Wer war schuld? Die Nazis! - Direkt nach Kriegsende etablierte sich in der deutschen Gesellschaft die Einsicht, dass aller Gräuel der vergangenen Jahre auf eine geschlossene kleine Tätergruppe der ‚Nazis’ zurückzuführen ist. Einzelne Verrückte und vor allem vordem unterprivilegierte gescheiterte Existenzen bildeten demnach die Zellkultur, aus der all der Terror und der vernichtende Hass der nationalsozialistischen Zeit gewachsen sei. So beschrieb Gerald Reitlinger 1950 die Einsatzgruppenleiter und ihre Untergebenen als „seltsam zusammengewürfelten Haufen von Halbintellektuellen“, die es „im normalen Leben zu nichts gebracht“ hätten. 1 Auf der anderen Seite stand das arglose Volk, das in seiner Unwissenheit der Vorgänge von ‚den Nazis’ unterdrückt worden sei. Viele Erklärungs- und Deutungsmodelle der Nachkriegszeit folgten diesem Muster. SS- und RSHA-Führer kamen darin nicht mehr als selbständig handelnde Akteure vor, sondern wurden vielmehr als Vertreter einer relativ kleinen Gruppe von Fanatikern dargestellt, die „mit dem Rest der Gesellschaft nicht mehr in direktem Zusammenhang zu stehen“ schienen 2 .
Oder doch nicht? Gleicht das entschlossen über Jahre hinweg verbreitete Erklärungsmuster ‚der Nazis’ vielmehr einer selbst auferlegten Gemeinschaftshypnose? Aktuelle Arbeiten verschiedener Forscher zeichnen entgegen der alten Sichtweise das Bild einer bewusst handelnden Gesellschaft, die bei weitem nicht ahnungslos war: „Die Täter lassen sich nicht in ein gängiges Verbrecherbild einordnen. Sie waren keineswegs sadistische oder gar psychopathische Massenmörder, sondern offenkundig weltanschaulich überzeugt von dem, was sie taten. Sie stammten nicht vom Rand als vielmehr aus der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft, hatten eine akademische Ausbildung hinter sich, etliche führten sogar einen Doktortitel.“ 3
‚Die Nazis’ werden dabei zu einem Spiegel der gesamten Gesellschaft und aus dem irren Verbrecher Adolf Hitler wird ein skrupelloser Politiker, der die Strömungen seiner Zeit genau wahrgenommen und für seine Ziele verstärkt und multipliziert wiedergegeben hat: [...]
Inhaltsverzeichnis
- DIE Nazis - Club der gescheiterten Existenzen oder Spiegel der Gesellschaft?
- ,,Generation des Unbedingten“
- Aufwachsen als Teil der „überflüssige Generation“
- Abenteuerspiel Krieg
- Jugend ohne Sicherheit und Grenzen
- Auf dem Weg zur Elite - Studienjahre
- Tübingen – Leipzig – Graz: Skeptische Kritiker und feurige Vorkämpfer
- ,,Kompromisslos und vorwärtsdrängend“ – Erich Ehrlinger
- Die,,schwarze Hand\" in Leipzig
- Eine österreichische Karriere – Ernst Kaltenbrunner
- Für den Volkswillen - Werner Best
- Das ReichsSicherheitsHauptAmt - eine Verwaltung neuen Typs
- Entstehung einer Machtzentrale
- Institution des Krieges
- Einsatzgruppen in Polen – Entgrenzung
- Einzelwege der Radikalisierung
- Hartgesottener SS-Täter - Erich Ehrlinger
- Ostexperte und Verschwörer - Heinz Gräfe
- Eine vermeintlich unauffällige Karriere - Wilhelm Spengler
- Der Nachfolger – Ernst Kaltenbrunner
- Der verstoßene Meisterschüler - Werner Best
- Das Führungskorps nach Kriegsende
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Analyse und Einordnung von Michael Wildts Studie „Generation des Unbedingten“, die sich mit dem Personal des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) auseinandersetzt. Das Ziel ist es, die Motive und Hintergründe des Handelns dieser Gruppe von Personen zu beleuchten und die These der „Generation des Unbedingten“ kritisch zu betrachten.
- Die Rolle der akademischen Elite im Aufstieg des NS-Staates
- Die Motivation und Ideologie der RSHA-Mitarbeiter
- Die Entstehung und Entwicklung des RSHA als Institution
- Der Einfluss von Gruppendruck und individueller Radikalisierung
- Die Kritik an dem Konzept der „Generation des Unbedingten“
Zusammenfassung der Kapitel
1) DIE Nazis - Club der gescheiterten Existenzen oder Spiegel der Gesellschaft?
Dieses Kapitel beleuchtet die gängigen Narrative der Nachkriegszeit, die die Nazi-Täter als gescheiterte Existenzen darstellten. Es werden aktuelle Forschungsarbeiten erwähnt, die diese Sichtweise in Frage stellen und auf die Rolle der Gesellschaft und die aktive Teilnahme von Akademikern und Eliten im NS-Regime hinweisen.
