Partei zum Selbstzweck?

Parteienwandel in Gegenwart elektoraler Verluste - SPÖ


Bachelorarbeit, 2011

62 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

1. Einleitung
Vorwort – Danksagung
Wurzeln der SPÖ. Die Arbeiterbewegung 1830-1945
Problemstellung und Relevanz des Themas
Forschungsleitende Fragestellung und ergänzende Fragen
Hypothese
Abgrenzung der Forschung
Vorgehensweise

2. Hauptteil
Theorie und zentrale Begriffe – Gesellschaftlicher Wandel
Theorie und zentrale Begriffe – Parteiinterne Wandlungsprozesse

3. SPÖ – elektorale Verluste in Gegenwart gesellschaftlicher und parteiinterner Wandlungsprozesse
Phase 1 – konsensualer Aufstieg 1945-1970
Phase 2 – Das goldene Zeitalter 1970-1983
Phase 3 – Krise und Selbstzweifel. 80er/ 90er
Phase 4 – ab 2000: Resümee zu Iststand und Reformtendenzen
Zusammenfassung – Nachkriegsentwicklung der SPÖ in 4 Phasen

4. Beantwortung der Fragestellung
Hypothese

5. Anhang/ Abkürzungsverzeichnis

6. Anhang/ Literatur- und Quellenverzeichnis
Dokumente/ Zeitungen
Internetquellen
Bibliographie
Eidesstattliche Erklärung

1. Einleitung.

Vorwort – Danksagung

Um einleitend ein paar Worten verlustig zu werden, möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei all jenen zu bedanken, welche es ermöglicht haben, mit dieser Arbeit meine ersten wissenschaftlichen Gehversuche mit dem ebenso wohlklingenden wie ungewohnten Titel „Bachelor“ zu adeln.

Meinen Eltern Marianna und Ernst möchte ich dafür danken, dass sie über weite Strecken Geduld zu bewahren wussten, meißt schon nach kurzem Kampf wegfallende staatliche Leistungen, bereitwillig aus eigener Tasche ersetzten. Ohne ihre ideelle und finanzielle Unterstützung wäre es mir nicht möglich gewesen dieses Ziel zu erreichen – Das hier ist „nur“ der Bachelor, ich zähle weiter auf euch ;)

Meinem Bruder Stefan möchte ich dafür danken, dass er mir an einer ganz entscheidenden Stelle meines Lebensweges einen Schubs in die richtige Richtung verlieh und verhinderte, mich an der Polytechnischen Schule anzumelden – Danke Steff, ist ja gerade noch mal gut gegangen!

Meinem Bruder Daniel danke ich für viele Möglichkeiten mir nötiges Kleingeld zu verdienen – Autoputzen liegt jetzt wieder in deinen Händen.

Meinen Haustieren Waub, Hu, Spru, Backi, Stupsi, danke ich für viele aufmunternde Stunden und Assistenz beim Lernen.

Meinem Bachelorarbeits-Betreuer Mag. Dr. Eric Miklin, möchte ich sehr herzlich für die kompetenten Ratschläge und die geleistete Unterstützung danken. Ich bin froh, Ihr Seminar zur Erstellung dieser Arbeit gewählt zu haben.

Mein allergrößter Dank jedoch gilt meiner Freundin und Kollegin Daniela, welche mit mir gemeinsam dieses Studium bestritt. Ich danke ihr für 7 Semester PLUS Online Management, für unzählige Stunden der Diskussion und des gemeinsamen Lernens. Und natürlich danke ich ihr ganz besonders dafür, dass sie so ist, wie sie ist. – Ohne dich hätte ich es garantiert nicht geschafft!

