Als die Römer im Jahr 25 v. Chr. die kleinasiatische Landschaft Galatien gemeinsam mit weiteren Gebieten als Provinz Galatia ihrem Reich eingliederten, entsprach dies einer strategischen Notwendigkeit. Durch diese Maßnahme wurde eine Lücke im Reichsgebiet geschlossen, was angesichts der ständig drohenden Gefahr durch die Parther bedeutsam war. Die Galater, die Bewohner des Kerngebiets, des „eigentlichen Galatiens“, waren ihrer Herkunft nach Kelten, die im ersten Viertel des dritten Jahrhunderts v. Chr. allmählich nach Kleinasien eingedrungen waren. Durch den „Galaterbrief“ des Apostels Paulus spielen sie auch in der Religionswissenschaft eine Rolle.
Die vorliegende Arbeit stellt eine kurze Zusammenfassung dessen dar, was über diese Provinz und deren Vorgeschichte heute bekannt ist. Als Quellen wurden neben Sekundärliteratur auch Briefe Ciceros verwendet, der 51/50 v. Chr. Statthalter im benachbarten Kilikien war.
Nach einer Schilderung der wichtigsten geschichtlichen Ereignisse in diesem Gebiet werden Charakteristika von Landschaft, Klima und Wirtschaft des „eigentlichen Galatiens“ genannt sowie Städte, Verkehrswege und die Zusammensetzung der Bevölkerung beschrieben. Trotz früher Assimilierung an die griechisch sprechenden Kleinasiaten bewahrten sich die Galater ihre Sprache bis zur Zeit um 400 n. Chr., vielleicht sogar bis ins späte 6. Jahrhundert. Daneben sprachen jedoch zumindest die gebildeten Schichten auch griechisch. Für die deutschsprachigen LeserInnen mag auch die Tatsache interessant sein, dass galatische Missionare mit Vorliebe in das Gebiet um Trier geholt wurden, um den dort lebenden keltisch sprechenden Menschen die christliche Lehre zu verkünden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Geschichte vor der Provinzwerdung
3. Die römische Provinz
3.1 Zur Geschichte der Provinz
3.2 Landschaft, Klima und Wirtschaft des „eigentlichen Galatien“
3.3 Städte, Verkehrswege, Bevölkerung
3.4 Religion
Literatur
1. Einleitung
Als Galatien im Jahr 25 v. Chr. römische Provinz wurde, entsprach dies einem strategischen Bedürfnis. Kilikien südöstlich des Gebiets war bereits seit 102 v. Chr. dem Römischen Reich angeschlossen, im Nordosten war das Gebiet von Pontus zusammen mit Bithynien im Jahr 63 zur römischen Provinz geworden. Galatien, das in Zentralanatolien lag, bildete, wenngleich ein romtreuer Klientelstaat, eine Lücke im Reichsgebiet, die angesichts der ständig drohenden Gefahr durch die Parther einen beträchtlichen Unsicherheitsfaktor für Rom darstellte.
Bereits bei ihrer Errichtung umfaßte die Provinz Galatia ein sehr inhomogenes Gebiet, dessen Grenzen sehr häufig verändert wurden. Bis zur Neuordnung des Reiches durch Diokletian (um 300 n. Chr.) war die Provinz immer wesentlich größer als das „eigentliche Galatien“, d.h. das von den Galatern bewohnte Gebiet. Magie erwähnt, daß der offizielle Name „Provincia Galatica“ gelautet haben dürfte, was auch sprachlich die Hinzunahme weiterer Gebiete andeutet.[1]
Die Galater – ihrer Herkunft nach Kelten – waren in drei Stämme gegliedert: Im Westen Galatiens mit dem Zentralort Pessinus siedelten die Tolostoagier bzw. Tolistobogier[2], im mittleren Gebiet mit dem Zentrum Ankyra, dem heutigen Ankara, die Tektosagen und im Osten um den Mittelpunkt Tavium die Trokmer. Jeder Stamm war wieder in vier Untergruppen geteilt, die je eine Tetrarchie bildeten.[3] Für die Tolostoagier und Tektosagen waren Burgen charakteristisch, die als Residenz der Fürsten bzw. für militärische Zwecke dienten, die Trokmer hingegen hatten befestigte Mittelpunktsorte.[4]
Da die antiken Autoren nicht immer zwischen der Provinz Galatia und der Landschaft Galatia als Wohnsitz der Galater unterschieden haben, ist in manchen Fällen schwer zu entscheiden, welches Gebiet gemeint ist. So wurden auch zwei Theorien über die Adressaten des Galaterbriefes des Apostels Paulus aufgestellt. Die einen meinten, es habe sich um die Bewohner der römischen Provinz Galatia gehandelt, die anderen sahen die Einwohner des „eigentlichen Galatiens“ als Empfänger des Briefes an. Inzwischen hat sich allgemein die Meinung durchgesetzt, daß sich der Brief an die Einwohner der Landschaft Galatien richtet und die sogenannte „Provinz-Hypothese“ nicht haltbar ist.[5]
2. Geschichte vor der Provinzwerdung
Der Name „Galatien“ kam in hellenistischer Zeit auf und bedeutete „Gebiet der Galater“. Die keltischen Galater waren im ersten Viertel des 3. Jahrhunderts v. Chr. allmählich – teils über den Hellespont, teils über den Bosporus – nach Kleinasien eingedrungen. Historisch werden sie für uns zu dem Zeitpunkt faßbar, als sie als Söldner im Jahre 278 v. Chr. Nikomedes I. gegen seinen Bruder Zipoetas im Kampf um den bithynischen Thron unterstützten.[6] Um 275 v. Chr. errang Antiochus I. von Syrien in der sogenannten „Elefantenschlacht“ einen Sieg über die Galater.
