Klimawandel, Vulnerabilität & Anpassung in Ho Chi Minh City, Vietnam


Tesis (Bachelor), 2011

70 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Fragestellung und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit und methodisches Vorgehen
1.3 Literatur- und Quellenlage
1.4 Begrifflichkeiten
1.4.1 Vorhersage oder Szenario, Prognose oder Projektion?
1.4.2 Vulnerabilität
1.4.3 Urbane Klimavulnerabilität
1.4.4 Anpassung
1.4.5 Anpassungs- und Bewältigungskapazität

2. Klimawandel und Vulnerabilität in Vietnam und Ho Chi Minh City
2.1 Herausforderungen des Klimawandels für Vietnam und Ho Chi Minh City
2.2 Klima-Projektionen für Vietnam und Ho Chi Minh City
2.3 Überschwemmungen in Ho Chi Minh City – Folgen des Klimawandels?

3. Anpassung in Vietnam und Ho Chi Minh City
3.1 Öffentliche Anpassungsmaßnahmen in Vietnam
3.2 Öffentliche Anpassungsmaßnahmen in Ho Chi Minh City
3.3 Autonome, kollektive Anpassungsmaßnahmen in Vietnam und Ho Chi Minh City
3.4 Autonome, individuelle Anpassungsmaßnahmen in Ho Chi Minh City
3.4.1 Methodisches Vorgehen
3.4.2 Das Untersuchungsgebiet: Distrikt 6 und 8 in Ho Chi Minh City
3.4.3 Dokumentation und Beobachtungen
3.4.4 Leitfragen (Fragebogen)
3.4.5 Durchführung der Befragung
3.4.6 Ergebnisse

4. Fazit

Quellenverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Klimawandel, Vulnerabilität und Anpassung. Drei Schlagwörter, die national wie international zunehmend wichtiger werden und eine wachsende Herausforderung für Regierung und Stadtplanung darstellen.

Die Thematik des Klimawandels gewinnt seit einigen Jahrzehnten kontinuierlich an öffentlichem und politischem Interesse. Lange wurde der anthropogen verursachte globale Klimawandel für ein mögliches Ereignis in ferner Zukunft gehalten. Heute muss er als ein Prozess begriffen werden, der bereits begonnen hat und der die Lebensbedingungen auf der Erde in tief greifender Weise verändert (DDB 2006: 11). „In Bezug auf langfristige Veränderung des alltäglichen Lebens ist er inzwischen dem Ausmaß nach vergleichbar mit der IT-Revolution oder der Globalisierung“ (KOMPASS 2008). Seine Ursachen und Folgen gehören mittlerweile ebenso zu öffentlichen und politischen Debatten wie mögliche Lösungswege und Anpassungsmaßnahmen (DIETZ 2006). Seit der UN-Klimakonferenz auf Bali im Jahr 2007 hat die Anpassung an die Klimafolgen den gleichen Stellenwert wie die Minderung von Treibhausgasen (Mitigation). Vulnerabilität und Anpassung (Adaptation) gewinnen somit zunehmend an Bedeutung. Auf die aktuellen Vorgänge zu reagieren und sich auf zukünftige Veränderungen vorzubereiten, ist für die betroffenen Länder essenziell. Diese Erkenntnis erfordert eine intensive Beschäftigung mit Vulnerabilität und Anpassung an bereits unvermeidbare Folgen des Klimawandels (vgl. UBA 2011b, KOMPASS 2008).

Vietnam hat kaum zum Klimawandel beigetragen, ist jedoch eines der vom Klimawandel am stärksten bedrohten Länder der Erde (WAIBEL 2008). Die Vulnerabilität des Landes ist nicht nur Folge der geographischen und klimatischen Gegebenheiten. Es spielen viele wirtschaftliche, soziale und gesellschaftspolitische Faktoren eine Rolle: Stadtplanerische Defizite, fehlende finanzielle Mittel, soziale Disparitäten, ein rasantes und wenig koordiniertes Bevölkerungs- und Stadtwachstum und eine starke Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen verstärken die Vulnerabilität der Bevölkerung gegenüber Extremereignissen wie Stürmen, Hochwasser und Überschwemmungen. Die Beschäftigung mit Anpassungsoptionen und ihrer Umsetzung ist in Vietnam daher grundlegend (vgl. ADB 2010, ECKERT/WAIBEL 2009).