-Danke-

„Die Industriearbeiter schuften unter nahezu unmenschlichen Bedingungen und leben in ärgster Not.“ (Vajda 1980, 533)

Wurzeln der SPÖ. Die Arbeiterbewegung 1830-1945

WURZELN. Die Wurzeln der Arbeiterbewegung reichen bis in die 30er Jahre des 19. Jahrhunderts zurück und sind unweigerlich mit Zäsuren der technischen Entwicklung, wie der Erfindung der Dampfmaschine, verbunden. Als Basis der industriellen Revolution änderte sich mit diesen neuen Technologien buchstäblich alles. Alte Hierarchien wurden durchbrochen, Privilegien des Adels und letzte Überbleibsel feudaler Strukturen als Fortschrittshemmnisse identifiziert und dadurch zunehmend obsolet.

Die rapide Transformation alter Agrarwirtschaften zu damals modernen Industriestaaten, konnte jedoch nicht ausschließlich mit Kohle und Dampf alleine erreicht werden. Der große Bedarf an vor allem ungelernten und billigen Arbeitskräften, für die wachsende Zahl an Fabriken, führte zur Entwicklung einer neuen „Klasse“. Das Industrieproletariat bildete dabei die Talsohle der gesellschaftlichen Hierarchie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiterklasse von entscheidender Bedeutung war das Staatsgrundgesetz von 1867, welches das Vereins- und Versammlungsrecht garantierte. In daraufhin gegründeten Arbeiterbildungs- und Unterstützungsvereinen fand die Arbeiterschaft ihre ersten spezifischen Institutionen und trieb darüber vor allem die Identitätsfindung im Sinne des „Klassenbewusstseins“ voran.

Das aktive politische Tätigwerden, um abseits von Selbsthilfe die Situation der Arbeiterklasse zu verbessern, fand bereits ab 1868 statt. Im Mai dieses Jahres wurde das „Manifest an das arbeitende Volk Österreichs“ erlassen. Wobei die Formulierung „an das arbeitende Volk…“ hier schon nahe legt, dass es sich damals noch keineswegs um die geeinte Vertretung aller Arbeiter des Habsburger Reiches gehandelt hat. (vgl. Ucakar 2006, 322; Leser 2008, 18f)

„(…) Es muss deshalb zugleich mit dem Erlangen der politischen Freiheit und mit dem Erlangen des demokratischen Volksstaates die Emanzipation der arbeitenden Klassen vom Kapital angestrebt, durch zeitige Agitation und Aufklärung der Masse der Arbeiter vor planlosen Kämpfen bewahrt und die Bewegung in festen Bahnen zu bestimmten Zielen gelenkt werden.“

(Manifest an das arbeitende Volk Österreichs, in: Vajda 1980, 534)

Noch im August des selben Jahres, wurde zudem der Entwurf eines Sozialdemokratischen Programmes angenommen, der im Wesentlichen alle damals möglichen politischen Forderungen beinhielt. So verlangte man die Einführung des allgemeinen Wahlrechts, des Koalitionsrechts und der Pressefreiheit und verlieh den Forderungen v.a. mittels Demonstrationen Ausdruck. (vgl. Ucakar 2006, 322; Leser 2008, 18f)

Nach weiteren Errungenschaften und Zugeständnissen an die sich konstituierende Klasse, kam es 1874 im Burgenländischen Neudörfl zur Gründung der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs“. Die neue Partei, welche noch nicht alle Strömungen der Arbeiterbewegung hinter sich wusste, war der einstweilige Höhepunkt der politisch organisierten Arbeiterschaft und hatte zunehmend mit erhöhter Aufmerksamkeit und damit mit Repressalien von Seiten des Staates zu kämpfen. Die internen Schwierigkeiten des Vielvölkerstaates sorgten jedoch mitunter dafür, dass diese Abwehrmaßnahmen die Parteiwerdung und -festigung allenfalls verzögern konnten (vgl. Vajda 1980, 534; Leser 2008, 19).

HAINFELD 1888. Am Parteitag in Hainfeld (NÖ) gelang es dem Wiener Armenarzt Viktor Adler, den radikalen und den gemäßigten Flügel der Arbeiterbewegung zu einen, wodurch das Datum heute als das eigentliche Gründungsjahr der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs gilt. Adler betitelte das Ereignis in einem Rückblick als „Bethlehem des österreichischen Sozialismus“ und impliziert damit eine, über die, eines bloßen Zweckbündnisses hinausgehende, Bedeutung. (vgl. Leser 2008, 20).

