In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es in Österreich infolge verschiedener Verwaltungsreformen zu einer wesentlichen Vermehrung der Beamtenschaft. Damit stieg auch die Zahl jener Personen an, die als Diener im Staatsdienst – etwa als Gerichts-, Amts- oder Schuldiener, Portiere oder Gefangenenwärter – am untersten Ende der Beamtenhierarchie standen. Um diese Personengruppe geht es in der vorliegenden Arbeit.
Wie die Analyse einschlägiger Quellen und Literatur zeigte, war der ideologische Anspruch an die Diener im Staatsdienst kaum geringer als jener an die Beamten. Die Bürokratie wurde als eine „eigene heile, funktionierende Welt“ idealisiert, die alle Hierarchiestufen umfasste. Die realen Lebensverhältnisse der Beamten wie der Diener standen jedoch in krassem Widerspruch dazu. Wenn schon die Beamten die an sie gestellten hohen Ansprüche niemals verwirklichen konnten, um wie viel weniger dann die kleinsten „Staatsdiener“ auf der untersten Hierarchieebene.
Andererseits hatte der Diener in Staatsdiensten – wenigstens in manchen Positionen – trotz seiner inferioren Stellung auch eine reale Macht, die er im Namen des Staates ausübte, nämlich all denen gegenüber, die nicht zur „heilen Welt“ der Bürokratie gehörten: gegenüber den „Parteien“, den Arbeitern, die an seiner Portiersloge vorbeigehen und sich kontrollieren lassen mussten, gegenüber „Individuen, die verdächtig erschienen“ und die er anhalten konnte usw. Dies war ihm wohl manchmal auch ein Ersatz dafür, dass er sich gelegentlich von den Beamten manches gefallen lassen musste. Selbst war er zwar inferior, aber er konnte sich als Teil eines erhabenen Systems fühlen.
Nicht in dieses System, das rein auf Männer ausgerichtet war, passten die weiblichen Staatsbediensteten, von denen es gar nicht so wenige gegeben haben dürfte. Da man sie nicht völlig entbehren wollte, gab man ihnen eine Sonderstellung mit weniger Rechten. In die erhabene Welt der „Staatsdiener“ wurden sie im hier besprochenen Zeitraum niemals eingegliedert. Sie konnten sich auch nicht, wie die Amtsdiener in ihren Zeitungen, auf ihre „Mannesehre“ berufen. Sie vertraten den Staat nicht, sondern sie arbeiteten nur für ihn. Damit standen sie wirklich auf der untersten Stufe der Hierarchie.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Begriff ,,Staatsdiener“
- Das,,Dienerschaftspersonal“ im öffentlichen Dienst
- Abgrenzung zu den Beamten
- Anzahl und Funktionen
- Ideologischer Anspruch an das öffentlich angestellte,,Diener-
- Pflichten
- Der Diensteid
- Die Pflichten im einzelnen
- Die Rechte
- Recht auf Achtung und Würde
- Löhne bzw. Gehälter
- Versorgung bei Dienstunfähigkeit und Versorgung der Hinterbliebenen
- Kündigungsschutz
- Weitere Charakteristika
- Pflichten
- Die soziale Situation des öffentlich angestellten „Dienerschafts-
personals“
- Die Debatte im Abgeordnetenhaus 1886 – 1899
- Diener-Vereine und Diener-Zeitungen
- Der,,Staatsdiener“ auf der Bühne und in der Literatur
- Frauen und Staatsdienst
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rolle des "Staatsdieners" in der österreichischen Bürokratie zwischen 1848 und 1914. Sie befasst sich mit der Frage, wie die Ideologie der Beamten auf die Ebene der öffentlich angestellten Diener übertragen wurde und wie die soziale Situation dieser Diener im Verhältnis zu den Anforderungen stand.
- Der Wandel des Begriffs "Staatsdiener" und seine Bedeutung im Kontext der österreichischen Bürokratie
- Die Unterscheidung zwischen Beamten und "Dienerschaftspersonal" und die jeweiligen Aufgaben und Funktionen
- Die ideologischen Ansprüche an die "Dienerschaft" hinsichtlich Pflichten, Rechten und sozialen Bedingungen
- Die soziale Situation der "Dienerschaft" und die Herausforderungen, denen sie begegneten
- Die Rolle der Frauen im öffentlichen Dienst
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den Kontext der Untersuchung dar. Sie erläutert den Hintergrund des Aufstiegs der "Dienerschaft" im öffentlichen Dienst während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Kapitel 2 befasst sich mit dem Wandel des Begriffs "Staatsdiener" und seinen verschiedenen Bedeutungen im Laufe der Zeit.
Kapitel 3 beschreibt die "Dienerschaft" als Gruppe im öffentlichen Dienst und grenzt sie von den Beamten ab.
Kapitel 4 analysiert den ideologischen Anspruch an die "Dienerschaft" in Bezug auf Pflichten und Rechte.
Kapitel 5 beleuchtet die soziale Situation der "Dienerschaft" und behandelt Debatten und Vereinigungen, die sich mit ihren Anliegen beschäftigten.
Kapitel 6 und 7 widmen sich dem Bild des "Staatsdieners" in der Literatur und auf der Bühne sowie der Rolle der Frauen im öffentlichen Dienst.
Schlüsselwörter
Österreichische Bürokratie, Staatsdiener, Dienerschaftspersonal, Beamte, Ideologie, soziale Situation, Frauen im Staatsdienst, 1848-1914
- Arbeit zitieren
- Ilsemarie Walter (Autor:in), 2001, Auf der untersten Stufe der Hierarchie - Der Diener als 'Staatsdiener'. Aspekte der österreichischen Bürokratie 1848-1914, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18732