30 Jahre Sesamstrasse - Anlass zur Nostalgie?


Mémoire (de fin d'études), 2003

124 Pages, Note: eins


Extrait


INHALT

1. Einleitung

2. Problemstellung
2.1 Zweck und Nutzen der Sesamstraße: Das pädagogische Konzept der Vorschulsendung auf dem Prüfstand
2.1.1 Exkurs: Die Geschichte der Sesamstraße oder der Bildungsnotstand
und die Geburt des Vorschulfernsehens
2.1.2 Warum aus der Sesame Street die Sesamstraße wurde -
die Schwerpunktfrage
2.1.3 Unter der Lupe: die Sesamstraße als Forschungsobjekt
2.2 Die Rolle der Eltern beim Lernen mit der Sesamstraße
2.3 Eltern, Kinder, ihr Fernsehverhalten und die Frage
nach der Nostalgie
2.3.1 Generationenbeziehungen beim Fernsehen
2.3.2 Die Frage nach der Nostalgie

3. Methode
3.1 Die Stichprobe: 31 Eltern mit Sesamstraßenkenntnissen
3.2 Die Erhebungsmethode: der Internetfragebogen
3.3 Die Auswertung: Kategorisierung, Kodierung und mathematische Operationen
3.3.1 Die Kategorisierung und Kodierung
3.3.2 Die mathematischen Operationen

4. Ergebnisse
4.1 Überprüfung der ersten Hypothese, dass...
Eltern Sendungen für ihre Kinder auswählen, die sie in ihrer
eigenen Kindheit selbst gern gesehen haben
4.2 Überprüfung der zweiten Hypothese, dass...
Eltern, die früher gern die Sesamstraße gesehen haben,
der Sendung gegenüber auch heute noch positiv eingestellt sind
4.3 Überprüfung der dritten Hypothese, dass...
Eltern die alten Sesamstraßenfolgen, die sie aus ihrer Kindheit
kennen, lieber mögen als die neuen aktuellen Folgen.

5. Diskussion und Anregungen für weiterführenden Untersuchungen
5.1 Diskussion und Anregungen aus den Ergebnissen zur Überprüfung
der ersten Hypothese, dass Eltern Sendungen für ihre Kinder
auswählen, die sie in ihrer eigenen Kindheit selbst gern
gesehen haben
5.2 Diskussion und Anregungen aus den Ergebnissen zur Überprüfung
der zweiten Hypothese, dass Eltern, die früher gern die Sesamstraße gesehen haben, der Sendung gegenüber auch heute noch positiv
eingestellt sind
5.3 Diskussion und Anregungen aus den Ergebnissen zur Überprüfung
der dritten Hypothese, dass Eltern die alten Sesamstraßenfolgen,
die sie aus ihrer Kindheit kennen, lieber mögen als die neuen
aktuellen Folgen

6. Literaturverzeichnis
6.1 Literatur aus Büchern, Zeitungen und Zeitschriften
6.2 Literatur aus dem Internet
6.2.1 Internetquellen zu Forschungsangaben
6.2.2 Internetquellen zu Filmnennungen:
6.3 Filmmaterial

1. Einleitung

„Ach, was für Zeiten. Manchmal, wenn Pferd und Wolle artig und angestrengt gängige TV-Formate parodieren, wünschen wir uns etwas vom ruppigen Charme der Anfangsjahre zurück, von Krümelmonsters gierigem „Ich will Keeeeekse!“, von Ernies und Berts nervtötenden Debatten und Oscars schepperndem Bekenntnis „Ich mag Müll!“ Aber was wissen wir in die Jahre gekommenen Nostalgiker schon, die wir jetzt abends ab 18 Uhr immer auf die Wiederholungen der alten Filmchen hoffen – heute sind wir die Eltern.“ (Helge Hopp in der „Berliner Zeitung“ vom 7. Januar 2003: „Ich will Keeeeekse!“ Vor 30 Jahren war die „Sesamstraße“ ein Aufruf zur Anarchie“)

Sesamstraßen-Nostalgie: gibt es sie wirklich, wie dieser und die folgenden Zeitungsartikel nahe legen? Das soll in dieser Studie untersucht werden.

„Die „Sesamstraße“ war auch ein Grund, mich besonders auf mein erstes eigenes Kind zu freuen. Denn so brauche ich keine Ersatzbefriedigung für Erwachsene wie „Emergency Room“ oder „Sex and the City“. Ich kann mit meinem Sohn einfach das Original ansehen. Naja, fast das Original. Im deutschen Viertel der „Sesamstraße“ haben heute leider völlig unausstehliche Erwachsene ihre Isomatten ausgebreitet. Dann gibt es dort den Würstchen-gemästeten Samson, ein wandelndes Plädoyer für das Wiederaussetzen von Bären in den tiefsten Weiten Alaskas. Hinzu kommen die unerträglich naseweis-zickige Tiffi und Herr von Bödefeld, schlecht gespielte Handpuppen (). Im amerikanischen Viertel gibt es dagegen außer Bob und Linda auch noch Herrn Huber mit seinem kleinen Geschäft an der Ecke und den legendären Oskar aus der Mülltonne. Dorthin sollte die „Sesamstraße“ zurückziehen.“ (Jakob Hein in „Die Welt“ vom 4. Januar 2003: „Pssst...Gebt ihm ein „S“!“)

„So weit war das unsere gute alte „Sesamstraße“, in der sich manche junge Eltern dennoch nicht mehr recht zu Hause fühlen können, weil sich seit ihrer eigenen Kindheit grundlegendes verändert hat.“ (Frank Olbert in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 2.April 2001: „Wieso? Weshalb? Warum? Wer fragt, bleibt manchmal dumm: Milosevic in der „Sesamstraße““)

Anlässlich der 2000. Sesamstraßensendung schreibt Meike Günzel am 13. Mai 2000 in „Die Welt“: „(...) Eine lange Zeit. Lang genug jedenfalls, damit Oscar aus der Mülltonne in aller Ruhe sein Comeback vorbereiten kann. Denn nicht alles war früher schlechter.“