In der vorliegenden Arbeit wird nicht nur auf die Herausforderungen des Klimawandels für Vietnam und Ho Chi Minh City eingegangen, sondern auch auf Ursachen der Vulnerabilität und aktuelle und geplante Anpassungsmaßnahmen. Die Wechselwirkungen zwischen diesen Komponenten spielen dabei auf verschiedenen räumlichen und administrativen Maßstabsebenen (national/lokal) und unter Einbeziehung der unterschiedlichen Akteure (öffentlich/autonom) eine signifikante Rolle. Nach Klärung der genannten Faktoren sollen anhand einer empirischen Untersuchung in einkommensschwachen Distrikten Ho Chi Minh Citys die privaten Anpassungsstrategien der Lokalbevölkerung aufgezeigt und bewertet werden. Im Laufe der Arbeit wird daher folgende Fragestellung bearbeitet und beantwortet:

1.1 Fragestellung

Wie findet lokale Anpassung an Überschwemmungsereignisse in einkommensschwachen Distrikten Ho Chi Minh Citys vor dem Hintergrund des Klimawandels statt?

Es ergeben sich verschiedene Aspekte, die der empirischen Bearbeitung der Forschungsfrage als Fundament dienen sollen und daher im Voraus erläutert werden: Wieso ist Vietnam so hochgradig vulnerabel gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels? Welche Herausforderungen ergeben sich durch den Klimawandel für Vietnam und Ho Chi Minh City? Ist die fortschreitende Zunahme der Überschwemmungsereignisse in Ho Chi Minh City auf den Klimawandel oder vornehmlich auf Defizite der Stadtplanung zurückzuführen? Wo greifen geplante (öffentliche) Maßnahmen und wer bleibt bei diesen Maßnahmen außen vor?

1.2 Aufbau der Arbeit und methodisches Vorgehen

Diese Arbeit gliedert sich in vier Kapitel, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen. Das erste Kapitel dient der Einführung in die Thematik, der Erläuterung zum Aufbau der Arbeit, der Darstellung der aktuellen Quellenlage (1.3) und wesentlicher theoretischer Begriffe (1.4), wie beispielsweise Vulnerabilität oder Anpassung. Diese sind im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit von zentraler Bedeutung.

Mit Kapitel 2 folgt ein deskriptiver, allgemeiner Teil, welcher auf der Analyse von Sekundärliteratur und Primärstudien basiert. Dieser soll dem darauffolgenden Kapitel 3 bereits als inhaltliches Fundament dienen. Daher wird im zweiten Kapitel in die allgemeine Thematik des Klimawandels in Vietnam und der Stadt Ho Chi Minh City eingeführt. Hier werden die aktuellen und projizierten Herausforderungen des Klimawandels dargelegt und die Ursachen der hohen Vulnerabilität des Landes erläutert. Zudem wird gezeigt, dass die wiederkehrenden Überschwemmungen in Ho Chi Minh City nicht vornehmlich auf den Klimawandel zurückzuführen sind, sondern auf Defizite in der Stadtentwicklung. Kapitel 3 fokussiert das Thema der Anpassung und beinhaltet den empirischen Teil der Arbeit. Zunächst werden in einem auf Sekundärliteratur und Primärstudien basierenden Abschnitt die öffentlichen Aktivitäten bezüglich Schutz- und Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel kritisch beleuchtet. Dieser Teil begründet die Notwendigkeit autonomer (kollektiver und individueller) Anpassung in Ho Chi Minh City. Explizit die autonomen, individuellen Anpassungsmaßnahmen der Lokalbevölkerung in einkommensschwachen Distrikten werden anschließend im zweiten Teil des dritten Kapitels behandelt, welcher auf einer Methodenkombination aus Beobachtung und standardisierter mündlicher Befragung mit Hilfe eines teilstrukturierten Fragebogens basiert. Die angewandte Methodik während der empirischen Erhebung wird im Unterpunkt 3.2.1 vorgestellt. Darauf folgt die Vorstellung des Untersuchungsgebietes (3.2.2), welches zwei benachbarte einkommensschwache, von regelmäßigen Überschwemmungen betroffene Distrikte Ho Chi Minh Citys umfasst, sowie deren Beschreibung und Dokumentation (3.2.3). Anschließend werden die Erkenntnisziele der Leitfragen im Fragebogen (3.2.4), die Durchführung der Befragung (3.2.5) und letztendlich die Ergebnisse (3.2.6) erläutert. Das vierte Kapitel schließt die Bachelorarbeit mit einer kritischen Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse. Dabei soll ein Rückgriff auf die während der Arbeit herausgearbeiteten Ergebnisse erfolgen und die Kombination von allgemeinem und empirischem Teil reflektiert werden.