Mit der Gründung dieser „beachtlichen politischen Kraft die man nicht mehr übersehen und überhören konnte“ (Vajda 1980, 534), hatte sich die Arbeiterbewegung emanzipiert und eine wirkungsvolle politische Vertretung – heute würde man sagen, eine Lobby – geschaffen.

Im Hainfelder Programm wurden die Ziele der Partei klar definiert, sowie entsprechende Visionen für die, sie konstituierende Klasse der Arbeiter, kleinen Händler und Handwerker. So sollte „das gesamte Volk ohne Unterschied der Nation, der Rasse und des Geschlechts (…) aus den Fesseln der ökonomischen Abhängigkeit, (…) der politischen Rechtlosigkeit und (…) der geistigen Verkümmerung befreit werden“ und im Speziellen das Proletariat politisch organisiert, mit Bewusstsein seiner Lage und Aufgaben, geistig und physisch kampffähig gemacht und erhalten werden. (vgl. Hainfelder Programm 1888/89 in: Ucakar 2006, 323).

NATIONALITÄTENFRAGE und WELTKRIEG. In der Zeit zwischen ihrer Gründung und der ultimativen Katastrophe in Form des Weltkrieges, konnte die Partei eines ihrer wichtigsten Anliegen, das allgemeine Wahlrecht (für Männer), erkämpfen und damit den politischen Einfluss der unteren gesellschaftlichen Schichten sicherstellen. Auf die, zur Jahrhundertwende besonders virulente, Nationalitätenfrage vermochte jedoch auch die Sozialdemokratie ebenso wenig eine befriedigende Antwort zu geben, wie auf die Umsetzung des Zieles vom „ewigen Frieden“ (vgl. Ucakar 2006, 232; Leser 2008, 28ff, 34).

Im Bereich dieser beiden zentralen Probleme kam die Sozialdemokratie nicht über das Stadium der Formulierung wohlklingender Worte und vager Absichtserklärungen hinaus. Vielmehr noch hatte sie selbst mit nationalistisch motivierten Abspaltungen zu kämpfen und verlor sich mit dem populistischen Schwenk zur Unterstützung des Krieges und des Nationalismus ein Stück weit selbst. Trotz dieser Probleme blieb die Partei auch in den Kriegsjahren handlungsfähig.

ZWISCHENKRIEGSZEIT. Nach dem Zusammenbruch des Habsburger Reiches übernahm die SDAP (Sozialdemokratische Arbeiterpartei) die Aufgabe, den Aufbau eines neuen Staates an führender Position mitzutragen und für parlamentarische Kontinuität zu sorgen. Sie bildete gemeinsam mit der konservativen Christlich-Sozialen Partei eine Koalitionsregierung und konnte von 1918-1920 eine Reihe bedeutender sozialpolitischer Maßnahmen umsetzen. Dazu zählten etwa der Acht-Stunden-Tag, die Invaliden- und Arbeitslosenunterstützung, die Einführung des bezahlten Urlaubs und die Errichtung von Vertretungskörperschaften für Arbeiter und Angestellte. (vgl. Ucakar 2006, 323).

Durch den damals geübten „Verbalradikalismus“ und der Überzeugung eines Großteils der Parteieliten in die Unumstößlichkeit einer Marxistischen Doktrin, brachte sich die Sozialdemokratie jedoch zu einem guten Teil selbst um die Honorierung ihrer Errungenschaften, was durch die Skepsis des Bürgertums nochmals verstärkt wurde.

Auch die Entscheidung ab 1920 in die Oppositionsrolle zu wechseln entsprang dieser doktrinären Auffassung von Politik – prominent, allen voran vertreten durch Otto Bauer.