Und schon 1976, gerade mal drei Jahre nach dem Start der Sesamstraße in Deutschland, als sich aber schon die ersten entscheidenden Veränderungen zugetragen hatten, zitiert die Frankfurter Rundschau die Bild-Zeitung mit den Worten „Wir wollen unsere gute alte Sesamstraße wiederhaben“ und fügt hinzu: „Denn am meisten vermissen die (großen) Zuschauer das muntere Feuerwerk von Zahlen und Buchstaben, am heftigsten kritisieren sie den Mangel an Benimmregeln und Bastelanregungen. Bibo und Oscar fehlen ihnen außerdem, Bob, Susanne und Herr Huber (...).“ (Heike Mundzeck: „Wieder einmal Wirbel um die Sesamstraße“ in der Frankfurter Rundschau vom 5.März 1976)

Wie sieht es nun heute aus, im Jahr des 30. Geburtstages des Vorschulmagazins? Sind es immer noch bestimmte Figuren, die vermisst werden? Und wenn ja, welche? Wer oder was ist schuld an der Nostalgie, die, wie die Ausschnitte aus den Zeitungsartikeln zeigen, so manchen erwachsenen Fernsehzuschauer befällt, wenn er an die Sesamstraße seiner Kindheit denkt? Mögen Eltern, die früher gern die Sesamstraße gesehen haben, die Sendung heute grundsätzlich immer noch, obwohl sich so vieles geändert hat? Mögen sie wirklich die alten Folgen lieber oder handelt es sich bei den zitierten Journalisten und Autoren um Ausnahmeerscheinungen?

Mit der Befragung von 31 Eltern versucht diese Pilot-Studie auf dem Gebiet der Sesamstraßen-Nostalgie-Forschung diesen Fragen nachzugehen, um aufzuzeigen, ob und wie die Eltern der Vorschulkinder angesprochen werden können. In der Untersuchung wird davon ausgegangen, dass auf dem Weg über die Eltern die Beliebtheit der Sendung auch bei den Kindern erhöht werden kann.

Die Eltern füllten einen Internet-Fragebogen zu ihrer Person bzw. Familie, zu ihren Fernsehgewohnheiten, sowie zur alten und aktuellen Sesamstraße aus.

Nach einem Überblick zur Geschichte der Sesamstraße und den sie betreffenden Forschungsergebnissen folgt eine Übersicht dazu, warum überhaupt in dieser Studie davon ausgegangen wird, dass die Bedeutung der Eltern für den Erfolg der Sesamstraße nicht zu unterschätzen ist.

Der Methodenteil stellt die Vor- und Nachteile von Internetbefragungen dar, erläutert die Konstruktion und Auswertung des Fragebogens und beschreibt die Stichprobe. Die mit Hilfe des Fragebogens gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend dargestellt und diskutiert.

Ziel dieser explorativen Studie ist es, Anhaltspunkte für spätere Studien zu liefern, die mit repräsentativen Stichproben auf dem Gebiet der Sesamstraßen-Nostalgie-Forschung arbeiten wollen sowie den Redakteuren der Sesamstraße aufzuzeigen, ob und warum sie die Eltern ihrer Zielgruppe (nicht) erreichen.

2. Problemstellung

Die Sesamstraße ist eine Sendung für Drei- bis Sechsjährige[1] und will zugleich die Eltern dieser Zielgruppe ansprechen[2]. Ob sie das auch schafft oder ob die Eltern, wie zahlreiche Zeitungsartikel[3] nahe legen, der Sesamstraße ihrer Kindheit nachtrauern und der aktuellen Sesamstraße gar nicht so positiv gegenüber stehen, wird diese Arbeit untersuchen.

Die Sesamstraße wurde als prominentes Beispiel einer pädagogischen Kindersendung gewählt. Sie gilt, wie Charlton und Mitarbeiter (1975) feststellen, als Vorläufer für andere deutsche Serien zur Vorschulerziehung und hat es geschafft, sich seit 30 Jahren einen Platz im deutschen Fernsehen zu sichern.

Die praktische Verwertbarkeit der Untersuchung liegt somit darin, der Redaktion der Sesamstraße aufzuzeigen, ob und wie sie die Eltern ihrer Zielgruppe ansprechen kann. Durch den Weg über die Eltern könnte sie es schaffen, auch wieder mehr Kinder als Zuschauer zu gewinnen. Denn die Zahl der Kinder steigt, die um 18 Uhr den Kinderkanal einschalten und damit nicht mehr die Sesamstraße im Fernsehprogramm des Norddeutschen Rundfunk (NDR) sehen. Nach einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung liegt der Marktanteil der Sendung für Kinder im Vorschulalter nur noch bei 3,6 Prozent (vgl. Eickmann, C. (15. Mai 2003)). Vor sieben Jahren hätten noch doppelt so viele Kinder Sesamstraße gesehen. Das führe dazu, dass die Sesamstraße künftig einen anderen Sendeplatz bekommt und nur noch um 7.30 Uhr statt um 18 Uhr im NDR zu sehen sein wird. Jedoch habe der Kinderkanal angeboten, mittags vier zusätzliche Sendetermine für die Serie zu schaffen: Die Chance, die Zuschauerquote wieder steigen zu lassen, besteht.

Nach einem Exkurs über Entstehungsgeschichte der Sesamstraße und ihre Ziele wird zunächst geklärt, wieso in dieser Arbeit davon ausgegangen wird, dass die Einstellung der Eltern zur Sesamstraße überhaupt eine Rolle spielt. Anschließend wird ein Überblick zu Forschungsergebnissen gegeben, die sich mit dem Zusammenhang von elterlichem und kindlichem Fernsehverhalten und Fernsehvorlieben beschäftigen.

