Persuasionsforschung vs. Agenda-Setting-Forschung: ein wissenschaftlicher Vergleich


Seminararbeit, 2003

32 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Entwicklung der (Massen-)Mediengeschichte
2.1 Um 1400 bis um 1830
2.2 Um 1830 bis um 1900
2.3 Um 1900 bis um 2000

3. Geschichte und Modelle der Medienwirkungsforschung

4. Entstehung der Persuasionsforschung von Carl Iver Hovland
4.1 Yale-Studien
4.2 Persönlichkeitsfaktoren
4.3 Kritik am Persuasionsmodell

4.4 Persuasionsforschung als Ausgangspunkt für weitere Forschungsansätze

5. Chapel-Hill-Studie als Ausgangspunkt der Agenda-Setting-
Theorie von M. E. McCombs / D. L. Shaw
5.1 Typologie der Agenda-Setting-Theorie
5.2 Persönlichkeitsfaktoren
5.3 Kritik an der Agenda-Setting-Theorie

6. Zusammenfassende Gegenüberstellung:

Persuasionsforschung – Agenda-Setting-Theorie

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der folgenden Hausarbeit sollen die Unterschiede der damaligen und der heutigen Medienwirkungsforschung herausgearbeitet werden, um die Veränderungen dieser aufzuzeigen.

Zuerst soll ein chronologischer Einblick in die Entwicklung der Medien- bis hin zur Massenmediengeschichte gewährt werden. Diese vollzieht sich über mehrere Jahrtausende hinweg und ist auch bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Auch in Zukunft werden in rasantem Tempo immer neue Technologien entstehen.

Es sollen die Entwicklungsjahre von ca. 1400 bis 2000 kurz vorgestellt werden, da sich in diesem Zeitraum immer neue Medien in sehr kurzen Zeitabständen rasch aneinander reihen.

Des weiteren wird die Geschichte der Medienwirkungsforschung anhand einiger prägnanter Modelle dargestellt.

Speziell werden danach die beiden Modelle der Persuasionsforschung und der Agenda-Setting-Theorie erläutert und abschließend miteinander verglichen.

2. Entwicklung der (Massen-) Mediengeschichte

Die Geschichte der Medien reicht bis über mehrere Jahrtausende zurück und beginnt mit den „... Primär- oder Menschmedien, ergänzt durch Schreibmedien als Vorläufer der späteren Druckmedien.“[1]

Faulstich und Rückert unterteilen die Vor- und Frühgeschichte der Medien in das antike Theater, zu dem Verwandlungsrituale, theatralische Geisterbeschwörungen, Fruchtbarkeitsspiele und andere Riten bzw. Rollenspiele mit Masken, Kostümen, Tänzen und Gesängen gehörten, die alle eine kultische Funktion hatten, und in sog. Schreibmedien wie Plakat, Brief, Buch und andere graphische Medien. Diese reichen ähnlich weit zurück wie das Theater. Wichtig zu erwähnen wären hierbei die steinzeitlichen Höhlenmalereien, Grabinschriften in Ägypten, Gesetze und Verordnungen, die in Keilschrift festgehalten wurden. Weiterhin die Tontafelbibliothek in Phönizien aus dem Jahre 1400 v. Chr., das Buch in China, das bereits um 1000 v. Chr. existierte und nicht zuletzt das gedruckte Papiergeld in China im 10. Jahrhundert.[2]

Jäckel stützt sich bei folgender Aussage auf ein Modell von Irving Fang, nach dem bereits im achten Jahrhundert v. Chr. die Konvergenz von Schrift und Papier existierte, jedoch gab es, wie oben bereits erwähnt, auch schon lange vorher Medien wie zum Beispiel das Theater etc.[3]

Mit der Annäherung von Schrift und Papier begann laut Irving Fang die erste von insgesamt sechs sogenannten Informationsrevolutionen, die „Writing Revolution“, die es ermöglichte, „... das Wissen der jeweiligen Zeit von dem Gedächtnis einzelner Personen unabhängiger zu machen.“ [4]

