geography", „business studies", „regional science" und „innovation studies") haben bereits die lokalen Determinanten des Wettbewerbs untersucht.

Kernelement der „new economic geography" ist die Modellierung von steigenden Skalenerträgen, was zu einer neuen Wachstumstheorie geführt hat. Insbesondere Krugman (1991, 1995) ist es zu verdanken, dass die Idee der steigenden Skalenerträge, die sich im Rahmen eines Clusters ergeben, auf der Mainstream Agenda stehen. Demnach führt die Clusterung zu scale und scope Vorteilen, reduziert die Transaktionskosten bei der Suche nach Arbeitskräften und Informationen, erleichtert Problemlösungen zwischen den Firmen und den Zugang zu lokalen Gütern. Es konnte im Rahmen ökometrischer Studien nachgewiesen werden, das innovative Tätigkeiten bzw. Arbeitsschritte dazu neigen in Cluster angesiedelt zu werden, da sich dort „knowledge spillover" ergeben (Audretsch und Feldmann 1996).

Auch Business Studien verweisen auf die Besonderheiten von Clustern (Porter 1990, 1998 und Weijland 1994). Demnach ergeben sich die Vorteile eines Clusters aus dem Vorhandensein lokaler Faktoren, die die Dynamik der Leading Firma stärken, also lokalen Wettbewerb und das Vorhandensein eines lokalen Zulieferernetzwerks.

Die „Regionale Wissenschaft" konnte aufgrund ihrer Interdisziplinarität den größten Beitrag zur Cluster-Forschung liefern. Industrielle Distrikte wurden erstmals von Becattini (1987) nach dem Konzept von Marshall an italienischen Clustern entwickelt. Dem folgte eine Reihe weiterer Beispielstudien (z.B. Becattini 1990, Brusco 1990, Markusen 1996, Pyke und Sengenberger 1992, Scott 1996). Insbesondere die Rolle der Lern- und Innovationseffekte wurde herausgearbeitet (z.B. Storper 1995, Maillat 1996).

Die „innovations studies" konzentrieren sich auf die Bedeutung der technologischen Entwicklung. Dabei stehen vor allem die individuellen Firmen im Vordergrund und ihre Unterschiede in Bezug auf Innovation und Diffusion. Wenn Innovation ein nicht-linearer Prozess ist, der aus der kumulativen Kreierung neuen Wissens und der Kombination bestehenden Wissens entsteht, kann man annehmen, dass durch Learning by doing, by using und durch die Interaktion mit ähnlichen Firmen, diese angetrieben wird (Lundvall 1993), sowie durch ein Innovationssystem auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene (Cassiolato und Lastres 2000, Edquist 1997, Freeman 1995, Maskell und Malberg 1999). Die Soziologie zeigt immer mehr, dass Innovation ein lokalisierter Lernprozess ist (Antonelli et al. 2002).

Alle Ansätze betonen die Bedeutung lokaler Quellen für die Wettbewerbsfähigkeit. New Economic Geography und Business Studies sehen die lokale Governance nicht als wichtigen Einflussfaktor, sondern sehen die Vorteile aus der Marktdynamik und den inter-firm Netzwerken wachsen. Regionale Wissenschaft und Innovation Studies sehen die Marktkräfte ebenso als Grund, jedoch glauben sie, dass die Markdynamik zu Ineffizienz insbesondere für das Upgrading führt.

3.1.2. GrundlegendeVorteile

Der Ansatz der „collective efficiency" (Schmitz 1995a) fasst die Wettbewerbsvorteile von Clustern zusammen. Einerseits sind dies die lokalen externen Effekte (Marshall 1920) (lokale externe Effekte = Spillover Effekte). Diese zufälligen Effekte können jedoch nur einen Teil der Wettbewerbsvorteile erklären. Ebenso wichtig ist zum Anderen die bewusst eingegangenen Zusammenarbeit auf vertikaler und horizontaler Ebene (Schmitz 1999b). Wie weit diese beiden Punkte zusammenkommen und damit die Dynamik der Entwicklung beeinflussen, bestimmt die „collective efficiency". Beides ist auf jeden Fall notwendig. Ein Cluster, das nur auf zufällige externe Effekte baut, wird ohne Zusammenarbeit wenig erfolgreich sein. Ebenso wird sich eine Zusammenarbeit nicht ohne externe Effekte entwickeln. Das heißt auch, dass nicht jede räumliche Konzentration von Produzenten automatisch zu mehr Wettbewerbsfähigkeit führt.

Nadvi und Schmitz (1994) haben im Rahmen der Analyse empirischen Materialsüber räumlich konzentrierte KMU Faktoren isoliert, die maßgeblich verantwortlich sind für Effizienz- und Effektivitätsgewinne. Auf Firmenebene sind dies die (1) vertikalen Produktionsbeziehungen, (2) horizontale Kooperationen und die (3) Produzenten - Händler Beziehungen. Auf struktureller Ebene sind dies das soziale Milieu und die Regierungspolitik[6].

Dies ist kein automatisierter Prozess, sondern die Firmen müssen, die sich ihnen bietenden Wettbewerbsvorteile nutzen. „.. the importance of heterogenneous, localised capabilitiees for building firm-specific competence" (Maskell und Malmberg 1999, S.172), d.h. Firmen müssen die Besonderheiten ihrer Umgebung nutzen und damit Alleinstellungsmerkmale schaffen.

Die räumliche Konzentration der Firmen ergibt sich also aus den Agglomerations- und Lernvorteilen, die die Firmen erzielen wollen. Sie kann aber auch Ergebnis naturräumlicher Phänomene sein. So ist die Gewinnung von Rohstoffen an die natürlichen Vorkommen bzw. ertragreiche Anbauflächen gebunden. Ob sich daraus eine Zusammenarbeit ergibt, ist ein anderer Punkt.

3.2. Governance

Wie kann die Entwicklung eines Clusters gesteuert werden und welche Akteure werden dabei involviert? Der Ansatz der Governance bietet dazu Erklärung.

3.2.1. Allgemein

Der Begriff der Governance hat sehr unterschiedliche, konfuse Bedeutungen. So werden die Tätigkeiten der Oberen in Institutionen oder der Verfassung nach gegebenen Positionen als Governance bezeichnet. In der Ökonomie wird damit die Koordination von Aktivitäten jeglicher Form durch Märkte, Firmen oder Netzwerke bezeichnet (Williamson 1979) oder auch jegliche Koordination ökonomischer Aktivitäten, die nicht auf Markbasis geregelt sind (Jessop 1998).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3-1: Governance Modell einer GVC (Fuchs 2003, S.182)

Auch wenn in der Ökonomie die Begriffe Governance und Koordination oftmals synonym verwendet werden, sollten sie hier von einander abgegrenzt werden. Koordination ist das Management der Übergabe tangibler Güter an den Schnittstellen zwischen Firmen. Governance ist das Setzen von Regeln und der damit verbundenen Möglichkeit zur Aneignung von Renten im Machtverhältnis zu den anderen Akteuren einer Wertschöpfungskette (Stamm 2004, S.20). Nach dieser Definition könnte man auch die Ebene der nicht rentenorientierten Akteure (Staaten, NGOs ...) als Teil der Governance betrachten (vgl. Abb. 3-1). Da diese jedoch andere Beweggründe zur Einflussnahme haben und versuchen,über die Rahmenbedingungen die Wertschöpfungskette zu verändern, liegt eine getrennte Betrachtung nahe (Gereffi 1994). Der Begriff der „private governance"[7] [8] scheint zur besseren Abgrenzung sinnvoll (Messner 2003, S.13 und Fuchs 2003, S.182). Dennoch muss bedacht werden, dass die Grenzen zwischen diesen Ebenen fließend sind, da auch Unternehmen darum bemüht sind,über Rahmenbedingungen ihre Rente zu verbessern.