2.1 Zweck und Nutzen der Sesamstraße: Das pädagogische Konzept der Vorschulsendung auf dem Prüfstand

Die Sesamstraße hat sich laut Jan-Uwe Rogge, dem medienpädagogischen Berater der Sesamstraße, zum Ziel gesetzt, „Selbstbewusstsein, Eigenständigkeit, Vertrauen in die eigene Stärke, () Toleranz, das menschliche Miteinander, die kind- und altersgerechte Lösung von Problemen“ ebenso zu vermitteln wie „kognitiv-intellektuelle Lernziele“ (vgl. Interview mit J.-U. Rogge in Möllmann, B. et al. (2003), S. 29). Dabei liegen die Schwerpunkte zwischen dem amerikanischen Original und der deutschen Sesamstraßenfassung recht unterschiedlich, wie ein Blick in die Geschichte der Sendung zeigt.

2.1.1 Exkurs: Die Geschichte der Sesamstraße oder der Bildungsnotstand und die Geburt des Vorschulfernsehens

Die Rahmenhandlung[4] der Sesamstraße bilden Menschen, Monster und Tiere in einem gemütlichen Innenhof einer deutschen Altstadt (vgl. Bents, I., Weiß, S. (2000)). Bis vor wenigen Jahren spielte diese Geschichte in einem Hamburger Hinterhof – oder zu Beginn der 70er Jahre, gar in Amerika, der Geburtsstätte der Sesamstraße.

Während Ärzte, Pädagogen, Politiker und Fernsehverantwortliche bis in die 60er Jahre hinein der Meinung waren, dass Fernsehen bei Kindern unter sechs Jahren physische und psychische Schäden auslösen könne, wurde das Fernsehen Ende der 60er Jahre zum Bildungsmedium erklärt (vgl. Paus-Haase, I. (1986)).

Der Grundstein für diese Veränderung wurde in den USA gelegt. Hier beklagte man bereits zu Beginn der 60er Jahre, dass keine Chancengleichheit zwischen den sozialen Schichten bestehe. Studien belegten zudem, dass Intelligenz beeinflussbar sei und der Forscher Jerome S. Bruner (1960) etwa betonte, „dass jeder Lehrstoff jedem Kind auf jeder Entwicklungsstufe in sachlogisch einwandfreier Weise wirksam beigebracht werden kann“ (zitiert nach Samstag, K. (1972), S. 29). Darüber hinaus gab es nach Frank (1973) nur wenige Vorschuleinrichtungen, dafür aber Kinder, die 30 bis 50 Stunden in der Woche vor dem Fernseher verbrachten, in dem aber in erster Linie Programme ausgestrahlt wurden, die für Kinder nicht geeignet waren.

1966 traf die Fernsehjournalistin Joan G. Cooney mit dem Vizepräsidenten der Carnegie Corporation, einer Stiftung zur Bildungsförderung in den USA, und dem Direktor der lokalen öffentlichen Fernsehanstalt in New York WNDT (New Yorker National Dependent Television) zusammen. Cooney stellte damals Dokumentationen und Schulfernsehsendungen für den WNDT her. Bereits bei diesem Treffen wurde darüber diskutiert, Vorschulerziehung mit Hilfe des Fernsehens zu gestalten. Gelder für ein solches Projekt standen zur Verfügung, kamen zum Teil sogar von der amerikanischen Regierung. Was fehlte, war die Idee für eine gute Sendung.

Wissenschaftler untersuchten die Bedingungen und Möglichkeiten von Vorschulfernsehen. Dies sollte an der Darbietung amerikanischer Werbespots orientiert sein, weil die, kurz und oft wiederholt, Aufmerksamkeit bei Kindern hervorriefen und hohe Lerneffekte erzielten (vgl. Polsky, R. (1974)).

1968 wurde der Children`s Television Workshop gegründet, dessen Präsidentin Joan G. Cooney wurde. In Seminaren wurden die Ziele einer möglichen Vorschulfernsehen-Sendung diskutiert. Nach Tests mit Kindern, welche Filmepisoden am besten gefielen und die Lernziele vermittelten, lief ein Jahr später die Sesame Street erstmals in fast allen Staaten der USA über die Bildschirme. Ausgestrahlt wurde sie vom National Educational Television (NET), dem Bildungsfernsehen.

Mitte der 60er Jahre wurden auch in Deutschland Forderungen nach verbesserter Kleinkinderziehung laut. Und so folgte die Bundesrepublik dem amerikanischen Motto, dass jedes Kind mit geeigneter Methode alles lernen könne. Die Bedeutung frühkindlicher Entwicklung wurde betont. Persönlichkeitsentwicklung wurde als Teil der Lerngeschichte verstanden (vgl. Paus-Haase, I. (1995)).

Doch das Budget für die Bildung war zu gering, als dass ein Wechsel zu einer leistungsorientierten Vorschulerziehung hätte vollzogen werden können. Da der Fernseher ohnehin nicht mehr aus dem Leben von Kindern wegzudenken war und Forschungen aus den USA und Erfahrungen auch aus anderen Ländern gute Ergebnisse versprachen, Wissen über das Fernsehen zu vermitteln, wenn es denn nur entsprechend verpackt sei, wurden diese Erfahrungen genutzt. Die Idee des Vorschulfernsehens war auch in Deutschland geboren. Wissenschaftler und Bildungspolitiker forderten die Einbeziehung des Fernsehens in die Vorschulerziehung (Paus-Haase, I. (1995)).

Hans-Dieter Kübler und Claudia Lipp (1979, S.212) fassen die Situation der deutschen Bildungspolitik so zusammen: „Da Kindergärten und Personal fehlten, bot sich als probater und billiger Lückenbüßer einer versäumten Bildungspolitik das Fernsehen an, dessen Beliebtheit auch bei den Kleinsten nicht mehr verschwiegen zu werden brauchte.“

In Deutschland wurde die Serie Sesamstraße 1970 beim Prix Jeunesse International (Preis zur Diskussion und Prämierung von weltweit herausragendem Kinderfernsehen) vorgestellt und ausgezeichnet.