Im Mittelalter dann schrieb man den Medien eine zentrale Rolle zu: sie waren für die Herausbildung, Entwicklung und Steuerung sozialer, noch relativ voneinander abgegrenzter Teilöffentlichkeiten verantwortlich. Diese waren eingeteilt in Hof und Burg mit dem Narren oder Joker, dem Minnesänger und Minnespiel, Kloster und Universität mit den Mönchen, Lehrern und Bibliotheken, Dorf und Land mit den Märchenerzählern, Frühlingsspielen, Bauernriten und Farcen und den Kirchenraum mit kirchlichen Sängern und besonders den Passions- und Weihnachtsspielen, den Prozessionen und Mirakelspielen. Zuletzt die Stadt mit ihren Sängern und Gauklern, den Harlekins, Scharlatanen und Quacksalbern.[5]

2.1 Um 1400 bis um 1830

Nach Fang beginnt hier nun die zweite Informationsrevolution, die sog. „Printing Revolution“ , die aus einer Konvergenz von Papier, Schrift und Drucktechniken entsteht und ihren Anfang mit dem ersten gedruckten Buch von Gutenberg im Jahre 1448 hat. In dieser Epoche beginnen auch die Anfänge der heutigen Presse.[6]

Durch die Erfindung der Drucktechnik wird es nun möglich, Informationen in Form von Einblattdrucken, Flugschriften, Kalenderblättern, Almanachen, Druckschriften, Buchführern und Büchern zu vervielfältigen. Diese Medien werden „... zu dominanten Instrumenten der Reformation und der Befreiung von überholten Zwängen und Konventionen.“[7]

Auch das Theater und der herkömmliche Brief entwickeln sich weiter: das Theater vom Fastnachtspiel über das Renaissancetheater und das elisabethanische Theater bis hin zum frühen deutschen Theater. Der Brief differenziert sich aus in z. B. den Ablaßbrief, Sendbrief und Geschäftsbrief. Um 1700 nehmen dann außerdem Briefkästen, neue Brieftheorien, die Entwicklung und Verbreitung des Privatbriefes und die Verbesserung der Briefbeförderung durch das Postsystem ihren Anfang und etablieren somit den Brief fest.[8]

Mit dem Buchdruck entsteht auch eine Öffentlichkeit, da die Kontrolle über den Zugang zu Informationen entfällt und der Empfängerkreis so nicht mehr eindeutig bestimmbar ist. Die daraus resultierenden Institutionen wie Bibliotheken, Büchereien, Lesegesellschaften, Lesekabinette etc. sind prägnant für die erste allgemeinbürgerliche Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert.[9]

Des weiteren verbreiten sich Zeitung und Zeitschrift zur Information bzw. Unterhaltung stetig, und das Plakat wird als politisches und kommerzielles Propagandamittel eingesetzt.[10]

2.2 Um 1830 bis um 1900

Zwei bedeutende Merkmale kennzeichnen diese Epoche: erstens wird das Medium aufgrund der wachsenden Bevölkerungsrate und des im Vergleich zu früher höheren Bildungsgrades zum Massenmedium. Das Theater verliert hierbei nach und nach seine Bedeutung als gesellschaftsfähiges Menschmedium. Das zweite Merkmal dieser Zeit sind technische Erfindungen, aus denen elektronische Medien hervorgehen und die eine gesellschaftsverändernde Bedeutung mit sich tragen.[11]

Durch den Schritt vom Medium zum Massenmedium bei Schreib- und Printmedien entsteht z. B. die Massenpresse in den USA und in Frankreich, die Briefmarke wird eingeführt, das Briefgeheimnis wird in das Grundrecht aufgenommen, Comic-Strips sowie Groschenromane, Lesezirkelzeitschriften und Postkarten entstehen, Plakate werden durch die Litfaßsäule verbreitet.[12]

Um den Schritt vom Medium zum Massenmedium möglich zu machen, mußten bereits technische Voraussetzungen gegeben sein: die Dampfpresse für die Comics, die Rotationsmaschine für die Tagespresse und die Fotografie für die Illustrierte. Fast alle heutigen elektronischen Medien werden in dieser Phase eingeleitet, z. B. die Papiermaschine ab 1830, die Fotografie ab 1839, ein Jahr später der elektronische Telegraph, das Telefon im Jahre 1864, das Grammophon 1877, die Schallplatte dann 1888, im Jahre 1895 der Film, und „... nicht zuletzt die drahtlose Telegraphieverbindung als Schritt bei der Entwicklung zum Medium Hörfunk 1899.“[13]