1.3 Literatur- und Quellenlage

Die Quellenlage zum Thema Klimawandel muss je nach Maßstab und Region differenziert betrachtet werden. Zum globalen Klimawandel, seinen Ursachen und Folgen findet sich mittlerweile eine große Datenmenge und reichlich Material. Als wichtigste und meist zitierte Quelle muss hier der IPCC genannt werden. Zu regionalen Auswirkungen des Klimawandels ist die Quellenlage ausreichend, im Vergleich zum globalen Maßstab jedoch etwas begrenzt – je kleiner der Maßstab, desto schwieriger gestaltet sich die Suche nach nützlichen und wissenschaftlichen Informationen. Mit dem 2010 erschienenen „HCMC Adaptation to Climate Change Study Report“ hat die Asian Development Bank in Zusammenarbeit mit dem HCMC Peoples Committee und dem DONRE einen wichtigen informativen Beitrag zum Thema Klimawandel in Vietnam und speziell in Ho Chi Minh City geleistet. Das Thema der Anpassung wird in dem genannten Bericht u.a. in Verbindung mit den Aspekten „Auswirkungen des Klimawandels auf die Stadt“, „Stadtentwicklung“ und „Stadtplanung“ ausführlich behandelt. Zudem werden hier Vorschläge und Handlungsempfehlungen für öffentliche Anpassungsmaßnahmen in den einzelnen Sektoren vorgestellt (ADB 2010). Auch die Weltbank und OXFAM haben das Thema der Anpassung in Vietnam im Rahmen von Primärstudien und Berichten fokussiert. Diese thematisieren jedoch in erster Linie die öffentlichen Aktivitäten im Bereich Anpassung und den Umgang mit Klimawandel in der Politik (OXFAM 2008, WORLD BANK 2007). Als schwieriger erweist es sich, wissenschaftliche Informationen zu autonomen, individuellen Anpassungsmaßnahmen in Vietnam oder Ho Chi Minh City zu finden. Es finden sich exemplarische Erwähnungen zur individuellen Anpassungssituation in Vietnam, wie beispielsweise im „Human Development Report 2007/2008“ der Vereinten Nationen: „(...) die Bevölkerung in Vietnam hat gelernt mit dem Risiko von Überschwemmungen zu leben“. „Durch ein großes Netz von Deichen, die aus Lehm bestehen, und von den Bauern instand gehalten werden, wird versucht, die Überschwemmungen in Schach zu halten. Auch hier versuchen die Menschen, mit den durch den Klimawandel verursachten Risiken fertig zu werden (…)“ (UNHDR 2008: 201). Dies sind jedoch nur kurz angeschnittene Beispiele, die nicht weiter ausgeführt werden. Offenbar besteht in der wissenschaftlichen Literatur ein Mangel an Untersuchungen zu autonomen, individuellen und lokalen Anpassungsmaßnahmen. Die vorliegende Arbeit stößt in diese Forschungslücke, da sie sich auf Basis eigener Erhebungen explizit mit lokalen Anpassungsmaßnahmen in Ho Chi Minh City befasst.