„Die natürliche Stellung des Proletariats gegenüber dem bürgerlichen Staat, auch in seiner republikanischen Form, [ist] die Stellung der Opposition.“ (Otto Bauer o.J. in: Leser 2006, 52)

Ab dieser Entscheidung kam es zu einer schleichenden Eskalation der Differenzen zwischen sozialistischem und christlich-sozialem Lager. Als größte Hindernisse der weiteren Zusammenarbeit identifizierte Karl Renner, Ignaz Seipel (CS) – der eine anti-sozialistische „Bürgerblock“ Koalition schmiedete – und mit Otto Bauer (SDAP) einen der führenden Austromarxisten (vgl. Leser 2006, 52).

Ein, in dem Zusammenhang wichtiges Dokument, stellt das Linzer Parteiprogramm der SDAP von 1926 dar. Es wird als Inbegriff des radikalen Austromarxismus bezeichnet und konstatierte die „Eroberung der Staatsmacht“ und die „Vergesellschaftung der im Eigentum der Kapitalisten und der Großgrundbesitzer konzentrierten Produktionsmittel“ (vgl. Vajda 1980, 579).

Im Gegensatz zum bürgerlichen Lager, war die Sozialdemokratie jedoch trotz klassenkämpferischer Attitüde stets um eine friedliche Lösung bemüht:

„Wir haben es erlebt: Wer zur Gewalt greift, ist der Gefangene der Gewalt. Wir haben es erlebt: Aus der gewaltsamen Entscheidung kann niemals ein anderes Regime hervorgehen als die Gewaltherrschaft“ (Otto Bauer o.J. in Vajda 1980, 52).

Dieser demokratische und in dem Sinne friedliche Ansatz des Austromarxismus, spiegelt sich jedoch auch im Parteiprogramm selbst. So sollte die Revolution im Rahmen der Institutionen des bestehenden Staates und auf rechtsstaatlichem Weg erkämpft werden und der Sozialismus nach dem Erringen der absoluten Mehrheit auf Basis dieser eingeführt werden. Einzig für den Fall eines Auflehnens der bürgerlichen Gesellschaft mit „antidemokratischen Mitteln“ behielt man sich die Möglichkeit eines diktatorischen Vorgehens vor (vgl. Ucakar 2006, 324).

FASCHISMUS. Nah immer größer werdenden weltanschaulichen Differenzen, bestätigte sich die im Linzer Programm befürchtete Abkehr der Bürgerlichen vom demokratischen Modell bereits im März 1933. Mit der Ausschaltung des Parlaments durch Bundekanzler Dollfuß und dem kurz darauf folgenden Verbot der Sozialdemokratie, wurde der Damm gegen den Faschismus gebrochen.

Nach den gescheiterten Widerstandsversuchen im Bürgerkrieg von 1934 wurden verbleibende kampfbereite Sozialdemokraten endgültig in Untergrundbewegungen, wie den „Revolutionären Sozialisten“ gedrängt und bekämpften von dort aus Austrofaschisten und Nationalsozialisten (vgl. Ucakar 2006, 324).

Problemstellung und Relevanz des Themas

Wie oben gezeigt, blickt die Sozialdemokratie in Österreich auf eine lange Tradition zurück. Als Partei, gegründet 1888, stellt sie das älteste und unter Würdigung der Untergrund- und Exilarbeit während der Zeit des Faschismus, das beständigste politische Lager dar. Auch die Geschichte der Zweiten Republik wurde von der SPÖ als, neben der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), zweite Großpartei entscheidend mitgeprägt:

Grafik 1: Nationalratswahlen seit 1945 inkl. der Darstellung der Regierungskonstellation. Quelle: Wikipedia. Dargestellte Werte wurden anhand der amtlichen Endergebnisse der NRW überprüft: Quelle hierzu: Bundesministerium für Inneres: http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_wahlen/nationalrat/start.aspx, (28.3.2011)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Statistik der Ergebnisse bei Nationalratswahlen verdeutlicht den Stellenwert der SPÖ im österreichischen politischen System. So erreichte sie 1971, ´75 und ´79 die absolute Mehrheit der Stimmen und ging aus 14 von 20 NR-Wahlen in der Zweiten Republik als stimmenstärkste Partei hervor.