2.3 Um 1900 bis 2000

Die ersten drei Jahrzehnte dieser Epoche stehen für einen bedeutenden Umschwung in der Mediengeschichte. Man könnte dabei von Reproduktion bzw. Konstruktion sprechen, da „... nach der Fotografie und dem Telefon nun bei Schallplatte und Hörfunk eine ‚echte‘ Reproduktion und insofern Verdoppelung der Wirklichkeit ...“ gegeben ist. Durch diese Wirklichkeitssimulation wird der Wirklichkeitsbezug Gegenstand von Diskussionen einer Informationsgesellschaft, die die 200-jährige Literatur- und Kulturgesellschaft inzwischen ersetzt hat. Aufgrund der technischen Neuerungen während dieser Zeit ist es nämlich möglich, zwei „Wirklichkeiten“ simultan zu erleben: einmal die alltägliche „echte“ Wirklichkeit und diejenige, welche z. B. durch Schallplatte und Hörfunk reproduziert vermittelt wird. Somit stehen nun diverse andere Medien zur Verfügung, die zur Folge haben, daß nun nicht mehr nur Bücher zur Informationsgewinnung herangezogen werden können, sondern auch nicht-schriftliche Medien (z. B. Fotografie, Telefon, Hörfunk, Schallplatte).[14]

In den nächsten zwanzig Jahren nimmt vor allem das Radio aufgrund des zweiten Weltkrieges eine vorherrschende Stellung als Propagandamedium ein. Es wird deswegen bevorzugt eingesetzt, weil es „... als ‚akustische Schnellpresse‘ Wirklichkeit scheinbar unvermittelt, aber doch dramatisiert anbietet, um dann unter der Hand den Schritt vom ‚event‘ zum ‚pseudo-event‘ zu vollziehen.“[15]

Trotz des primären Einsatzes des Radios werden jedoch auch Fernsehen und Kinofilm als Kampfmedien eingesetzt, sei es als unpolitische Unterhaltung oder als ausgefeilter NS-Propagandafilm.[16]

In der nächsten Etappe von ca. 1950 bis ca. 1970 lösen die elektronischen Medien die Printmedien – besonders das Buch – ab, und der Fernseher wird vorherrschendes Medium. Durch ihn ist die Möglichkeit gegeben, daß „... immer mehr Programme über immer mehr Sender zu immer längeren Tageszeiten für immer mehr Zuschauer ...“ zugänglich sind.[17]

Ab ca. 1970 werden fast alle Medien kommerzialisiert und privatisiert. Das Fernsehen differenziert sich zunehmend zum Spartenfernsehen aus, z. B. in Sport-, Musik- und Nachrichtenkanäle etc. Zwischen Ende 1970 und Anfang 1980 erfolgt ein Boom der Neuen Medien, darunter fallen z. B. Kabel- und Satellitenfernsehen, Computer, Video, Bildplatte, Videotext, Btx, Telefax, Mailbox etc. Die sog. Menschmedien (z. B. Theater) und die Printmedien wie Buch oder Zeitung werden mehr und mehr von den Neuen Medien verdrängt. Die Gesellschaft entwickelt sich demnach zu einer totalen Mediengesellschaft.[18]

Mit den Multimedia-Erfindungen (um 2000, z. B. Internet, Digitalkameras, CD-ROM) wird es möglich, die reale Welt durch eine Scheinwelt zu substituieren, d. h. es muß kein persönlicher Erfahrungswert oder eine druckmediale Abbildung mehr vorhanden sein, wie es bei den Primär- (mündliche Überlieferungen, Menschmedium), Sekundär- (Printmedien) und Tertiärmedien (technische Erfindungen) der Fall ist.[19]

3. Geschichte und Modelle der Medienwirkungsforschung

Der Beginn der empirischen Medienwirkungsforschung nimmt ihren Anfang in den 30er Jahren mit den Payne Fund Studies, die vom Motion Picture Research Council durchgeführt wurden. Gegenstand dieser Studien war die Suggestivkraft des Films: es sollte herausgefunden werden, inwieweit Filme Auswirkungen und Einfluß auf verschiedene Verhaltensweisen und Lebenssituationen von Kindern und Jugendlichen haben.[20]