1.4 Begrifflichkeiten

Im Kontext des Klimawandels fallen zunehmend Begriffe wie Szenario, Prognose, Vulnerabilität, Anpassung und Bewältigung, die an dieser Stelle erläutert werden sollen. In der wissenschaftlichen Literatur findet sich nicht immer ein einheitliches Verständnis über diese Termini. Besonders fehlt der Konsens für die Konzepte Vulnerabilität und Anpassung – dies sind mittlerweile grundlegende Schlagworte in der Klimadebatte. Die bestehenden Unterschiede in Interpretation und Analyseansatz beruhen nach Dietz (2006) auf „traditionell divergierenden Schwerpunktsetzungen in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen sowie auf einem uneinheitlichen Problemverständnis von Klimawandel“ (DIETZ 2006: 12), was wiederum mit den verschiedenen konkurrierenden Problemdeutungen verknüpft ist: Beispielsweise bedeutet Klimawandel nach der UN-Klimarahmenkonvention “(...) a change of climate which is attributed directly or indirectly to human activity that alters the composition of the global atmosphere and which is in addition to natural climate variability observed over comparable time periods” (UNFCCC 2011). Diese Definition orientiert sich primär an einer biophysikalischen Problembeschreibung (ebd). Dabei werden die Faktoren Gesellschaft und Natur dual betrachtet und der Klimawandel als eine Störung integrierter biochemischer und ökologischer Prozesse durch anthropogene Beeinflussungen angesehen. Das Forschungsinteresse richtet sich daher primär auf quantifizierbare Auswirkungen bestimmter Treibhausgasemissionen, basierend auf Modellen und Szenarien. Dagegen steht in der Klimadebatte eine Problemdefinition, die auch sozial-ökologische Problemstellungen (z.B. Biodiversität) einbezieht. So wird die globale Bedrohungslage als international und gemeinsam angesehen und zum verbindenden Element politischen Bewusstseins und Handelns (ebd: 11).

1.4.1 Vorhersage oder Szenario, Prognose oder Projektion?

Die Begriffe Vorhersage/Prognose und Szenario/Projektion werden nicht selten verwechselt - besonders in der öffentlichen Diskussion durch wissenschaftliche Akteure. Eine Vorhersage/Prognose stellt einen Ausblick in die Zukunft dar, dessen Wahrscheinlichkeit höher ist, als die aller anderen Ausblicke. Ein Szenario/Projektion, ist eine Entwicklung, dessen Wahrscheinlichkeit vom Erfüllen gewisser möglicher Annahmen abhängig ist – und ist somit wesentlich unsicherer als eine Prognose oder Vorhersage (VON STORCH ET AL 2011).