ZDF und NDR stritten bereits ein Jahr zuvor, direkt nach dem Start in den USA, um die Rechte an der Sendung. Weil in Mainz das Projekt vor allem unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet zu werden schien, den Amerikanern aber vor allem der pädagogische Aspekt wichtig war, entschieden sie sich für den NDR. Wie in den USA wurde das Magazin auch in Deutschland mit staatlichen Mitteln gefördert (vgl. Paus-Haase, I. (1995)).

2.1.2 Warum aus der Sesame Street die Sesamstraße wurde – die Schwerpunktfrage

Am 1. August 1972 wurde die amerikanische Originalfassung zum ersten Mal in den Dritten Programmen des deutschen Fernsehens ausgestrahlt. Die erste deutsche Bearbeitung, die nun den Namen Sesamstraße und nicht mehr Sesame Street trug, folgte am 8. Januar 1973. Einzig der Bayerische Rundfunk (BR) lehnte eine Ausstrahlung ab. Seine Gründe: die Sendung sei nicht auf die deutschen Verhältnisse zugeschnitten, das Auffassungsvermögen durch die Sesamstraße überfordert. Zudem missfiel ihm die damalige Nutzung von Mitteln und Methoden der Marktwerbung.

Um die Problematik der Übertragung von amerikanischen Straßen- und Slumszenen auf deutsche Verhältnisse aufzuheben, verzichtete die deutsche Sesamstraßen-Redaktion von 1976 an auf die amerikanischen Szenen. Doch nun fehlten den jungen Zuschauern die wiedererkennbaren Orte und Identifikationsfiguren, so dass ein neues Konzept entwickelt wurde und von 1978 an die neuen Puppen Samson, Tiffy und Co. zusammen mit deutschen Darstellern in einer typisch deutschen Umgebung in der Sesamstraße zu sehen waren (vgl. Bents, I., Weiß, S. (2000)).

Nach Paus-Haase (1995) liegt der in Deutschland produzierte Anteil der Sesamstraßen-Programmelemente inzwischen bei rund 50 Prozent. Grund für diesen hohen Anteil an Eigenproduktion sind die unterschiedlichen Zielvorstellungen: Lange Zeit war das Ziel der amerikanischen Version vor allem die Förderung von Kindern aus bildungsfernen Schichten, die Vorbereitung auf die Schule sowie eine allgemeine intellektuelle Anregung. So enthielt sie vor allem Vorübungen zum Lesenlernen, Anregungen zum Umgang mit Zahlen und Größenverhältnissen, Übungen zur Wahrnehmung und zu räumlichen und zeitlichen Beziehungen (vgl. Greenfield, P. M. (1987)). Zur aktuellen Entwicklung sagt Sesamstraßen-Redakteurin Sandra Le Blanc in der Sesamstraßen-Pressemappe von Bents und Weiß (2000): „Heute weiß man auch in Amerika, dass man genauso viel für die emotionale, soziale Entwicklung der Kinder tun kann wie für die kognitive.“

Die deutsche Sesamstraße dagegen hat stets Wert gelegt auf das Erlernen von sozialem Verhalten, von Kreativität und Selbstbewusstsein. Der lange Zeit in Amerika vorherrschende Schwerpunkt des kognitiven Lernens wurde in Deutschland durch den des sozialen Lernens in den Hintergrund gedrängt.

2.1.3 Unter der Lupe: die Sesamstraße als Forschungsobjekt

Schon frühe Sesamstraßenstudien zu den aus heutiger Sicht alten Folgen zeigen, dass die Sesamstraße in der Lage ist, ihre kognitiven und sozialen Lernziele zu vermitteln. So kommen etwa Ball und Bongatz (1970) zu dem Ergebnis: „Children, who viewed Sesame Street achieved many of the stated goals in letters, numbers and forms, and they gained appreciably in their skills in sorting and classifying“ (S. 366). Und Charlton und Mitarbeiter (1975) urteilen, dass das in Filmsequenzen zum Lernziel „Kooperatives, verständnisvolles Handeln“ zum Beobachtungslernen „besonders geeignet“ sei. Auch wenn sie einräumen, dass ihre Untersuchung u.a. durch ausgewählte und thematisch neu zusammengeschnittene Szenen, die den Kindern ihrer Stichprobe gezeigt wurden, nur begrenzt auf Alltagssituationen übertragen werden könne, kommen sie zum dem Ergebnis, dass „die Sendereihe insgesamt dazu geeignet ist, soziale Verhaltensweisen bei Kindern zu beeinflussen.“

Auch aktuelle Studien zeigen, dass das Konzept der Wissensvermittlung der Sesamstraße aufgeht und es sich somit eigentlich für die Eltern lohnen würde, ihre Kinder die Sesamstraße sehen zu lassen (vgl. Rogge (2000) im folgenden Absatz).[5] Doch was glauben die Eltern? Schwelgen sie, wie die eingangs zitierten Zeitungsartikel nahe legen, in nostalgischer Erinnerung an die (sei es die amerikanische oder die deutsche) Sesamstraße ihrer Kindheit und gehen deshalb auch davon aus, dass die alten Folgen lehrreicher sind? Oder sehen sie bei der Betrachtung konkreter Fragen wie etwa der Lehrtauglichkeit keine großen Unterschiede? Das wird diese Studie zeigen.

Rogge (2002) hat die aktuellen Folgen untersucht und ihre pädagogische Wirkung in Besonderheiten der Sesamstraße gezeigt, die auch für alte Folgen gelten: dass etwa die direkte Ansprache der Kinder durch die Figuren in der Sesamstraße gut und wichtig ist. Dadurch, so Rogge, „fühlen sich die Kinder angenommen, es wird eine quasi persönliche Beziehung zu ihnen hergestellt, die für die weitere Wissensvermittlung, die Umsetzung der intendierten Lernziele wichtig ist. Denn je sympathischer der Protagonist, je kompetenter seine Erklärungen, je mehr er Kinder dort abholt, wo sie sind – und dies ist räumlich und intellektuell gemeint –, desto mehr sind Kinder bereit, sich auf ihn und seine Fähigkeiten einzulassen“. Auch das Prinzip der Einspielfilme im Wechsel mit Studio- und Muppetgeschichten erscheint nach dieser Studie sinnvoll: Laut Rogge wenden Kinder beim Sehen der Sesamstraße besonders dann ihren Blick zum Fernseher, wenn die Muppets, also Puppen wie Ernie und Bert, erscheinen. Nebenaktivitäten, die nichts mit der Sendung zu tun haben, hören dann auf. Die Einspielfilme (wie Real- oder Bastelfilme) werden dagegen oftmals genutzt, um gedanklich abzuschalten, bis die nächste Muppets-Geschichte zu sehen ist. Eine Sendung ununterbrochen über 30 Minuten zu verfolgen ist Kindern im Sesamstraßenalter noch nicht möglich. Was die Eltern von dem Kurzfilmprinzip halten, wird in der vorliegenden Studie untersucht.

