STIL - Untersuchungen am Beispiel John Stuart Mills


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

28 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

Allgemeiner Teil

1. Einleitung

2. Stil
2.1. Vorläufige allgemeine Definition des Stilbegriffes
2.2. Erweiterte Definition des Stilbegriffes
2.2.1. Senderbezogene Definition des Stilbegriffes
2.2.2. Empfängerbezogene Definition des Stilbegriffes
2.2.3. Nachrichtenbezogene Definition des Stilbegriffes
2.2.4. Dualismus
2.2.5. Monismus

3. Ansätze und Methoden der Stilistik
3.1. Die Prager Schule und ihr Stilkonzept
3.1.1. „Intellectualization“
3.1.2. “Automatization” und „Foregrounding“/“Deautomatization”
3.2. Der Sprachstatistische Ansatz
3.2.1. Die Dimensionen der Variation

Empirischer Teil

4. Einleitung

5. Analyse
5.1. Essay: „On Liberty“
5.1.1. Statistisches
5.1.2. Nomina
5.1.3. Verben
5.1.4. Adjektive
5.1.5. Satzstrukturen
5.2. Brief: “To William George Ward”
5.2.1. Statistisches
5.2.2. Nomina
5.2.3. Verben
5.2.4. Adjektive
5.2.5. Satzstrukturen
5.2.6. Andere Merkmale

6. Vergleich

7. Literaturverzeichnis

8. Anhang

„On Liberty“

“To William George Ward”

Allgemeiner Teil

1. Einleitung

Diese Arbeit befasst sich mit dem Stil in der sprachwissenschaftlichen Analyse. Zunächst einmal soll versucht werden, zu klären, was sich hinter dem Begriff Stil verbirgt und wie er definiert werden kann. Anschließend soll an jeweils einem Beispiel Ansätze und Methoden der sprachwissenschaftlichen Stilistik dargestellt werden.

Anhand von zwei ausgewählten Textauszügen aus verschiedenen Genres von John Stuart Mill soll schließlich im zweiten, empirischen Teil der Arbeit erarbeitet werden, ob sich etwas wie „der Stil Mills“ bestimmen lässt, und wenn ja, was ihn kennzeichnet.

2. Stil

2.1. Vorläufige allgemeine Definition des Stilbegriffes

In seiner grundsätzlichen Bedeutung wird als Stil eine bestimmte Art und Weise bezeichnet, etwas zu tun oder zu gestalten. Bezogen auf das Sprachsystem heißt das: Stil ist die Art, wie Sprache von einer bestimmten Person, in einer bestimmten Situation oder einem bestimmten Zusammenhang benutzt wird. Man kann also sagen, Stil ist die für eine bestimmte Gelegenheit getroffene Auswahl aus dem Gesamtsystem der Sprache. Deutlich wird er jedoch erst im Vergleich mit einer anderen Wahlmöglichkeit, die nicht realisiert wurde. Die Betrachtung und Untersuchung eines Stils bedarf also grundsätzlich des Vergleichs:

[1] Peter is a close friend of mine.
[2] Peter is my buddy.

Im Vergleich wird deutlich, dass [1] im Kontrast zu [2] einen gehobeneren Sprachstandard darstellt. Dennoch beschreiben beide Sätze die gleiche Begebenheit, den gleichen Umstand. Sie stellen also folglich zwei Beschreibungen ein und desselben Inhalts dar. Es ergibt sich nun für den solche Aussagen Untersuchenden die Frage, aus welchen Gründen und Motiven eine Formulierung den Vorzug vor einer anderen Erhält. Die Aussage von [1] und [2] scheint identisch zu sein, beide bekunden ein freundschaftliches Verhältnis des die Aussage treffenden zu Peter. Dennoch scheint [1] uns beispielsweise wesentlich angemessener, um Peter bei einer Pause in der Staatsoper einigen Freunden vorzustellen, als dies bei [2] der Fall wäre. Hier ist es also offenbar die Situation, in der eine Aussage gemacht wird, die die Entscheidung für eine bestimmte Formulierung beeinflusst.

Was wiederum bewegte John Stuart Mill, folgenden Satz auf diese Art zu formulieren:

[2] The questions you put to me I will with pleasure attempt to answer.

Nahe liegender - und für den Leser natürlicher - wäre sicherlich gewesen:

[3] I will with pleasure attempt to answer the questions you put to me.

Satz [3] scheint leichter, flüssiger lesbar zu sein. Hat sich durch die Änderung der Satzstellung noch mehr geändert, als ein gewisses Stutzen im Lesefluss? Ist die Aussage geändert? Hat Mill einen bestimmten Zweck verfolgt, als er den Satz so formulierte?

Mill weicht in [2] also offensichtlich von einer bestimmten Erwartung von Seiten des Rezipienten ab. Dies verdeutlicht, dass nicht nur die Bevorzugung einer bestimmten Formulierung kann einen Stil ausmachen kann, sondern z.B. auch die Abweichung von der sprachlichen Norm (Short 1994: 4276).