Bei der Analyse der Governance ist es somit das Ziel, Akteure zu identifizieren, die nicht nur ihr eigenes Handeln innerhalb einer Wertschöpfungskette bestimmen, sondern darüber hinaus das Handeln anderer Akteure beeinflussen und sogar maßgeblich bestimmen. Welche Formen die Governance im Rahmen von Global Value Chains annimmt soll an späterer Stelle diskutiert werden. Wichtig ist jedoch, dass „private governance" sowohl auf globaler Ebene stattfindet, als auch auf einer lokalen Ebene z.B. in Form lokaler Handelskammern oder in Clustern der Form „Hub and spoke".

3.2.2. Governance in Clustern

In der Clusterliteratur wird Governance meist in Form von "local-level inter-firm networks", "business associations" (private governance) und "public and public-private institutions" diskutiert. Insbesondere die Regionale Wissenschaft und Innovation Studies betonen deren Bedeutung für die Entwicklung (Braczyketal 1998, Cooke und Morgan 1998).

Governance ist in Clustern aus verschiedenen Gründen wichtig. Käufer sind oftmals an einem Produkt bzw. einer Kombination von Gütern und Dienstleistungen interessiert, die eine Firma allein nicht liefern kann. Eine solche gemeinsame Aufgabe fördert das Upgrading der Produktion, die Stetigkeit der Qualität und erweitert die Diversität des Clusters. Beispiele solcher notwendigen Zusammenarbeiten finden sich in der niederländischen Blumenwirtschaft, in Hafenclustern aber auch in der Weinindustrie. So sinkt der durchschnittliche Verkaufspreis von Wein einer bestimmten Region, wenn nicht genügend verschiedene Sorten angeboten werden[9]. Ebenso können Imageprobleme einer Region nur in gemeinsamer Anstrengung mit anderen Industrien und staatlichen Stellen beseitigt werden. Auch Investitionen fürs Upgrading erfordern eine Koordinierung durch Governance, da nur so die Zweckdienlichkeit sichergestellt werden kann (Visser 2004, S.llf.). Aus demselben Grund, weshalb eine Governance im Rahmen von Global Value Chains erst zu einer systemischen Effizienz führt, ist die Governance auch in lokalen Netzwerken notwendig. Externe Beziehungen im Rahmen von Netzwerken bzw. Clustern können die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, wenn die Firmen lernen zu kooperieren, Wege der Koordination finden und eine effektive Governance aufbauen, um die Zusammenarbeit zu sichern und kollektive Investitionen durchzuführen.

Governance beschränkt sich jedoch nicht auf die Unternehmen. Erfolgreiche Regionen haben Systeme von Governance mit Institutionen, die die Zusammenarbeit mit der lokalen Regierung und der Gesellschaft erleichtern und dauerhaft die Grenzen zu diesenüberbrücken (Hudson 1998). Diese sogenannten policy networks[10] (Kenis und Schneider 1991) privater und staatlicher Akteure sind wichtige Instrumente um Upgrading z.B. im Rahmen von Initiativen, voranzutreiben (Esser et al 1995, Helmsing 1999, Humphreyund Schmitz 1996, Messner 1997, Meyer-Stamer 1999). Ebenso gehört eine angepasste lokale und regionale Industriepolitik zu den notwendigen Mitteln, die die Wettbewerbsfähigkeit steigern (Cooke und Morgan 1998, Pyke und Sengenberg 1992).

Welche Qualität ein Cluster im Rahmen der Governance erreicht, lässt sich anhand von vier Faktoren bestimmen: Vertrauen, Rolle der Leadfirma, Wissensvermittler und Lösungswege für gemeinsame Probleme (vgl. Abb. 3-2) (De Langen und Visser 2005).

- Vertrauen senkt die Transaktionskosten, welche definiert werden können als die Kosten der Handhabung zweier Typen von Risiken mit externen Verbindungen zu anderen Firmen: dem Verhalten des Gegenüber und dem Wissensspillover. Durch die Reduzierung dieser Risiken, erleichtert Vertrauen die Kooperation, insbesondere bei dynamischen Wagnissen, wenn Alternativen nicht ausreichend sind.
- Leader Firmen eines Clusters haben die Möglichkeiten und auch den Anreiz in kollektive Ressourcen zu investieren, d.h. sie machen Investitionen von denen auch andere Firmen im Cluster profitieren. Die Firmen haben dabei zwei Möglichkeiten:

Zum Einen durch die Schaffung interner Effekte im Netzwerk (Upgrading, Innovation und Internationalisierung) und zum Anderen durch die Förderung externer Effekte (Arbeitsmarkt, Wissen und organisatorische Infrastruktur) (Nooteboom 2002). Diese Strategie ist zumeist auf bestimmte Gruppen im Cluster beschränkt, kann sich aber bei ausgezeichneter Strategie, großen monetären Mitteln und effektiver Risikominimierung auf alle Firmen sich ausdehnen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3-2: Faktoren der Clusterqualität (Visser 2005, S.12)

- Wissensvermittler sind Trainingscenter, Universitäten, F&E Institute, Handelskammern oder staatliche Stellen. Einerseits verbreiten sie Information, so dass sich die Strategien und Möglichkeiten der Unternehmen verbessern, andererseits vermitteln sie aber auch neue Kooperationen zwischen den Firmen.
- Collective action problems (CAP) ergeben sich in Clustern dadurch, dass die Transaktionskosten bestimmter Akteure durch die verbesserte Zusammenarbeit sinken, diese Effekte sich jedoch ebenso auf passive Unternehmen positiv auswirken (free-riding). Lösungen können erst durch eine „Nicht-Markt-Koordination" geschaffen werden. Eine solche entsteht jedoch nicht spontan, sondern erfordert sowohl Vertrauen als auch ein Gefühl der Gemeinschaft (Visser 2004, S.8).

3.3. Lernen und Innovation

Neben den Effizienzgewinnen ist die besonders hohe Innovationskraft von Clustern eines der wichtigsten Merkmale (Becattini 1990, Porter 1998). Aufgrund des globalen Wettbewerbs und der Prägung durch die Wissensökonomie, ist Lernen und Innovation für jedes Unternehmen auf der Welt zu einem der wichtigsten Faktoren geworden, um zu bestehen und sich weiter zu entwickeln. Nach der Theorie des technischen Wandels ist Innovation nicht nur das Ergebnis von Forschungsaktivität, sondern auch eines kreativen Prozesses. Demnach ist Innovation Ergebnis eines kumulativen Lernprozesses, durch Learning-by­interacting, learning-by-doing und learning-by-using (Hofmeier 2001).

Lernen selbst ist der Prozess, Wissen zu erwerben und zu sammeln. Dies ist eine der wichtigsten Fähigkeiten eines Clusters, unterscheidet sich hier jedoch stark von traditionellem, individuellem und organisiertem Lernen. So sind Firmen außerhalb eines Clusters weniger innovativ und wachsen weniger. Wissen wird also weniger innerhalb der Firmen gewonnen, sondern z.B. im Rahmen informeller Face-to-face Kontakte ausgetauscht (Becattini 1990, Saxenia 1994). Cluster funktionieren als eine Art Sammler und Lager von Wissen und Ideen und fördern gleichzeitig den Austausch dieser auf lokaler Ebene[11]. Cluster können als Kristallationspunkt der Wissenserstellung, des Transfer und der Aufnahme in der globalen Lernökonomie gesehen werden (Zheng und Sheng 2006, S.3).

Über den genauen Ablauf des Lernens in Clustern gibt es verschiedene Ansätze. Die GREMI vertritt die Idee des kollektiven Lernens im Kontext des innovativen Milieus. Das kollektive Lernen ermöglicht dabei den räumlichen Transfer von Wissen (Capello 1999). Anhand der High-Tech Region Cambridge konnten drei Prozesse des kollektiven Lernen identifiziert werden (Keeble und Wilkinson 1999): (1) lokale Spillover von eingebundener Technologien und Managementerfahrungen; (2) Interaktion in inter-firm Netzwerken; (3) Fluss von Wissenschaftler und Experten.