Zwischen 1945 und 1990 konnte sie in 13 von 14 Fällen, mehr als 40% der Stimmen auf sich vereinigen und – mit Ausnahme der jüngsten NR Wahl 2008, wo ihr dieses Ziel knapp nicht gelang – bei allen Urnengängen seit ´45 die 30% Hürde überspringen.

Ähnlich imposant liest sich auch die Anzahl der Jahre in Regierungsverantwortung. In den, bis 2011, 66 Bestandsjahren der Zweiten Republik, befand sich die SPÖ lediglich für insgesamt 11 Jahre in der Opposition. Ihre Regierungsbeteiligung teilt sich dabei wie folgt auf:

- Konzentrationsregierung: ´45 -´49
- Koalitionsregierung: ´83 – 2000 und ab 2007
- Alleinregierung: ´70- ´83 (´70-´71 als Minderheitsregierung)

Die Bundesregierungen wurden dabei 34[1] Jahre lang von einem sozialdemokratischen Regierungschef geführt und das Amt des Vizekanzlers 33 Jahre lang von der SPÖ beschickt (vgl. Homepage des österreichischen Parlaments[2]).

Aber auch diese eindrucksvolle Statistik, welcher durch das aktuelle Kabinett Faymann weitere Jahre der SPÖ als Kanzlerpartei hinzugefügt werden, vermag nicht über eine offensichtliche Trendwende hinwegzutäuschen. So zeigt die Tendenz seit dem sogenannten „goldenen Zeitalter“ unter „Sonnenkönig“ Bruno Kreisky in den 70er Jahren eindeutig nach unten. Allfällige zwischenzeitliche Wahlerfolge wie 1995 und 2002 sind dabei als, aus besonderen Umständen heraus erklärbare, Zwischenhochs, jedoch keinesfalls als Konsolidierung geschweige denn als Trendwende im elektoralen Zuspruch zu bezeichnen.

Den bisherigen Tiefpunkt erreichte die Partei bei der Nationalratswahl 2008, als sie mit 29,7% buchstäblich alles bis dorthin dagewesene unterbot und zwar sowohl der Ersten als auch der Zweiten Republik. Dass die Stimmung dennoch nicht – wie eigentlich dem Wahlergebnis zu entnehmen – am Boden zerstört war, kann lediglich mit der Tatsache erklärt werden, dass der große Konkurrent aus dem bürgerlichen Lager mit nur 26,0% der Stimmen noch härter abgestraft wurde (vgl. Bundesministerium für Inneres, Wahl 08[3]). „Wahlsieger“ und SP Obmann Werner Faymann quitierte die dahingehende Frage eines ORF Reporters – wie für einen Technokraten üblich – mit der Freude über das Erreichte und der Einsicht um die eigenen Verfehlungen und zukünftigen Verpflichtungen dem Bürger gegenüber. O-Ton: „Es überwiegt zuerst der Dank an die Wählerinnen und Wähler (…). Es war eine Aufholjagd an Vertrauen. Es haben uns viele Wählerinnen und Wähler sehr deutlich gesagt bei den vielen Veranstaltungen: Wir vertrauen Euch, aber wir rechnen damit, dass ihr es besser machen werdet. Es ist noch immer eine große Anzahl von Wählern, die wir zurückgewinnen müssen. Das ist der Teil beim Wahlergebnis, der ein Auftrag für mich ist. Ein Auftrag auch die Glaubwürdigkeit bei jenen zurückzuholen, die uns noch nicht gewählt haben. (…)“. (Werner Faymann im Interview mit Hans Bürger zum Wahlausgang am 28.9.2008[4])