Für die Erstellung von Szenarien/Prognosen setzt man in der Regel auf rechenaufwendige globale Klimamodelle (GCM). Aber auch der Ausstoß von Aerosolen oder die Aktivität von Vulkanen und der Sonne spielen in den Berechnungen eine Rolle. Somit lassen sich Szenarien des globalen Klimas der nächsten 100 Jahre unter Berücksichtigung der Treibhausgasemissionen (CO2, N2O, CH4 etc.) berechnen. Viele Szenarien beziehen sich jedoch als mittelfristige Projektionen auf das Jahr 2050 (einige auch weiter auf 2010), welches häufig für Zukunftsprojektionen und -analysen gewählt wird, da derartige Klimaszenarien gegenüber kurzfristigen, wie beispielsweise für 2020, oder langfristigen, wie zum Beispiel für 2100, deutlichere Ergebnisse liefern können (vgl. ADB 2010, BÖHNER ET AL 2010: 9f). Es wird bei den Berechnungen der potentiellen Klimaänderungen und deren Folgen in der Regel mit dem kleinsten und dem größten berechneten Wert kalkuliert – so ist die Bestimmung von Eintrittswahrscheinlichkeiten am sichersten. In den Berichten des IPCC und des ICEM werden diese Wahrscheinlichkeiten zu jeder Aussage angegeben. So heißt es beispielsweise im IPCC Report zu Asien: „Projected sea-level rise is very likely to result in significant losses of coastal ecosystems and a million or so people along the coasts of South and South-East Asia will likely be at risk from flooding (high confidence).“ Es wird also das „level of confidence“ angegeben, welches von „virtually certain“ (> 99% Wahrscheinlichkeit) in zehn Schritten bis“ exceptionally unlikely“ (< 1% Wahrscheinlichkeit) reicht. Man findet aber auch Angaben wie „VH = Very high“ (berechneter Eintritt eines Ereignisses in 9 von 10 Fällen) bis „VL = Very low“ (Eintrittswahrscheinlichkeit in weniger als 1 von 10 Fällen) (vgl. ADB 2010, BÖHNER ET AL 2010: 9, IPCC 2007). Die Aussagen des IPCC beziehen sich primär auf die globale Ebene – zur Bestimmung von Entwicklungen auf regionaler und lokaler Ebene sind regionale Klimamodelle vonnöten. Um also realistische Aussagen zur künftigen Entwicklung des Klimas treffen zu können, sind regionale Klimamodelle von < 100 km nötig. Deren höhere Auflösung ermöglicht lokale Gegebenheiten deutlich abzubilden.

Trotzdem müssen stets Unsicherheiten in den verfügbaren Messverfahren beachtet werden, denn ein regionales Modell wird immer von einem globalen Klimamodell angetrieben und ist somit nicht in der Lage, großräumige Fehler des übergeordneten Klimamodells selbst zu korrigieren (vgl. UBA 2011b: 73ff, VON STORCH ET AL 2011: 62ff). Da die signifikanten Faktoren für die Erstellung eines Szenarios nicht vorhergesagt werden können, ist es nicht möglich aus den gegenwärtig berechneten Szenarien sichere Prognosen oder Vorhersagen zu treffen. Daher ist die Verwendung dieser Begriffe schwierig und ein von Experten umstrittenes Thema (vgl. IPCC 2007, KAS 2007, VON STORCH ET AL 2011: 61). In der vorliegenden Arbeit wird sich auf den Begriff „Projektion“ festgelegt.

1.4.2 Vulnerabilität

Die Akademie für Landesplanung und Raumforschung (ARL 2010) definiert den Begriff Vulnerabilität im Allgemeinen wie folgt: „Zustände und Prozesse, die die Ausgesetztheit, Anfälligkeit sowie die Reaktionskapazitäten eines Systems oder Objekts hinsichtlich des Umgangs mit Gefahren – wie zum Beispiel Einflüsse des Klimawandels – bedingen. Dabei spielen physische, soziale, ökonomische und umweltbezogene Faktoren eine Rolle.“ (ARL 2010: 17). Die Bezeichnung „Gefahr“ ist in dieser Definition auf den Klimawandel bezogen und umfasst insbesondere die potentiellen Folgen für sogenannte Schutzgüter (Leben, Gesundheit, Sachgüter, Umwelt und soziale bzw. ökonomische Strukturen). „Erst wenn ein Extremereignis (z.B. Hochwasser) bestimmte negative Auswirkungen auf ein solches Schutzgut haben kann, wird von Gefahr bzw. einem Gefahrenereignis gesprochen“ (ebd). Vereinfacht wird Vulnerabilität also als Verletzlichkeit von Systemen, Menschen oder Objekten angesichts von Gefährdung verstanden - oder kurz als Schadensanfälligkeit. In der Klimaforschung dominiert mittlerweile ein integratives Verständnis von Vulnerabilität – hierbei werden einerseits die determinierende Wirkung eines externen Ereignisses und andererseits die unterliegenden sozialen Faktoren beachtet (vgl. BÜRKNER 2010, DIETZ 2006). Entsprechend ist nach der IPCC–Definition Vulnerabilität wie folgt definiert: „The degree to which a system is susceptible to, or unable to cope with, adverse effects of climate change, including climate variability and extremes. Vulnerability is a function of the character, magnitude and rate of climate change and variation to which a system is exposed, its sensitivity, and its adaptive capacity” (IPCC 2008). Die Vulnerabilitätsforschung zielt also generell auf die Bestimmung sozialräumlicher Verwundbarkeiten gegenüber plötzlich auftretenden, mittelfristig dauerhaft bestehenden oder zyklisch wiederkehrenden Problemlagen (BÖHNER ET AL 2010: 98). Nach Bürkner (2010) existiert Vulnerabilität aus der sozialwissenschaftlichen Perspektive nicht per se, sondern ist als Ergebnis sozialer Prozesse und einer Wirklichkeitskonstruktion zu verstehen, die durch ungleiche Machtverteilung und dem Zugriff einzelner Individuen und Gruppen auf Ressourcen beeinflusst wird (BÜRKNER 2010:

6). Es ist bekannt, dass der Begriff Vulnerabilität aus dem englischen Begriff „vulnerability“ entsprang, der auch mit Verwundbarkeit übersetzt werden kann. Die nicht selten verwendete Übersetzung mit Anfälligkeit sei jedoch zu kurz gegriffen (ARL 2010: 33). Insgesamt finden sich stark variierende Interpretationen des Begriffs in der heutigen Risiko- und Klimaanpassungsforschung aufgrund unterschiedlicher Betrachtungsweisen. Es findet sich aber in den verschiedenen Definitionen eine signifikante Übereinstimmung: Vulnerabilität beschreibt primär die anthropogene Seite von Risiko oder von Klimawirkung (ebd: 33). Der Begriff Risiko ist hier im Wesentlichen als Ergebnis der Wechselwirkung von Gefahr (z. B. Starkregenereignisse) und gesellschaftlicher Vulnerabilität zu verstehen, was negative Folgen für eine Gesellschaft oder einen bestimmten Raum impliziert (ebd: 26). Somit sind nicht allein die negativen Auswirkungen des Klimawandels für entsprechende Probleme und Risiken verantwortlich, sondern ebenso Gegebenheiten und Prozesse in einem System, einer Gesellschaft oder einem Raum.

Ein System ist demnach vulnerabel, wenn es für negative Folgen des Klimawandels anfällig ist und diese nicht bewältigen kann. Vulnerabilität ist daher von der Fähigkeit abhängig Einflussgrößen wie Unsicherheit, Gefährdung durch Risiken und unerwartete Katastrophen zu beherrschen und eingetretene Krisen zu bewältigen (BÖHNER ET AL 2010: 101). Zum Beispiel weisen einkommensschwache Bevölkerungsgruppen in der Regel einen höheren Grad an Vulnerabilität auf, da ihnen weniger finanzielle Ressourcen für Schutz- und Anpassungsmaßnahmen zur Verfügung stehen und sie bei der Wahl ihres Wohnortes stärker eingeschränkt sind als wirtschaftlich privilegiertere Bevölkerungsgruppen (vgl. ARL 2010, IPCC 2008).

Neben sozialer Vulnerabilität existiert auch räumliche Vulnerabilität. Der Vergleich von Stadt- und Landregionen zeigt, dass Städte meist stärker von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind (BÖHNER ET AL 2010).

1.4.3 Urbane Klimavulnerabilität

Stadtregionen weisen im Vergleich zu ländlichen Gebieten komplexere Strukturen auf und werden daher räumlich differenzierter von den Auswirkungen des Klimawandels beeinflusst. Diese spielen beim Klimawandel einerseits eine aktive Rolle, da Stadtregionen in hohem Maße CO2 emittieren, andererseits eine passive, da sie durch ihre Komplexität in der Regel stärker durch den Klimawandel beeinflusst werden als andere Raumtypen und sich daher schneller den Veränderungen anpassen müssen. „Dieses eher reaktive Verständnis lässt sich als urbane Klimavulnerabilität zusammenfassen, die vom Temperaturanstieg, der Häufung von Extremereignissen sowie unmittelbar aus Überflutungen, Versorgungsengpässen und Veränderungen der Bevölkerungszusammensetzung durch umweltbedingte Migration beeinflusst wird.“ (BÖHNER ET AL 2010: 97).