Lokale knowledge spillovers (LKS) sind die Basis für Adaption, Lernen und Innovation und steigern damit die Wettbewerbsfähigkeit (Malmberg und Maskell 2002). Empirisch konnte bereits die Existenz von LKS erbracht werden. So liegt die Innovationsfreudigkeit in Clustern höher, als die ökonomische Basis dies erwarten lässt (Audretsch und Feldmann 1996).

In der traditionellen Literatur nach Marshall gibt es keine Verbindungen zwischen Cluster sowie Lernen und Innovation. Die Kostenvorteile, die sich durch ein Cluster ergeben, können jedoch einen positiven Effekt haben, dadurch dass die Investitionskosten für Innovation sinken und damit der Innovationsanreiz steigt. Ebenso führen spezialisierte Zulieferer und mögliche „Economis of scope" zu erhöhter Innovation (Martin und Sunley 1996). Nach diesem Ansatz sind auch die bisherigen empirischen Beweise nur durch die Kostenvorteile zu erklären (Breschi und Lissoni 2001a/b).

Auch wenn nicht klar ist welche Mechanismen die Innovation antreiben, ist es wahrscheinlich, dass sowohl LKS als auch monetäre Effekte eine Rolle spielen[12]. Ein anderer Ansatz ist der des lokalen bzw. regionalen Lernens aus dem Blickwinkel des interaktiven Lernens. Der Prozess des lokalen Lernens basiert auf der Kommunikation, weshalb räumliche Nähe und Zusammenhalt das interaktive Lernen zwischen den Akteuren fördert (Lorenzen 1998). Lokales Lernen findet auf drei Ebenen statt (Malmberg und Maskell 2004, S.3ff.):

- Auf der vertikalen Ebene mit den spezialisierten Zulieferern, den nachfragenden Kunden, Zulieferern von Technologie und Maschinen und Zulieferern spezieller Dienstleistungen. Wichtig ist das sich ergänzende Wissen der verschiedenen Akteure. Diese Firmen sind entlang einer vertikalen Achse auf bestimmte Abschnitte der Produktion spezialisiert, deren Zusammenarbeit eine gewisse Koordination zwischen den jeweiligen input - output - Schnittstellen erfordert. Dabei werden Informationen ausgetauscht, die die jeweilige Produktion effizienter gestaltet.

Dieser Austausch ist auch für Innovation wichtig. Innovation wird oftmals in Abhängigkeit der Signale der Kunden oder sogar mit deren Zusammenarbeit entwickelt (Malmberg und Power 2005). Knowledge Upgrading findet in Clustern vor allem dann statt, wenn anspruchsvolle Kunden Teil des Clusters sind (Porter 1990, S.89f.).

- Auf der horizontalen Ebene ist es der Prozess des Beobachtens und Vergleichens, der Selektion und Imitation und der Rivalität, der sich aufgrund der Variation und Ähnlichkeiten zwischen den Unternehmen ergibt (Malmberg und Maskell 2005, S.4ff.).
- Die soziale Ebene umfasst neben lokaler Wissensdiffusion aufgrund sozialer Verzahnung der Menschen, auch den lokalen Arbeitsmarkt. Wissen wird von wechselnden Arbeitnehmern zwischen den Unternehmen ausgetauscht. Es handelt sich um Nachbarschaftseffekte („relational proximity") (Maskell und Malmberg 1999, 2005, Boschma 2005), geht aber auch darüber hinaus. Die Nähe beschränkt sich nicht nur auf soziale Faktoren, sondern umfasst auch eine kognitive und kulturelle Ebene, die ebenfalls notwendig für das kollektive Lernen ist. Daraus ergibt sich auch, dass Firmen, die sich später in ein Cluster integrieren bzw. in demselben Raum ansiedeln wollen, nicht automatisch von allen Vorteilen des Clusters profitieren. Gerade aus dem Ausland stammende Firmen besitzen eine andere Firmenkultur.

Neben den geschäftlichen Netzwerken lassen sich also eine Vielzahl anderer Netzwerke differenzieren. Verschiedene Netzwerke transportieren dabei unterschiedliche Informationen und beeinflussen die Firmen entsprechend unterschiedlich. So lassen sich Wissensnetzwerke differenzieren, welche sehr viel selektiver agieren und damit eine größere Rolle spielen als Geschäftsnetzwerke (Guilianni 2005). Damit ist die Firmenperformance vor allem auch von den internen Fähigkeiten abhängig (Giulianni 2006).

Dass auch externes Lernen für Cluster wichtig ist, war zwar bekannt (Camagni 1991), wurde aber lange nicht näher untersucht. Zwischen Clustern und externen Quellen findet ein großer Austausch von Materialien, Kapital, Arbeitskräften und Informationen statt, die für die Entwicklung des Clusters wichtig sind. Cluster ohne umfangreiche Verbindungen nach Außen würden scheitern (Keeble und Wilkinson 1999). Nach dem „local buzz-global pipeline" (Bathelt et al. 2004) Ansatz wird Lernen nicht nur lokal innerhalb des Clusters angeregt, sondern auch global. Aktivitäten wie Messen, Fachmärkte, Ausstellungen und andere Ereignisse mit Besuchern aus aller Welt, fördern auch den Innovationsprozess in Clustern. Das Beispiel der Lederindustrie in Brasilien zeigt, wie die lokalen Produzenten nachhaltig auch von ihren globalen Käufern lernen können (Schmitz und Knorringa 2000).

3.4. Externe Verbindungen

Innovation und Lernen wird nicht nur durch die lokalen Netzwerke gefördert, sondern auch durch externe Verbindungen. Mit der Entwicklung der Globalisierung haben sich die verschiedenen ökonomischen Aktivitäten rund um die Welt in einem globalen Netzwerk miteinander verbunden. Einzelne Industriezweige sind in ihrer Produktion und Entwicklung global aufgestellt, jedoch ebenso die einzelnen Unternehmen. Die Aktivitäten von lokal agierenden Unternehmen, egal ob in der Produktion, Distribution oder Forschung tätig, werden mehr oder weniger vom globalen Markt und ausländischen Unternehmen beeinflusst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3-3: Beispiel einer Holzspielzeug GVC (Zheng und Sheng 2006, S.8)

Ketten zeigen dabei die ökonomische, systematische Verflechtung von verschiedenen ökonomischen Aktivitäten auf. Globale Wertschöpfungsketten (Global Value Chain, GVC) (Beispiel siehe Abbildung 3) umfassen alle Aktivitäten (vgl. Abb. 3-3) von der Gewinnung der Rohstoffe, dem Fluss der Rohmaterialien,über die Produktion und den Verkauf von Zwischenprodukten hin zum Endprodukt, dessen Recycling, aber auch die Organisation und Verteilung von Wertschöpfung und Profit zwischen den Akteuren[13].

Multinationale Unternehmen spielen die Hauptrolle in den globalen Wertschöpfungsketten. Durch ihre Dominanz, wirkt sich ihre Strategie auch auf die Arbeitsteilung, die Verteilung der Wertschöpfung und auf die Entwicklungstrends der lokalen Unternehmen und damit auch auf Cluster aus.

Die Input-Output Struktur, die Form der Governance und der institutionelle Rahmen der GVC beeinflussen Struktur, Funktion und Entwicklung der lokalen Cluster. Der große Austausch von Waren, Kapital und Technologie zwischen dem Cluster und anderen Knotenpunkten der GVC bringt neues Wissen in ein Cluster. Non-local Learning wird damit hauptsächlichüber die Verbindungen zu anderen Knotenpunkten beeinflusst (Zheng und Sheng 2006, S.6).