Dieses historisch schwache Ergebnis ist damit einstweiliger Schlusspunkt des anhaltenden Abwärtstrends und regt manche Kommentatoren schon berechtigter Weise dazu an, vom „Ende der Großparteien“ zu reden (vgl. Hubert Platterer in die „Kleine Zeitung“[5]). Das „Wahljahr 08“ könnte damit der Beginn und auch teilweise namensgebend für eine SPÖ als „08-15 Partei“ werden. Eine Partei also unter vielen, ohne spezielle Eigenschaften, ohne „geschichtlichem Auftrag“ und den übrigen wahlwerbenden Gruppen gleich gestellt im Kampf um Issues und Stimmen am „Wählermarkt“.

Einen Anhaltspunkt in die Richtung, dass also auch nach diesem Ergebnis die Talsohle noch nicht erreicht ist, die Konsolidierung der Partei auf niedrigem Niveau eventuell noch nicht geschafft ist, ergibt ein Blick auf die Landtagswahlergebnisse der Jahre 2009 und `10 (Grafik 2). So gelang es der SPÖ in sieben, bisher der Nationalratswahl ´08 folgenden Landtagswahlen, kein einziges Mal ihren Stimmanteil auszubauen und lediglich in 4 Fällen konnte ein kleineres Minus als das, des Bundesergebnisses „erreicht“ werden.

Der leichte Aufwärtstrend, welcher sich durch Betrachtung der Grafik und der moderat anmutenden Verluste im Burgenland, der Steiermark und Wien, bei wohlwollender Betrachtung konstatieren ließe, muß zudem bei genauerem Hinsehen auch revidiert werden. So handelt es sich im Falle von Wien und dem Burgenland um zwei traditionell rote Kernländer. In beiden Fällen konnte jedoch die absolute Stimmen- und Mandatsmehrheit nicht erhalten werden, wodurch die Verluste von 4-5% deutlich schwerer wiegen, als die bloßen Zahlen suggerieren (vgl. SORA-Wahlanalyse[6]).

Grafik 2: Wahlverluste der SPÖ 2008-2010 (NRW, LTW). Quelle der Daten: Institut SORA, Wahlanalysen Landtagswahl : http://www.sora.at/themen/wahlverhalten/wahlanalysen.html (29.3.2011)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die SPÖ Steiermark, kann im Gegensatz zu den zuvor genannten Wien und Burgenland – auch mit den geringsten Verlusten aller LTW seit `09 – ihr vorrangiges Wahlziel erreichen. Es gelingt ihr, die Mandatsmehrheit gegenüber der ÖVP zu behaupten und dadurch auch weiterhin den Anspruch auf den Landeshauptmann zu stellen.Ihnen allen wiederum ist gemein, dass der Landeshauptmannvorteil, auf Seiten der SPÖ gelegen hat und laut Wahlanalysen des Institutes SORA auch einen erheblichen Motivationsfaktor darstellte (vgl. SORA-Wahlanalyse[7]). Mitunter aufgrund dieses Faktums ist eine Wertung der Landeswahlergebnisse 2010 als Aufwärtstrend, aus meiner Sicht zu optimistisch und deshalb nicht zielführend.

Die Abnahme des Wählerzuspruchs der SPÖ, seit dem Ende der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, bleibt damit bis in die Gegenwart großteils ungebrochen, was mich dazu veranlasst die Frage nach den Hintergründen für diese Entwicklung und allfällige Anpassungsversuche der Partei, ins Zentrum meiner Arbeit zu stellen.

Forschungsleitende Fragestellung und ergänzende Fragen.

Worin sind die Hauptgründe für den, seit den 1970er Jahren anhaltenden Abwärtstrend des Wählerzuspruchs zur SPÖ zu finden?

- Wie reagiert die Partei auf den schwindenden Wähleranteil?
- Warum gelang es der SPÖ bisher nicht eine Trendwende herbei zu führen?