Es ergibt sich die Frage, in welchem Zusammenhang Sprache in Hinblick auf Stilmerkmale untersucht werden soll. Traditionell hat die Stilistik hierbei ihr Hauptaugenmerk auf den geschriebenen Text, literarischer oder auch nichtliterarischer Natur, gelegt, auch wenn Untersuchungen dieser Art auch für das gesprochene Wort möglich wären (Leech/Short 1981: 11). Innerhalb dieses Bereiches lassen sich weitere Unterteilungen treffen, so nach dem Stil eines Autors („der Stil Umberto Ecos“), einer Epoche der Literaturgeschichte („der Stil des Dramas der Aufklärung“) oder etwa eines bestimmten Genres („Abenteuerroman“) usw. Es sollte an dieser Stelle jedoch auch angemerkt werden, dass ein Text sich nicht an einen homogenen Stil halten muss, dieser sich vielmehr auch durchaus ändern kann (Short 1994: 4377). Stil ist jedoch immer nur dann wirklich erkennbar, wenn Texte in Beziehung zueinander gesetzt werden, ein Vergleich stattfindet.

Innerhalb der Stilistik ist die Sichtweise dessen, was als und wie Stil definiert ist jedoch keineswegs einheitlich. Die verschiedenen Definitionen leiten sich aus den verschiedenen Perspektiven her.

2.2. Erweiterte Definition des Stilbegriffes

Der ästhetische Gebrauch von Sprache findet innerhalb eines Rahmens von Sprachfunktionen statt, die jeweils mit einem Faktor der Kommunikation verknüpft sind. Eine gute Orientierung beim Versuch der Definition des Stilbegriffes bietet deshalb das Kommunikationsmodell nach Jakobson, das die verschiedenen Faktoren der Kommunikation aufzeigt (Cureton 1992: 82):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2.1. Senderbezogene Definition des Stilbegriffes

Der Sender wählt aus den im System der Sprache bestehenden Möglichkeiten eine Variante, um einen Inhalt in einer bestimmten Form, einem Stil, wiederzugeben. Dies kann sowohl in gesprochener wie auch geschriebener Form passieren. Eine getroffene Wahl beinhaltet jedoch verschiedene Intentionalitätsgrade, das heißt, Stilvarianten können sowohl bewusst als auch unbewusst vom Sender gewählt worden sein (Cureton 1992: 82). Ein Dialekt kann zum Beispiel stellt eine unbewusste, nicht intentionale Wahl durch den Sender darstellen. Jedoch kann auch die Abweichung von einer sprachlichen Norm („foregrounding“, siehe 3.1.2.), zum Beispiel die Anweichung von der Norm Hochdeutsch hin zum Dialekt Bayerisch, intentional sein, um eine bestimmte Bedeutung oder Wirkung zu erzeugen.

„Fingerabdruck“ des Autors Textart

Nicht intentional intentional

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2.2. Empfängerbezogene Definition des Stilbegriffes

Die empfängerbezogene Stildefinition basiert auf einem alten rhetorischen Konzept, dem der Erwartung beziehungsweise der enttäuschten Erwartung des Empfängers. Als Stil im Sinne dieser Definition ist alles zu bezeichnen, was für den Empfänger als abweichend von einer Norm auffällig oder markiert ist, sofern er in der Lage ist, diese Abweichungen von einer Norm überhaupt wahrzunehmen. Dies können, neben anderen, zum Beispiel Neologismen oder Abweichungen von der Syntax sein (Cureton 1992: 82).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Abweichung von der gedachten sprachlichen Norm wird von der so genannten „Prager Schule“ als „foregrounding oder „deautomatization“ bezeichnet, man kann sie auch als „markiert“ im Gegensatz zu die erwartete Norm erfüllenden unmarkierten sprachlichen Mittel bezeichnen. Markiert heißt in diesem Sinne also, dass der Rezipient durch eine besondere, in irgendeiner Weise auffällige Verwendung sprachlicher Mittel überrascht und aus seinem automatisierten Aufnahmevorgang gelöst wird (Leech/Short 1981: 28, 139):

Die so in die Aufmerksamkeit des Rezipienten gebrachten oder aber markierten sprachlichen Mittel stellen, neben anderen, als auffallende Elemente das dar, was eventuell als der Stil zum Beispiel eines Autors wahrgenommen wird. Andererseits kann natürlich auch eine nicht vorhandene Abweichung von der Norm wiederum ein bewusst eingesetztes Stilmittel darstellen.