Mit dem Konzept der „Globale Pipelines" (Bathelt et al 2004, Malmberg und Maskell 2005, S.10) werden solche Kanäle beschrieben, durch die Interaktionen mit hoher Reichweite stattfinden. Obwohl knowledge spillovers im regionalen Kontext effektiver sind, können manche wichtigen „knowledge flows" nurüber solche Netzwerkpipelines stattfinden. Zugang zu neuem Wissen resultiert also nicht immer nur aus regionaler Interaktion, sondern auch aus strategischen Partnerschafte von internationaler Reichweite. Solche Firmen sind nicht nur in einem regionalen, innovativen Netzwerk eingebunden, sondern in einem sozialen Netzwerk, das keine räumliche Grenze kennt. Die Firmen müssen jedoch auch die dafür notwendigen Kapazitäten haben, um solche globalen Pipelines aufzubauen.

Das von außen kommende Wissen sollte im besten Fall mit dem lokalen Netzwerk verschmelzen. Je besser solche Pipelines entwickelt sind, umso mehr Wissen, Informationen, Neuigkeitenüber Märkte und Technologien werden dem lokalen Milieu zugeführt und regen es weiter an (Giulliani 2005a, 2006; Malmberg und Maskell 2005).

Es ist jedoch fraglich, ob die Firmen durch ihre Anstrengung in der Aufrechterhaltung der globalen Pipelines noch genug Ressourcen für das lokale Milieu zur Verfügung steht oder ob weiterhinüberhaupt die Notwendigkeit besteht für lokale Verbindungen, und sie sich damit langsam aus dem lokalen Milieu ausgrenzen.

4. Global Value Chains

Das Konzept der Global Value Chains bietet vielfältige Möglichkeiten der Analyse um die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Unternehmen zu erklären, doch es kann genauso zur Analyse der Entwicklungsmöglichkeiten genutzt werden. Im Folgenden soll zuerst der Ansatz der Global Value Chains erläutert werden (Kap. 4.1.), anschließen die Auswirkungen der Eintrittsbarrieren auf die GVC und die Rentenverteilung erläutert werden (Kap. 4.2.), ebenso wie und warum Governance verteilt ist (Kap. 4.3.) und auf die Folgen von Qualitätsmerkmalen (Kap. 4.4.) und Standardisierung (Kap. 4.5.) eingegangen werden. Das nachfolgende Kapitel (Kap. 5) beschäftigt sich sowohl mit den Möglichkeiten des Upgrading im Rahmen von GVC als auch mit Clustern und ihrem Zusammenspiel.

4.1. Grundkonzept

4.1.1. Theorieentwicklung

Die Theorie der Global Value [14] Chains ist in den letzten Jahren vermehrt in den Blickpunkt der Wissenschaft gerückt und hat insbesondere die Debatteüber die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von den entwickelten Ländern mit geprägt. Der Ansatz der Global Value Chains ist jedoch nicht neu, sondern bereits seit 50 Jahren ein Konzept zur Analyse der wirtschaftlichen Aktivität. Die aktuellen Diskussionen sind vielmehr im Rahmen einer qualitativen Veränderung zu betrachten. Mit der Entfachung der Globalisierungsdiskussion bietet die Theorie der Global Value Chains ein adäquates Mittel zur Analyse der gegenwärtigen Weltwirtschaftsstrukturen, ihrer Prozesse, Abhängigkeiten, Lokalisierungen und Veränderungen.

Die Analyse von vertikal integrierten, arbeitsteiligen Produktionssystemen entstand bereits in den 1920er Jahren, jedoch machte Hirschmann 1958 als Erster auf die damit verbundenen Effekte durch einzelne Momente entlang der Wertschöpfungskette aufmerksam (Stamm 2004, S.11).

Porter (1990) nutzte bereits den Begriff der Value Chain zur Beschreibung von Firmenstrategien im Umgang mit anderen Firmen. Ähnlich analysierten Ruigrok und van Tulder (1995) die Restrukturierungskonzepte von multinationalen Unternehmen, bei der diese die Organisation von Zulieferern, Händlern, usw.übernahmen. Ähnlich argumentierte Wilkinson (1995) in seinem Konzept des „productive system".

Ernst hat den Begriff der Globalen Produktionsnetzwerke eingeführt und versucht, die Netzwerkbeziehung zwischen und innerhalb transnationaler Unternehmen zu analysieren. Damit konnte er die Beweggründe von Firmen für die Schaffung solcher Netzwerke aufzeigen. Es ist jedoch das Verdienst von Gereffi (1994) eines umfassenden Konzeptes, dass nicht nur die Unternehmen einer Wertschöpfungskette betrachtet werden.

Wichtig für das Konzept der Global Value Chains ist insbesondere die Arbeit von Gereffi (1994), der erstmals auf die globale Dimension der Wertschöpfungskette aufmerksam gemacht hat und weitergehende Analyseinstrumente entwickelte. Demnach ist eine Global Value Chain ein organisationsübergreifendes Netzwerk von Akteuren, das sich um eine Ware oder ein Produkt herum gruppiert und damit die verschiedenen Akteure vom Konsumentenüber die Unternehmen bis hin zum Staat miteinander verbindet. Diese Netzwerke sind damit situationsspezifische, soziale und im jeweiligen Kontext verankerte Konstrukte. Gereffi nutzte noch den Begriff der „global commodity chain", eine Beschränkung auf standardisierte Massengüter ist jedoch im Rahmen von GVC nicht nötig. Die Analyse der Wertschöpfungskette kann genauso an stärker differenzierten Waren vollzogen werden, weshalb sich der Begriff der „Global Value Chain" anbietet.

Ein Konzept, das in weiten Teilen mit dem der Value Chainübereinstimmt, ist das in Frankreich geprägte filiere-Konzept. Es beschreibt den Strom von physischen Inputs und Dienstleistungen in der Produktion des Endproduktes, also einer dezentralisierten Produktion. Die ersten filiere Analysen betonten die Multiplier-Effekte für die lokale Ökonomie aufgrund der Input-Output Beziehungen zwischen den Firmen, beschränkten sich ansonsten auf die Gewinne, die sich aus den Skaleneffekten, dem Transport, Transaktionen etc. ergaben. Dieser Ansatz fand häufig in der französischen Politik Gebrauch. Der Nachteil des Ansatzes ist jedoch seine scheinbare Statik. Beziehungen werden zu einem fixen Zeitpunkt betrachtet, womit die Dynamik der Ströme und auch die wechselnde Stellung der Akteure missachtet werden (Stamm 2004, S.13 ff.).

4.1.2. Aktuelle Forschung

In den letzten Jahren hat sich die Forschungsliteratur zu GVC sowohl empirisch als auch konzeptionell erweitert. Neue Beispielstudien zu Hochtechnologie-GVC und agrarischer Commodities sind entstanden[15]. Bei diesen neuen Studien stehen insbesondere zwei Teilbereiche im Blickpunkt:

- Empirische Observation und theoretische Diskussionüber wechselnde Formen der Koordination und Governance in GVC[16]
- und konzeptionelle und politikrelevante Analysen für Upgradewege insbesondere in Entwicklungsländer[117].

Diskussionen gab es auchüber die Verknüpfungen zwischen Formen der Governance und Upgrading[18] und zwischen GVC und industriellen Clustern[19], sowie zwischen Upgrading, Governance und regulativen Systemen[20]. Zunehmend wird auchüber die Auswirkungen von Standards und nachhaltigem ethischen Handel[21] diskutiert. Auch wenn es große Fortschritte in der Entwicklung der GVC - Analyse gegeben hat, fehlt es jedoch bis heute an einem kohärenten theoretischen Rahmen (Raikes et al. 2000).