2),,Generation des Unbedingten“
Dieses Kapitel beschreibt die zentrale These der Studie „Generation des Unbedingten“. Wildt stellt eine Generation von Akademikern vor, die sich aus innerer Überzeugung dem NS-Staat verschrieben haben und dessen Apparate konzipiert haben, die die späteren Mordprogramme ermöglichten.
3) Aufwachsen als Teil der „überflüssige Generation“
Dieses Kapitel behandelt die Lebenserfahrungen der RSHA-Mitarbeiter in ihrer Jugend. Es beleuchtet ihre Erfahrungen im Ersten Weltkrieg, die ihnen fehlenden Perspektiven und ihre Suche nach Orientierung und Zugehörigkeit.
3.1 Abenteuerspiel Krieg
Dieser Unterpunkt beschreibt die Erfahrungen der jungen Männer im Ersten Weltkrieg und die Auswirkungen auf ihre spätere Entwicklung.
3.2 Jugend ohne Sicherheit und Grenzen
Dieser Unterpunkt behandelt die Unsicherheiten und fehlenden Perspektiven, die die Jugend der RSHA-Mitarbeiter prägten.
3.3 Auf dem Weg zur Elite - Studienjahre
Dieser Unterpunkt beschreibt den Werdegang der RSHA-Mitarbeiter im akademischen Bereich und ihre Ambitionen.
3.4 Tübingen – Leipzig – Graz: Skeptische Kritiker und feurige Vorkämpfer
Dieser Unterpunkt fokussiert auf die Studienorte und die unterschiedlichen Persönlichkeiten der späteren RSHA-Mitarbeiter, von skeptischen Kritikern bis zu feurigen Vorkämpfern.
3.4.1,,Kompromisslos und vorwärtsdrängend“ – Erich Ehrlinger
Dieser Unterpunkt beleuchtet die Karriere von Erich Ehrlinger, einem kompromisslosen und vorwärtsdrängenden RSHA-Mitarbeiter.
3.4.2 Die,,schwarze Hand\" in Leipzig
Dieser Unterpunkt beschäftigt sich mit der „schwarzen Hand“, einer Gruppe von Studenten in Leipzig, die sich der NS-Ideologie verschrieben haben.
3.4.3 Eine österreichische Karriere – Ernst Kaltenbrunner
Dieser Unterpunkt beschreibt die Karriere von Ernst Kaltenbrunner, einem österreichischen RSHA-Mitarbeiter.
3.4.4 Für den Volkswillen - Werner Best
Dieser Unterpunkt schildert den Werdegang von Werner Best, einem weiteren RSHA-Mitarbeiter, der sich dem NS-Regime verpflichtet fühlte.
4.) Das ReichsSicherheitsHauptAmt - eine Verwaltung neuen Typs
Dieses Kapitel widmet sich der Entstehung und Entwicklung des RSHA als Institution und seiner Rolle im NS-Staat.
4.1 Entstehung einer Machtzentrale
Dieser Unterpunkt behandelt die Entstehung und Organisation des RSHA.
4.2 Institution des Krieges
Dieser Unterpunkt beschreibt die Rolle des RSHA als Institution des Krieges.
4.3 Einsatzgruppen in Polen – Entgrenzung
Dieser Unterpunkt fokussiert auf die Einsatzgruppen in Polen und die Entgrenzung von Gewalt und Terror.
4.4 Einzelwege der Radikalisierung
Dieser Unterpunkt beleuchtet die individuellen Radikalisierungsprozesse der RSHA-Mitarbeiter.
4.4.1 Hartgesottener SS-Täter - Erich Ehrlinger
Dieser Unterpunkt befasst sich mit der Rolle von Erich Ehrlinger als SS-Täter.
4.4.2 Ostexperte und Verschwörer - Heinz Gräfe
Dieser Unterpunkt beschreibt die Karriere von Heinz Gräfe als Ostexperte und Verschwörer.
4.4.3 Eine vermeintlich unauffällige Karriere - Wilhelm Spengler
Dieser Unterpunkt schildert den Werdegang von Wilhelm Spengler, einem RSHA-Mitarbeiter, der eine vermeintlich unauffällige Karriere verfolgte.
4.4.4 Der Nachfolger – Ernst Kaltenbrunner
Dieser Unterpunkt beleuchtet die Rolle von Ernst Kaltenbrunner als Nachfolger im RSHA.
4.4.5 Der verstoßene Meisterschüler - Werner Best
Dieser Unterpunkt beschreibt Werner Best als „verstoßenen Meisterschüler“, der sich vom NS-Regime abwandte.
5.) Das Führungskorps nach Kriegsende
Dieses Kapitel befasst sich mit dem Schicksal des RSHA-Führungskörpers nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der Nazi-Ideologie, dem Reichssicherheitshauptamt, der „Generation des Unbedingten“, der Radikalisierung von Akademikern und Eliten, der Rolle von Gruppendruck und individuellen Motiven bei der Beteiligung an Verbrechen und dem Einfluss von Studienorten auf die spätere Karriere von RSHA-Mitgliedern.
- Citation du texte
- Michael Clemens (Auteur), 2003, Zerbrochene Bilder - Werden und Wirken des Personals des Reichssicherheitshauptamtes - Analyse und Einordnung der Studie "Generation des Unbedingten" von Michael Wildt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18753