Eltern beeinflussen den Lernerfolg ihrer Kinder beim Sehen der Sesamstraße: „Children`s learning from Sesame Street occurs within a web of other influences in the social and physical environment, where parental encouragement and participation in the child´s viewing can help increase the learning.” (Mielke, K.W. (2001, S. 93)) Warum das so ist, zeigt der folgende Abschnitt.

2.2 Die Rolle der Eltern beim Lernen mit der Sesamstraße

Diese Studie geht davon aus, dass für den Erfolg der Sesamstraße die Einstellung der Eltern von Bedeutung ist. Denn:

- Wenn die Eltern der Sendung positiv gegenüber eingestellt sind und das ihrem Kind auch zeigen, sie also eine angenehme Atmosphäre verbreiten und diese mit der Sesamstraße verbinden, wird sich dies positiv auf das Lernen auswirken. Walter Edelmann (2000, S. 242) schreibt dazu: „Die Auswirkungen von Emotionen auf kognitive Leistungen können fördernd sein (angenehme, entspannte Lernatmosphäre fördert Problemlösen) ().“ Die Gelegenheit zum eigenständigen Lösen von Problemen wird den Kindern in der Sesamstraße gegeben. So werden die Kinder beispielsweise explizit dazu aufgefordert, gemeinsam mit den Muppets mitzuzählen, es werden Fragen an die Kinder gestellt, auf die eine Pause folgt, in der die Kinder nachdenken können (vgl. Köppe, G. (1973)) oder sie haben die Chance, selbst darüber nachzudenken, wieso etwa das Licht im Kühlschrank leuchtet, sobald sich die Tür öffnet (Sesamstraßen-Folge 2055). Sie haben die Gelegenheit, genau wie die Puppen der Geschichte, über diese Frage nachzudenken, bis sie am Schluss die wahre Lösung erfahren.

- Einstellungen werden gelernt. Nach Allport (1954) werden die meisten Einstellungen durch Kommunikation mit Familienmitgliedern erworben. Bandura (1965) weist zudem darauf hin, dass „ein Beobachter (...) durch Empathie[6] und stellvertretendes klassisches Konditionieren[7] Einstellungen erwerben“ kann (zitiert nach Herkner, W. (1986). S. 224). Ein Kind etwa, das wiederholt beobachtet, wie die Mutter beim Aussprechen des Wortes „Sesamstraße“ ein fröhliches Gesicht macht, kann auf diese Weise eine positive Einstellung zur Sesamstraße gewinnen. Die positive Einstellung wiederum fördert den Lernerfolg und sorgt dafür, dass die Sendung überhaupt gesehen wird. Und je öfter die Sesamstraße gesehen wird, desto größer ist nach Ball, S., Bongatz, G. (1970) der Lernerfolg.

- Positive Kommentare der Eltern zum Sehen der Sesamstraße können als positive Verstärker[8] angesehen werden. Dadurch sieht das Kind die Sendung beim nächsten Mal umso lieber, da es sich der Anerkennung der Eltern sicher sein kann. Abermals gilt, dass die so „geschaffenen“ positiven Emotionen das Lernen begünstigen.

- Die Sesamstraße ist besonders dann lernfördernd, wenn die Eltern mit ihrem Kind über die Sendung sprechen (vgl. Ball, S., Bongatz, G. (1970) sowie Berghaus, M. et al. (1978))[9]. Dazu wird in dieser Studie angenommen, dass vor allem die Eltern mit ihrem Kind über die Sesamstraße sprechen, die der Sendung positiv gegenüber eingestellt sind.

2.3 Eltern, Kinder, ihr Fernsehverhalten und die Frage nach der Nostalgie

2.3.1 Generationenbeziehungen beim Fernsehen

Gibt es Zusammenhänge zwischen dem Fernsehverhalten von Eltern und ihren Kindern? Dieser Frage geht Stefan Weiler (1999) in seiner Studie zur Entwicklung von Medienpräferenzen nach[10]. Er zeigt, dass sich als „maßgebliche Einflussfaktoren für kindliche Medienpräferenzen und Medienkonsum (...) Kindheitserlebnisse von Vater und Mutter“ erweisen (S.260). Nach Weiler (1999) ist der Stil der nachfolgenden Generation im Umgang mit Medien, die Bevorzugung bestimmter Medien und Medieninhalte vor allem auf die Familie und deren Vorlieben zurückzuführen. Auch nach Grüninger und Lindemann (2000, S.189) stehen „viele Medienaktivitäten von Eltern (...) in einem direkten Zusammenhang mit denen der Vorschulkinder“. Dies gelte insbesondere für das Fernsehen. Der Grund dafür liege unter anderem schon daran, dass das elterliche Wohnzimmer der am häufigsten genutzte (Fernseh-) Raum sei. Dadurch könnten sich Kinder schnell an die Sehgewohnheiten der Eltern anpassen und „Genrepräferenzen sowie Konsumbesonderheiten von Eltern () übernehmen“. Ebenso stellen Kübler und Swoboda (1998) fest, dass die Gewohnheiten und Werte sowie die Nutzung und Bewertung des Fernsehens durch die Eltern genügen, um den Stellenwert zu beeinflussen, den die Kinder dem Fernsehen einräumen. „Primär sind es die Mediengewohnheiten und –bewertungen der Eltern selbst, denen die Kinder nacheifern“ (S. 26). So stimmten auch die Fernsehprogramme, die kleine Kinder mögen, mit denen überein, die die Eltern für sie aussuchen und befürworten. Als Beispiel nennen Kübler und Swoboda (1998) die Sesamstraße, die Sendung mit der Maus und das Sandmännchen, von denen drei- und vierjährige Kinder ebenso begeistert seien wie ihre Eltern. Für 14 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen war nach Angaben der Eltern die Sesamstraße die Lieblingssendung. Auf die traditionellen Vorschulsendungen Sesamstraße, die Sendung mit der Maus und das Sandmännchen entfallen zusammen mehr als die Hälfte der Stimmen. Selbst nach ihrer Lieblingssendung befragt, nannten 28 Prozent der 63 Kinder die Sesamstraße als Topp-Favoriten. Die vorliegende Sesamstraßenstudie wird der Frage nachgehen, ob es Übereinstimmungen gibt zwischen den Lieblingssendungen der Eltern in ihrer eigenen Kindheit und den Lieblingssendungen ihrer Kinder heute.