4.1.3. Grundlagen

In der Global Value Chain (GVC) Analyse wird die internationale Struktur der Produktion, des Handelns und des Konsums eines Produktes (ursprünglich nur Commodities) in ihre einzelnen Aktivitäten unterteilt, die zusammen ein Netzwerk bilden, das von einer Firma dominiert werden kann. Eine Value Chain (bzw. Wertschöpfungskette) umschreibt alle Aktivitäten, die für ein Produkt oder eine Dienstleistung notwendig sind von seiner Konzeption, den verschiedenen Phasen der Produktion, also der physischen Umwandlung des Primärmaterials, und verschiedenen Leistungen anderer Produzenten, des Marketings, der Lieferung bis zum Endkunden bzw. Konsumenten bis hin zum Recycling (Nooteboom und Klein-Woolthuis 2002) (vgl. Abb. 4-1). Diese Aktivitäten werden von verschiedenen Firmen durchgeführt, die sich oftmals an verschiedenen Standorten befinden. Es gibt kaum noch Firmen, die die komplette Value Chain vom Rohmaterial zum fertigen Produkt bis hin zum Verkauf vollständig selbstübernehmen. In jedem Schritt wird dem Produkt Wert zugefügt, d. h. nicht nur die Rohstoffgewinnung erzeugt Wertschöpfung, sondern ebenso deren Verarbeitung und insbesondere die Distribution. Die Produktion ist demnach nur ein Verbindungspunkt innerhalb einer Value Chain.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4-1: Einfache Value Chain (Kaplinskyund Morris 2001, S.4)

Ein einfaches Beispiel dafür ist die Brotproduktion. Der Anbau und die Ernte des Getreides ist der erste Schritt. Dieses wird von der Mühle zu Mehl veredelt, dann vom Bäcker zum Brot gebacken und von dort an die Kunden verteilt. Damit ist das Prinzip der Arbeitsteilung bzw. der Spezialisierung gleichzeitig das Grundkonzept jeder Wertschöpfungskette. Einzelne Akteure besitzen komparative Kostenvorteile in den einzelnen Arbeitsschritten.

In der Realität sind Value Chains sehr viel komplexer aufgebaut, als in der Abbildung 4-1 dargestellt. Auch wenn Value Chains als rein vertikale Gebilde dargestellt werden, so haben einzelne Knoten meist mehr als nur zwei Anknüpfungspunkte. So werden z.B. mehr als ein Input-Gut und verschiedene Dienstleistungen benötigt. Im Folgenden soll das Beispiel der Möbelindustrie erläutert werden (vgl. Kaplinsky und Morris 2001, S.4 ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4-2: Die Forst, Holz und Möbel Value Chain (Kaplinskyund Morris 2001, S.5)

Diese Value Chain beinhaltet die Bereitstellung von Saat, Chemikalien, Maschinen und Wasser als erste Inputgüter im Forstbetrieb. Gefällte Bäume werden dem Sägewerk zugeführt, welches ebenso Maschinen und Chemikalien benötigt. Von dort werden geschnittene Hölzer zu den Möbelherstellern geliefert, die ebenso Input von Maschinen, Klebstoffen, Farben, etc., sowie Dienstleistungen aus dem Bereich Design und Branding benötigen. Je nach Endmarkt erreichen die Produkteüber verschiedene Wege den Konsumenten, der sie später dem Recyclingübergibt (vgl. Abb. 4-2).

Neben den vielfältigen Verknüpfungen innerhalb einer Value Chain sind bestimmte Zwischenproduzenten in verschiedene Value Chains eingebunden (vgl. Abb. 4-3). So beliefert ein Sägewerk nicht nur die Möbelindustrie, sondern auch die Bauindustrie. Solche Alternativen können nur einem kleinen Teil der Auslastung entsprechen, aber auch gleichviele Abnehmer haben. Dies entspricht aber nur der aktuellen Momentaufnahme. Die Dynamik des Marktes oder des technischen Fortschritts kann dazu führen, dass vormals kleine Geschäftsbereiche in der Zukunft maßgeblich sind (Kaplinsky und Morris 2001, S.5ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4-3: Mehrere Value Chains (Kaplinsky und Morris 2001, S.6)

Die Wertschöpfungskette stellt damit ein komplexes Netzwerk verschiedener Akteure dar, die durch den Strom des Produktes miteinander verbunden sind. Jeder Akteur erhöht die Wertschöpfung des Produktes und erhält seinen Anteil am Enderlös.

Bei einer systematischen Betrachtung lassen sich verschiedene Glieder der Kette identifizieren. Am Anfang steht der Input des Materials (oder auch die Leistung, da sich die Kette nicht auf materielle Güter beschränkt). Dem Input folgt dieTransformation, bei der das Gut in ein Fertigprodukt oder Halbfertigprodukt umgewandelt wird. Dem schließt sich die Distribution (Vermarktung, Service) an und am Ende die Konsumption. Der Prozess zwischen den Gliedern beschränkt sich nicht auf den Fluss des Produktes zum Konsumenten, sondern es fließt ebenso Geld aus der Bezahlung zurück, sowie Informationen in jede Richtung, z.B.über die Wünsche der Kunden. An den Schnittstellen setzen die Logistikdienstleistungen ein, die den Fluss von Ware und Information sicherstellen. Auf der anderen Seite haben die Forschung und Entwicklung Einfluss auf den Input, die Transformation und die Distribution, ebenso wirkt sich die Regulation auf alle Glieder der Ketten aus (Dicken 2003, S14 ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4-4: Produktionskette (Dicken 2003, S.15)

Diese Perspektive der Global Value Chain ist wichtig, weil sie den Blick weg von der reinen Produktion hin zu den anderen Aktivitäten einer GVC lenkt, wie der Bereitstellung von Gütern und Service. Diese Aktivitäten haben einen hohen Anteil am Wert eines Produktes und die Analyse dieser macht die Verteilung der Wertschöpfung in der Welt erst verständlich (Kaplinsky 2000a, Wood 2001).

4.2. Eintrittsbarrieren und Renten

Um Upgrading durchzuführen, Innovation zu entwickeln und Produkte permanent zu verbessern, braucht es entsprechende finanzielle Mittel, die normalerweise aus den Unternehmensgewinnen resultieren. In Zeiten verstärkten Wettbewerbs stammen Gewinne hauptsächlich aus ökonomischen Renten. Nach dem klassischen ökonomischen Ansatz von Ricardo entsteht die ökonomische Rente aus dem ungleichen Besitz bzw. Zugangüber bestehende Ressourcen und der daraus resultierenden unterschiedlichen Produktivität der Faktoren. Schumpeter zeigt, dass ein solcher Mangel und damit auch Eintrittsbarrieren geschaffen werden können und diese von den Unternehmen genutzt werden können. Dass heißt ein Unternehmen kann Renten durch gezielte Maßnahmen erzeugen, also durch strategisches Handeln Quellen für Renten erschließen.

Innovationsrenten basieren auf diesem Prinzip. Innovationsrenten entstehen wenn Unternehmen innovative Produkte schaffen und damit einen höheren Gewinn erzielen, als die eigentliche Innovation gekostet hat. Innovation macht ein Produkt einzigartig, z.B. billiger, schöner, kleiner, Für diese gibt es anfangs keine Konkurrenzprodukte, sodass Innovation eine Eintrittsbarriere gegenüber anderen Unternehmen schafft. Diese Gewinne durch Innovation sind ein Anreiz für andere Unternehmen ein Teil dieser hohen Profite zu erreichen. Sobald die Konkurrenz die Innovation imitiert oder durch eigene Innovation vergleichbare Produkte entwickelt, verschwinden die Vorteile und damit die Renten (Kaplinsky 2000a).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4-5: Innovationsrente (Kaplinsky und Morris 2001, S.26)

Die Abbildung verdeutlicht den dynamischen Prozess, der aus der Abfolge solcher Innovationen entsteht. Das Gleichgewicht der Industrie ist als durchschnittlicher Gewinn gekennzeichnet. Mit der Einführung einer Innovation erhält der Unternehmer einen extra Gewinn, eine Produzentenrente. Sobald seine Innovation kopiert wird, sie diffundiert, sinkt seine Produzentenrente, die Preise fallen und es entsteht eine Form des Konsumentengewinns. Dies führt dazu, dass der gleiche oder ein anderer Unternehmer nach neuen Innovationen sucht, um weiterhin entsprechende Produzentenrenten zu erreichen (Kaplinsky und Morris 2001,S.26).