1938 wurde im New Yorker Radio das Hörspiel „Invasion vom Mars“ ausgestrahlt, bei dem es um eine vermeintliche Übernahme der Welt durch Marsmenschen ging. Die dadurch ausgelöste Massenpanik veranlaßte einige Wissenschaftler dazu, sich um eine Erklärung der Wirkungsweise der Massenmedien zu bemühen. Sie stellten die erste Theorie für Massenkommunikation auf, die mechanistische Stimulus-Response-Theorie (Reiz-Reaktions-Modell / S-R-Modell). Diese wurde auch Hypodermic-Needle Theory oder Transmission Belt Theory genannt. Das Modell besagt, daß bestimmte beeinflussende Reize über die Massenmedien auf die gleiche Art und Weise an die Rezipienten herangetragen werden. Jedes Individuum verarbeitet diese Stimuli genau gleich, und als Ergebnis reagieren alle Gesellschaftsmitglieder identisch auf den ausgesandten Reiz.[21]

Später wurde das Modell erweitert. Diese Erweiterung nannte sich Stimulus-Object-Response-Modell (S-O-R-Modell), wobei sich der Begriff „Object“ auf den individuellen Mediennutzer bezieht.[22]

1940 stellte Lazarsfeld die These vom sog. „two-step flow of communication“ auf, die auch bekannt wurde unter dem Namen „Opinion-Leader-Modell“. Bei dieser These ging es darum, daß unentschiedene Wähler sich von angesehenen Leuten aus ihrer alltäglichen Umgebung – den sog. „opinion leaders“ (Meinungsführer) – von einem Parteienwechsel überzeugen lassen würden, nicht jedoch von den Zeitungen oder vom Radio. Diejenigen Medien, die bei den Massen erfolgreich sein wollten, mußten also bei den opinion leaders, die besonders aktive Zeitungleser und Radiohörer waren, werben.[23]

In den 50er Jahren entwickelte sich dann die sog. Persuasionsforschung, deren Erkenntnisse auf dem S-O-R-Modell beruhen, quasi also eine Erweiterung dieses Modells. Begründer dieses Forschungsansatzes waren Carl Iver Hovland und seine Mitarbeiter. Nähere Erläuterungen hierzu werden unter dem Punkt vier („Entstehung der Persuasionsforschung von Carl Iver Hovland“) aufgeführt.[24]

[...]


[1] Faulstich, W./Rückert, C.: Mediengeschichte in tabellarischem Überblick von den Anfängen bis heute. Teil 1. Bardowick 1993. S. 12.

[2] ebd., S. 12.

[3] Jäckel, M.: Medienwirkungen. Ein Studienbuch zur Einführung. Opladen 1999. S. 28. Faulstich, W./Rückert, C., a.a.O., S. 12.

[4] Jäckel, M., a.a.O., S. 28.

[5] Faulstich, W./Rückert, C., a.a.O., S. 13.

[6] Jäckel, M., a.a.O., S. 28. Faulstich, W./Rückert, C., a.a.O., S. 31.

[7] ebd., S. 31.

[8] ebd., S. 31, 69.

[9] Jäckel, M., a.a.O., S. 21.

Faulstich, W./Rückert, C., a.a.O., S. 69.

[10] ebd., S. 69.

[11] ebd., S. 94.

[12] ebd., S. 94.

[13] ebd., S. 94, 95.

[14] ebd., S. 149.

[15] ebd., S. 192.

[16] ebd., S. 192.

[17] ebd., S. 234.

[18] ebd., S. 293.

[19] ebd., S. 292.

[20] Prokop, D.: Medien-Macht und Massen-Wirkung. Ein geschichtlicher Überblick. Hrsg.:

Neumann, G. / Schnitzler, G. Bd. 34. Freiburg im Breisgau: Rombach 1995. S.147.

[21] Schenk, M.: Medienwirkungsforschung. Tübingen: Mohr 1987. S. 22.

[22] ebd., S. 46.

[23] ebd., S. 148.

[24] ebd., S. 45.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Persuasionsforschung vs. Agenda-Setting-Forschung: ein wissenschaftlicher Vergleich
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Fakultät für Pädagogik)
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,3
Autoren
Jahr
2003
Seiten
32
Katalognummer
V18869
ISBN (eBook)
9783638231268
Dateigröße
592 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Persuasionsforschung, Agenda-Setting-Forschung, Vergleich, Proseminar
Arbeit zitieren
Maria Palmer-Wilson (Autor:in)Carla Soares da Silva (Autor:in), 2003, Persuasionsforschung vs. Agenda-Setting-Forschung: ein wissenschaftlicher Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18869

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