Kübler und Swoboda (1998, S. 178) sagen, dass Familien versuchen, „rational und reflexiv“ mit dem Fernsehen umzugehen. Dabei bemühen sie sich um bestimmte Regelungen, wie etwa, nur pädagogisch konzipierte bzw. anerkannte Programme auszuwählen. Ob es sich dabei um Sendungen der eigenen Kindheit handelt, dazu machen Kübler und Swoboda keine Angaben.

Die bisher genannten Untersuchungsergebnissen führen zur ersten Hypothese , dass Eltern Sendungen für ihre Kinder auswählen, die sie selbst früher gern gesehen haben. Diese Annahme liegt besonders deshalb nahe, weil es sich etwa bei der Sesamstraße, dem Sandmännchen und der Sendung mit der Maus um Klassiker handelt, die auch schon in der Kindheit der heutigen Elterngeneration zu sehen waren[11]. Besonders interessant wird diese Annahme, wenn man bedenkt, dass „heute das Angebot an Fernsehsendungen, die für Vorschulkinder gemacht werden (), unüberschaubar groß geworden“ ist (vgl. Grüninger, C., Lindemann, F. (2000), S. 9), die Eltern aber offenbar dennoch vor allem die Klassiker attraktiv finden.

Aus den Überlegungen zur ersten Hypothese, dass Eltern Sendungen für ihre Kinder auswählen, die sie in ihrer eigenen Kindheit selbst gern gesehen haben, ergibt sich die zweite Hypothese, wenn man den Blick vom allgemeinen abwendet und konkret auf die Sendung Sesamstraße lenkt: Eltern, die früher gern die Sesamstraße gesehen haben, sind der Sendung gegenüber auch heute noch positiv eingestellt.

Stefan Weiler (1999) fragt in seiner Studie zwar auch nach Fernseherfahrungen in der Kindheit, setzt diese aber nicht mit den Lieblingssendungen der Kinder der Befragten in Beziehung. Er stellt jedoch richtig fest, dass „Informationen, die die Kindheit insgesamt und insbesondere periphere oder begleitende Ereignisse wie z.B. (...) medienbiographische Informationen betreffen, (...) den Mängeln der Rückbesinnungsfähigkeit der Befragten (...) ausgesetzt“ sind (S. 88). Dennoch sei die tatsächliche Erinnerungsleistung der Eltern besser als sie sie selbst einschätzten: während mehr als die Hälfte der Eltern glaubte, nur geringe Kenntnisse über die eigene Kindheit zu haben, wurden mehr als vier Fünftel der Eltern in die Kategorie „besitzen viele Erinnerungen“ (S. 91) eingestuft[12], nur 17 Prozent wussten wenig über sich und ihre Kindheit zu berichten.

Insofern scheinen Befragungen nach Kindheitserinnerungen, wie sie auch in dieser Sesamstraßen-Arbeit vorkommen, trotz der Gefahr der Erinnerungsverzerrung durchaus sinnvolle Ergebnisse zu erzielen.

Als beliebteste Fernsehfiguren von Kindern entpuppten sich in Interviews von Kübler und Swoboda (1998) mit 220 Kindern Ernie und Bert aus der Sesamstraße (7,7 Prozent). Samson (5,5 Prozent) war unter allen Fernsehfiguren auf Platz drei, was einem zweiten Platz innerhalb der Sesamstraßenfiguren entspricht. Auch der rosa Vogel Tiffy aus der Sesamstraße hat es unter die Topp-20 der beliebtesten Fernsehfiguren geschafft und landete auf Platz 13 (1,8 Prozent) und ist damit die drittbeliebteste Sesamstraßenfigur. Auch nach Rogge (2002) gehören Ernie und Bert und Tiffy zu den beliebtesten Sesamstraßenfiguren von Kindern. Darüber hinaus auch die Schnecke Finchen und das Krümelmonster, aber auch die neu eingeführte Schauspielerfigur des Zauberer Pepe. In der vorliegenden Sesamstraßenstudie soll nun untersucht werden, ob verschiedene Sesamstraßenfiguren, die in der Sesamstraße der Kindheit der Eltern vorkamen und auch in der aktuellen zu sehen sind, damals oder heute beliebter sind und wie es sich mit den Schauspielern verhält, die damals mitspielten, heute aber in ihrer Funktion (etwa Erwachsener der Rahmenhandlung) ersetzt wurden. Gemäß den eingangs zitierten Zeitungsartikeln (vgl. Kapitel 1) wird in der dritten Hypothese davon ausgegangen, dass die alte Sesamstraße lieber gemocht wird als die neue. Dabei wird angenommen, dass es die Schauspieler der alten Folgen sein könnten, die nunmehr in ihrer Funktion ersetzt wurden, die vermisst werden. Der Ersatz alter Schauspieler würde nach dieser Annahme zu einer Minderung der Sympathie gegenüber der aktuellen Sesamstraße führen. Somit wird zusammenfassend in dieser Arbeit von einem Nostalgieeffekt ausgegangen, hier verstanden als das Phänomen, sich nach Altem zurückzusehnen und Neues, was dieses Alte abgelöst hat, weniger positiv einzuschätzen als das Alte.