Solche Renten haben dynamischen Charakter, d.h. je höher der Wettbewerb, desto eher droht das Verschwinden der eigenen Renten, wodurch der Konsument jedoch in Form niedrigerer Preise und/oder höherer Qualität profitiert. Es gibt jedoch auch so genannte „intangible parts" auf die dies nicht zutrifft. Solche unangreifbaren Renten lassen sich durch Verbrauchervertrauen erzeugen, z.B. durch Marken (brand building) (Kaplinsky 2000a).

Nicht alle Renten sind Produzentenrenten. Einige ergeben sichüber die Kontrolle von raren natürlichen Ressourcen und andere werden durch Akteure von außerhalb einer Wertschöpfungskette bereitgestellt. So kann eine gute Politik Firmen ermöglichen einfacher ökonomische Renten zu erzeugen, indem sie bessere Ausbildung fördert, eine bessere Infrastruktur bereitstellt und eine effizientere Geldbeschaffung ermöglicht, als dies in den Ländern der Wettbewerber möglich ist. Ebenso führt die Handelspolitik zu Rentengewinnen. Durch die Bevorzugung nationaler Produzenten, durch hohe Importzölle, wird deren Wettbewerbsposition verbessert.[22]

Exogenen Ursprungs sind auch Renten, die durch die regionale Kompetenz (Zuliefererwissen) erhöhte Effizienz ermöglichen, also durch Cluster ermöglichte Renten.

Eine klare Trennung von exogenen und endogenen Faktoren für Renten bzw. Eintrittsbarrieren ist nicht immer möglich. So kann zielbewusstes Handeln von Unternehmen, zur Einführung exogener Eintrittsbarrieren führen, wenn sie z.B. für Protektion lobbyieren oder die lokale Regierung zu Investitionen in die Infrastruktur bewegen. Andersherum können exogenen Faktoren zu endogenen Eintrittsbarrieren führen, z.B. durch eine effiziente Regierungspolitik, die die Firmen in der Entwicklung dynamischer Fähigkeiten unterstützt.

Eine weitere Möglichkeit die Renten zu erhöhen bzw. die Kosten zu senken liegt in der systemischen Effizienz. Die systemische Effizienz erfasst das Ausmaß der systemischen Integration innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette. Wie weit reicht der Einfluss der dominanten Akteure, wie weit können sie die Wertschöpfungskette nach ihren Bedürfnissen strukturieren und koordinieren? Der britische Einzelhandelskonzern Tesco hat beispielsweise nicht nur seinen Dosenlieferanten bestimmte Standards vorgeschrieben, sondern hat die Bestandteile bis zum Abbau der Rohstoffe zurückverfolgt und den gesamten Prozess nach seinen Bedürfnissen umstrukturiert. Die Durchsetzung systemischer Effizienz ermöglicht Schlüsselakteuren erweiterte Einsparpotentiale wahrzunehmen, die weit außerhalb der eigenen Unternehmensgrenzen liegen und sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken (Kaplinsky 2000b, S.13f.).

Letztendlich führt der Prozess des Wettbewerbs dazu, dass die meisten Renten nur einen zeitweiligen Bestand haben, da die Eintrittsbarrieren durch neue Innovationen der Konkurrenten sinken.

Die Gewinner der Globalisierung sind die Unternehmen, die in der Lage sind, Renten zu generieren und bei Gefahr durch Innovation, Verbesserung der systemischen Effizienz und Upgrading, diese erneuern zu können. Der immer stärker werdende Wettbewerb führt dazu, dass sich diese Renten immer häufiger in den unantastbaren Bereichen befinden, also in Markennamen und Patentrechten. Diese Formen der Renten sind zumeist im Besitz von großen Unternehmen in den Industrieländern.

4.3. Governance in GVC

4.3.1. Buyer- und producer-driven

Eine der wichtigsten Erkenntnis der Global Value Chain Forschung liegt darin, dass der Welthandel in großen Teilen nichtüber anonyme Märkte koordiniert wird, sondernüber relativ stabile Netzwerke zwischen rechtlich voneinander unabhängigen Unternehmen (Messner 2003, S.13). Wertschöpfungsketten unterstellen eine gewisse Wiederholung von Interaktionen zwischen den Verknüpfungen. Governance geht davon aus, dass die Interaktion zwischen den Firmen einer Wertschöpfungskette einer Organisation unterliegt und nicht nur zufällig ist. Wertschöpfungsketten besitzen demnach eine Governance, wenn Produkte, Prozesse und Logistik Parameter benötigen, die mehrere Aktivitäten, Akteure und Funktionen umschließen (Kaplinsky 2000b, S.11).

Bis zur Mitte des 20. Jahrhundert wurde hauptsächlich mit Fertigprodukten und Rohstoffen gehandelt. Seitdem werden jedoch verstärkt mehr Zwischenprodukte und Dienstleistungen gehandelt, welche viel komplexer sind. Neue Produktionsformen wurden eingeführt, z.B. Just-In-Time. Dies erfordert mehr Vertrauen, Kommunikation und Koordination zwischen den Handelspartnern (Kaplinsky 2000b, Stallings 1995).

Governance im Rahmen von Global Value Chains bedeutet „the functional integration and coordination of internationally dispersed activities" (Gereffi 1999b, S.41). Die Leadfirmen kaufen die Produkte nicht auf Basis von „arms-length" Verbindungen, sondern spezifizieren was produziert wird, wie es produziert wird und von wem, undüberwachen deren Performance. Das heißt, auch wenn die Leadfirma keine eigenen Produktionsstätten besitzt, sondern andere Funktionen innerhalb der GVC wahrnimmt, kontrolliert sie dennoch die Value Chain (vgl. Dolan und Humphrey 2000).

Wertschöpfungsketten können dabei auf zwei unterschiedliche Weisen organisiert sein (Gereffi 1995, S.113ff.; 1999b):

- Producer driven: In solchen Ketten spielen MNU oder andere große integrierte Firmen die entscheidende Rolle bei der Kontrolle des transnationalen Produktionssystems inklusive ihrer forward (Verkauf) und backward linkages (Rohstoffe und Komponenten). Dieses System ist charakteristisch für Kapital und technologieintensive Branchen wie der Automobil[23] -, Computer-, Luftfahrt oder der Maschinenindustrie. Die Leadfirma besitzt in diesen Ketten ihre Kernkompetenz in der Produktion und dem Design der Produkte und dem Management der Produktion[24]. Die Zwischenprodukte werden dabei im engen Verbund von den Zulieferern produziert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4-6: Buyer und Producer driven Chains (Gereffi 1995, S.115)

- Buyer driven: In solchen Wertschöpfungsketten spielen große Verkäufer, Händler und Markenproduzenten die Hauptrolle. Sie kontrollieren dezentralisierte Produktionsnetzwerke in verschiedenen Ländern vor allem in der Dritten Welt. Diese Form der Organisation findet sich hauptsächlich in der arbeitsintensiven Konsumgüterindustrie z.B. bei Bekleidung[25], Schuhen, Spielzeug, Haushaltswaren, Konsumerelektronik und verschiedenen handwerklichen Gütern wie Möbeln und Schmuck. Die Produktion ist dabei in einem abgestuften Netzwerk von Produzenten der Dritten Welt ausgelagert. Diese produzieren die fertigen Produkte für die ausländischen Firmen. Die Spezifikationen werden dabei von den Leadfirmen festgelegt. Sie bestimmenüber Design und Marketing, produzieren aber nicht selber. Sie sind sozusagen Produzenten ohne Fabriken, da sie die Produktion der Güter von Design und Marketing getrennt haben. Manche Markenfirmen haben zum Teil oder sogar alle Aktivitäten der Produktentwicklung, Manufaktur, Verpackung, Transport und sogar die Buchführung an verschiedene Akteure rund um die Welt ausgelagert. Der wichtigste Job der Leadfirmen ist das Management des Produktions- und Handelsnetzwerk und das Sicherstellen, dass alle Teile miteinander integrieren. Die Profite ergeben sich nicht aus Skaleneffekten oder technologischem Vorsprung, sondern aus der Kombination von Hochtechnologie-Entwicklung, Design, Verkauf, Marketing und Finanzdienstleistungen, die es dem Verkäufer erlauben, als strategischer Operator zu agieren, der die Überseefabriken mit den Händlern verbindet. In diesen Ketten liegen die Eintrittsbarrieren bei den Informationskosten, Produktdesign, Advertising und im Supply Management.