Der sogenannte „Heat Island Effect“ ist beispielsweise ein Phänomen, dass ausschließlich in urbanen Gebieten vorkommt. Häufig wird dieser durch Defizite in der Stadtplanung verursacht: „Buildings, roads, and other infrastructure replace open land and vegetation. Surfaces that were once permeable and moist become impermeable and dry.“ (EPA 2011). Aufgrund zunehmender Versiegelung von Retentionsflächen, einer dichten Bebauung und einem Mangel an Grünflächen wird ein Ansteigen der Temperaturen verursacht. Der Heat Island Effect ist in extrem dicht bebauten Innenstadtgebieten deutlich messbar. Dabei werden Temperaturunterschiede zwischen Stadt und Umland von bis zu 10° C gemessen (ECKERT ET AL 2008: 113). Verglichen mit der umliegenden Gesamtregion des Mekong-Deltas ist die Durchschnittstemperatur in Ho Chi Minh City in den vergangen Jahren sogar in zweifacher Geschwindigkeit gestiegen. Im Jahr 2007 betrug die Durchschnittstemperatur bereits zwischen 26–27°Celsius.

Wetterereignisse wie Hitzewellen werden damit im Raum Ho Chi Minh City noch verstärkt und führen unter anderem zu einer „erhöhten Sterberate vor allem unter alten und kranken Menschen und zu einem erhöhten Energieverbrauch als Folge des zusätzlichen Kühlbedarfes.“ (vgl. ECKERT ET AL 2008, ECKERT/WAIBEL 2009).

[...]

Final del extracto de 70 páginas

Detalles

Título
Klimawandel, Vulnerabilität & Anpassung in Ho Chi Minh City, Vietnam
Universidad
University of Hamburg  (Institut für Geographie)
Calificación
1,3
Autor
Año
2011
Páginas
70
No. de catálogo
V189469
ISBN (Ebook)
9783656135500
ISBN (Libro)
9783656135920
Tamaño de fichero
36445 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Klimawandel, Vulnerabilität, Anpassung, Vietnam, Ho Chi Minh City, Top-down, Urbane Klimavulnerabilität, Herausforderungen des Klimawandels, Überschwemmungen, Stadtplanung, Masterplan, Saigon, Adaptation, Klimawandel in Asien, SLR, District 8, Interview, Befragung, Dokumentation, DONRE, Asien, SOA, Südostasien, Taifun, Tsunami, Sturm, Meeresspiegelanstieg, CO2, Emissionen, Bottom-up, Armut, Slumbildung, öffentliche Anpassungsmaßnahmen, Anpassungsmaßnahmen, Klima-Projektionen, Folgen des Klimawandels, Küste, Erosion, kollektive Anpassung, Untersuchungsgebiet, Distrikt 6, Beobachtung, Leitfragen, Fragebogen, Department of Environment and Natural Resources, HCMC, KAS, ICEM, IPCC, Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung, UBA, MONRE, Sea Level Rise, CFSC, UNFCC, Dong, Lebensbedingungen, 2050, anthropogen verursacht, Maßstab, Maßstabsebenen, Fragestellung, Heat Island Effect, urbane Gebiete
Citar trabajo
Ana Julia Kuschmierz (Autor), 2011, Klimawandel, Vulnerabilität & Anpassung in Ho Chi Minh City, Vietnam, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189469

Comentarios

  • No hay comentarios todavía.
Leer eBook
Título: Klimawandel, Vulnerabilität & Anpassung in Ho Chi Minh City, Vietnam



Cargar textos

Sus trabajos académicos / tesis:

- Publicación como eBook y libro impreso
- Honorarios altos para las ventas
- Totalmente gratuito y con ISBN
- Le llevará solo 5 minutos
- Cada trabajo encuentra lectores

Así es como funciona