Seit der Zahlungsunfähigkeit der amerikanischen Investmentbank „Lehmann Brothers“ befindet sich ein Großteil der europäischen Volkswirtschaften im permanenten Krisenzustand. Waren jedoch von der weltweiten Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 beinahe alle Staaten der Eurozone betroffen, so traf der darauf folgende ökonomische Abschwung einige Staaten härter als andere. Von der aktuellen Staatsschuldenkrise sind noch weniger Länder betroffen.
Trotz dieser Uneinheitlichkeit in der direkten Krisenbetroffenheit scheint sich die europäische Bevölkerung wenigstens in einem Punkt einig zu sein: Die Schuld für den anhaltenden Krisenzustand schreibt sie der Politik zu – zumindest wenn man zahlreichen Beiträgen in der öffentlichen Diskussion glauben darf. Doch ist dem tatsächlich so? Lässt sich im Verlauf der verschiedenen Krisen seit 2007 ein länderübergreifender Rückgang des Vertrauens der Bevölkerung in die politischen Institutionen feststellen? Und wenn ja, welche Rückwirkungen hat dies in die betroffenen Gesellschaften hinein? Unterscheiden sich diese Rückwirkungen vielleicht sogar je nach Art und Weise der Betroffenheit einer Gesellschaft von der Krise?
Diesen Fragen widmet sich die vorliegende Bachelorarbeit. Sie orientiert sich dabei an der Sozialkapitaltheorie des Amerikaners Robert Putnam. Danach besteht zwischen dem Vertrauen, das ein politisches System innerhalb der eigenen Bevölkerung genießt, und dem Sozialkapital, das innerhalb der Gesellschaft vorhanden ist, ein kausaler Zusammenhang. Sozialkapital wird nach Putnam insbesondere in sozialen Netzwerken produziert und sorgt für die Entstehung generalisierten Vertrauens, welches sich wiederum auf das politische System überträgt. Putnam geht hier von einem kausalen Zusammenhang aus.
Sollte nun jedoch der anhaltende ökonomische Krisenzustand tatsächlich (also empirisch messbar) mit einer Krise des Vertrauens in das politische System einhergehen, stellt sich die Frage, ob mit der Krise Vertrauens in das politische System auch ein Rückgang des Sozialkapitals verbunden ist. Sollte Putnams These des durch Sozialkapital produzierten generalisierten Vertrauens zutreffen, müsste ein solcher Zusammenhang bestehen. Konkret müsste sich also die Zahl der sozialen Netzwerke, der Freundschaften und der Stellenwert der Familie innerhalb der betroffenen Gesellschaften verändern. Dies zu überprüfen ist zentrale Aufgabe der vorliegenden Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Theorie vom sozialen Kapital
- Begriffsentwicklung und theoretischer Ursprung
- Putnams Konzept vom Sozialkapital
- Die Bildung sozialen Kapitals
- Die Wirkung sozialen Kapitals
- Dimensionen des Sozialkapitals
- Formelles und informelles Sozialkapital
- Sozialkapital mit hoher oder geringer Dichte
- Innenorientiertes und außenorientiertes Sozialkapital
- Brückenbildendes und bindendes Sozialkapital
- Kritik an Putnams Sozialkapitalkonzept
- Das Untersuchungsdesign
- Fragestellungen und Vergleichsobjekte
- Zusammenhangshypothesen
- Fallkonstruktion und Fallauswahl
- Datengrundlage
- Operationalisierungen
- Staatsschuldenkrise
- Betroffenheit von der Staatsschuldenkrise
- Vertrauen in das politische System
- Soziales Kapital
- Anmerkungen zum explorativen Charakter
- Politisches Vertrauen und Staatsschuldenkrise
- Politisches Vertrauen im Verlauf der Staatsschuldenkrise
- Politisches Vertrauen und Art der Krisenbetroffenheit
- Politisches Vertrauen und Stärke der Krisenbetroffenheit
- Zwischenbetrachtung
- Politisches Vertrauen und soziales Kapital
- Generalisiertes Vertrauen und politisches Vertrauen
- Soziale Netzwerke und politisches Vertrauen
- Einbindung in informelle Netzwerke
- Einbindung in formelle horizontale Netzwerke
- Einbindung in formelle vertikale Netzwerke
- Zwischenbetrachtung
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Bachelorarbeit analysiert die Auswirkungen der Staatsschuldenkrise auf das soziale Kapital in ausgewählten Eurostaaten. Sie untersucht, inwiefern sich die Krise auf das Vertrauen in das politische System und die sozialen Netzwerke der Bürger auswirkt. Die Arbeit zielt darauf ab, den Zusammenhang zwischen der Staatsschuldenkrise, dem politischen Vertrauen und dem sozialen Kapital zu beleuchten.
- Die Auswirkungen der Staatsschuldenkrise auf das soziale Kapital
- Der Einfluss der Krise auf das Vertrauen in das politische System
- Die Rolle von sozialen Netzwerken im Kontext der Staatsschuldenkrise
- Der Zusammenhang zwischen politischem Vertrauen und sozialem Kapital
- Der Vergleich verschiedener Eurostaaten im Hinblick auf die Entwicklung des sozialen Kapitals
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung gibt einen Überblick über den Hintergrund der Staatsschuldenkrise und die Bedeutung des sozialen Kapitals. Kapitel 2 stellt die Theorie des sozialen Kapitals vor, insbesondere das Konzept von Robert Putnam. Kapitel 3 beschreibt das Untersuchungsdesign der Arbeit, einschließlich der Fragestellungen, Vergleichsobjekte und der verwendeten Daten. Kapitel 4 analysiert den Zusammenhang zwischen politischem Vertrauen und der Staatsschuldenkrise. Kapitel 5 untersucht den Einfluss des sozialen Kapitals auf das politische Vertrauen. Das Fazit fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammen.
Schlüsselwörter
Staatsschuldenkrise, Sozialkapital, politisches Vertrauen, soziale Netzwerke, Eurostaaten, Vergleichende Analyse, Vertrauen in das politische System, informelle Netzwerke, formelle Netzwerke.
- Quote paper
- Florian Philipp Ott (Author), 2011, Die Staatsschuldenkrise als Vertrauenskrise?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/188847