Hypothese

- Mit dem Erreichen des Grenznutzens, alter materialismus- und wohlstandszentrierter Politikansätze, entwickelt sich die SPÖ zunehmend in Richtung einer Partei zum Selbstzweck. Es wird versucht, Wähler aus allen Schichten zum Machterhalt zu gewinnen (top-down), anstatt die eigenen Aufgaben an der gesellschaftlichen Realität und unter Anwendung der Ideologie und damit verbundener Grundwerte neu auszurichten (bottom-up). Als Resultat daraus stehen großen Vertrauensverlusten in der ehemaligen Kernklientel nur marginale Zugewinne in anderen Schichten gegenüber.

Abgrenzung der Forschung

Untersuchungsgegenstand/ -zeitraum:

- Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen die Sozialdemokratische Partei Österreichs und der gesellschaftliche Kontext in dem sie eingebettet ist.
- Die Analyse bezieht sich hauptsächlich auf die Entwicklung der Sozialdemokratie in der Zweiten Republik, wobei entsprechend der Datenlage und der unterschiedlichen Wichtigkeit gewisser Entwicklungen hier verschiedene Schwerpunkte gesetzt wurden. Aufgrund der Darstellung eines geschichtlichen Kontexts blieb es außerdem unumgänglich, auch die Frühzeit der SPÖ (K.K. Monarchie, Erste Republik) in geeigneter Form zu berücksichtigen.

Der Zeitraum nach der NRW im Jahr 1999 wird nur noch überblicksartig anhand eines kurzen Resümees des Istzustandes und eines Ausblicks auf aktuelle Wandlungsprozesse, behandelt. Grund dafür ist einerseits, dass durch die Angelobung der ÖVP-FPÖ Koalition im Jahr 2000 die Eckpfeiler des politischen Systems der zweiten Republik grundlegend verändert wurden und eine isolierte Betrachtung der bis 2006 oppositionellen SPÖ daher wenig Sinn macht. Andererseits ist die „historische Partei“ mit „gesellschaftlichem Auftrag“ spätestens seit der 99er Wahl, welche drei annähernd gleichstarke Parteien[8] hervorgebracht hatte, Vergangenheit.

Vorgehensweise

Im Ersten Kapitel des Hauptteils versuche ich einen Überblick über die derzeit vorhandene, zentrale Literatur zum Thema „Parteienwandel“ und „Gesellschaftswandel“ zu geben, sowie Eckpfeiler für die nachfolgende Analyse zu extrahieren und zu definieren. Im Weiteren erscheint es mir sinnvoll, die Betrachtung der Entwicklung der Partei über Zeitepochen hinweg anzulegen und jeweils abschnittsweise vorzunehmen. Diese Vorgehensweise macht es möglich, entsprechend der Datenlage und entsprechend großräumiger Entwicklungen, Informationen zu aggregieren und im Vergleich der Epochen zueinander Veränderungen im Wählerzuspruch mit Veränderungen von Gesellschaft und/oder Partei in Verbindung zu bringen.

2. Hauptteil

Theorie und zentrale Begriffe – Gesellschaftlicher Wandel

CLEAVAGE. Der von Seymour Lipset und Stein Rokkan geprägte Begriff, bedeutet in seiner deutschen Übersetzung so viel wie „Spalt-“ oder „Bruchlinie“ und bezeichnet dauerhaft vorhandene gesellschaftliche Konfliktdimensionen.

Abgesehen von einer Vielzahl kleinerer bzw. kurzfristiger Konflikte, stellen sich, als für ihren Zweck der Untersuchung von Parteisystemen, folgende 4 Cleavages als entscheidend heraus:

- Arbeit / Kapital
- Stadt / Land
- Staat / Kirche
- Zentrum / Peripherie (vgl. Lipset/ Rokkan 1967, 101)

Den Ursprung haben diese „Dauerkonfliktbereiche“ in den zwei großen Revolutionen. Die Spaltlinie Kirche und Staat entspringen, wie auch der Zentrum/ Peripherie-Gegensatz, den Entwicklungen rund um die französische Revolution. Die ökonomisch geprägten Cleavages Arbeit/ Kapital und Stadt/ Land wiederum gehen auf die Industrielle Revolution zurück.

