Die individuelle Aneignung von Wissen nimmt in unserer Gesellschaft einen hohen
Stellenwert ein. Das Konzept der 'Industriegesellschaft' wurde längst von dem der
'Wissensgesellschaft' abgelöst, das den Aspekt des lebenslangen Lernens betont.
Während Menschen früher jahrzehntelang einen spezifischen Beruf mit mehr oder
weniger gleichbleibenden Tätigkeiten ausübten, so ist heute vom 'Wissensarbeiter' die
Rede, der sich flexibel auf neue Herausforderungen einstellen muss. In unserer immer
komplizierter entwickelten Welt wird die Wissensaneignung (nicht nur im Beruf) zu
Recht als sehr wichtig eingestuft. Schließlich ist ohne Wissen keine Handlungsfähigkeit
möglich, während Menschen mit erworbenem Wissen in der Lage sind, „etwas in Gang
zu setzen“1. Medien wie das Internet erleichtern den Zugang zu Informationen. Aber
werden sie auch zu Wissen verarbeitet? Kann das Internet tatsächlich zur
Handlungsfähigkeit beitragen oder schafft es aufgrund seiner Komplexität und Vielfalt
nicht eher Reizüberflutung und höchstens eingeschränkte Handlungsfähigkeit?
Betrachtet man die jüngsten revolutionären Ereignisse in den diktatorisch regierten
afrikanischen Ländern Tunesien, Ägypten und Libyen, so steht außer Frage, dass das
Internet Menschen handlungsfähig machen kann. Mancher Skeptiker mag an dieser
Stelle entgegnen, dass sich die über Jahrzehnte hinweg angestaute Wut der Bevölkerung
auch ohne die Möglichkeiten von Facebook, Twitter, YouTube oder verschiedenen Blogs
entladen hätte, doch durch das Internet und seine immense Geschwindigkeit wurden die
Machthaber der repressiven Regimes völlig „auf dem falschen Bein erwischt“2.
Machtlos mussten sie ansehen, wie sich die Massen formierten und binnen kürzester
Zeit zu Demonstrationen aufriefen, die noch vor einigen Jahren hohen
Planungsaufwand erfordert hätten. Während das Ausmaß von Protestbewegungen
früher von Regierungen durch eingeschränkte Berichterstattung in den zensierten
Staatsmedien kontrolliert werden konnte, so stellten Demonstranten über beispielsweise
YouTube problemlos und zeitnah Material über die aktuellen Geschehnisse zur
Verfügung. Dadurch konnten sie über die Zustände im Land aufklären – und
Protestaktionen initiieren.
Inhaltsverzeichnis
- Informationsflut oder Wissensgesellschaft?
- Die Revolutionen in Nordafrika
- Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Internets
- Professioneller Journalismus im Web 2.0 Zeitalter
- Chancen und Risiken des Internets
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay untersucht die Auswirkungen des Internets auf die Wissensgesellschaft und die Handlungsfähigkeit von Individuen. Er analysiert, wie das Internet sowohl zur Verbreitung von Wissen als auch von Falschinformationen beiträgt und welche Rolle der professionelle Journalismus in diesem Kontext spielt.
- Das Internet als Werkzeug zur Wissensaneignung und Handlungsfähigkeit
- Die Rolle des Internets in den Revolutionen in Nordafrika
- Die Herausforderungen der Glaubwürdigkeit von Informationen im Internet
- Der professionelle Journalismus im Zeitalter von Web 2.0
- Chancen und Risiken des Internets für die Wissensgesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Der Essay beginnt mit der Frage, ob das Internet zur Wissensgesellschaft beiträgt oder eher zu einer Informationsflut führt. Anschließend wird die Rolle des Internets bei den Revolutionen in Tunesien, Ägypten und Libyen analysiert, wobei die Handlungsfähigkeit der Bevölkerung durch den Zugang zu Informationen und die Organisation von Protesten hervorgehoben wird. Es folgt eine kritische Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit von Informationen im Internet und der Gefahr der Verbreitung von Falschinformationen. Abschließend wird der professionelle Journalismus im Kontext von Web 2.0 betrachtet, inklusive der Herausforderungen und Chancen, die sich durch die neuen Partizipationsmöglichkeiten ergeben.
Schlüsselwörter
Wissensgesellschaft, Informationsflut, Internet, Handlungsfähigkeit, Revolutionen Nordafrika, Glaubwürdigkeit, Falschinformationen, Professioneller Journalismus, Web 2.0, Commons-based Peer Production.
- Citation du texte
- Daniel Seehuber (Auteur), 2011, Informationsflut oder Wissensgesellschaft?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187588