Diese Entwicklung von „buyer-driven" Strukturen in der Manufaktur geht einher mit der Konzentration des Retails in Nordamerika und Europa (Gereffi 1999). Ebenso finden solche Strukturen im agriculture Bereich verstärkt Anwendung mit den Supermärkten als Leadern[26] (Dolan und Humphrey 2000).

Verschiedene Primärgüter haben auch bestimmte Typen von Verkäufern. Retailer und Markennamenfirmen organisieren ihre Chains meist straff (Kleidung, Schuhe, Bananen und andere frische Früchte und Gemüse). Industrielle Großfirmen finden sich bei Kaffee und Kakao und Großhändler z.B. bei Baumwolle, Fisch und Nüssen (Fold 2001, 2002; Gibbon 2001; Ponte 2002c).

Die Dichotomie von buyer und producer-driven lässt sich vergleichen mit der Dichotomie von Massenproduktion und flexibler Spezialisierung (Priore und Sabel 1984). Während buyer- driven und producer-driven als sich ausschließende Pole betrachtet werden, kann jedoch die flexible Produktion auch die Massenproduktion beinhalten (Gereffi 1994, S.117f.)).

Tabelle 4-1: Vergleich von buyer-driven und producer-driven (Gereffi 1999b)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Dichotomie der Governance ist aber auch sehr eingeschränkt[27]. Sicherlich lassen sich für beide Fälle Beispiele finden, genauso finden sich jedoch auch Beispiele mit multipolaren Dominanzmustern, sowie mit egalitären Beziehungen (Raykes et al 1996). Die Dichotomie unterliegt auch der Dynamik, d.h., sie wandeln sich in ihrer Form. So gibt es Fälle in der Automobil- und Computerindustrie, in denen immer mehr der Komponentenproduktion ausgelagert wird, teilweise sogar die Logistik der Zulieferer und die Endmontage, so dass letztendlich nur noch Design und Marketing von der Leaderfirma betrieben wird, es sich also bereits um ein buyer-driven Modell handelt (Ponte 2005). Produzenten können auch in verschiedenen Typen von Governance gleichzeitig eingebunden sein (Knorringa 1999a, Tewari 1999) oder die Governance Form kann sich im Laufe der Zeit verändern (Gereffi 1999a, Smith 1996).

4.3.2. Formen von Governance

Nicht jede Wertschöpfungskette ist von einer starken Leadfirma geprägt, die Koordination kann auch auf andere Formen der Governance basieren und sogar verschiedene Formen gleichzeitig beinhalten (Humphrey und Schmitz 2002a). Die Beschränkung auf diese Dichotomie, führt auch zu einer Ignoranz der Funktionsvielfalt der Unternehmen. So ist z.B. unklar, ob eine Firma die Führungsrolle in einer Wertschöpfungskette inne hat, aufgrund ihrer Kontrolleüber Marketing und Branding, was Konsequenzen für alle anderen Akteure hat, oder weil sie die Koordination und das Management einer Value Chainübernimmt. Ein weiterentwickeltes Konzept umgeht deshalb die Einteilung in buyer- und producer-driven und gibt einen gefestigten theoretischen Rahmen. Basis ist eine Matrix mit 3 unabhängigen Variablen (complexity of transactional information, ability to codify transactional information, capabilities in the supply base) die den Wert „hoch" oder „niedrig" annehmen können (vgl. Abb. 4-7) (Gereffi, Humphreyund Sturgeon 2005, S.6). Mit diesem Konzept kann somit eine komplexere, realistischere Abbildung verschiedener Wertschöpfungsketten erreicht werden und zugleich bietet das Konzept die Möglichkeit Veränderungen innerhalb einer Wertschöpfungskette anhand der Verschiebung der Aspekte nachzuvollziehen[28]. Die Matrix hat 8 mögliche Kombinationen, von denen jedoch drei praktisch nicht möglich sind, dieübrigen sind (vgl. Abb. 4-8):

- Arms' length relationship (Market): Käufer und Zulieferer müssen für die Produktdefinition nicht zusammenarbeiten, da das Produkt entweder bereits standardisiert ist, nach vordefinierten Option erstellt wird oder der Zulieferer es ohne Referenz selber definiert. Das Fehlerrisiko ist ebenfalls gering, da entweder die Anforderungen niedrig sind oder der Zulieferer genug Fähigkeiten besitzt Probleme zu meistern. Das Wissen um diese Fähigkeit ergibt sich für den Käufer aus der Reputation des Herstellers. Dennoch sind solche Verbindungen nicht unbedingt vollständig vergänglich, wie bei Spotmärkten, sondern bestehen oftmalsüber einen längeren Zeitraum mit wiederholten Transaktionen. Die Kosten für den Wechsel des Handelspartners sind für beide sehr gering.
- Modular: Die Zulieferer erstellen hier Produkte nach den Spezifikationen des Kunden, die mehr oder weniger detailiert ausfallen können. Der Hersteller trägt hierbei die volle Verantwortung für den Produktionsprozess und nutzt dafür allgemeine, multifunktionelle Maschinen, so dass die transaktionsspezifischen Investitionen niedrig ausfallen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4-7: Aspekte und die daraus folgenden Governanceformen (Gereffi, Humphrey und Sturgeon 2005, S.8)

- Netzwerk (Relational): Beschreibt eine Kooperation zwischen mehr oder weniger Gleichen. Käufer und Zulieferer definieren gemeinsam das Produkt und kombinieren ihre sich ergänzenden Fähigkeiten[29]. Netzwerke sind vor allem dort gebräuchlich, wo beide Unternehmen eigene F&E haben und zu den Technologie- bzw. Marktführern gehören. Da der Zulieferer dementsprechend hohe Kompetenz besitzt, ist die Gefahr von Risiken gering. Die Kosten der Kooperation werden wegen der gemeinsamen Produktinnovation und besseren Verzahnung der Produktion aufgenommen. Netzwerke sind jedoch von gegenseitiger Abhängigkeit geprägt (Palpacuer 2000). Sie können zwischen den Unternehmen aber auch aufgrund sozialer und räumlicher Nähe und aufgrund familiärer und ethnischer Verbundenheit bestehen. Cluster sind dementsprechend von relationaler Governance geprägt.
- Quasi-hierarchy (captive): Der Käufer definiert das Produkt undübt eine große Kontrolleüber den Zulieferer aus, da er einen großen Verlust bei Fehlern machen würde und einige Zweifel in der Kompetenz des Produzenten bestehen. Die Käufer investieren in den Zulieferer, um diesen in ihre Wertschöpfungskette zu integrieren. Dies ist die typische Form der Governance in buyer-driven chains. Die Leadfirmaübt

[...]


[1] Mit "alte Welt" werden europäische Weinproduktionsländer bezeichnet. Die „neue Welt" bezeichnet Weinländer aus Übersee. Diese Differenzierung ist nicht sonderlich exakt, wenn man bedenkt, dass manche Länder aus Übersee, bereits seitüber 400 Jahren Wein anbauen, soll aber trotzdem hier verwendet werden. Die Klassifizierung der Länder aus dem ehemaligen Ostblock ist in der Literatur nicht eindeutig. Da diese aber in den letzten 20 Jahren eine sehr eigene Entwicklung durchgemacht haben, sollen sie in Abgrenzung zu den anderen Ländern als „neue alte Welt" bezeichnet werden.