Auf Klassenkämpfen basierend, sind sie die Hauptursache für die Gründung politischer Parteien. So ermöglichen es soziale Umstände, einer – im Normalfall aus Mitgliedern der jeweiligen Schicht gebildeten – Partei, diese zu thematisieren (bottom-up). Gleichzeitig wird über die Aggregation einer Vielzahl unterschiedlicher Forderungen zu Hauptanliegen auch die Klasse selbst konstituiert. Sartori streicht diesen Zusammenhang, die interne und externe Wirkung von Parteien klar heraus, indem er feststellt: „It is the objective class (class conditions) that creates the party, but the party that creates the subjective class (class consciousness)“ (1990, 169, in: Mair 2006, 372).

Dass Cleavages als Analysekategorien geeignet, weil relativ beständig sind, zeigt sich daran, dass die drei traditionellen politischen Lager Österreichs (sozialistisch, christlich liberal, deutschnational) sich bereits Mitte des 19. Jh. herausbildeten und bis in die zweite Hälfte des 20. Jh. hinein unverändert blieben (vgl. Lipset/ Rokkan 1967, 135). Jedoch auch große gesellschaftliche Gegensätze sind Änderungsprozessen unterworfen, wodurch es zur Entwicklung neuer Cleavages kommen kann bzw. traditionelle Spaltlinien und die daran geknüpften Parteien an Bedeutung verlieren können (vgl. Mair 2006, 374).

VALUE CHANGE. Spätestens seit Ronald Inglehart und Scott Flanagan 1987 ihre Studie zum „Value Change in Industrial Societies“ veröffentlicht haben, zählt der darin konstatierte Wertewandel zu den zentralen Einflussgrößen auf gesellschaftliche Entwicklungsprozesse. Besonders die, auf allen Ebenen eng mit der Gesellschaft verwobenen Parteien, werden davon stark in ihrer Entwicklung und Ausrichtung beeinflusst.

[...]


[1] Exklusive der 237 Tage der provisorischen Staatsregierung unter Karl Renner von April bis Dezember 1945.

[2] http://www.parlament.gv.at/WWER/BREG/REG/ (28.3.2011)

[3] http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_wahlen/nationalrat/2008/End_Gesamt.aspx (28.3.2011)

[4] Interview abgerufen von „Wien konkret“: http://www.wien-konkret.at/politik/nationalratswahl2008 /spitzenkandidaten/ (28.3.2011)

[5] „Kleine Zeitung“ Kommentar: „Das Ende der Großparteien“ (von Hubert Platterer), OTS – Pressemitteilung, abgerufen von: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20080927_OTS0046/kleine-zeitung-kommentar-das-ende-der-grossparteien-von-hubert-patterer (28.3.2011)

[6] http://www.sora.at/themen/wahlverhalten/wahlanalysen.html (29.3.2011)

[7] http://www.sora.at/themen/wahlverhalten/wahlanalysen.html (29.3.2011)

[8] SPÖ: 33,2%/ 65 Mandate, ÖVP 26,9%/ 52 Mandate, FPÖ 26,9%/ 52 Mandate (Grüne 7,4%/ 14 Mandate)

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Partei zum Selbstzweck?
Untertitel
Parteienwandel in Gegenwart elektoraler Verluste - SPÖ
Hochschule
Universität Salzburg  (Politikwissenschaft und Soziologie)
Veranstaltung
Österreichische Politik
Note
2
Autor
Jahr
2011
Seiten
62
Katalognummer
V189440
ISBN (eBook)
9783656135623
ISBN (Buch)
9783656135944
Dateigröße
1139 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
partei, selbstzweck, parteienwandel, gegenwart, verluste
Arbeit zitieren
Markus Vogtenhuber (Autor:in), 2011, Partei zum Selbstzweck?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189440

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