2.3.2 Die Frage nach der Nostalgie

„Eine sentimentale[13] Beschwörung vergangenen Glücks breitet sich aus: jene Sehnsucht nach den alten Tagen des Starsystems“, zitiert Volker Fischer (1980) das englische Magazin Films and Filming und bezieht sich damit auf das „Starsystem Personenkult“: In den 70er Jahren sei der Trend entstanden, alte Schauspieler, die „Stars von gestern () nach jahrelanger Filmabstinenz“ wieder vor die Kamera zu holen. „Die großen Stars sind die direkte Verbindung zu Kindheitsvorstellungen“, zitiert Fischer weiter. - Nostalgie zu den Schauspielern der Kindheit. Ob dies auch heute und speziell in Bezug auf die Sendung Sesamstraße gilt, soll in dieser Arbeit untersucht werden. Anders als in den 70ern, als die beliebten Schauspieler von einst in neuen Filmen abermals ihr Publikum beglückten und zugleich in der „Renaissance der lange totgewähnten deutschen Heimatfilme“ in wieder ausgestrahlten Filmen der 50er Jahre zu sehen waren, bleiben die ehemaligen Darsteller der Sesamstraße in der Versenkung verschwunden. – Wenigstens, was die Sesamstraße selbst angeht. Hier werden statt der Altstars, die die heutigen Eltern aus der Sesamstraße ihrer Kindheit kennen, junge neue Schauspieler wie Nils Julius und Miriam Krause alias Caro als „Identifikationspaar für junge Eltern“ vor die Kamera geholt (Zitat vgl. Bents, I., Weiß, S. (2000)). Ob das eine gute Idee ist oder ob die Eltern lieber in nostalgischer Erinnerung an ihre eigene Kindheit an die ihnen lang vertrauten Schauspieler zurückdenken und den neuen Darstellern gar keine Chance geben, soll diese Untersuchung zeigen.

Untersucht werden sämtliche Fragen mit Hilfe eines Internetfragebogens. Von den Vorteilen dieser Befragungsmethode und der Zusammenstellung der Stichprobe handelt der nächste Abschnitt.

3. Methode

Ziel dieser explorativen Studie ist es, Anhaltspunkte für spätere Erhebungen auf dem Gebiet der Sesamstraßen-Nostalgie-Forschung zu geben.

Mit Hilfe eines Fragebogens werden die folgenden Hypothesen getestet:

- Eltern wählen Sendungen für ihr Kind aus, die sie in ihrer eigenen Kindheit selbst gern gesehen haben,
- Eltern, die als Kind gern die Sesamstraße gesehen haben, sind der Sendung gegenüber auch heute noch positiv eingestellt,
- Eltern mögen die alten Folgen, die sie aus ihrer Kindheit kennen, lieber als die aktuellen Folgen

Laut Zimbardo (1995) sind Befragungen „der primäre, wenn nicht der einzige methodische Zugang zur Information über Glauben, Einstellungen, Gefühle, Motive (...) von Menschen“ (S.25). Und genau darum geht es in dieser Untersuchung: um Einstellungen zur alten und neuen Sesamstraße und um die Einstellung dazu, ob die Sendungen, die die Eltern als Kind im Fernsehen gesehen haben, auch gut für ihre eigenen Kinder sind.

Im folgenden wird zunächst die Auswahl der befragten Personen erläutert, anschließend das methodische Vorgehen im Detail dargestellt.

3.1 Die Stichprobe: 31 Eltern mit Sesamstraßenkenntnissen

Als Mindestgröße für die Stichprobe wurde die Anzahl von 30 Eltern festgesetzt. Da es sich bei dieser Untersuchung um eine Pilotstudie handelt, erschien diese Zahl als angemessen. Pilotstudien sind „eine Simulation der (späteren, Anmerkung d. Verf.) Hauptstudie (...). (...) Prozeduren und Verfahrensabläufe einschließlich der Erhebungsmethoden werden(...) lediglich in kleinerem Maßstab getestet und angewendet“[14]. Anhand einer kleinen Stichprobe sollen Anhaltspunkte für größere Untersuchungen gegeben werden.

Nach folgenden Kriterien wurden die Versuchspersonen für die Studie ausgewählt:

- Es mussten Eltern sein mit Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren, also Eltern, deren Kinder zur Zielgruppe der Sesamstraße gehören (vgl. Bents, I., Weiß, S. (2000)). Es sollte untersucht werden, wie diese Eltern gegenüber der alten und aktuellen Sesamstraße eingestellt sind[15] .
- Alte wie aktuelle Sesamstraßenfolgen durften nicht gänzlich unbekannt sein. Das Ausfüllen des Fragebogens wäre sonst nicht sinnvoll möglich, da sich die zweite und dritte Hypothese mit der Einstellung der Befragten zur Sesamstraße ihrer Kindheit sowie zur neuen Sesamstraße befassen und der Fragebogen folglich entsprechend konstruiert wurde.

[...]


[1] Bents, I., Weiß, S. (2000): Sesamstraße. Pressemappe des Norddeutschen Rundfunk

[2] So erklärt etwa Sesamstraßen-Redakteurin Anke Schmidt-Bratzel im Interview für die Sesamstraßen-Pressemappe (2003): „Die „Sesamstraße“ ist auch ein Familienformat. (.) Bei Dirk Bach oder Marianne Sägebrecht haben wir bewusst nach Schauspielern gesucht, die auch für Erwachsene das Fantasievolle verkörpern.“ (Quelle: Möllmann, B., Bents, I., Weiß, S. (2003): 30 Jahre Sesamstraße. Pressemappe der Programmdirektion Erstes Deutsches Fernsehen / Presse und Information)

[3] vgl. Zitate im Einleitungsteil von Helge Hopp in der „Berliner Zeitung“ vom 7. Januar 2003, Jakob Hein in „Die Welt“ vom 4. Januar 2003, Frank Olbert in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 2.April 2001, Meike Günzel in „Die Welt“ am 13. Mai 2000

[4] zitiert und modifiziert nach Lietz, B. (2002). Soziales Lernen in der Sesamstraße – Wie ein Fernsehmagazin pädagogische Erziehungsarbeit leistet (Hausarbeit an der TU-Braunschweig); ebenso Abschnitt 2.1.2

[5] Studien, die die aktuellen Folgen mit alten amerikanischen oder alten deutschen hinsichtlich der Lehrtauglichkeit vergleichen, liegen nicht vor.