[2] „Today, the barbarians are at our gates. " (Anderson 2004, S.3)

[3] Ein Beispiel hierfür ist die Jeansproduktion in der Dominikanischen Republik. Diese entwickelte sich anfangs erfolgreich, doch wurde schnell wieder geschlossen, nachdem andere Wettbewerber zu geringeren Kosten produzieren konnten. Die Problematik bestand hier vor allem in der Beschränkung auf einen Arbeitsschritt, womit der Standort leicht substituiert werden konnte und nur geringer Mehrwert erzeugt werden konnte (Kaplinsky und Morris 2001, S.19).

[4] Wettbewerb ist vorhanden, wenn mindestens zwei Produzenten eines bestimmten Gutes (dieses muss nicht unbedingt dasselbe sein, sondern nur dieselbe Funktion erfüllen, also gegenseitig substituierbar sein) auf eine begrenzte Nachfrage der Konsumenten treffen. Die Produzenten versuchen die Entscheidung für ihr Produkt bewusst oder unbewusst zu beeinflussen. Dies kann z.B.über Werbung, Design, Qualität, Garantien, Siegel usw. geschehen. Ob ein Unternehmen wettbewerbsfähig ist, kann anhand von Marktanteilen oder der Wachstumsrate von Gewinn und Umsatz erschlossen werden. Wettbewerbsfähig heißt in diesem Fall, dass der Produzent trotz Konkurrenz den Kunden permanent davonüberzeugen kann, sein Produkt zu kaufen. Unternehmen müssen dauerhaft Anstrengungen unternehmen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten (Porter 1990, S.577 ff.).

[5] Dieser Aspekt wird in Kapitel 3 weitergehend behandelt

[6] Bereits PORTER (1990) konnte die meisten dieser Punkte identifizieren. Insbesondere die Rolle der Regierungspolitik wurde von Porter diskutiert. Mit dem sozialen Milieu ist jedoch ein wichtiger neuer Faktor hinzugekommen, der sicherlich eine wichtige Rolle spielt, dessen methodische Erfassung sich jedoch schwierig gestaltet.

[7] In Unterscheidung zur „private governance" gibt es noch „public governance", die Steuerung durch staatliche Institutionen (lokal: Regierung; global: z.B. WTO, EU) und die „public-privat governance" (lokaler und regionale policy networks), die in hohem Maße wichtig für lokales, industrielles Upgrading sind (Esser et al. 1995, Messner 1997).

[8] Im Folgenden soll Governance synonym für „private governance" stehen, soweit nicht anders angegeben.

[9] Eigentlich würde man das Gegenteil erwarten, wenn sich die Produzenten auf die Sorten konzentrieren, die die beste Qualität im entsprechenden Klima und Boden liefern.

[10] Nach Messner (1997) gehören zu den Akteuren solcher policy networks Business associations, Technologiecenter, Gruppen von Business Leadern und staatliche Stellen. Policy networks beschränken sich nicht auf lokale oder regionale Ebene, sondern können globale Ausmaße haben. So z.B. bei der Festsetzung internationaler Standards.

[11] Dieser Umstand ergibt sich vor allem aus der Form des Wissens. Dieses ist oftmals tacit, nicht codifiziert und informell. Nur durch persönlichen Kontakt ist die Verbreitung solchen Wissens möglich. Die Netzwerke eines Cluster ermöglichen so den schnellen und billigen Austausch von Informationen und Wissen, reduzieren dadurch technische und kommerzielle Unsicherheiten (Beaudry et al. 2000).

[12] Nachfolgende Untersuchungen der bekannten "italian districts" weisen sowohl auf Innovationseffekte durch LKS (hohe Arbeitermobilität) als auch durch Scope und Scale (gemeinsames Management von Infrastruktur, Training, Marketing und technischer/ finanzieller Hilfe) hin (Markusen 1996).

[13] Im nächsten Kapitel werden Global Value Chains tiefgehender behandelt.

[14] Eine genauere Betrachtung der Entwicklung des Global Value Chain Ansatzes findet man in Kaplinsky (2000b), Raikes etal. (2000) und Bernstein (1996).

[15] Citrusfrüchte: Mather (2004) und Mather und Greenberg (2003); Kleidung: Gibbon (2000a, 2002a, 2002b); Kakao: Fold (2000, 2001, 2002, 2004); Kaffee: Ponte (2002a, 2002b, 2002c, 2002d, 2004a) und Daviron und Ponte (2005); Baumwolle: Larsen (2001, 2002, 2003); Horticulture: Jensen (2000b) und Dolan und Humphrey (2001); Übergreifende Studien: Daviron und Gibbon (2002), Fold und Larsen (forthcoming), Gibbon und Ponte (2005), Raikes, Jensen und Ponte (2000) und Raikes und Gibbon (2000)

[16] Hier sind zu nennen: Gereffi (2003), Gereffi, Humphrey und Sturgeon (2005), Gibbon und Ponte (2005), Humphrey und Schmitz (2003), Sturgeon (2001, 2002).

[17] Z.B.: Gibbon (2001), Humphrey (2003)

[18] Gibbon (2004)

[19] Humphrey und Schmitz (2002a, 2002b), Halder (2002), Nadvi und Halder (2002)

[20] Kessler (1999), Gereffi, Spener und Bair (2002), Gibbon (2002c), Ponte (2002b)

[21] Barrienton, Dolan und Tallontire (2001, 2003), Messner (2002), Nadvi und Wältring (2002), Ponte (2002c), Quadros (2002)

[22] Eine weitere Form von Eintrittsbarrieren - Arbeitnehmer betreffend - ist die Kontrolle der Immigration. Erst diese ermöglicht die bestehenden hohen Gehälter in den Industrieländern.

[23] Auch wenn die Automobilbranche immer als klassischer Vertreter von producer-driven genannte wird, sind solche Einordnungen nicht zwingend. Die japanische Automobilindustrie zeigt sicherlich solche Organisationsformen, die amerikanische Automobilindustrie hingegen bietet auch Anzeichen für buyer-driven (Hill 1989). Insbesondere die Firma Ford verändert sich stetig zu einem buyer-driven Leader.

[24] Der durchschnittliche Automobilhersteller in Japan hat 170 first-tier, 47000 second-tier und 31600 third-tier Zulieferer. Verteilt sind diese Zuliefererüber ein halbes Dutzend Länder in Ost-Südostasien (Hill 1989).

[25] Es gibt auch gegenteilige Beispiele, so ist die Firma Levi Strauss ein klassischer Vertreter einer producer- driven Value Chain.

[26] Natürlich beschränkt sich die Kontrolle der Supermärkte nicht auf Frischgemüse, sondern findet sich in einer Vielzahl der Produktsortimente (Doel 1996).

[27] Gereffi (2001a, 2001b) selber sieht Einschränkungen dieser Dichotomie in der Erklärung von serviceorientierten Wertschöpfungsketten und den Veränderungen die sich durch E-Commerce ergeben haben. Als Alternative bietet er infomediary-driven chain an.

[28] Ein weiteres Konzept (Kaplinsky 2000b) für Governance anhand der Einteilung in eine legislative, judikative und exekutive Form der Koordinierung existiert, ist jedoch weniger flexibel in der Interpretation der Gründe für die Governance und der Dynamik, und soll deshalb hier nicht weiter verfolgt werden.

[29] Über sich ergänzende Fähigkeiten in der Produktion siehe Richardson (1972)

Fin de l'extrait de 215 pages

Résumé des informations

Titre
Upgrading und Wechselwirkungen zwischen Global Value Chains und Clustern
Université
University of Hamburg
Note
2
Auteur
Année
2008
Pages
215
N° de catalogue
V186822
ISBN (ebook)
9783869434308
ISBN (Livre)
9783869434391
Taille d'un fichier
7258 KB
Langue
allemand
Mots clés
upgrading, wechselwirkungen, global, value, chains, clustern
Citation du texte
Alexander Wijgers (Auteur), 2008, Upgrading und Wechselwirkungen zwischen Global Value Chains und Clustern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186822

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