2.2.3. Nachrichtenbezogene Definition des Stilbegriffes

Mit Nachricht („message“) ist in dieser Stildefinition nicht der Inhalt eines Textes gemeint, also das, was mit ihm zum Ausdruck gebracht werden soll, sondern vielmehr seine spezifische Form. Sie ist es, die zum Beispiel den einen Text von einem anderen unterscheidet. Stil könnte hiernach vereinfacht definiert werden als „the sum of linguistic features which distinguish one text from another“ (Birch 1994: 4378). Innerhalb dieses Konzeptes existieren zwei verschiedene Beziehungen, zum einen die horizontal-paradigmatische, zum anderen die vertikal-syntagmatische:

- Horizontal-paradigmatische Beziehung:

Die Kennzeichnung eines Stils findet in dieser Dimension statt durch die Wiederkehr (recurrence) bestimmter Merkmale auf der linearen Ebene (Leech/Short 1981: 211) eines Textes statt, das heißt zum Beispiel durch die Wiederholung von Satzstrukturen, Worten, Lauten etc. Die Wiederholung eines Merkmals wird vom Leser besonders wahrgenommen („foregrounding“).

- Vertikal-syntagmatische Beziehung:

Auf dieser Ebene liegen die Beziehungen innerhalb eines Textes darin, dass ein Element an der Stelle eines äquivalenten anderen gesetzt wurde, das jedoch die gleiche Funktion erfüllen könnte:

[3] I came home late yesterday.

[4] I got home late yesterday.

Auch Varianten der Syntax (zum Beispiel indirekte Rede an Stelle der direkten) oder der Erzählperspektive gehören hierzu. Es lässt sich unter Umständen auch ein Zusammenhang zwischen den Gebrauch bestimmter Adjektivkategorien (zum Beispiel beschreibende Adjektive) und dem Genre eines Textes (Reisebericht) oder aber einem simplen Inhalt und einer ebenso simplen Syntax ausmachen.

2.2.4. Dualismus

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Versteht man Stil als eine Variante von vielen Möglichkeiten, einen bestimmten Sachverhalt auszudrücken, trennt also das, was der Autor sagen will von dem, wie er es sagt, so heißt das, dass Stil das ist, was übrig bleibt, wenn der Inhalt entfernt wurde (Asher/Simpson 1994: 4376). Form und Inhalt sind nach diesem Verständnis voneinander unabhängig, sie bedingen sich nicht gegenseitig, weshalb diese Auffassung, die bis zu Aristoteles zurückreicht, Dualismus genannt wird. Der Autor wählt seine Inhalte, und die Wahl, die er trifft, um eben diese auszudrücken, macht den Stil aus. Leech und Short bezeichnen dies mit einer Metapher der literarischen Tradition auch als „style as the dress of thought“ (Leech/Short 1981: 15).

2.2.5. Monismus

Im direkten Gegensatz zur Auffassung des Dualismus steht das Konzept des Monismus. Es geht von einer Untrennbarkeit, einer absoluten Einheit von Form und Inhalt aus, in der ein Element das andere bestimmt. Stil beinhaltet beide Elemente, ändert sich ein Teil, so ändert sich auch der Gesamtstil.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Monismus hatte einen starken Rückhalt bei den Vertretern des New Criticism, die in der Poesie, in der durch Metapher oder Ironie die Bedeutung vielschichtiger, nicht mehr eindeutig wird und die nach ihrer Auffassung keine wirkliche Aussage hat, ein unabhängiges verbales Kunstwerk sahen: „It should not mean but be“ (Leech/Short 1981: 25).

In der Tat lässt sich am Beispiel der Metapher ein Argument zugunsten des Monismus gegenüber dem Dualismus anführen:

[5] I feel the sunshine of her love.

Beim Versuch, diese Aussage in andere Worte zu kleiden, steht man vor dem Problem, wie vorzugehen ist. Zum einen wäre denkbar, die Bedeutung, den Inhalt, das der Metapher zu Grunde liegende Bild wiederzugeben. Zum anderen jedoch könnte auch die direkte wörtliche Bedeutung dargestellt werden. Jedoch würde in beiden Fällen ein Teil der Metapher, nämlich der, der dem Rezipienten abverlangt, aktiv Interpretationsarbeit zu leisten, verloren gehen und damit auch ein Teil des Stils (Leech/Short 1981: 25).

Problematisch an der Sichtweise des Monismus ist, dass dieser zur Folge die Übersetzung eines Werkes grundsätzlich unmöglich ist.

[...]

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
STIL - Untersuchungen am Beispiel John Stuart Mills
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Fachbereich Anglistik)
Veranstaltung
Sprachwissenschaftliche Stilistik
Note
1
Autor
Jahr
2001
Seiten
28
Katalognummer
V18744
ISBN (eBook)
9783638230162
Dateigröße
641 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
- Stilistik - Definition und Methoden der Stilistik - Prager Schule - Intellectualization und Foregrounding
Schlagworte
STIL, Untersuchungen, Beispiel, John, Stuart, Mills, Sprachwissenschaftliche, Stilistik
Arbeit zitieren
Niels Meyer (Autor:in), 2001, STIL - Untersuchungen am Beispiel John Stuart Mills, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18744

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