[6] Empathie ist nach Bischof-Köhler (1998) die „Erfahrung, unmittelbar der Gefühlslage bzw. der Intention einer anderen Person teilhaftig zu werden und sie dadurch zu verstehen“. Empathie gilt danach als primär emotionaler Erkenntnismechanismus, zu dem Kinder vom Alter zwischen 15 und 24 Monaten an in der Lage sind. Es geht dabei nicht um das „Hineindenken“ in eine andere Person („was würde ich an seiner Stelle fühlen?“), zu dem Kinder erst ab dem vierten Lebensjahr in der Lage sind. (Quelle: Bischof-Köhler, D. (1998). Zusammenhänge zwischen kognitiver, motivationaler und emotionaler Entwicklung in der frühen Kindheit und im Vorschulalter. In: Keller, H. (Hrsg.) (1998). Entwicklungspsychologie. Bern: Verlag Hans Huber)

[7] Beim klassischen Konditionieren wird eine neue Assoziation zwischen zwei Reizen gelernt. (nach Zimbardo (1995))

[8] Ein positiver Verstärker ist nach Zimbardo (1995) ein Reiz, der zu einem Anstieg der Auftretenswahrscheinlichkeit einer Reaktion führt, wenn er zu einer Situation hinzutritt.

[9] Rund 70 Prozent der Eltern der Grüninger-und-Lindemann-Studie (2000, Seite 133) sprechen immer oder häufig mit ihrem Kind über die im Fernsehen gesehenen Inhalte.

[10] Die Studie beruht auf Daten des ZDF-Kinderpanels „Dinofon“, die zwischen 1993 und 1997 in drei Wellen erhoben wurden und „bis dato lediglich für ausgewählte Veröffentlichungen zur allgemeinen Mediennutzung und speziellen Einzelfragen sowie für ZDF-interne Studien zur Verfügung standen. Sie repräsentieren ein bis dato einzigartiges Sample an Informationen zur Mediennutzung von Kindern und Eltern mit quer- und längsschnittartigem Untersuchungsdesign bei nahezu repräsentativer Datenbasis.“ (Weiler, S. (1999). Die neue Mediengeneration: Medienbiographien als medienpädagogische Prognoseinstrumente; eine empirische Studie über die Entwicklung von Medienpräferenzen. (Seite 62) München: Verlag Reinhard Fischer.)

[11] Die Sesamstraße gibt es seit 30 Jahren in Deutschland (vgl. Möllmann, B., Bents, I., Weiß, S. (2003): 30 Jahre Sesamstraße. Pressemappe der Programmdirektion Erstes Deutsches Fernsehen / Presse und Information), das Sandmännchen seit 1958 (Stock, H.-J. (1995). Das Kinderprogramm des DDR-Fernsehens. In: Erlinger, H.D: Handbuch des Kinderfernsehens. (Seite 43 - 86)). Konstanz: Universitäts-Verlag) und die Sendung mit der Maus seit 1971 (Stötzel, D.U. (1995): Die Maus wird älter. Redaktions- und Sendekonzept einer Kindersendung im WDR. In: Erlinger, H.D. (1995).(Seite 193 - 203)).

[12] Problematisch ist an der Weiler-Studie jedoch, dass in diesem Zusammenhang nicht klar formuliert wird, welche Kriterien erfüllt sein müssen, um in die jeweilige Kategorie eingestuft zu werden.

[13] Auf die Darstellung des historischen Bedeutungswandels des Begriffs der Nostalgie wird an dieser Stelle verzichtet. Sie würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und ist für die vorliegende Studie nicht von Bedeutung. Gleiches gilt für die unterschiedlichen Deutungsversuche der Nostalgie durch verschiedene wissenschaftliche Disziplinen, deren „einzelwissenschaftliche Erklärungsmuster (...) der Komplexität des Verhaltensmodus Nostalgie kaum gerecht“ werden (Fischer (1980)). Zu Entstehung und Wandel des Begriffs der Nostalgie sowie den unterschiedlichen Deutungsansätzen vgl. Fischer, V.(1980). Nostalgie – Geschichte und Kultur als Trödelmarkt. Luzern und Frankfurt: Verlag C.J. Bucher

[14] Bellach, B.-M., Hense, H.-W., Hoffmann, W. (1999). Leitlinien und Empfehlungen zur Sicherung guter Epidemiologischer Praxis . (Quelle: http://www.rki.de/GESUND/EPIDEM/GEP_LANG.PDF). Zwar handelt es sich hier nicht um eine epidemiologische Untersuchung, doch ist die Definition des Stichprobenbegriffs als allgemeingültig zu betrachten.

[15] Warum davon ausgegangen wird, dass die Einstellung der Eltern wichtig ist für den Erfolg der Sesamstraße wird im Abschnitt 2.2 erläutert.

Fin de l'extrait de 124 pages

Résumé des informations

Titre
30 Jahre Sesamstrasse - Anlass zur Nostalgie?
Université
Technical University of Braunschweig  (Psychologie)
Note
eins
Auteur
Année
2003
Pages
124
N° de catalogue
V18981
ISBN (ebook)
9783638232173
Taille d'un fichier
1529 KB
Langue
allemand
Mots clés
Jahre, Sesamstrasse, Anlass, Nostalgie
Citation du texte
Barbara Lietz (Auteur), 2003, 30 Jahre Sesamstrasse - Anlass zur Nostalgie?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18981

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