Ab der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. wurde Pergamon, das um 280 v. Chr. ein eigenes Reich geworden war, für ungefähr hundert Jahre zum Hauptfeind der Galater. Von 183 bis 166 war Galatien eine Provinz des pergamenischen Reiches. Pergamon sah sich hierbei als Verteidiger der hellenistischen Tradition gegen die Barbaren. Die Siege Pergamons wurden in der Kunst verewigt (Statue des „Sterbenden Galliers“ zur Verherrlichung der Siege Attalos’ I., Zeusaltar nach dem Sieg Eumenes’ II. über die Galater um 180 v. Chr.). Diese Sicht der Dinge wurde nicht nur von antiken Schriftstellern geteilt – was verständlich ist, denn die Zerstörung Roms durch die Gallier zwischen 389 und 386 v. Chr. stellte für die Römer ein tiefgehendes Trauma dar – , sondern auch von modernen Historikern übernommen. Karl Strobel stellt ausführlich dar, wie sehr die Geschichtswissenschaftler nicht nur im 19., nationalistisch eingestellten Jahrhundert, sondern noch weit ins 20. Jahrhundert hinein von dieser Sichtweise geprägt waren und dabei vielfach übersehen wurde, wie sehr die Galater als Söldner in die Machtkämpfe der hellenistischen Herrscher untereinander eingebunden waren. Für die Bevölkerung der betroffenen Landstriche hatte es allerdings denselben Effekt, ob ein fremder Stamm in ihr Gebiet einfiel oder ob sich Söldnerheere, die im Dienste eines hellenistischen Herrschers standen, das nahmen, von dem sie glaubten, daß es ihnen zustand.[7]
Um 190 kamen die Galater in Konflikt mit den Römern, da sie mit dem Seleukiden Antiochus III. (dem Großen) gegen die Römer gekämpft hatten. Der Konsul Cn. Manlius Vulso unternahm im Jahre 189 eine Strafexpedition gegen sie und zerstörte ihre Bergfestungen. Von nun an waren sie treue Anhänger Roms.
Im Jahre 166 v. Chr. erklärte der römische Senat die Galater, die eine Gesandtschaft nach Rom gesandt hatten, als autonom.
Da sich die Galater von Pontus bedroht fühlten, beteiligten sie sich im Jahre 90 am Kampf gegen Mithradates VI. Im Jahr 86 v. Chr. ließ dieser den Großteil der führenden Männer Galatiens ermorden.[8]
63 v. Chr. nach dem Tod des Mithradates VI. unternahm Pompeius eine Neuordnung des gesamten Ostens. Galatien wurde dabei römischer Klientelstaat. Der wichtigste galatische Herrscher war Deiotarus I., der zuerst Tetrarch der Tolistobogier war, dann jedoch die Herrschaft über alle drei Teile Galatiens an sich riß. Der Senat anerkannte formell den Königstitel des Deiotarus, der ein Favorit des Pompeius war. Galatien wurde damit zur bedeutendsten Macht des nicht direkt unter römischer Herrschaft stehenden Kleinasiens.[9]
Während der römischen Bürgerkriege war es für die Herrscher der Klientelstaaten nicht leicht, zu Rom zu halten, selbst wenn sie es wollten, da sie nicht wissen konnten, welche Partei die Herrschaft übernehmen würde. Ein Parteiwechsel in dieser Situation muß also nicht unbedingt von besonderer Charakterlosigkeit zeugen. „By judicious last minute changes of allegiance during the vicissitudes of the Civil Wars, Deiotarus earned a peaceful death in 40 B.C.“, schreibt Macro über den galatischen König.[10]
[...]
[1] D. Magie, 1950, S.453-454
[2] Die verschiedenen Namensformen dürften dadurch entstanden sein, daß die Griechen die Urform „Tolistovagi“ nicht genau transkribieren konnten und deshalb manchmal Tolistoagioi, manchmal Tolistobogioi schrieben – Brandis, RE VII 1 (1910) 537 s.v. Galatia
[3] H. Birkhan, 1997, S.141
[4] K. Strobel, 1997, S.151
[5] K. Löning, 1994, S.132-133
[6] T. Bechert, 1999, S.135
[7] Karl Strobel, 1997; bzw. ders. 1994, S.55-115
[8] S. Mitchell, 1993, S. 29 und 31; D. Magie, 1950, S.223
[9] K. Strobel, 1997, S.144
[10] A. D. Macro, 1980, S.666
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